cover
   A. W. Tozer– Gottes Nähe suchen– Aus dem Amerikanischen übersetzt von Christina Wattke– SCM R.Brockhaus

SCM | Stiftung Christliche Medien

Dieses E-Book darf ausschließlich auf einem Endgerät (Computer, E-Reader) des jeweiligen Kunden verwendet werden, der das E-Book selbst, im von uns autorisierten E-Book Shop, gekauft hat.
Jede Weitergabe an andere Personen entspricht nicht mehr der von uns erlaubten Nutzung, ist strafbar und schadet dem Autor und dem Verlagswesen.

3. Auflage 2014

Internet: www.scmedien.de; E-Mail: info@scm-brockhaus.de

Dieser Titel erschien zuletzt 2008 bei SCM Hänssler unter der ISBN 978-3-7751-4523-7

Inhaltsverzeichnis

Einleitung: A.W. Tozer und sein Vermächtnis

Vorwort

1   Meine Seele hängt an Gott

2   Der Segen der geistlichen Armut

3   Ein neuer Weg durch den Vorhang

4   Gott kennenlernen und begreifen

5   Die Allgegenwart Gottes

6   Das gesprochene Wort Gottes

7   Den Blick der Seele auf Gott gerichtet

8   Die Beziehung zwischen Schöpfer und Geschöpf

9   Sanftmut und Ruhe

10   Ein Leben zur Ehre Gottes

EINLEITUNG

A.W. Tozer und sein Vermächtnis

Innerer Seelenfrieden ist etwas, was Christen heutzutage nur selten besitzen. Er ist das Ergebnis der aufrichtigen Suche nach Gott. Leider haben viel zu viele Menschen ihre seelische Unruhe als etwas ganz Normales akzeptiert und aufgehört, Gott mit ganzem Herzen zu suchen. Einige haben das Stadtleben hinter sich gelassen und sind aufs Land geflohen mit der Hoffnung, in der Abgeschiedenheit diese innere Ruhe zu finden. Doch auch dort mussten sie feststellen, dass ihr Herz immer noch unruhig war.

A.W. Tozer war ein außergewöhnlicher Prediger, der das Geheimnis inneren Friedens für sich entdeckt hatte. Wie dieser Frieden zu finden ist, beschreibt er in diesem Buch. Mitten im Herzen Chicagos, inmitten des Lärms und der Hektik einer Großstadt, lebte Tozer eine intensive Gemeinschaft mit Gott. Tozer hatte nie das Glück gehabt, ein abgeschiedenes Leben zu führen. Er wurde unter armen Verhältnissen in den Bergen von Pennsylvania geboren, und so weit er zurückdenken konnte, war sein Leben von Elend und Not bestimmt gewesen. Bedingt durch seine familiäre Situation, musste er auf jegliche Form von Bildung verzichten. Er trat sein Amt als Prediger an, ohne jemals eine höhere Schule oder ein College besucht zu haben.

A.W. Tozer entschied sich mit fünfzehn Jahren für Christus, nachdem er in Akron, Ohio, bei einer Straßenversammlung einem Laienprediger zugehört hatte. Er schloss sich den Methodisten an und wurde ein aktiver Zeuge für Christus. Im Keller seines Zuhauses fand er eine kleine abgeschiedene Ecke, die von da an sein Gebetsplatz wurde. Dort suchte er gleich zu Beginn seines Lebens als Christ den intensiven Kontakt zu Gott, und diese Gewohnheit sollte ihn sein ganzes Leben lang begleiten.

Als er seine Tätigkeit als Laienprediger begann, erregte dies das Missfallen seiner Gemeinde. Daher schloss er sich der Christian and Missionary Alliance an, wo er Gelegenheit fand, seine Gaben einzusetzen. Er hatte offensichtlich die Gabe zu predigen, und im Jahre 1919 wurde ihm die Alliance Church in Nutters Fort, West Virginia, anvertraut. Nachdem er verschiedene Gemeinden in Toledo und Indianapolis betreut hatte, wurde er im Jahre 1928 zur Southside Alliance Church nach Chicago, Illinois, berufen, wo er einunddreißig Jahre lang tätig war. Die Avenue Road Alliance Church in Toronto, Ontario (Kanada), war die letzte Gemeinde, die er betreute.

Während seiner Zeit in Chicago predigte Tozer auch viele Jahre lang für den Rundfunksender Moody Bible Institute (WMBI). Mehrere Tausend Menschen, Laien wie Pastoren, hörten sich regelmäßig seine erkenntnisreichen Ausführungen zur Bibel an.

