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HARALD SANDNER

HITLER

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DAS
ITINERAR

Aufenthaltsorte und Reisen von 1889 bis 1945

BAND I
1889–1927

Man soll nicht vergessen und sich nicht ausreden lassen, daß der Nationalsozialismus eine enthusiastische, funkensprühende Revolution, eine deutsche Volksbewegung mit einer ungeheuren seelischen Investierung von Glauben und Begeisterung war.

Thomas Mann (1944)

Nobelpreisträger und
1933 aus Deutschland emigriert

Das [Zitat Manns] ist die Wahrheit, und alles andere, sage ich als Augenzeuge, ist Lüge. Die Verschmelzung war, bis auf Reste, total.

Ralph Giordano (1987)

Publizist

Impressum

Sandner, Harald:

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Urheberrechtshinweis

© Berlin Story Verlag GmbH

WWW.BERLINSTORY.DE

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung

Zur Forschungslage

Zu diesem Itinerar

Exkurs: Hitlers Reisegewohnheiten

Legende

Itinerar

Band I

1888

1889

1890

1891

1892

1893

1894

1895

1896

1897

1898

1899

1900

1901

1902

1903

1904

1905

1906

1907

1908

1909

1910

1911

1912

1913

1914

1915

1916

1917

1918

1919

1920

1921

1922

1923

1924

1925

1926

1927

Anhang

Band II

Legende

1928

1929

1930

1931

1932

1933

Anhang

Band III

Legende

1934

1935

1936

1937

1938

1939

Anhang

Band IV

Legende

1940

1941

1942

1943

1944

1945

Ab Mai 1945

Exkurse

Was geschah mit Hitlers Leichnam?

Wo wohnte Hitler?

Welche Verkehrsmittel nutzte Hitler?

Statistik über Hitlers Aufenthalte in ausgewählten Orten

Bilanz des Zweiten Weltkrieges – eine Beschreibung in Zahlen

Anhang

Quellen- und Literaturverzeichnis

Bundesarchive

Landesarchive

Gemeinde- und Stadtarchive

Institute/Museen

Publikationen

Tageszeitungen

Regionale Dokumente

Unterlagen über Flugplätze

Auskünfte von Privatpersonen

Internetseiten

Filmnachweise

Abbildungsnachweise

Abkürzungsverzeichnis

Danksagung

Hinweise für Korrekturen

Über den Autor

Hitler verjährt nicht.
Michael Stolle
Historiker und Autor

Vorwort

Ist über Adolf Hitler alles gesagt worden? Die Antwort mag überraschen: Nein!

Der deutsche Diktator lebte 56 Jahre und zehn Tage. In den 4473 Tagen seiner Herrschaft, besonders in den 2068 Tagen des Zweiten Weltkrieges bis zu seinem Selbstmord, veränderte er die Welt und brachte Elend, Leid und Tod über Millionen von Menschen. Ende April 1945 befanden sich mehr als 50 Länder mit dem Großdeutschen Reich im Krieg. Nur diese mächtige Koalition konnte Adolf Hitler zum Wohle der Menschheit endlich besiegen und den größten militärischen Konflikt der Weltgeschichte sowie das furchtbarste Menschheitsverbrechen aller Zeiten, den Völkermord an den europäischen Juden, beenden.

Die Geschichtswissenschaft hat sich jahrzehntelang mit grundlegenden Fragen zum Nationalsozialismus beschäftigt, wendet sich nun aber zunehmend anderen Aspekten zu. Historische Forschung ist und bleibt jedoch für ein Gemeinwesen unverzichtbare Voraussetzung für eine funktionierende Erinnerungskultur. Man kann Geschichte aber nicht nur rückwärts gewandt erläutern, also ausgehend etwa vom – mit Worten eigentlich nicht beschreibbaren – Grauen im Vernichtungslager Auschwitz oder vom Ende des Zweiten Weltkrieges, sondern auch chronologisch vorwärts, also beginnend mit dem Kind Adolf. Denn es stellen sich Fragen: Wie konnte es dazu kommen? Welchen Weg nahm Hitler, der Sohn eines österreichisch-ungarischen Zollbeamten, von einem Gasthaus in Braunau am Inn über ein Männerheim in Wien, die Schützengräben des Ersten Weltkrieges in Belgien und Frankreich, die Hinterzimmer Münchener Bierlokale und das Braune Haus bis in die Berliner Reichskanzlei und schließlich in den Führerbunker? Auf welchem Weg verlief sein Aufstieg vom Obdachlosen zum wohl am meisten verehrten und gleichzeitig am intensivsten gehassten Menschen der Weltgeschichte?

