Cover

Titel

Jörg Fischer | Elisabeth Tuider (Hrsg.)

 

Sozialer Zusammenhalt

 

4. Sonderband Sozialmagazin

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Logo BELTZ Juventa

 

 

Über die Autor*innen

Prof. Dr. Jörg Fischer ist Professor für Bildungs- und Erziehungskonzepte an der Fachhochschule Erfurt und leitet das Institut für kommunale Planung und Entwicklung – An-Institut der FH Erfurt (IKPE).

Prof. Dr. Elisabeth Tuider hat die Professur „Soziologie der Diversität“ an der Universität Kassel inne. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der Geschlechterforschung, der Migrations- und Rassismusforschung, in den cultural- und postcolonial studies, und der Sexualwissenschaft.

 

 

Impressum Verlag

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme.

Dieses Buch ist erhältlich als:
ISBN 978-3-7799-6115-4 Print
ISBN 978-3-7799-5415-6 E-Book (PDF)
ISBN 978-3-7799-6668-5 E-Book (ePub)

1. Auflage 2021

© 2021 Beltz Juventa
in der Verlagsgruppe Beltz · Weinheim Basel
Werderstraße 10, 69469 Weinheim
Alle Rechte vorbehalten

Herstellung: Ulrike Poppel
Satz: Helmut Rohde, Euskirchen
Druck und Bindung: Beltz Grafische Betriebe, Bad Langensalza
Printed in Germany

Weitere Informationen zu unseren Autor_innen und Titeln finden Sie unter: www.beltz.de

 

 

Inhalt

Inhalt

Cover

Titel

Über die Autor*innen

Impressum Verlag

Inhalt

Einleitung

1   Eine grundlegende Frage der Zeit: Sozialer Zusammenhalt

Das Soziale Band – Theoretische Auslotungen

2   Das Ich, das Wir und „die“ Anderen. Sozialer Zusammenhalt zwischen Ungleichheitskritik und exklusiven Gemeinschaften

3   „… und nicht vergessen: die Solidarität!“? ‚Sozialer Zusammenhalt‘ in der Perspektive Sozialer Bewegungen

4   In einer zerrissenen Republik schwindet der Zusammenhalt. Die sozioökonomische Ungleichheit erschwert das Miteinander

5   Sozialer Zusammenhalt in zunehmenden Ungleichheiten

Sozialen Zusammenhalt gestalten

6   Förderung des sozialen Zusammenhalts auf kommunaler Ebene – Gestaltungsspielräume und Handlungsansätze

7   Caring with: Ansätze für eine Politik der _Mit_Sorge in Zeiten der COVID-19-Pandemie

8   Selbstdarstellung statt sozialen Zusammenhalts im Zeitalter der Digitalität

9   „Das geht nicht, wir müssen was machen!“. Ambivalenzen von Solidarität in der aktiven Bürgergesellschaft

10   Zertifizierte Solidarität. Zur Kritik der „ethischen Ökonomie“ des Fairen Handels

Schlussfolgerungen und Utopien

11   Vom Süden lernen? Eine kritische Rezeption indigenen Denkens

12   Utopie einer inklusiven Gesellschaft

Impressum sozialmagazin

 

Einleitung

1   Eine grundlegende Frage der Zeit: Sozialer Zusammenhalt

Elisabeth Tuider, Jörg Fischer

1.   Einleitung: Sozialer Zusammenhalt in der Covid 19 Krise

Seit einigen Monaten wird sozialer Zusammenhalt und gesellschaftliche Solidarität auf die Probe gestellt. Die Bewältigung der globalen Covid-19 Pandemie fordert Nationalstaaten, Regionen, Familien, Menschen und Nachbarschaften heraus. Recht schnell wurde in Coronazeiten auch deutlich, dass die Coronapandemie auch eine soziale Krise ist, die sich auf das individuelle Wohlbefinden, die Verletzlichkeit von prekären Bevölkerungsgruppen und schließlich auch das gesellschaftliche Miteinander massiv auswirkt. Gleichzeitig deuten empirische Studien an, dass durch die Pandemie weniger neue Problemstellungen entstanden sind, sondern vielmehr sich die bereits existierenden sozialen Ungleichheiten verschärfen bzw. diese wie durch eine Lupe noch deutlicher zutage treten (vgl. Fischer/Kretzschmar/Rompczyk 2020, S. 91). Die schon jahrzehntelange Problematisierung der Unvereinbarkeit von Familie und Beruf durch die feministischen Bewegungen und die Geschlechterforschung wurde in Coronazeiten als Mehrfachbelastung von Familien offensichtlich, die aufgefordert waren, Stay-at-home mit Homeoffice und Homeschooling/Homekindergardening – im Sinne eines ‚home-everything‘ – zu verbinden. Nachdrücklich, aber mit mäßigem Erfolg, wurde darauf hingewiesen, dass das Zuhausebleiben Gebot von manchen Personengruppen, wie z. B. Obdachlosen in deutschen Großstädten sowie von den Marginalisierten und Armen in den favelas Brasiliens oder den südafrikanischen townships gar nicht erfüllt werden kann und dass manche Arbeit sich nicht einfach ins Homeoffice verlegen lässt, wie z. B. Sexarbeit oder Zustellservices. Die Retraditionalisierung von Geschlechterverhältnissen und Care-Work in der Familie und damit die Belastung von Müttern und insbesondere Alleinerziehenden wurde schnell zum Thema. Jutta Allmendinger fasste Mütter jüngst als „Verliererinnen“ der Corona-Politik und ihrer Gebote von Social Distancing, Stay-at-home und Homeoffice auf (Allmendinger 2021). Auch die Verschärfung von Bildungsungleichheiten durch das ‚Abhängen‘ von bildungsfernen Kindern und jungen Menschen durch den digitalen Unterricht, wie auch die Störungen desselben, das Zoombombing, wurden zum Thema.

Die Kehrseite der Regulation und Kontrolle von Nähe und Intimität, u. a. durch die social distancing-, Masketragen- und Zuhausebleiben-Gebote, ist dabei auch, dass die Bedeutung von sozialen Netzwerken, Familie (in ihrem breiten Verständnis) und Nachbarschaft für das Erfahren von Zusammenhalt bedeutsam wurden. Dieser Zusammenhalt wurde aber diskursiv und politisch als nationaler gerahmt. In Coronazeiten wurden nationale und z. T. auch regionale politische Strategien eingesetzt, um ein sich global ausbreitendes Virus einzudämmen. Fast schon dethematisiert wurden zur selben Zeit die Fluchtbewegungen über das Mittelmeer und die keineswegs coronakonformen Zustände in den Flüchtlingslagern am Rande Europas. Hingegen verschärfte sich ein Grenz- und Migrationsregime, dass auf Abschottung und die Stärkung des Nationalen setzt. Transnationalität und Internationalität in beruflichen wie in Alltagszusammenhängen wurden ins Digitale verlagert und zugleich erhärtete sich ein institutioneller Rassismus, der sich u. a. an der (saisonalen) Arbeitsmigration verdeutlichen lässt, die in Coronazeiten fast völlig zum Erliegen kam. Nur Spargelstechen und Erdbeerenpflücken waren auch im ersten Lockdown die Güter, für die weiterhin Arbeitsmigrant_innen als notwendig eingeschätzt und mithin ihre Grenzüberschreitung unabdingbar und ermöglicht wurde. Und obwohl die Organisation von Pflege ein breites Thema in der Öffentlichkeit war, und als ‚systemrelevant‘ ausgewiesen wurde, so stellte die hohe Vulnerabilität des oftmals ethnisierten und migrantisierten Haushalts-, und Pflege- und Carepersonals eine Leerstelle dar. Was wertvolle und was nicht so wertvolle Arbeit ist, wer Grenzen überschreiten darf und wer nicht, welche Pendelmigration also die gewünschte und welche die unerwünschte ist, wurde in Coronazeiten nicht nur thematisiert, sondern reguliert. Und die Antwort auf die Frage, wer unter welchen Bedingungen arbeiten, lernen und leben darf, macht die Rekonfiguration des Sozialen deutlich.

