Katarina Mazetti

Die Karlsson-Kinder

Wombats und wilde Kerle

Aus dem Schwedischen
von Anu Stohner

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Stammbaum der Karlsson-Kinder

Großvater und Großmutter Karlsson
(mütterlicherseits)

4 Töchter:

Ulla, Forscherin, verheiratet mit Allan,
Mutter von Julia und Daniella, genannt Hummel

Molly, Schauspielerin, Mutter von George

Ellen, Köchin, lebt zusammen mit Claude Bouclé,
Mutter von Alex

Frida, Künstlerin

Kapitel 1

»Fünf was?«

»Sie hat’s gemacht! Sie hat’s wirklich gemacht!«

Hummel drehte sich bei ihrem Zehenspitzentanz so lange im Kreis, bis sich ihr der Flickenteppich um die Knöchel wickelte und sie auf den Rücken plumpste. Aber Ruhe war deshalb noch lange nicht. Sie zappelte sich frei und strampelte mit ihren knallroten Turnschuhen in der Luft. Hummel hieß eigentlich Daniella und trug ihren Spitznamen, weil sie klein und rund war und so ohne Punkt und Komma quasselte, dass es sich wie das Summen einer Hummel anhörte.

»Sie? Welche sie? Und was hat sie gemacht?«

Hummels große Schwester Julia schaute gereizt von ihrem Computer auf. Sie spielte gerade ihr tausendstes Teste-dich-selbst-Spiel und war drauf und dran, die Höchstpunktzahl zu erreichen.

»Welche sie? Tante Frida natürlich. Sie hat’s wirklich gemacht!«

»WAS hat sie gemacht?«

»Sie hat vorhin angerufen, dass sie jetzt da sind. Fünf, hat sie gesagt. FÜNF!«

»Hummel! Fünf WAS?«

Hummel setzte sich auf und schaute Julia mit großen Augen an.

»Weißt du denn nicht mehr? Aber dass sie fünf auf einmal kriegt, hätte ich auch nicht gedacht …«

»WAS kriegt sie um Himmels willen? FÜNFLINGE?«

Hummel seufzte.

»Als du gestern beim Friseur warst, hat er dich da zufällig zu heiß geföhnt? Oder dir gleich das bisschen Gehirn zu den Ohren rausgepustet?«

Julia fuhr blitzschnell den Arm aus und zog Hummel an ihren dicken roten Haaren auf die Füße. Julia war nur drei Jahre älter als ihre kleine Schwester, aber doppelt so groß.

»Auaaa!«

»So, und jetzt schön langsam und zum Mitschreiben: Tante Frida hat angerufen und erzählt, dass sie fünf …«

»Lass meine Haare los!«, schrie Hummel. »Ich ruf beim Kinderschutzbund an …!«

»Und ich futter dir deine Lakritzbonbons weg!«, schrie Julia und grapschte mit der freien Hand nach der Bonbontüte, die Hummel schnell hinter dem Rücken versteckte. Hummel liebte Lakritzbonbons, vor allem Salzige Fische, von denen sie ständig schwarze Mundwinkel hatte.

»Wombate!«, schrie Hummel. »Sie kriegt fünf Wombate! Oder heißt es Wombats?«

»Du meinst die komischen australischen Viecher, von denen sie letzten Sommer geredet hat?«

»Ja. Und sie kommen nächste Woche auf Doppingö an – genau wenn wir dort sind! Und George und Alex auch!«

Tatsächlich würden Julia und Hummel die Osterferien bei Tante Frida auf der Insel Doppingö verbringen, weil ihre Eltern wieder mal auf eine ihre Konferenzen mussten. George und Alex waren ihre beiden Cousins, und alle vier waren sie Kinder von Karlsson-Schwestern. Diese Schwestern selbst sahen sich nur selten und mochten einander auch nicht alle, aber ihre Kinder mochten sich dafür umso mehr. Letzten Sommer hatten sie sich endlich richtig kennengelernt – bei besagter Tante Frida auf Doppingö. George, dessen Mutter Schauspielerin war, kam in den Ferien zu Frida, wenn seine Mutter auf Tournee war, und Alex reiste aus Frankreich an, wenn seine Eltern, die beide Köche waren, auf einem Kreuzfahrtschiff anheuerten.

»Aha …«, murmelte Julia und schaute gleich mal, was man im Internet über Wombats fand. Es hieß natürlich Wombats, nicht Wombate.

Der Wombat, australisches Beuteltier, Pflanzenfresser …

Es gab auch Bilder von einem rundlichen pelzigen Etwas, das aussah wie eine Kreuzung zwischen Ratte und Bär.