Der spätere Tyrann war kein „Phänomen“, sondern ein Mensch, der sich im Land fortbewegte und darin lebte. Da Hitler regelmäßige Büroarbeit ablehnte und Entscheidungen vielfach spontan und abhängig von seiner jeweiligen Gesellschaft fällte, kommt dem jeweiligen Aufenthaltsort des Diktators eine größere Bedeutung zu als bei anderen Personen der Zeitgeschichte. Er führte wohl das kurioseste Privatleben, das ein Mann mit höchster politischer und militärischer Macht je hatte. Spätestens seit den Jahren 1926/1927 war das eigentliche Machtzentrum der NSDAP dort zu finden, wo sich Hitler aufhielt. Dabei war sein Leben ein einziges Reiseprogramm. Hannah Arendt beschrieb treffend: „Die Uneindeutigkeit des Machtzentrums ist das entscheidende Charakteristikum totaler Herrschaft. Die geografische Verlagerung von Macht hat zur Folge, dass – abgesehen von dem im Führer verkörperten Willen – niemals feststehen kann, wo sich das Machtzentrum des Herrschaftsapparates befindet.“

Viele Städte wollten sich nach 1945 nicht mehr gerne an Hitlers Aufenthalte erinnern. Es ging um schnelles Vergessen, Verdrängung und die Bildung von Legenden, hinter denen viele Städte und Regionen ihre eigene Vergangenheit im NS-Regime verbergen und relativieren konnten. Erst seit einigen Jahren beginnt mancherorts eine seriöse Aufarbeitung. Als eine Art Datenarchäologe habe ich, um Lücken zu schließen, Irrtümer und Fehler aufzudecken, gegen Legenden und Verdrängung anzuschreiben und damit der Erinnerungskultur zu dienen, Historie und Topographie verschmolzen.

Die Ereignisse dieser Zeit kommentiere ich nicht, sondern dokumentiere sie. Man sollte sich bewusst sein, dass Gedenken und Erinnern nichts mit Ehren zu tun haben. Auf den Punkt gebracht hat das die Gemeinde Fischlham in Oberösterreich, die im Jahre 2000 eine Gedenktafel an Hitlers ehemaliger Schule anbrachte: „Zur mahnenden Erinnerung. Nicht Heil: Unheil – Zerstörung und Tod hat er über Millionen Menschen gebracht.“

In diesem Sinne ist auch der Leitspruch des österreichisch-jüdischen Überlebenden des Holocaust Simon Wiesenthal (1908-2005) zu sehen: „Aufklärung ist Abwehr.“ So freut es mich besonders, dass mich dessen Tochter Dr. Paulinka Kreisberg für dieses Buch mit einer Karikatur ihres Vaters unterstützte, die das Wesen des Mannes zum Ausdruck bringt, der wie kein anderer das Böse schlechthin symbolisiert.

Dieses Werk ergänzt die bedeutenden Biographien Hitlers mit einer detaillierten Rekonstruktion seines Lebens. In der Geschichtsschreibung ist es in dieser Form bisher weltweit einmalig.

Harald Sandner

Coburg, April 2016

Hitler ist die Antwort des Teufels auf Jesus Christus.
Norman Mailer
US-amerikanischer Schriftsteller

Einleitung

Wo genau hielt sich Adolf Hitler von seiner Geburt am 20. April 1889 in Braunau am Inn, damals Österreich-Ungarn, bis zu seinem Suizid am 30. April 1945 in Berlin, im damals schon fast ganz besetzten Großdeutschen Reich, auf? Darauf gibt das vorliegende Werk als Wegbeschreibung Antwort, denn es ist das nahezu vollständige Itinerar des deutschen Diktators Adolf Hitler.

Es bietet erstmals eine Zusammenstellung aller Wohn- und Aufenthaltsorte sowie seiner Reisen einschließlich Angaben über die benutzten Verkehrsmittel und ordnet diese Informationen in den politischen, militärischen und persönlich-privaten Kontext ein. Abschließend stellen Exkurse die benutzten Verkehrsmittel, den Verbleib der sterblichen Überreste Hitlers und die furchtbare Bilanz seines Lebens dar. Eine Statistik über seine Aufenthaltsorte rundet die Wegbeschreibung ab.