Denn in den Versuchen, die globale Ausbreitung der Pandemie einzudämmen und zu kontrollieren, wurde auch deutlich, dass nicht alle Menschen gleichermaßen Beschränkungen erfahren, und dass nicht jedes Leben gleich wert ist. In den sozialwissenschaftlichen Interpretationen wurde die politische Regulierung der Bevölkerung durch die coronabezogenen Krisen- und Gesundheitsdiskurse als „Biopolitik“ und „Nekropolitik“ erneut gerahmt (vgl. Foucault 1999, Mbembe 2011). Mit Biopolitik hat Foucault die neuen politischen Strategien in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erfasst, die er beschreibt als „Eintritt des Lebens in die Geschichte – der Eintritt der Phänomene, die dem Leben der menschlichen Gattung eigen sind“ (1983, S. 169) in das Terrain der Politik. Damit beschreibt Foucault Machtverhältnisse, die auf die Regulierung des Lebens (und nicht mehr des Todes) zielen. Auch in Coronazeiten ist die nekropolitische Frage virulent, welches Leben als lebens- und schützenswert eingestuft wird, „wer leben soll, und wer sterben kann“ (ebd.). So macht bspw. Christine Löw (2020) für die subalternen Frauen in Indien deutlich, dass diese sich zwischen „Schutz vor Coronaansteckung oder sozial-ökonomisches Überleben“ entscheiden müssen. Denn die „necropolitische Ausrichtung der staatlichen Verordnungen und Gesetze über den vergeschlechtlichten Körper reduziert Subjekte nicht bloß auf ihre prekären Existenzkonditionen, sondern verteilt hierarchisch angeordnete Bevölkerungsgruppen auf einem Kontinuum zwischen Leben und Tod“ (Löw 2020). Philipp Sarasins (2020) machtkritische Analysen der Formen des Regierens in Zeiten der Pandemie betonen dabei, dass es sich nicht um eine einfache Fortführung oder Übertragung biopolitischer Überlegungen handeln kann, sondern dass sich, Foucault folgend, verschiedene Formen des Umgangs, des ‚Regierens‘ – auch an den historischen Beispielen Lepra, Pest und Pocken – analysieren lassen. Die Gebote von ‚social distancing‘ und ‚stay-at-home‘ erfassen dabei zugleich das Sich-selbst-schützen und sich um-sich-selbst-sorgen – also Selbsttechniken – wie auch sich nachbarschaftlich und solidarisch zu verhalten – also gesellschaftliche Organisation (vgl. Sarasin 2020).

Mit den gesellschaftlichen Krisen- und Spaltungsszenarien, wie sie in Coronazeiten deutlich wurden, verbunden ist auch die Frage nach dem sozialen Zusammenhalt und Solidarität. Solidarität und Zusammenhalt wurden politisch stimuliert, u. a. lancierte die Bundesregierung die Aktion #wirbleibenzuhause und definierte damit das Einhalten von physischer Distanz zu anderen als Umsetzung von gesellschaftlichem Zusammenhalt.

Im September 2020 fragte die Wochenzeitung „Die ZEIT“ „Wie solidarisch sind wir noch?“ und vertrat die These, dass die Coronakrise die Solidarität stärke, was sich an den boomenden Nachbarschaftshilfen ebenso ablesen lässt, wie an neuen Internetplattformen wie z. B. Nebenan.de. Jede*r Zweite der 25–39-Jährigen hilft in der Krise, und ja, es entstünde eine neue Solidarität, denn die Krise berühre und erfasse alle Menschen – wenn auch nicht gleichermaßen.

Zu den Formen und Ausdrucksweisen im ersten Lockdown gehörte auch das gemeinsame abendliche Klatschen auf den Balkonen für die als ‚systemrelevant‘ ausgewiesenen Berufe oder das Spielen von Beethovens Sinfonie „Ode an die Freude“ für die Nachbarschaft sowie manchmal auch Mitmach-Sportangebote im Innenhof von Wohnhäusern. Doch haben sich Formen und Ausdrucksweisen von Solidarität über die Lockdownphasen auch verändert. Die Forschung von Barbara Rothmüller (2020) im Projekt „Intimität, Sexualität und Solidarität in Zeiten von Corona“ konstatierte, dass im April 2020 noch 64% der Befragten eine „solidarische Stimmung“ sahen. Diese Sichtweise habe sich jedoch verändert, denn nur noch 20% der Befragten erfahren diese solidarische gesellschaftliche Stimmung im zweiten Lockdown. Unter anderem war ein deutlicher Rückgang in den Nachbarschaftshilfen zu beobachten.

Die Sorge um die beruflich und sozial unsichere Zukunft schlägt sich auch im Wunsch nach mehr Solidarität nieder. Gefragt nach der Zufriedenheit mit der Solidarität zwischen den EU-Staaten im Umgang mit der Coronapandemie (Europaparlament Trends 6/2020 in Mitbestimmung 08/2020) zeigt sich deutlich, dass eine Mehrheit der Befragten sich mehr Solidarität wünscht (36% sind unzufrieden, 29% zufrieden).