»Die sind ja richtig süß!«, sagte Julia so begeistert, dass Hummel kam und sich neben sie quetschte.

»Frida ist schon spitze. Sich so was zuzulegen …«

»… und gleich eine ganze Bande«, sagte Hummel. »Das geht aber nur, weil sie diesen australischen Freund mit einem Tierpark hat, der hat sie ihr geschickt. Einen ganzen Monat waren die auf dem Schiff von Australien bis hierher unterwegs, hat sie erzählt, und dass sie auf Doppingö einen Wombatpark aufmacht, wo die Leute dann Eintritt bezahlen müssen …«

»Ich frag mich nur, wie der Kater mit denen auskommt«, unterbrach Julia den Quasselfluss ihrer kleinen Schwester. »Falls wir ihn wieder mitnehmen, meine ich.«

Der Kater war ihr großer, schwerer Familienkater. Sie hatten ihn als kleines, mageres Katzenjunges gefunden und ihre Eltern so lange genervt, bis sie ihn behalten durften. Ihr Vater hatte ihn nur grummelnd den Kater genannt, und bei dem Namen war es dann geblieben. Inzwischen war er längst nicht mehr mager – Hummel kaufte von ihrem Taschengeld Schlagsahne und zusätzliches Luxuskatzenfutter, weil sie es schön fand, dass noch jemand in der Familie so rund war wie sie. Der Kater war ein ungewöhnlich kluges Tier, dessen Miauen sich manchmal verdächtig nach Menschensprache anhörte.

»Klar nehmen wir ihn wieder mit«, sagte Hummel. »Oder denkst du, er fährt lieber mit Mama und Papa nach Sibirien.«

»Nach Sibirien?«

»Da findet ihre Tagung statt, schon vergessen? – Oh, er wird es lieben, gleich fünf Freunde auf einmal zu kriegen! Findest du nicht, er sieht selbst ein bisschen wie ein Wombat aus?«

»Mioooiiii!«, ließ sich da der Kater hören, der am Fenster saß und mit den Vordertatzen einen Sonnenstrahl zu fangen versuchte. »Miooouaaaa!«

Julia suchte weiter nach Informationen über Wombats.

»Hier steht, es sind bärenähnliche Beuteltiere, die 70 bis 120 Zentimeter groß und 20 bis 40 Kilo schwer werden können. – Das ist so groß wie ein Riesenhund, ein Bernhardiner oder so. Sie haben mörderfette Hintern, und es gibt mehrere Arten, die aber alle nur ein bisschen unterschiedlich aussehen.«

Sie schaute auch auf YouTube und fand ein Filmchen, in dem ein wütender Wombat seinen Pfleger um einen Busch jagte. Offenbar waren Wombats nicht immer nur niedlich.

Hummel wollte dann auch mal an den Computer und fand ein anderes Filmchen, in dem ein Wombat friedlich auf dem Schoß einer alten Dame saß.

»Da siehst du’s!«, sagte sie. »Es sind liebe Tiere. Guck, wie kuschelig der … ups!«

Der friedliche Wombat hatte der alten Dame einen Schlag auf die Nase verpasst, und Hummel fand, sie hatten sowieso genug gesehen.

»Weißt du eigentlich, wann genau wir fahren?«, fragte sie ihre große Schwester. »Und wann genau George und Alex kommen? – Oh, hoffentlich kocht Alex das Osteressen!«

Alex’ Eltern hatten auch ihm das Kochen beigebracht, und wenn Hummel an seine Kochkünste dachte, lief ihr das Wasser im Mund zusammen. Erst hatte sie das französische Essen zwar ein bisschen komisch gefunden, aber dann hatte er diese leckeren gefüllten Pfannkuchen gemacht, diese Galettes. Sogar Croissants hatte er ihnen gebacken.

»Denkst du eigentlich auch mal an was anderes als Essen?«, fragte Julia.

»Klar«, sagte Hummel. »Zum Beispiel an den leckeren warmen Johannisbeersaft, den Alex letzten Sommer selbst gemacht hat …«

»Du bist ein hoffnungsloser Fall«, seufzte Julia. »Ein Mädchen, das ausschließlich mit dem Bauch denkt.«

»Ich mag meinen Bauch«, sagte Hummel und rieb ihn zufrieden mit den Händen. »Jedenfalls jetzt noch. Wenn ich groß bin und lieber Sex mit gut aussehenden Jungs haben möchte, kann ich ihn immer noch abschaffen.«

Julia musste lachen.