Seine literarische Begabung wurde schon bald von seiner eigenen Gemeinde und nach und nach auch von anderen evangelikalen Gemeinden anerkannt. Im Jahre 1950 wurde er zum Herausgeber von The Alliance Witness ernannt, eine Aufgabe, der er bis zu seinem Tode nachkam.

Alles, was Tozer wusste, hatte er sich mit großem Eifer in jahrelangem Selbststudium angeeignet, indem er unermüdlich im Gebet nach dem Willen Gottes fragte. Die Suche nach der Wahrheit und das Suchen nach Gott waren für Tozer ein und dasselbe. Wenn er z.B. glaubte, die großen englischen Werke Shakespeares verstehen zu müssen, las er sie regelrecht auf den Knien mit der Bitte an Gott, er möge ihm ihre Bedeutung zeigen. Diese Form des Selbststudiums war für ihn typisch.

Ohne jemals einen Lehrer gehabt zu haben außer dem Heiligen Geist und guten Büchern, wurde A.W. Tozer schließlich ein Theologe, ein Gelehrter und ein Meister im Beherrschen der englischen Sprache. Er verwendet in seinen Werken nicht viele Zitate; was er gelesen hatte, hatte er so in sich aufgenommen, dass er die Prinzipien der Wahrheit, die er in jahrelangem Studium erkannt hatte, in einfacher und doch interessanter Sprache weitergeben konnte. Am liebsten beschäftigte er sich mit den Anhängern des Glaubens. Das Verlangen seines eigenen Herzens wurde gestillt durch das, was er von den Männern und Frauen lernen konnte, die in einer Zeit scheinbar allgemeinen Abfalls vom Glauben und geistlicher Leere das Licht der geistlichen Wahrheit am Brennen hielten.

Viele Erkenntnisse in diesem Buch stammen aus Tozers persönlicher Erfahrung. Das Kapitel »Der Segen der geistlichen Armut« spiegelt Tozers verzweifelten Kampf wider, bevor er seine einzige Tochter Gott übergeben konnte. Als er sich in diesem intensiven und überwältigenden Kampf Gott völlig hingab, wurde er von einer neuen, herrlichen Freiheit ergriffen. Er hatte durch praktische Erfahrung gelernt, Gott zu erkennen.

Seit der ersten Auflage dieses Buches im Jahre 1948 wurden mehrere Hunderttausend Ausgaben in verschiedenen Sprachen gedruckt und weltweit vertrieben. Von allen Werken Tozers ist dieses Buch das bekannteste und meistgelesene. Das Schreiben dieses Buches war für Tozer gleichzeitig eine tiefe geistliche Erfahrung. Dr. David J. Fant, der Tozers Biografie verfasste, beschrieb dies folgendermaßen:

»Tozer schrieb dieses Buch regelrecht auf den Knien. Vielleicht erklärt dies die Macht dieses Buches und den Segen, der darauf ruht.«

Die Tatsache, dass sich dieses Buch nach wie vor so großer Beliebtheit erfreut, ist möglicherweise auf die wunderbare geistliche Erkenntnis des Autors zurückzuführen, dass die Suche nach Gott das Leben eines Menschen nicht einengt, sondern ihn vielmehr die größtmögliche Erfüllung erleben lässt, die es überhaupt geben kann.

A.W. Tozer war so etwas wie ein Prophet des zwanzigsten Jahrhunderts. Er fordert die Gemeinde auf, sich erneut der Gottesfurcht hinzugeben und die geistliche Wirklichkeit so zu erfahren, wie sie von ernsthaften Nachfolgern Gottes seit den Tagen der Apostel erfahren wurde. Von all seinen Werken geht dieses Buch am besten auf die tiefsten Bedürfnisse unseres Herzens ein.

Vorwort

In unserer heutigen Zeit der geistlichen Finsternis gibt es einen Lichtblick, der die Dunkelheit erhellt. Innerhalb der großen Schar von Christen sind immer häufiger solche anzutreffen, deren Glaubensleben von einem wachsenden Hunger nach Gott bestimmt wird. Sie haben ein tiefes Verlangen nach geistlichen Erkenntnissen und geben sich weder mit frommen Worten noch mit den richtigen »Interpretationen« der Schrift zufrieden. Ihr Durst nach Gott wird erst dann gestillt sein, wenn sie von der Quelle lebendigen Wassers getrunken haben. Diese Menschen sind meiner Ansicht nach die einzig wirklichen Vorboten einer möglichen Erweckung, die für viele eine Auferstehung zu neuem Leben bedeuten könnte bzw. eine Wiederentfachung des Feuers, das den Glauben an Christus eigentlich auszeichnen sollte. Dieses Feuer ist bei den heutigen Christen jedoch kaum noch vorzufinden.