Die Auswertungen des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) und der SOEP-CoV-Studie im Rahmen der Studie „Gesellschaftlicher Zusammenhalt in Zeiten von Corona“ (Kühne et al. 2020) fokussieren u. a. auf die lokale und zwischenmenschliche Ebene und sie analysieren das Vertrauen der Menschen in Andere sowie die Sorgen der Menschen um den gesellschaftlichen Zusammenhalt (vgl. ebd., S. 3). Ausgangsüberlegung dazu ist: „Das Vertrauen in Andere mag jedoch in Zeiten von Pandemien leiden, in denen zwischenmenschliche Kontakte eine potentielle Gesundheitsgefahr bergen und ihnen somit mit gesundem Misstrauen zu begegnen ist. Gleichzeitig mag der Eindruck, dass sich viele Mitmenschen an die Einschränkungen halten und sich achtsam begegnen, das zwischenmenschliche Vertrauen erhöhen.“ (ebd., S. 12). Die Analyse zeigt nun sowohl eine positive Entwicklung des zwischenmenschlichen Vertrauens in Coronazeiten als auch einen seit 2015 noch leicht gestiegenen positiven Blick auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt. „Während im Jahr 2019 noch 32 Prozent angaben, sich große Sorgen um den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu machen, liegt dieser Anteil während der Corona-Krise lediglich noch bei 22 Prozent. Eine mögliche Erklärung für den positiveren Blick der Menschen auf den Zusammenhalt in Deutschland ist das persönliche Erleben zwischenmenschlicher Unterstützung und Hilfe in der Corona-Krise, bspw. in der Nachbarschaft. So bewerten 70 Prozent der Befragten den Zusammenhalt in ihrer Nachbarschaft in der aktuellen Krisensituation als sehr gut oder gut.“ (ebd., S. 14)

2.   Sozialer Zusammenhalt oder das „Gewebe des Sozialen“ (Bedorf/Herrman 2016)

„Überall, wo Gesellschaft ist, gibt es auch Solidarität.“ (Bude 2019, S. 34) Nicht nur in Coronazeiten gerät also die Frage nach dem „Kitt des Sozialen“, dem „sozialen Zement“, dem „sozialen Netz“ in den Fokus – wie Ulrich Bröckling (2016, S. 392) einige der Metaphern zusammenfasst, die die soziologische Theorie zur Erfassung des sozialen Zusammenhalts und der Veranschaulichung sozialer Kohäsion bereithält. Vielmehr ist die Frage nach dem sozialen Band, nach dem sozialen Zusammenhalt, zentral in der Betrachtung von Gesellschaft. Der soziale Zusammenhalt, und v. a. die Metapher des Sozialen Bandes, stellt, so Lars Gertenbach (2016), eine „Schlüsselfigur der Soziologie“ (Gertenbach 2016, S. 72), ja eine der „politischen Semantiken der Moderne“ (ebd., S. 73) dar: „Seit ihren Anfängen hat die Soziologie die zentralen Fragen von Kohäsion und Ordnung des Sozialen verhandelt und sie hat hierbei in einem bemerkenswerten Ausmaß auf die Metaphorik von Band und Bindung zurückgegriffen.“ (ebd.) Gertenbach zeichnet dies von Durkheim und Tarde, über Parsons, Habermas, de Saussure und Loytard bis Latour nach. Bei Durkheim bspw. verweist das soziale Band auf die Kohäsions- und Integrationsprinzipien, die verschiedene gesellschaftliche Gruppen miteinander verbinden. Bei Latour ist es das Denken und Handeln in Netzwerken, wobei diese Subjekte, Objekte und nichtmenschliche Entitäten umfassten. Die Metapher des Sozialen Bandes formuliert dabei – mit Beginn der Moderne und der Etablierung der Soziologie – etwas Neues. Es handelt sich um nichts Geringeres als das die Ordnung konstituierende Band als soziales zu begreifen. Die soziale Ordnung gerät damit „in den Immanenzbereich der Gesellschaft selbst“ (ebd., S. 74). Damit verbunden sind Visionen zukünftiger Vergesellschaftung, Dystopien einer bindungslosen Gesellschaft, oder Utopien einer neuen an commens orientierten Gesellschaft (vgl. ebd.).

Grundlegend rekonstruieren Thomas Bedorf und Steffen Herrmann (2016) das „Gewebe des Sozialen“, also das soziale Band der Familie, Freundschaften, Verwandtschaften, Kleingruppen, Verbände und der Gesellschaft. Dazu unterscheiden sie zwischen horizontalen und vertikalen sozialen Bindungen und überall dort, wo diese vertikalen und horizontalen Bindungen miteinander verwoben sind, lassen sich auch diese (intersektionalen) Verwobenheiten rekonstruieren (vgl. ebd., S. 13). Bedorf und Herrmann lesen die gesamte Geschichte der Philosophie als Geschichte des sozialen Bandes: Bei Platon und Aristoteles reicht eine gute Gemeinschaft nicht aus, diese müsse auch inklusiv sein, sodass sich Individuen als Teil derselben auch verstehen (ebd., S. 19). Bei Hobbes hingegen ist es die vertragliche Verpflichtung des staatlichen Gemeinwesens, was alle Büger_innen zusammenhält. Auch für sie ist es Emil Durkheim, der mit seinem Begriff der ‚organischen Solidarität‘ in der arbeitsteiligen Gesellschaft den sozialen Zusammenhalt der modernen Gesellschaft am deutlichsten erfasst hat. Und an diese Überlegungen knüpfen auch verschiedene aktuelle Debatten zu Konvivialismus und commons an (vgl. ebd. 39-40). Deutlich wird, dass die Frage nach dem sozialen Zusammenhalt immer auch mit Fragen zur Normativität von Gemeinschaft und der Legitimität von Herrschaft verwoben sind.

Dabei begreift Heinz Bude den Sozialstaat als „Form institutionalisierter Solidarität“ (Bude 2019, S. 45), denn er kümmert sich um jene Mitmenschen, die aufgrund von Alter, Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit in die Kategorien der Versorgungsbedürftigkeit fallen (vgl. ebd.). Bude spricht in diesem Kontext von der „Solidaritätsmaschine des Sozialstaats“ (ebd., S. 52). In globalen Konstellationen sind einerseits Verringerung der Ungleichheit zwischen Gesellschaften bei gleichzeitiger Zuspitzung von Ungleichheiten innerhalb der Gesellschaft zu beobachten. Solidarität appelliert nun „an eine vielleicht nicht eingestehbare oder nicht darstellbare Gemeinschaft, wo wir zugleich losgelöst, unterschieden und gebunden sein können“ (ebd., S. 56). Wie nun diese Solidarität aussehen und begriffen werden kann, darauf gibt es unterschiedliche Antworten: „Mbembe lässt keinen Zweifel, dass nur die kommende Solidarität einer neuen Welt die gegeneinanderstehenden Solidaritäten der alten Welt auflösen kann. [….] Marx nennt sie die Welt, die aus der Vereinigung der Unterdrückten und Ausgebeuteten aller Länder entsteht, Emil Durkheim die Gesellschaft, in der wir die Dankbarkeit für unsere Vorfahren und die Verpflichtung für unsere Nachfahren empfinden. Jürgen Habermas das gemeinsame Schicksal, das wir zu erwarten haben und das uns deshalb nötigt, eine gemeinsame Perspektive einzunehmen, und Bruno Latour nennt sie schlicht und einfach die Erde, auf der wir zusammen mit allen anderen Erdenbewohnern leben und sterben.“ (Bude 2019, S. 162)