»Und du meinst, Jungs stehen auf so was wie dich?«

»Und wie! Wenn ich groß bin, werde ich so wahnsinnig schön, dass sie reihenweise in Ohnmacht fallen und mich heiraten wollen.«

»Na, dann ist bei den Ohnmächtigen hoffentlich der Richtige dabei«, sagte Julia, die Hummel insgeheim um ihr gesundes Selbstbewusstsein beneidete. Sie fand sich selbst eine viel zu große Bohnenstange. Manchmal ging sie unauffällig im Rinnstein neben ihren Freundinnen her, damit sie nicht alle überragte, und ihre Mutter schimpfte immer, weil sie einen krummen Rücken machte.

»Wir müssen fragen, wann genau wir fahren. Ich weiß es auch nicht«, sagte sie schließlich. »Aber du hast recht, das wird bestimmt schön bei Tante Frida. Vielleicht nehm ich auch die ungelesenen Bücher mit, die sich mal wieder angesammelt haben.«

Julia war eine unglaubliche Leseratte. Wann immer es ging, verkroch sie sich irgendwohin, um ungestört zu schmökern, und wenn dann jemand nach ihr rief, hielt sie sich die Ohren zu, bis wieder Ruhe war. Sie hatte sogar eigens eine Taschenlampe für abends unter der Bettdecke, wenn die Eltern darauf bestanden, dass sie das Licht ausmachte.

Was allerdings Doppingö betraf, täuschte sie sich. Sie würde dort nämlich so gut wie gar nicht zum Lesen kommen.

Kapitel 2

Spaßvögel und fliegende Handys

»Wie seh ich aus, George?«

Molly Karlsson betrachtete sich besorgt im Flurspiegel. Sie trug einen blau gestreiften Rock, eine grün-rot karierte Bluse und einen großen geblümten Hut.

George neigte den Kopf zur Seite und schaute sich seine farbenfrohe Mutter an.

»Fehlt eigentlich nur noch was mit Punkten«, murmelte er.

Er saß in Sichtweite am Küchentisch und zeichnete einen Teller, auf dem ein Stück Käse und Weintrauben lagen. George war gut im Zeichnen, aber der Käse sah trotzdem aus, als wäre er aus Holz.

»Ich rede nicht von meinen Kleidern«, sagte seine Mutter. »Ich meine, seh ich vielleicht ein bisschen blass aus? Langweilig irgendwie?«

George schaute ein zweites Mal von seiner Zeichnung auf. Seine Mutter trug die Haare neuerdings blauschwarz gefärbt und war mit dunkelrotem Lippenstift, pechschwarzen aufgeklebten Wimpern und einer dicken Schicht getönter Tagescreme so stark geschminkt, dass er sie kaum wiedererkannte.

»Hast du eine Rolle als Spanierin angenommen, oder was?«

Er wusste nur, dass sie für ein Stück engagiert war, mit dem sie um Ostern herum in Nordschweden touren sollte.

»Spanierin? Wie kommst du auf Spanierin?«, fragte sie verdutzt. »Im Gegenteil: Ich spiele eine Eisbärin, falls es dich interessiert. In dem Stück geht es um bedrohte Tierarten.«

George seufzte. Diskussionen mit seiner Mutter führten meistens zu nichts, schon gar nicht, wenn es um Kleider oder Schminke ging.

»Du siehst toll aus, wollte ich nur sagen«, murmelte er.

Dafür stürzte sich seine Mutter auf ihn und knutschte ihn schmatzend ab. Sie zeigte gern ihre Gefühle und bescheinigte sich selbst eine leidenschaftliche Natur im Guten wie im Schlechten.

George fand das in Ordnung, solange seine Freunde nicht in der Nähe waren. Die Lippenstiftspuren auf beiden Wangen wischte er mit dem Handrücken weg.

»Danke, mein Süßer!«, sagte seine Mutter. »Jetzt kann es nur eine tolle Tournee werden. Und du hast bei Frida bestimmt auch viel Spaß. – Hast du eigentlich schon gepackt?«

»Logisch«, sagte George.

Sein Rucksack stand tatsächlich schon im Flur. Er hatte einen neuen Zeichenblock, eine Unmenge Bleistifte verschiedener Härtegrade, einen ordentlichen Radiergummi und seine Zahnbürste eingepackt, sonst nichts, und die Zahnbürste hätte er beinahe auch noch vergessen.

»Ich muss los«, rief seine Mutter schon fast bei der Haustür. »Züge warten nicht mal auf berühmte Eisbärendarstellerinnen.«

Sie warf ihm noch ein strahlendes Lächeln zu, dann war sie aus der Tür. George schaute auf die Uhr. Sein Bus nach Östhamn ging erst in gut zwei Stunden. Er hatte Zeit, sich weiter in sein Stillleben mit Käse und Weintrauben zu vertiefen. Gerade fand er, seine Trauben sähen eher nach Fleischbällchen aus, und er griff nach dem Radiergummi.