Der oben erwähnte Hunger nach Gott muss von den Verantwortlichen innerhalb der Gemeinden jedoch erst noch wahrgenommen werden. Bislang hat man sich damit begnügt – um ein Bild zu gebrauchen –, einen Altar zu errichten, das Opfer zu zerteilen und dann immer wieder die Altarsteine zu zählen und die einzelnen Opferteile neu anzuordnen, ohne sich im Geringsten um das Feuer auf dem Altar zu kümmern. Aber Gott sei Dank, gibt es doch Menschen, denen dieses Feuer wichtig ist. Diesen Menschen sind zwar der Altar und das Opfer lieb und heilig, doch sie können sich einfach nicht damit abfinden, dass auf dem Altar niemals Feuer zu sehen ist. Gott ist es, nach dem sie verlangen, mehr als nach irgendetwas anderem. Sie dürsten und hungern danach, die Liebe Christi selbst zu schmecken, von der die Psalmisten und Propheten singen und schreiben.

Es herrscht heutzutage keinerlei Mangel an Lehrern, die in der Lage sind, die Prinzipien der christlichen Lehre richtig weiterzugeben. Doch zu viele von ihnen begnügen sich damit, Jahr für Jahr die Glaubensgrundlagen zu verkünden, ohne sich dessen bewusst zu sein, dass weder in ihrer Verkündigung noch in ihrem persönlichen Leben die Gegenwart Gottes zu spüren ist. Mit ihrer Verkündigung versuchen sie Menschen anzusprechen, die in ihrem Innersten ein tiefes Verlangen verspüren, ein Verlangen, das durch diese Art Verkündigung jedoch nicht gestillt wird.

In der heutigen Verkündigung fehlt es meiner Ansicht nach an etwas ganz Entscheidendem. Miltons erschreckende Aussage trifft auf unsere heutige Zeit ebenso gut zu wie auf die seine: »Die hungrigen Schafe blicken auf, doch sie erhalten kein Futter.« Es ist ein tragisches und ernst zu nehmendes Problem, dass Gottes Kinder Hunger leiden, während sie doch am Tisch ihres Vaters sitzen. Die Wahrheit in den folgenden Worten Wesleys ist nicht zu übersehen: »Der Glaube an Gott besteht nur zu einem sehr geringen Anteil aus der Orthodoxie bzw. der rechten Lehre. Auch wenn es kein Gefühl für Gott ohne die rechte Lehre geben kann, ist die rechte Lehre doch unabhängig von einem Gefühl für Gott. Man kann die rechte Lehre kennen und doch keine Liebe oder irgendein anderes Gefühl für Ihn empfinden. Satan ist dafür das beste Beispiel.«

Dank unserer hervorragenden Bibelgesellschaften und anderer Organisationen, die für die Verbreitung des Wortes Gottes sorgen, gibt es heute wahrscheinlich mehr Menschen, die die christliche Lehre kennen, als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt in der Kirchengeschichte. Ich frage mich jedoch, ob die geistliche Anbetung jemals zuvor einen solchen Tiefpunkt erreicht hat wie heute. Ein Großteil der Gemeinden hat die Kunst der Gottesanbetung vollkommen verlernt.

Eine fundierte biblische Verkündigung ist für eine Gemeinde des lebendigen Gottes absolut notwendige Grundlage. Ohne sie kann sich keine Gemeinde als neutestamentliche Gemeinde bezeichnen. Allzu oft wird bei der biblischen Verkündigung jedoch das Bedürfnis der Zuhörer nach echter geistlicher Nahrung übersehen. Worte allein können diesem Bedürfnis nicht gerecht werden, sondern nur Gott. Erst dann, wenn die Zuhörer Gott in einer persönlichen Erfahrung begegnen, hat die biblische Verkündigung ihr Ziel erreicht. Die Bibel ist kein Selbstzweck, sondern immer Mittel zum Zweck. Sie soll den Menschen eine befriedigende und persönliche Erkenntnis über Gott vermitteln, damit sie das Wunder seiner Gegenwart erfahren mögen und Gott selbst in ihrem tiefsten Inneren spüren und erleben können.