Deutlicher als Bude bezieht sich Isabell Lorey (2016) auf die Verwobenheit von Herrschaft und commons, wenn sie Prekarisierung als gouvernementale Praktik ausweist, die in vielen europäischen Ländern eine spezifische Form der Freiheit mitgeneriert, die sich im Begriff der „Selbstverantwortung“ verdichtet (Lorey 2016, S. 177). Auch Sorge und Schutz werden in neoliberalen Gesellschaften erneut privatisiert. Lorey schlägt nun eine Kehrtwendung vor, in dem sie sozialen Zusammenhalt nicht als Ergebnis von Sorge denkt, sondern Sorge und Verbundenheit zum Ausgangspunkt ihrer Überlegungen zum sozialen Zusammenhalt macht. Im Konzept der cuidadanía (ein spanischer Neologismus aus Bürger_innenschaft/ciudadanía und Sorge/cuidado) bündelt sie ihre Vorstellung von einer neuen Form des Zusammenlebens. „Sorge anders zu denken bedeutet auch, Emanzipation, Autonomie und Selbstbestimmung in neuer Weise zu verstehen.“ (Lorey 2016, S. 180 f.). Dies sei aber nur auf der Basis von drei Brüchen möglich: erstens der Bruch mit der Trennung von Öffentlich/Privat; zweitens der Bruch mit der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und ihrer nicht-entlohnten Sorgetätigkeit; drittens der Bruch der Trennung Autonomie/Abhängigkeit. „Das (neo-)liberale gouvernementale Zusammenspiel von Kontrolle, Regulierung und Regierung, das Bürger_innenrechte in der Logik des Bedarfs von Arbeitskräften und ‚Eignung als Konsument_innen‘ verleiht, wird durchbrochen, denn die cuidadanía ist jenseits (national-) staatlicher Grenzregime gedacht.“ (ebd., S. 182). Lorey treibt hier eine commons Debatte jenseits von Nationalstaatlichkeit voran, und die sich zugleich auch als antikapitalistisch versteht, oder mit Silvia Federici ausgedrückt „the principle of common/s can become the foundation of an anti-capitalist program“ (Federici 2016) insofern als Beziehungen ebenso wie Land oder Produktion auf das Gemeinwohl und die Gemeinschaft einer solidarischen Gesellschaft ausgerichtet sind.

Während die sozialwissenschaftliche Forschung in Form der Risiko- und Krisenforschung u. a. auf die Umweltkrise, die Armutskrise, die Krise der Familie fokussiert und Gesellschaftsanalyse auch in globalen Kontexten die auf die Spitze getriebene soziale Ungleichheit u. a. mit der Perspektive auf die „Externalisierungsgesellschaft“ (Lessenich 2017) ausleuchtet, versammeln sich gleichermaßen auch Ansätze, die in post-marxistischer, neomaterialistischer Manier auf Degrowth und Post-Extraktivismus als „Bedingung für ein ‚gutes Leben‘ “ (Acosta/Brand 2017) setzen.

Hängen dabei ein höheres Maß an sozialer Ungleichheit in einer Gesellschaft mit geringerem oder stärkerem sozialem Zusammenhalt zusammen? Und auf globaler Ebene: Zeigen Länder mit niedrigeren Einkommens- und Bildungsunterschieden einen größeren Zusammenhalt als Länder mit hohen Einkommens-, Bildungs- und Geschlechterunterschieden? Wie wirken sich also soziale Ungleichheiten in Bildungsprozessen, Einkommen und sozialem Status auf den Zusammenhalt aus? Kausale Zusammenhänge lassen sich hierbei nicht ermitteln (vgl. Nolan/Whelan 2014), doch zeigen bspw. Ruud Koopmans und Merlin Schaeffer (2014) am Bespiel eines Vergleichs von Frankreich-Deutschland-Niederlande, dass kulturell-ethnische Vielfalt mit einer Minimierung der sozialen Kohäsion einhergeht, was wiederum mit der Wahrnehmung ‚des Fremden‘ zusammen hänge. Für Deutschland untersucht die Friedrich-Ebert-Stiftung seit Jahren die Einstellungen gegenüber ‚Fremden‘ mit Perspektive auf „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“1. Konnte für die 2010er-Jahre eine konstante Erhöhung der „Muslimfeindlichkeit“ festgehalten werden, so stagniert diese seit 2014 auf etwas unter 20% bei den Befragten. Hingegen hat sich seit 2014 die Abwertung und feindselige Haltung gegenüber asylsuchenden Menschen deutlich erhöht (auf 55%) (vgl. dazu: Zick/Küpper/Berghan 2019).

Dabei interessiert sich die Soziale Arbeit nicht nur für gesellschaftliche Wandlungsprozesse von der Industrie- zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft und ihren Zusammenhang zu sozialem Zusammenhalt, sowie den Wandel von der keynesianisch-fordistischen zur postfordistisch-neoliberalen Gesellschaft und der Globalisierung von Markt und Kapital, sowie der Digitalisierung und Algorithmisierung des Lebens und ihren neuen Formationen von Exklusion (vgl. Thiessen/Dannenbeck/Wolff 2019, S. 1.) Vielmehr fragt Soziale Arbeit unter dem Begriff der „Kohäsion“ nach dem Zusammenhalt in einer Gruppe, und wie Solidarisierung, Akzeptanz und Anerkennung des jeweils ‚Fremden‘, wie also der Umgang mit Diversität, hergestellt werden können. Nicht Assimilation sondern Inklusion, nicht nur Mitbestimmung sondern auch Mindestlöhne, nicht nur Netzwerk- und Unterstützungsarbeit sondern auch Glück, Lebenszufriedenheit, Nachhaltigkeit und ein gutes Leben für alle sind dabei die Bezugspunkte der Debatten und Handlungsansätze der Sozialen Arbeit.

Soziale Kohäsion durchzieht als Thema die gesamte „normative Zielsetzung sozialarbeiterischen Handelns“ (Borrmann/Fedke/Thiessen 2019, S. 2). Auch Nina Oelkers und Sascha Schierz sehen im Kohäsionsbegriff „eine zentrale Größe professionellen Handelns in der Sozialen Arbeit (2016, S. 6). Gleichzeitig hinterfragt, beispielsweise Stefan Borrmann, den normativen Gehalt den Soziale Arbeit in ihrer Orientierung und Auseinandersetzung mit sozialer Kohäsion mitreproduziert, da sie sich implizit an einer Art Normalzustand orientiert, der „unausgesprochen“ ein Mindestmaß an sozialer Kohäsion suggeriert. Denn Soziale Arbeit habe einen „Blick auf Defizite (von dem angenommenen Normalzustand) … und damit eine Problemorientierung im negativen Sinne“ (Borrmann 2019, S. 77).

3.   Zu diesem Sonderband

Der vorliegende Sonderband des Sozialmagazins war lange vor der Coronapandemie geplant und Autor_innen angefragt worden, in Anbetracht von gesellschaftlichen Wandlungs- und Krisenprozessen, die die Erodierung des Sozialen suggerieren und zugleich auch neue, alternative, kreative Formen des sozialen Zusammenlebens generieren, drei Fragen nachzugehen. Zum einen stellte sich uns die grundlegende Frage, was Gesellschaft eigentlich zusammenhält. Und vor dem Hintergrund der Frage, wie sich sozialer Zusammenhalt gestalten lässt, fragen wir nicht zuletzt auch danach, welche Schlussfolgerungen und Handlungsperspektiven sich aus den gegenwärtigen Analysen für Politik, Soziale Arbeit und kommunitäre Strukturen (vgl. etwa Fischer/Hilse-Carstensen/Huber) ableiten und diskutieren lassen?