Hitler-Biographen erforschten die Quellen zum Zeitraum von 1889 bis 1918; sie waren – vor allem in jüngerer Zeit – in der Lage, neues Aktenmaterial auswerten und Fehler früherer Autoren korrigieren zu können. Als herausragende Beispiele seien hier Anton Joachimsthaler und Brigitte Hamann genannt, deren Bücher eine wertvolle Grundlage für Forschungen über die ersten drei Jahrzehnte von Hitlers Leben bilden.

Im Jahr 1919 begann Hitler seine politische Aktivität. Die Quellen darüber sind für die erste Zeit knapp und relativ neutral. Bald jedoch bestimmte die jeweilige politische Einstellung des Berichterstatters die Tendenz. Sachliche Mitteilungen nahmen ab, entweder waren Informationen nunmehr glorifizierend oder strikt ablehnend. Hinweise auf Reisen, benutzte Verkehrsmittel usw. liegen teilweise vor, widersprechen sich jedoch manchmal. Oft entstanden sie in solchen Fällen vor einem geplanten Ereignis oder erst danach. Ob der Berichterstatter persönlich anwesend war oder Angaben aus zweiter Hand weiterreichte, spielte ebenfalls eine Rolle.

Erkennbar ist das beispielsweise an den Daten über Hitlers Reden. Nicht selten haben Berichterstatter oder Historiker einfach das Datum von Presseartikeln über den Auftritt übernommen, ohne zu berücksichtigen, dass Zeitungen in der Regel mindestens einen Tag später erscheinen. Dass es Städte gab, in denen ein Blatt zwei- oder dreimal am Tag erschien, muss ebenfalls beachtet werden.

Fotos aus der Frühzeit von Hitlers politischer Tätigkeit Anfang der zwanziger Jahre sind spärlich vorhanden, da es der NSDAP-Chef aus politischen Gründen vorzog, sich nicht fotografieren zu lassen. Reporter, die es dennoch versuchten, konnten noch im Frühjahr 1923 Probleme mit Hitlers Leibwache bekommen.

Hitlers Wahlkämpfe mit dem Flugzeug 1932, als „Deutschlandflüge“ bezeichnet, erreichten ein bis dahin unbekanntes Maß an organisatorischem Aufwand und propagandistischer Perfektion. Trotz ausführlicher Berichterstattung hierüber fehlen oft Details wie An- und Abreise, Ort der Übernachtung usw. Von Ende 1924 bis Anfang 1933 hatte Hitler laut Aussage der NSDAP rund 1,5 Millionen Kilometer im Auto zurückgelegt; doch ein Nachweis dafür ist nicht bekannt.

Hitlers Buch „Mein Kampf“ ist als Quelle völlig ungeeignet, da es so gut wie keine konkreten Daten, Fakten und Ortsangaben enthält.

Für die ersten fünf Jahre von Hitlers Regierung, von 1933 bis 1938, ist die Quellenlage kaum besser. In der gleichgeschalteten Presse und der zeitgenössischen Literatur berichtete man in Tageszeitungen, Aufsätzen usw. überwiegend verherrlichend. Die Leistungen Hitlers und die Verzückung der Volksgenossen, die auf die Ankunft und Durchfahrt des gottgleich Verehrten warteten, beschrieben die Verfasser in epischer Breite. Nur selten finden sich jedoch Details, die über die benutzte Strecke im jeweiligen Ort hinausgehen. Bei politisch linksgerichteten Berichten, die es bis ins Frühjahr 1933 in Deutschland noch gab, finden sich in der Regel auch keine Details, sondern meist nur Häme und Spott über die Art des Auftretens Hitlers und über die politisch verwerflichen Inhalte seiner Reden.

Zeitgenössische Rückblicke der gleichgeschalteten Presse, vor allem auf die „Kampfzeit der Bewegung“ bis 1933, erweisen sich oft ebenfalls als fehlerhaft oder in Einzelfällen sogar als aus persönlichen Gründen bewusst manipuliert. So dominierte häufig die eigene, lokal beschränkte Sicht, die im Wetteifer um die Gunst des „Führers“ noch deutlich überhöht werden konnte. Man war sich bewusst, dass mangels entsprechender Aufzeichnungen niemand in der Lage wäre, diese Behauptungen kritisch und sachlich zu prüfen.