Dieses Buch ist der bescheidene Versuch, den Menschen, die nach Gott hungern, bei ihrer Suche nach Gott behilflich zu sein. Ziel dieses Buches ist es nicht, neue Inhalte zu vermitteln, sondern vielmehr meine persönliche Entdeckung wunderbarer und umwerfender geistlicher Wahrheiten an andere weiterzugeben. Es mag Menschen geben, die noch tiefer in die Geheimnisse Gottes vorgedrungen sein mögen, und mein Feuer mag auch nur von bescheidener Größe sein, doch vielleicht kann es dazu dienen, in dem einen oder anderen ebenfalls ein Feuer zu entfachen.

A.W. Tozer, Chicago, Illinois, 16. Juni 1948

KAPITEL 1

Meine Seele hängt an Gott

Meine Seele hängt an dir;
deine rechte Hand hält mich.
Psalm 63,9

Was ist die Bedeutung von »Hoffnung« als Helm? Der Kopf gehört zu den lebensnotwendigsten Teilen des Körpers. Die christliche Theologie vertritt die Lehrmeinung von der vorausgegangenen Gnade Gottes. Diese besagt, in knappen Worten zusammengefasst, dass Gott zuerst einen Menschen gesucht haben muss, bevor dieser Mensch in der Lage ist, Gott zu suchen.

Ein mit Sünden belasteter Mensch kann sich erst dann eine Vorstellung von Gott machen, wenn zuvor eine Erleuchtung in ihm stattgefunden hat. Diese Erleuchtung mag noch so unvollkommen sein, sie ist dennoch Wirklichkeit und die geheime Ursache aller Sehnsucht, alles Suchens und Betens.

Unser Trachten nach Gott ist einzig und allein auf ein Verlangen zurückzuführen, das Gott selbst in uns hineingepflanzt hat.

Jesus sprach: »Es kann niemand zu mir kommen, es sei denn, ihn ziehe der Vater, der mich gesandt hat« (Joh 6,44). Gott zieht uns, und unser Trachten nach Gott ist die Reaktion auf dieses vorausgegangene Ziehen Gottes und nicht im Geringsten unser eigener Verdienst.

Der Impuls, Gott nachfolgen zu wollen, geht von Gott aus. Diesen Impuls jedoch in die Tat umzusetzen, nämlich Gott zu suchen, das wiederum liegt beim Menschen. Und während der ganzen Zeit, in der wir ihn suchen, sind wir bereits in seiner Hand, denn »deine rechte Hand hält mich«.

Zwischen diesem göttlichen »Halten« und der »Suche« durch den Menschen besteht kein Widerspruch. Denn alles ist von Gott oder, wie von Hügel lehrt: Gott ist vor allem. Allerdings muss der Mensch auf Gottes vorausgegangenes Wirken antworten, indem er nach ihm sucht. Wir müssen auf dieses geheime Ziehen Gottes reagieren; nur so kann daraus eine wirkliche Erfahrung mit Gott werden. In Psalm 42,2-3 wird in sehr eindrucksvoller Weise die persönliche Beziehung des Schreibers zu Gott beschrieben: »Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir. Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann werde ich dahin kommen, dass ich Gottes Angesicht schaue?« Diese Verse beschreiben ein tiefes Verlangen nach Gott, und nur wer diese Sehnsucht selbst kennt, wird die Empfindungen des Schreibers verstehen können.

Die Lehre von der Gerechtigkeit durch den Glauben ist zwar eine biblische Wahrheit und bewirkt eine segensreiche Befreiung von sturer Gesetzeserfüllung und den vergeblichen Selbsterlösungsversuchen des Menschen. In der heutigen Zeit jedoch wird sie von vielen missbraucht und auf eine Art und Weise interpretiert, dass sie den Menschen eher davon abhält, Gott zu erkennen. Die Bekehrung zu Gott ist oft nur noch ein von Äußerlichkeiten gekennzeichneter Handlungsablauf, dem jede Form von Geistlichkeit fehlt. Der Glaube, der heute praktiziert wird, hat nichts mehr mit dem moralischen Leben oder dem Wesen eines Menschen zu tun. Heutzutage kann ein Mensch Jesus Christus »annehmen«, ohne eine besondere Form der Liebe für ihn zu empfinden. Der Mensch ist zwar »gerettet«, doch empfindet er weder Hunger noch Durst nach Gott. Im Gegenteil, es wird ihm sogar nahegelegt, sich mit dem zufriedenzugeben, was er hat, und nicht nach mehr zu verlangen.