Der Sonderband widmet sich damit nicht einer weiteren, vertieften Analyse von gesellschaftlichen Spaltungen und Ungleichheiten sowie sozialen Krisen, sondern die Beiträge trachten danach auszuloten, was Gesellschaft und Gemeinschaften trotz vielfältiger Krisen und Wandlungsprozesse zusammenhält. Ausgangspunkt unserer Betrachtung sind dazu die Überlegungen von Thole/Sehmer/Prigge/Schildknecht, auf wen sich Zusammenhalt bezieht und wer davon ausgeschlossen ist. Der Sonderband bezieht sich auf unterschiedliche Felder, in denen der soziale Zusammenhalt heute (neu) diskutiert wird, u. a. im Bereich der Sozialen Bewegungsforschung, der Arbeitssoziologie, der Stadt- und Raumforschung, der Migrationsforschung und Ungleichheitsforschung. Dabei werden gesellschaftstheoretische und -analytische Überlegungen (vgl. dazu die Beiträge von Maurer; Butterwegge; Klundt, Tietje und Höfler) mit handlungstheoretischen Ansätzen etwa zu Inklusion und Integration zusammen gebracht (vgl. dazu die Beiträge von Erbring sowie Grün), aber auch realgesellschaftlichen Utopien – wie z. B. die Frage nach dem guten Leben (buen vivir) (vgl. Lutz) sowie der solidarischen Ökonomie (vgl. Wienold) – nachgegangen.

Deutlich wird in allen Beiträgen, dass Fragen zum sozialen Zusammenhalt und zu globaler, nationaler und regionaler Solidarität sich nicht erst in Coronazeiten stellen. Vielmehr wird die Frage nach dem sozialen Zusammenhalt von Gesellschaften als eine grundlegende Frage der Sozial- und Gesellschaftswissenschaften behandelt. Zugleich sind die Antworten darauf immer exemplarische.

Wir haben uns bemüht, ein breites Spektrum an Zugängen und Fragestellungen aufzunehmen, um vielfältige Ansätze für ein Weiterdenken auf Ebene von Auszubildenden und Studierenden, Fachkräften und Entscheider_innen in der Praxis sowie Lehrenden und Forschenden zur Selbstvergewisserung zu initiieren. Bei allen beteiligten Autor_innen und dem Verlag möchten wir uns für ihr Engagement und ihre Geduld bedanken.

Literatur

Acosta, Alberto/Brand, Ulrich (2017): Radikale Alternativen. Warum man den Kapitalismus nur mit vereinten Kräften überwinden kann. München: oekom Verlag.

Bedorf, Thomas/Herrmann, Steffen (Hg.) (2016): Das soziale Band. Geschichte und Gegenwart eines sozialtheoretischen Grundbegriffs. Frankfurt/New York: Campus Verlag.

Bertelsmann Stiftung (2020): Gesellschaftlicher Zusammenhalt in Deutschland 2020. URL: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/gesellschaftlicher-zusammenhalt-in-deutschland-2020 [10.01.2021].

Borrmann, Stefan/Fedke, Christoph/Thiessen, Barbara (Hrsg.) (2019): Soziale Kohäsion und gesellschaftliche Wandlungsprozesse. Wiesbaden: VS Springer Verlag.

Borrmann, Stefan (2019): Soziale Kohäsion als normatives Ziel? Soziale Probleme und ihre Bearbeitung durch Akteure der Sozialen Arbeit. In: Borrmann, Stefan/Fedke, Christoph/Thiessen, Barbara (Hrsg.) (2019): Soziale Kohäsion und gesellschaftliche Wandlungsprozesse. Wiesbaden: VS Springer Verlag, S. 77–87.

Bröckling, Ulrich (2016): Andere Bänder. Ein metaphorologischer Kommentar. In: Bedorf, Thomas/Herrmann, Steffen (Hg.): Das soziale Band. Geschichte und Gegenwart eines sozialtheoretischen Grundbegriffs. Frankfurt/New York: Campus Verlag, S. 392–402.

Bude, Heinz (2019): Solidarität. Die Zukunft einer großen Idee. München: Carl Hanser Verlag.

Federici, Silvia (2016): Feminism and the politics of commons. In: Hlavajova, Maria/Sheikh, Simon (Hg.): From FORMER WEST: Art and the Contemporary after 1989. Utrecht: BAK.

Fischer, Jörg/Kretzschmar, Jens/Rompczyk, Kai (2020): Sozialplanung in der Corona-Pandemie – Eine empirische Untersuchung im Freistaat Thüringen zu den Funktionen und Abläufen in Krisenzeiten. In: Sozialmagazin“, 45. Jg., Heft 5–6/2020, S. 90–97.

Foucault, Michel (1999): In Verteidigung der Gesellschaft. Vorlesungen am Collège de France 1975–76, Frankfurt/Main: Suhrkamp.

Foucault, Michel (1983): Sexualität und Wahrheit. Band I. Der Wille zum Wissen, Frankfurt/Main: Suhrkamp.

Gertenbach, Lars (2016): Konnektivität und Zusammenhalt. Von den zwei Soziologien des sozialen Bandes. In: Bedorf, Thomas/Herrmann, Steffen (Hg.): Das soziale Band. Geschichte und Gegenwart eines sozialtheoretischen Grundbegriffs. Frankfurt/New York: Campus Verlag, S. 72–95.

Koopmans, Ruud/Schaeffer, Merlin (2014): Perceptions of Ethno-Cultural Diversity and Neighborhood Cohesion in three Countries. In: WZB Discussion Paper SP VI, 2014/103, Berlin: WZB.

Kühne, Simon/Kroh, Martin/Liebig, Stefan/Rees, Jonas/Zick, Andreas/Entringer, Theresa/Goebel, Jan/Grabka, Markus M./Graeber, Daniel/Kröger, Hannes/Schröder, Carsten/Schupp, Jürgen/Seebauer, Johannes/Zinn, Sabine (2020): Gesellschaftlicher Zusammenhalt in Zeiten von Corona: Eine Chance in der Krise?. SOEPpaperson Multidisciplinary Panel Data Research 1091, URL: https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.793201.de/diw_sp1091.pdf [04.01.2021].

Lessenich, Stephan (2016): Neben uns die Sintflut. Die Externalisierungsgesellschaft und ihr Preis. Berlin: Hanser Verlag.

Lorey, Isabell (2016): Von den Regimen der Prekarisierung zur Cuidadanía. Für ein sorgegeleitetes Verständnis des sozialen Bandes. In: Bedorf, Thomas/Herrmann, Steffen (Hg.): Das soziale Band. Geschichte und Gegenwart eines sozialtheoretischen Grundbegriffs. Frankfurt/New York: Campus Verlag, S. 164–182.

Löw, Christine (2020): Pandemie // Corona, postkolonialer Feminismus und Necropolitics in Indien. URL: https://www.gender-blog.de/beitrag/corona-und-necropolitics [24.02.2021].