Beispielsweise berichtete die „Weimarer Zeitung“ vom 31. März 1933 über Weimar: „Keine andere Stadt hat Hitler so oft besucht, in keiner anderen deutschen Stadt hat er so oft zu bedeutsamen Reden das Wort genommen.“ Eine ähnliche Behauptung kursierte aber auch in Hamburg. Die „Goslarer Neueste Nachrichten“ schrieb am 1. August 1937: „Kaum eine andere Stadt in Deutschland ist dem Führer der NSDAP so sehr verbunden und verpflichtet wie Goslar.“ Das war unter dem Aspekt des Stadtmarketings werbewirksam, entsprach dem Führerkult und dem Ansehen der örtlichen Parteiorganisationen. Meist war jedoch hierbei der Wunsch der Vater des Gedankens.

Unterscheiden muss man grundsätzlich zwischen offiziellen und inoffiziellen Reisen Hitlers. Bei längeren offiziellen Reisen, die bewusst nicht geheim waren, wurde die Strecke von verzückten Volksgenossen umgehend telefonisch von Ort zu Ort durchgegeben. Manchmal fuhr ein Hitlerverehrer mit dem Motorrad sofort zum nächsten Ort, um die Neuigkeit dem Tross voranzutragen. Nicht selten fuhren bei zuvor bekannt gegebenen Reisen Journalisten hinter Hitlers Wagenkolonne her, was mitunter zu gefährlichen Situationen führen konnte, oder sie bewegten sich parallel zu seinem Zug. Sie wollten dabei sein und zeitnah berichten können, welche Orte er passierte, wo er aus dem Zugfenster schaute und ob Rückschlüsse auf seine Stimmung möglich waren.

Das war bei inoffiziellen Fahrten natürlich anders, erst recht bei geheimen Reisen. Sie sollten ohne Störungen und unnötige Aufenthalte verlaufen; Strecke und Anlass waren strikt vertraulich. Authentische Hinweise geben hier interne Berichte, beispielsweise die Tagebücher von Martin Bormann und die Terminkalender von Hitlers Diener Heinz Linge oder seinem Adjutanten Max Wünsche. Teilweise sind sie im Institut für Zeitgeschichte in München oder im Bundesarchiv in Berlin erhalten geblieben. Zusätzliche Details ergeben sich aus Ortsangaben in Briefen, Verleihungsurkunden, Widmungen, Gästebucheintragungen und ärztlichen Behandlungsprotokollen. Sogar aus Rechnungen können Hitlers Aufenthaltsorte entnommen werden, beispielsweise als er am 17. September 1931 Autoreifen bar im Firmengebäude bezahlte. Die entsprechende Rechnung hat sich durch Zufall im Bundesarchiv erhalten. Hinweise auf Daten und Orte, an denen Hitler sich aufgehalten hat, geben Besprechungsprotokolle, Berichte Dritter über einen Termin bei ihm und sogar erhalten gebliebene Speisekarten. Jedes einzelne bekannte Dokument, das von Hitler stammt, das er unterschrieb oder das auf andere Weise einen Bezug zu ihm hatte, wurde für das Itinerar ausgewertet.

Eine Ursache für Fehler dagegen sind teilweise falsche Daten, die Hitler selbst lieferte. So behauptete er, das Haus „Wachenfeld“ auf dem Obersalzberg erst 1928 gemietet zu haben; in Wahrheit geschah dies ein Jahr früher. Die Falschangabe hatte wohl steuerliche Gründe. Den Münchner Finanzbehörden erklärte Hitler 1930 und 1931, er verbringe nur wenige Tage im Jahr oberhalb von Berchtesgaden. Zwischen Dezember 1929 und Dezember 1930 sei er nur an elf Tagen dort gewesen – tatsächlich waren es wahrscheinlich mehr als zwei Monate. Die Gemeinde Salzberg vermutete Hitler 1929 an wenigstens 28 Tagen im Haus „Wachenfeld“, während es tatsächlich wahrscheinlich mehr als vier Mal so viele Tage waren. Auch sonst unterliefen ihm Fehler. So trug er beispielsweise am 28. August 1935 in das Gästebuch des Kreuzers „Köln“ ein: „Nach Erfüllung meiner Hoffnung. Kiel den 26. August 1935“.