Der aufgeklärte Wissenschaftler hat Gott inmitten der Wunder seiner Schöpfung aus den Augen verloren. Auch wir Christen stehen in der Gefahr, Gott inmitten all der Wunder seiner Schöpfung aus den Augen zu verlieren. Wir haben beinahe vergessen, dass Gott eine Person ist und dass wir zu ihm, wie zu jeder anderen Person auch, eine Beziehung pflegen können. Um sich ein vollständiges Bild von einer anderen Persönlichkeit machen zu können, bedarf es mehr als nur einer einzigen Begegnung. Nur durch einen langen, von Liebe geprägten geistigen Austausch werden beide Personen die Fähigkeiten des anderen in ihrer Vollkommenheit erkennen und verstehen lernen.

Jede zwischenmenschliche Beziehung ist im Grunde die Reaktion einer Persönlichkeit auf eine andere, angefangen von der rein zufälligen Begegnung zweier Menschen bis hin zur tiefsten und innigsten Gemeinschaft, zu der die menschliche Seele überhaupt fähig ist.

Auch der Glaube, sofern er echt und aufrichtig ist, kann im Grunde bezeichnet werden als eine Reaktion der Persönlichkeit des Geschöpfes auf die Persönlichkeit des Schöpfers, nämlich Gottes.

»Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen« (Joh 17,3).

Gott ist eine Person, und wie jede andere Person wird auch er in der Tiefe seines allmächtigen Wesens bestimmt vom Denken, Wollen, Genießen, Fühlen, Lieben, Verlangen und Leiden. Auch um sich uns zu offenbaren, bedient er sich der üblichen Verhaltensmuster einer Persönlichkeit: Er kommuniziert mit uns über unser Denken, unser Wollen und über unsere Gefühle. Der kontinuierliche und ungehemmte Gedankenaustausch sowie der Austausch von Liebe zwischen Gott und der Seele eines erlösten Menschen sind das, was das Leben in neutestamentlichem Glauben ausmacht.

Diese Beziehung zwischen Gott und der Seele eines Menschen spiegelt sich wider in einer bewussten, persönlichen Erfahrung mit Gott.

Sie ist persönlich, weil sie sich in den Personen manifestiert, die an Gott glauben. Sie ist bewusst, weil sie sich nicht im Unterbewusstsein abspielt (was manche von der Säuglingstaufe glauben), sondern vom Menschen genauso bewusst erlebt werden kann wie jede andere Erfahrung auch.

Wir Menschen sind im Kleinen (abgesehen von unseren Sünden), was Gott im großen Maßstab ist. Wir wurden nach seinem Bilde erschaffen und besitzen daher die Fähigkeit, ihn zu erkennen. Aufgrund unserer Sünden fehlt uns dafür jedoch die Kraft. Sobald uns der Geist Gottes aber zu einem neuen Leben in ihm erweckt, wird unser ganzes Wesen erfüllt, sowohl von der Erkenntnis über unsere Wesensverwandtschaft mit Gott als auch von der überwältigenden Freude über diese wunderbare Erkenntnis. Dies ist die himmlische Geburt, ohne die wir das Reich Gottes nicht sehen werden. Sie ist jedoch nicht das Ende, sondern erst der Anfang, denn nun beginnt die segensreiche Nachfolge, das Erforschen der unendlichen Reichtümer Gottes. Dies ist der Anfang, wie gesagt, das Ende jedoch ist uns Menschen noch verborgen, denn die Ehrfurcht gebietende und geheimnisvolle Tiefe Gottes kennt keine Grenzen.

Gott gefunden zu haben und ihn trotzdem noch zu suchen, ist ein Paradoxon der Liebe der menschlichen Seele. Jemand, der sich allzu leicht zufriedengibt mit seiner bisherigen Erkenntnis über Gott, wird diese Suche als unnütz abtun. Wer jedoch mit brennendem Herzen nach Gott sucht, den wird die Erfahrung, die er mit Gott macht, in seiner Suche nach Gott bestätigen.

St. Bernard fasst diesen Widerspruch in einem musikalischen Vierzeiler zusammen, den jede menschliche Seele, die Gott anbetet, sofort begreifen wird:

Wir essen von dem lebendigen Brot

und sehnen uns doch nach immer mehr;

wir trinken von der Quelle des Lebens,

und unsere Seele dürstet nach immer mehr.