Mbembe, Achille (2011): Nekropolitik. In: Pieper, Marianne/Atzert, Thomas/Karakayali, Serhat/Tsianos, Vassilis (Hg.): Biopolitik – in der Debatte. Wiesbaden: Springer VS, S. 63–96.

Nolan, Brian/Whelan, Christopher (2014): The Social Impact of Income Inequality: Poverty, Deprivation, and Social Cohesion. In: Salverda, Wiemer et al. (Hrsg.): Changing Inequality in Rich Countries. Analytical and Comparative PErspectives. Oxford: Oxford Univ. Press, S. 146–168.

Oelkers, Nina/Schierz, Sascha (2016): Ambivalenzen sozialer Kohäsion und sozialer Ungleichheit. In: Sozialmagazin „Soziale Kohäsion“, Heft 11/12 2016, Weinheim: Beltz Juventa, S. 6–11.

Rothmüller, Barbara (2020): Intimität und soziale Beziehungen in der Zeit physischer Distanzierung Ausgewählte Zwischenergebnisse zur COVID-19-Pandemie. URL: http://barbara rothmueller.net/rothmueller2020zwischenberichtCOVID19.pdf [13.12.2020].

Sarasin, Philipp (2020): Mit Foucault die Pandemie verstehen? In: Geschichten der Gegenwart. URL: https://geschichtedergegenwart.ch/mit-foucault-die-pandemie-verstehen/ [19.02.2021].

Thiessen, Barbara/Dannenbeck, Clemens/Wolff, Mechthild (Hrsg.) (2019): Sozialer Wandel und Kohäsion. Ambivalente Veränderungsdynamiken. Wiesbaden: Springer VS.

ZEIT (2020): Wie solidarisch sind wir noch? 09/2020. URL: https://verlag.zeit.de/freunde/podcast/wie-solidarisch-sind-wir-noch-die-zeit-37-2020/ [10.12.2020].

Zick, Andreas/Küpper, Beate/Berghan, Wilhelm (2019): Verlorene Mitte – Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2018/19. Hg. für die Friedrich-Ebert-Stiftung v. Franziska Schröter. Bonn: Dietz Verlag.

 

 

Das Soziale Band – Theoretische Auslotungen

 

 

 

2   Das Ich, das Wir und „die“ Anderen.
Sozialer Zusammenhalt zwischen Ungleichheitskritik und exklusiven Gemeinschaften

Werner Thole, Julian Sehmer, Jessica Prigge und Lukas Schildknecht

1.   Einstimmung – Klagen über den Verlust sozialen Zusammenhalts

Das Erinnern und Einfordern des nicht mehr sichtbaren oder verdrängten sozialen Zusammenhalts ist nicht erst seit der Sars-CoV-2-Pandemie en vogue. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron erinnert an ihn in seiner Neujahrsansprache 2020, Angela Merkel in einer Rede zum selben Anlass wie auch Italiens Staatsoberhaupt Sergio Mattarella und die dänische Königin Margrethe (Fernsebner-Kokert/Osztovics 2018). Schon zwei Jahre zuvor plädiert Horst Seehofer (2018) für die Entwicklung eines neuen, gesellschaftlichen Zusammenhalts durch Heimatpolitik als „Politik der Vielfalt“, Altbundespräsident Joachim Gauck (2018) meint, Dialog und die „Bereitschaft zum Austausch“ könnten „den gesellschaftlichen Zusammenhalt“ befördern, Bundesumweltministerin Svenja Schulze (2018) sieht im Klimawandel die „größte Bedrohung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt“ und der Präsident des deutschen Caritasverbandes, Peter Neher (2018), analysiert, dass eine geldbeutelbestimmte Wohnungspolitik den gesellschaftlichen Zusammenhalt nachhaltig schwächt. Wird den Befunden einer von der Bertelsmann Stiftung angeregten Studie zum sozialen Zusammenhalt gefolgt, dann haben drei Viertel der befragten Bürger*innen in Deutschland den Eindruck, der gesellschaftliche Zusammenhalt sei zumindest teilweise gefährdet, obwohl zugleich auch angegeben wird, dass dies im näheren Umfeld nicht wahrgenommen werde (Bertelsmann Stiftung 2019).

Diese schlaglichtartige Illustration des öffentlichen Beklagens eines Verlustes an sozialem Zusammenhalt ist keineswegs selektiv. Insbesondere im konservativen politischen Spektrum erfreut sich die Sprachfigur einer zunehmenden Beliebtheit. Aber auch in demokratisch linken wie grün-alternativen Diskursen wird auf sie zurückgegriffen. Wird im links-politischen Spektrum jedoch eher die Auffassung vertreten, dass soziale Ungleichheiten die Herstellung von sozialem Zusammenhalt erschweren und durch die Gesellschaft geschaffen werden, so wird in rechtspopulistischen, nationalautoritären wie konservativen Milieus sozialer Zusammenhalt weitgehend unabhängig davon als Forderung nach der Herstellung eines nationalen Wir propagiert.

Im vorliegenden Beitrag wird mit Bezug auf diese beiden Deutungen sozialen Zusammenhalts hinter die Fassade der politischen Akklamationen geschaut und über eine Erinnerung an die Gesellschaftstheorie Ulrich Becks danach gefragt, ob sich die gegenwärtig populären Klagen eines Verlustes von gesellschaftlichem Zusammenhalt über empirische Beobachtungen legitimieren lassen und theoretisch einzufangen sind (2). Mit Blick auf die Beschreibung einer zunehmenden Singularisierung der Gesellschaft, wie sie Andreas Reckwitz vornimmt, wird diese Erinnerung überprüft (3) und herausgearbeitet, wo je nach Verwendung von „sozialem Zusammenhalt“ Gründe für dessen Gefährdung lokalisiert werden können (4). Im letzten Abschnitt wird gefragt, ob nicht Soziale Arbeit als ein gesellschaftliches Feld mandatiert sein könnte, in Reflexion der unterschiedlichen wie ambivalenten Reaktionen und Deutungen der Modernisierungsprozesse und darüber evozierter Erwartungen und Positionierungen, Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts aktiv aufzugreifen und zu bearbeiten (5).

2.   Jenseits von Klasse, Stand und Milieu – das Soziale zwischen Zwang und Freiheit

In den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts mehren sich die Analysen bezüglich einer sukzessiven Auflösung sozialer Milieus, der Dynamisierung „individualisierter Lebensformen“ (Rauschenbach 1994, S. 93) und damit verbunden einer Neukonfigurierung von gesellschaftlichen Risiken als Folge der Entkopplung dieser von der „gesellschaftlichen Produktion von Reichtum“ und einer neuen Einbindung in „die Produktion, Definition und Verteilung wissenschaftlich-technisch produzierter Risiken“ (Beck 1986, S. 25). Von diesen Veränderungen betroffen schienen nicht mehr nur einzelne Gruppen, Milieus oder Klassen, sondern alle Gesellschaftsmitglieder gleichermaßen. Über den neuen Vergesellschaftungsmodus verschieben sich nicht nur die Perspektiven auf beobachtbare ökonomische, ökologische und kulturelle Neukonfigurationen der Gesellschaft und der hervorgebrachten Gefährdungen und Risiken, sondern auch auf deren „soziale Architektur“ (Beck 1986, S. 29) und die Entwicklung sozialer Ungleichheiten.