Zudem verwischte er systematisch die Spuren seiner Vergangenheit, um dem politischen Gegner keine Angriffspunkte zu bieten. Alle schriftlichen Zeugnisse über seine Jugend und Familie unterlagen einem Veröffentlichungsverbot.

Selbst bei Fotos nahmen es Redakteure oft nicht ganz genau, wenn es um den geliebten „Führer“ ging. So wurde aus dem Elternhaus in Leonding bei Linz schon einmal das „Geburtshaus der Eltern des Führers“. Das wirkte sich selbstverständlich auf den örtlichen Tourismus positiv aus. Den Hof des wirklichen Geburtshauses Hitlers in Braunau am Inn bezeichnete man ganz idyllisch als den „Hof, in dem er als kleiner Junge spielte“. Dass die Eltern nur wenige Wochen nach seiner Geburt wegzogen und der kleine Adolf niemals in diesem Hof an einen Ball trat, ignorierten die Redakteure.

Ab dem 1. September 1939 wurden Berichte über konkrete Reisen und benutzte Verkehrsmittel sehr rasch seltener. Je länger der Krieg dauerte, umso weniger Details drangen an die Öffentlichkeit. Zu seinem Aufenthaltsort hieß es meist nur noch, er sei im „Führerhauptquartier“; die genaue Lage blieb offen. Dieselbe Bezeichnung wurde verwendet, um Hitlers Anwesenheit beispielsweise in Berlin oder auf dem Obersalzberg zu verschleiern. Hilfreich für das Itinerar waren deshalb die Lageberichte aus den verschiedenen Führerhauptquartieren sowie die „Zeitprotokolle der Fahr- und Flugbereitschaft des Führers“. Meist protokollieren diese Ankunftsdatum und -ort, Abreise und Ziel Hitlers jedoch nur selten.

Selbst dabei gab es Fehler. Hitlers Diener Heinz Linge beispielsweise, der ein teilweise erhaltenes Tagebuch führte, verwechselte am 16. April 1943 die Gäste im Hauptquartier, das zu dieser Zeit in Schloss Kleßheim bei Salzburg Station machte. Statt des tatsächlich anwesenden ungarischen Reichsverwesers Miklas Horthy notierte er, der rumänische Machthaber Ion Antonescu sei zu Besuch.

Je länger der Krieg dauerte und je schlechter die Lage an den Fronten wurde, desto mehr entzog sich Hitler der Öffentlichkeit. Reden vor Publikum wurden immer seltener oder mussten von NSDAP-Funktionären in seinem Namen vorgetragen werden. Stattdessen zog er sich in seine Hauptquartiere zurück.

In jüngerer Zeit hat sich die Quellenlage verbessert durch die Berichte von Zeitzeugen, die erst spät ihr Schweigen brachen, weil sie vor ihrem zu erwartenden baldigen Tode noch sprechen wollten. Viele solche Mitteilungen sind in diesem Itinerar teilweise erstmals berücksichtigt worden. Man darf jedoch nicht alles Erzählte für authentisch halten, nur weil es von Zeitzeugen stammt, denn Erinnerungen können täuschen. Es stellt sich nachträglich heraus, dass die Mitteilungen von Zeitzeugen unzuverlässig sein können, etwa weil sie Hitler mit anderen Nazigrößen verwechselten oder Details wie Zeitpunkte und Fahrtrichtung falsch angaben.

Beispiele dafür finden sich in Walter Kempowskis Buch „Haben Sie Hitler gesehen?“ Dort sind etwa die Hälfte der Zeit- und Ortsangaben falsch, was nicht dem Autor anzulasten ist, weil die Überprüfung der Angaben ausdrücklich nicht sein Ziel war.

Sehr wertvolle Hinweise und Fotografien lieferten andererseits die Zeitzeugen Rochus Misch, Telefonist und Leibwächter im Führerbegleitkommando, und Hitlers persönlicher Fotograf Walter Frentz. Beide konnte der Autor noch persönlich sprechen.