Fast zwei Stunden später sahen der Käse wie Käse und die Trauben wie Trauben aus, und er schaute zum ersten Mal seit einer geraumen Weile wieder auf die Uhr. Auch Busse warteten nicht! Er stürzte in den Flur, schnappte sich den Rucksack, knallte, ohne abzuschließen, die Haustür zu und rannte zum Busbahnhof. Die Türen bewegten sich schon, als er in den Bus sprang, und es hätte nicht viel gefehlt, dann hätte er sich die Nase oder sonst was Wertvolles eingeklemmt. Schnaufend, aber zufrieden ließ er sich auf einen Sitz fallen. Vom Rennen war ihm warm, aber ein paar Minuten später merkte er, dass er fröstelte.

Er hatte seine Jacke vergessen. Überhaupt hätte er vielleicht ein paar warme Sachen einpacken sollen. Aber jetzt war es zu spät. Der Platz neben ihm war frei, und er rollte sich zusammen. So war es auszuhalten. Dann schlief er ein und wachte erst wieder auf, als der Bus an der Endstation ankam. Zum Glück war es Östhamn. Gähnend und wieder ein bisschen fröstelnd stieg er aus.

»Schooorrrschö!«

Er kannte beides, die Stimme und den französischen Akzent. Dann sah er auch schon den kräftigen Jungen mit den langen dunklen Haaren, der ihm entgegenkam und unter einem riesigen Seesack fast in die Knie ging.

»Alex!«

Dass Alex seinen Namen manchmal mit einem halb verschluckten ö am Ende aussprach, fand George in Ordnung. Schlimmer war, dass Alex ihn garantiert auch französisch begrüßen wollte, also mit Küsschen auf beide Wangen. Noch brauchte Alex beide Arme für den Seesack auf seiner Schulter, aber George machte trotzdem einen Schritt rückwärts – vorsichtshalber.

»Sag mal, ist dir nischt kaltö?«, fragte Alex. Er sprach ausgezeichnet Schwedisch, nur mit ein bisschen weicheren Buchstaben und ein paar anderen Eigenarten wie zum Beispiel überflüssigen Ös, aber auch das gab sich erfahrungsgemäß schon nach ein paar Stunden, in denen er Schwedisch sprach. Die meiste Zeit wohnte Alex bei seiner französischen Großmutter in der kleinen Stadt, in der sein Vater aufgewachsen war. Seine Mutter Ellen hatte ihren Mann Claude auf einem Schiff kennengelernt, und sie verbrachten immer noch weniger Zeit an Land als auf See.

»Logisch ist mir kalt«, sagte George und blies auf seine steifen Finger. »Ich war beim Aufbruch ein bisschen in Eile.«

»Kein Problem, mon brave«, sagte Alex und hievte stöhnend seinen schweren Seesack auf den Bürgersteig. Er wühlte eine Weile darin herum und brachte schließlich einen dunkelblauen Rollkragenpullover zum Vorschein. »Wie wär’s mit dem?«, fragte er. »Meine Großmutter lässt sich nischt ausredön, dass Schweden am Nordpol liegt. Warte, es gibt noch einen roten und einen grünen mit weißen Streifön …«

»Halt, schon gut!«, rief George lachend, als Alex die Pullover der Reihe nach über den Lattenzaun hängte, vor dem sie gerade standen. »Der blaue reicht.«

Er zog den Pullover gerade über den Kopf, als eine Dame stehen blieb und fragte: »Was sollen die kosten?« Sie glaubte wohl, George und Alex wollten einen kleinen Flohmarkt abhalten.

»250 Kronön«, hörte George Alex wie aus der Pistole geschossen sagen. »Sie sind handgestrickt – echte französische qualité

Während George in die Ärmel schlüpfte, kramte die Dame nach ihrer Brieftasche und zog drei zerknitterte Geldscheine heraus, zwei Hunderter und einen Fünfziger. Alex nahm das Geld, faltete den grün-weißen Pullover sorgfältig zusammen und überreichte ihn der Dame mit einer Verbeugung.

»Danke«, sagte die Dame und ging sichtlich zufrieden davon.