Gewachsene und über Generationen tradierte, in den sozialen Räumen wie selbstverständlich eingelagerte sowie darüber stabilisierte soziale und kulturelle Milieus schienen an Bedeutung zu verlieren. Zudem sinke ihr Potential, kollektiv hervorgebrachte, akzeptable und akzeptierte Welt- und Selbstdeutungen bereitzustellen, um sozialen Zusammenhalt aufrecht zu erhalten und situativ zu reproduzieren, also gemeinsam geteilte Lebensformen anzubieten, die kollektive Verortungen in der Welt ermöglichen und diese zu verstehen erlauben. Wo vormals Lebensformen standardisiert und unter zwei geschlechterformenspezifischen Vergesellschaftungsmustern unterworfen wurden, werden im Zuge der 1980er nun Freisetzungsprozesse sichtbar2, deren Konsequenzen zugleich als ermöglichend und riskant charakterisiert werden. Als ermöglichende Freiheit zeigt sich für die Subjekte der Zugewinn einer Vielfalt an Entscheidungsmöglichkeiten für die Lebensplanung und Lebensführung durch den Bedeutungsverlust traditioneller Vorgaben, weil diese ihren normierenden wie schematisierenden Kontrollcharakter einbüßen. Zugleich können traditionelle Vorgaben als Fixpunkte der Orientierung und Entscheidungshilfe gelesen werden.

Die neue oder „riskante Freiheit“ (vgl. Beck/Beck-Gernsheim 1994) zeichnet sich folglich durch einen Verlust an Stabilität aus, der allerdings begleitet wird durch das kollektive Erleben eines Mehr an Einkommen, Mobilität, Bildung, Recht, Wissenschaft und Massenkonsum“ (Beck 1986, S. 122). Insgesamt scheinen die Gesellschaftsmitglieder wie in einem gemeinsamen Fahrstuhl stehend „eine Etage höher“ (Beck 1986, S. 122) zu fahren, ohne dass sich jedoch bestehende Ungleichheitsrelationen auflösen. Allerdings erscheinen unter den Bedingungen kultureller und sozialer Freisetzungsprozesse Fragen nach sozialen Ungleichheiten und darüber moderierte Risiken von sozialen Klassen oder Milieus als individuell zu verantwortete Lebensschicksale.

Mit diesem tendenziellen Wandel von der „Reichtums- zur ‚Risikogesellschaft‘ “ ging eine Entgrenzung von Problem- und Risikolagen (vgl. Beck 1986) einher. Die Menschen stehen in der Folge unter dem Entscheidungszwang, im Portfolio der Vielfalt von Möglichkeiten ohne verlässliches Wissen, welche Entscheidung Erfolg verspricht, Antworten finden zu müssen. Und für getroffene Entscheidungen können aus Sicht der gesellschaftlichen Akteur*innen nun nicht mehr ohne weiteres strukturelle Bedingungen als verantwortlich zitiert werden, sondern das sich selbst entscheidende und positionierende Subjekt trägt die Last und Verantwortung für die darüber evozierten Folgen. Letztendlich ist Individualisierung damit keineswegs das Ergebnis einer freien Entscheidung, ein Ereignis, zu dem sich die Subjekte positiv oder distanziert verhalten können, sondern ein Korsett, das zur Teilnahme zwingt und die Entscheidungsoptionen eng begrenzt. Die Mitglieder der Gesellschaft sind infolge strukturell zur „Herstellung, Selbstgestaltung, Selbstinszenierung nicht nur der eigenen Biographie, sondern auch ihrer Einbindung und Netzwerke (…) unter dauernder Abstimmung mit anderen und den Vorgaben von Arbeitsmarkt, Bildungssystem, Wohlfahrtsstaat“ (Beck/Beck-Gernsheim 1994, S. 14) gefordert – mit anderen Worten: „Der oder die einzelne wird zur lebensweltlichen Reproduktionseinheit des Sozialen. (…) Die Individuen werden innerhalb und außerhalb der Familie zum Akteur ihrer marktvermittelten Existenzsicherung und der darauf bezogenen Biographieplanung und -organisation.“ (Beck 1986, S. 119)

Im Vollzug dieser Neutarierung des Verhältnisses von Individuum und Gesellschaft, Ich und Wir, entwickelt sich die Normalbiographie mehr und mehr zur Wahl- und Bastelbiographie – die aktiv hergestellt werden muss und die zugleich immer in der Gefahr steht, zur Bruchbiographie zu werden, weil nicht mehr voraussetzungslos auf traditionale Sicherungen der Industriegesellschaft, Familie, Klasse oder soziale Netzwerke zurückgegriffen werden kann, denn auch diese sind mehr und mehr das Produkt aktiver Konstruktionsleistungen.

Neue Ideen von sozialem Zusammenhalt entlang neuer gesellschaftlicher Erfahrungen und Konfliktlinien werden so zwangsläufig angeregt, ohne Garantie, dass neue, verlässliche soziokulturelle Gemeinsamkeiten entstehen und in neue Formen gesellschaftlicher Solidarität münden. Das Individuum ist kontinuierlich aktiv gestaltend gefordert, um in der Arbeitswelt wie in Nachbarschaften, Vereinen oder letztendlich sogar in den familialen Netzwerken eingebunden zu sein. Diese Entwicklungen führen zu weitverbreiteten Gefühlen der Unsicherheit, welche besonders wirkmächtig sind, da Veränderungen der Produktionsbedingungen und -märkte tatsächlich dauerhafte Instabilitäten mit sich bringen.

Die Transformation wäre unzureichend lediglich als eine „Implosion des Sozialen“ beschrieben (vgl. Ricken 2016). Die Gesellschaftsmitglieder sind mit einer grundlegend veränderten Sozialität konfrontiert. „Die Menschen leben in zwischenmenschlich belasteten Verhältnissen, in riskanten ungewissen Beziehungen, erleben Anonymität, Diskontinuität und Isolation, experimentieren sozusagen mit sich selbst, riskieren psycho-soziale Grenzerfahrungen, ohne zu wissen, was sich daraus ergibt, wieviel sie selbst und andere hiervon betroffene Menschen ertragen“ (Rauschenbach 1994, S. 90). Die Subjekte werden folglich gezwungenermaßen zu Handwerker*innen neuer Beziehungsformen, Identitätsbildungen und eines neuen sozialen Zusammenhalts. Individualisierte Gesellschaften kennzeichnet damit eine Tendenz zur ‚Entnormalisierung‘ des gesellschaftlich vorrätig gehaltenen Sozialen. Die wiederkehrend zu hörenden Botschaften, sozial eingebunden sein zu müssen und zu sein, und die so motivierten Assoziationen, dass jenes, das permanent erinnert und aufgerufen wird, doch auch da sein muss, irritiert wie verunsichert das Ich, da es davon ausgehen muss, dass alle anderen schon ihr ‚normal‘ wie selbstverständlich existierendes Wir gefunden haben und in diesem leben.

3.   Modernisierung als Singularisierung und Polarisierung

Die referierten gesellschaftlichen Entwicklungen verflüchtigen sich keineswegs zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Wenn den Überlegungen von Andreas Reckwitz (2019a) gefolgt wird, verschärfen und dynamisieren sie sich zugleich über zwei gegensätzliche Bewegungen: Rationalisierung in der Logik des Allgemeinen und Kulturalisierung in der Logik des Besonderen. Beide Logiken heben sich allerdings nicht gegenseitig auf. Singularisierung, der von Reckwitz vorgeschlagene Begriff für die prägendste Dynamik innerhalb dieser spezifischen Modulation der gegensätzlichen Logiken, geht zugleich auch mit Rationalisierung, Standardisierung und Versachlichung (Logik des Allgemeinen) einher, ist aber insbesondere durch Affektintensivierung und Aufladung mit bestimmten Werten (Logik des Besonderen) geprägt. Singularisierung als Hervorbringung von Besonderem ist also „mehr als Selbstständigkeit und Selbstoptimierung. Zentral ist ihr das komplizierte Streben nach Einzigartigkeit und Außergewöhnlichkeit, die zu erreichen freilich nicht nur subjektiver Wunsch, sondern paradoxe gesellschaftliche Erwartung geworden ist.“ (Reckwitz 2019a, S. 9) Es wäre daher auch zu kurz gegriffen, Singularisierung als Gegensatz von Solidarität zu verstehen. Dies lässt sich etwa an sozialen Bewegungen wie #blacklivesmatter oder #metoo verdeutlichen. Die Solidarisierungen mit den Anliegen dieser Bewegungen in sozialen Medien bietet sowohl die Möglichkeit, sich als singuläre, ethisch integre und kosmopolitische Subjekte zu inszenieren, als auch der Solidarisierung mit von Diskriminierungen und Gewalt betroffenen Gruppen im mehr oder weniger expliziten Wissen über global und regional bedingte Ungleichheiten.

Spätestens seit den 1980er Jahren entwickelte sich demnach der von Beck beschriebene „Fahrstuhleffekt“ weiter. An seine Stelle tritt eine Entwicklung, die Reckwitz mit dem Bild des Paternosters beschreibt, also eines die Wege nach oben und unten untrennbar aneinander koppelnden Transportmittels. „Befanden sich in der nivellierten Mittelstandsgesellschaft alle mehr oder weniger auf einem (…) vergleichbaren materiellen Niveau und in ähnlichem kulturellen Lebensstil, so dass sich gewissermaßen die beiden Kabinen des ‚gesellschaftlichen Paternosters‘ noch auf derselben Höhe befanden, ist seit den 1980er Jahren die Kabine des einen sozialen Segments nach oben gefahren – die der neuen, akademischen Mittelklasse (zuzüglich der neuen Oberklasse) – wohingegen die Kabine des anderen Segments den Weg nach unten genommen hat.“ (Reckwitz 2019a, S. 282 f.) Dieser „Paternostereffekt“ führt zu einer nachhaltigen und tiefgreifenden Transformation der gesellschaftlichen Klassen, die im Wesentlichen neben einer im Verhältnis sehr kleinen Oberklasse durch eine Spaltung der mittleren Klasse in eine neue akademische Klasse (der sogenannten „creative class“) sowie der alten Mittelklasse geprägt ist. Parallel erweitert sich die untere Klasse durch die prekär Beschäftigten der neuen „service class“. (Reckwitz 2019a, S. 273 ff.)

Profiteur*innen dieses neuen Modernisierungsprozesses sind vorrangig Lebensentwürfe und Praktiken im gesellschaftlichen ‚oben‘ der neuen Mittelklasse, die mit Beschäftigungen in der Kreativ- oder Wissensökonomie einhergehen. Die Hegemonialität der Milieus dieser Klasse hat eine Strahlkraft in andere Milieus (vgl. Reckwitz 2015). So stehen auch Berufsgruppen wie Bankkaufleute vor dem Anspruch, kreativ sein zu müssen, oder mittelständische Betriebe mit standardisierten Handwerkstraditionen vor dem Imperativ, etwas Neues, Einzigartiges und Authentisches anbieten zu müssen. Irritationen ergeben sich aus der fehlenden Passförmigkeit der Semantik kreativ- oder wissensökonomischer Praktiken und dieser Berufswelten (vgl. Reckwitz 2019b, S. 97). Ungleich härter trifft es allerdings im Schatten dieses als gesellschaftlich hegemonial anzusehenden Drives jene beruflichen Milieus, die monetär wenig Anerkennung finden und keinerlei Möglichkeiten haben, ihre Arbeit als kreativ respektive singulär auszuweisen. In der Logik einer „Gesellschaft der Singularitäten“ verlieren standardisierte Tätigkeiten und körperliche Arbeiten ihr Ansehen als „normale“ Berufswege und werden als geringerwertig angesehen, dabei zugleich den Arbeitenden als psychische Disposition im Sinne eines „Für mehr hat es halt nicht gereicht“ angelastet (Reckwitz 2019b, S. 102). Lebensmodelle wie das Beenden der Schule mit einem Hauptschulabschluss oder die Lebensmittelpunktsetzung in Caretätigkeiten erfahren so eine enorme Abwertung – Begriffe wie „Hauptschüler*in“ oder „Hausfrau“ werden nun zunehmend mit einem despektierlichen Unterton verwendet.

Anforderungen an flexibilisierte, zusammenarbeitende Subjekte koppeln sich zudem an eine normative Anreizstruktur, welche an die Rhetorik der Leistung anknüpft (vgl. Neckel 2008). Dabei wird der gesamte Status sowie die Eingruppierung in soziale Klassen und damit einhergehender lebensweltlicher Verhältnisse an die Responsibilisierung des Subjektes geknüpft. Das Subjekt macht sich selbst für strukturelle Ungleichheiten, aber auch konjunkturelle Schwankungen oder schlicht Zufälligkeiten verantwortlich. Perfide an einer solchen leistungsideologischen Orientierung ist, dass sie eindeutige Kausalität suggeriert – eine gewisse Leistung entspricht einem sich natürlich einstellenden Erfolg (vgl. Mayer 2015). Die Gesellschaft der Singularitäten produziert so systematisch neue, soziale wie kulturelle Polarisierungen über divergente Zugriffsmöglichkeiten auf die vorhandenen Güter (vgl. Reckwitz 2019a, S. 109 ff.). Befördert werden ungleiche Arbeitsverhältnisse, soziale Ungleichheiten polarisiert und „in außerordentlichem Maße die Formen des Sozialen, des Kollektiven und des Politischen“ neu konfiguriert und „keineswegs nur Individuen oder Dinge, sondern auch Kollektive“ (Reckwitz 2019a, S. 10) singularisiert.

4.   Bipolare Rhetoriken und Praktiken sozialen Zusammenhaltes