»Du bist vielleicht ein Spaßvogel!«, sagte George nicht ohne Bewunderung für Alex’ Geschäftstüchtigkeit. »Und was denkst du, was deine Großmutter dazu sagt?«

»Die wird sich freuen«, sagte Alex, und George registrierte, dass dessen Akzent schon schwächer zu werden begann. Oder spielte er ihn sowieso nur, weil die meisten Leute so was witzig fanden? »Bis ich nach Hause komme, hat sie wahrscheinlich drei neue gestrickt. Sie strickt pausenlos. – Aber was hast du zu mir gesagt: Spaßvogel? Wieso Vogel? Siehst du irgendwo an mir Federn?«

In Östhamn begann eben der Frühling. Die Vögel zwitscherten in den Büschen und Bäumen, und eine bleiche Sonne versuchte, die letzten grauen Schneeplacken fortzuschmelzen.

»So sagt man«, sagte George. »Wahrscheinlich weil die meisten Vögel aussehen, als würden sie Spaß verstehen. – Übrigens cool, dass du da bist!«

Er boxte Alex auf den Arm. Das war seine Art, Küsschen zu verteilen.

Sie nahmen das Bootstaxi nach Doppingö, ein kleines tuckerndes Motorboot, das von einem Rentner namens Maximilian Johansson gefahren wurde, den alle Welt nur Taximax nannte. Er war klein und dünn mit einer spiegelblanken Glatze, über die er eine riesige Kapitänsmütze stülpte, die nur von seinen großen Ohren gehalten wurde. Seinen Liegeplatz hatte er, strategisch günstig, an der großen Brücke beim Hafen, von wo es etwa gleich weit zum Marktplatz wie zum Busbahnhof war. Er nahm äußerst wenig für eine Fahrt, weil es ihm mehr um den Spaß an den Fahrgästen als ums Geld ging, und Tante Frida war seine beste Kundin.

Herr Johansson, genannt Taximax, setzte George und Alex auf Fridas Bootssteg ab und fuhr winkend davon. Sie schulterten ihr Gepäck und gingen hinauf zu Fridas rotem Haus, das einmal ein Lotsenhaus gewesen war. Gleich daneben erhob sich der alte Lotsenturm, von dem die Lotsen nach Schiffen Ausschau gehalten hatten. Dort oben, in dem Raum mit Fenstern in alle vier Himmelsrichtungen, hatte Tante Frida ihr Atelier, denn von Haus aus war sie nicht Wombatparkbesitzerin, sondern Künstlerin, Bildhauerin, genauer gesagt. In den zwei Stockwerken darunter waren die Zimmer, die sie eigens für ihre Neffen und Nichten eingerichtet hatte. Diese Zimmer hatten keine Rundumfenster, aber Balkons, die nach verschiedenen Richtungen hinausgingen.

»Weißt du eigentlich, wann die Mädchen kommen?«, fragte Alex, der vor George herging und von dem nur die Beine unter dem riesigen Seesack herausschauten.

»Heute Abend, glaub ich«, sagte George. »Was schleppst du da außer einem Dutzend Pullover eigentlich alles an? – Wart mal … hörst du das?«

Tatsächlich war aus Tante Fridas Haus, dessen Fenster offen standen, eine laute Frauenstimme zu hören.

»Nein, hab ich gesagt! Niemals! Merken Sie sich das, Sie schrecklicher Mensch! Und lassen Sie mich endlich in Ruhe, hören Sie!!!«

Im nächsten Augenblick kam ein Handy aus dem Fenster geflogen und landete mitten in den Osterglocken, die in einem Blumenbeet am Rand von Fridas Garten wuchsen.

Alex drehte sich zu George um, und sie schauten einander verwundert an.

Kapitel 3

Seid ihr wirklich geschwommen?

George holte das Handy aus dem Blumenbeet, wischte es sauber und steckte es in die Hosentasche. Dann klopften sie an und gingen ins Haus. Tante Frida stand mit strubbeligen Haaren mitten im Wohnzimmer und verzog das Gesicht zu einer Grimasse.

»Aargh!«, schrie sie. »Der Kerl macht mich noch wahnsinnig! Jeden Tag dieselbe Leier!«

»Was für ein Kerl, und was für eine Leier?«, fragte George neugierig.

»Der Idiot glaubt tatsächlich, ich will … Er will … aaargh!«

»Was will er? Dich heiraten?«

George reichte Frida das doch nicht ganz sauber gewischte Handy, und sie starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an.

»Mich heiraten? Heiraten? Eher will mich der Kerl unter die Erde bringen. – Und damit genug, nicht wahr. Wo kommt ihr übrigens so plötzlich her? Hat euch Taximax hergebracht?«

»Nein, wir sind geschwommen«, lachte Alex.

Frida nickte. »Tapfer. – Es ist ein ganz schönes Stück, nicht wahr?«