Zur Forschungslage

Wohl keine Person der Zeitgeschichte ist intensiver erforscht worden als Adolf Hitler. Diese Auseinandersetzung setzte schon in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts ein und entwickelte sich seither in Wellen, mit Schwerpunkten in den siebziger- und neunziger Jahren. Erschwerend für die Forschung kam allerdings hinzu, dass bei Kriegsende zahlreiche Dokumente und Archivbestände durch Kampfhandlungen vernichtet oder auch gezielt zerstört wurden. Besondere Untersuchungen aus den vergangenen Jahren über Hitlers Verhältnis zu München, Wien, Berlin, Hamburg, Bayreuth, Weimar und Braunschweig sind löbliche Ausnahmen, stellen sich diese Städte doch dadurch ihrer Vergangenheit – im Gegensatz zu anderen Kommunen.

Für viele Städte war es jahrzehntelang sehr bequem, die tatsächliche Anwesenheit Hitlers in ihrem Ort nicht wahrzunehmen. Sie wollten nicht wissen, wie oft Hitler anwesend war, weil das Thema ein Tabu war. Leider hat sich teilweise bis heute daran nichts geändert, oft mit der Begründung, das Image der eigenen Stadt könnte durch Offenlegen der Tatsachen geschädigt werden.

Ein trauriges Beispiel dafür ist Coburg. Noch Anfang des 21. Jahrhunderts behaupteten Gymnasiallehrer, Hitler sei nur zweimal vor Ort gewesen. Hier wird selbst heute noch eine Person wie Herzog Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha wegen seiner frühen Anhängerschaft zu Hitler lieber verschwiegen; aufgrund seiner Biographie mit dem Titel „Hitlers Herzog“ sieht man sich auf die Zeit des Nationalsozialismus reduziert. Es kam sogar vor, dass nach Kriegsende Aufzeichnungen aus der Zeit zwischen 1933 und 1945 zum Teil geschwärzt und damit unleserlich wurden.

Auf dem Gebiet der DDR herrschten bis zu deren Untergang 1989/90 ohnehin Verdrängungsmechanismen vor. Im Zeichen des vermeintlichen Antifaschismus erklärte sich die SED unbelastet von der Vergangenheit und schob sie vollständig der Bundesrepublik zu. Selbst ein Vierteljahrhundert nach der Wiedervereinigung wirken diese Manipulationen am Geschichtsbewusstsein fort.

Wie bereits zu Hitlers Lebzeiten werden bis heute noch unzutreffende Behauptungen zu seiner Anwesenheit an bestimmten Orten aufgestellt. Sie konnten im Rahmen des nun vorliegenden Itinerars überhaupt erstmals überprüft werden. Erfreulicherweise kann man sagen, dass sich die Zusammenarbeit mit Behörden und Institutionen, Archiven und Geschichtsvereinen in den vergangenen zehn bis 15 Jahren deutlich verbessert hat.

Mit den folgenden Beispielen, deren Aufzählung sich beliebig fortsetzen ließe, soll verdeutlicht werden, wie sich Fehler, Lücken, Irrtümer und widersprüchliche Aussagen in die Historiographie einschlichen und weitergegeben wurden.

Auch bei neueren und an sich seriösen TV-Beiträgen ist manchmal der Wunsch der Vater des Gedankens. So wird in der Produktion „Das Adlon – die Dokumentation“ von Gero und Felix von Boehm behauptet, Hitler habe das Hotel am Brandenburger Tor wegen des dort herrschenden internationalen Flairs nie betreten. In Wirklichkeit ist der „Führer“ zweimal im „Adlon“ gewesen, davon einmal als Reichskanzler. Der fotografische Beweis ist im vorliegenden Werk abgedruckt.

Ähnlich ungenau ging das ZDF in seiner „History“-Reihe unter Leitung von Guido Knopp vor. In einer Dokumentation von Johanna Kaack über Hitlers Kameramann und Fotograf Walter Frentz kommt ein Foto vor, das Hitler im Keller der Neuen Reichskanzlei beim Betrachten eines Modells der Stadt Linz zeigt. Der Begleittext führt zutreffend aus, die Aufnahme stamme von Frentz, und fährt falsch fort, es sei das letzte Foto Hitlers. In Wirklichkeit entstand das letzte Bild zehn Wochen später in den Ruinen der Alten Reichskanzlei. Sein Fotograf ist unbekannt; Frentz kann es jedoch nicht gewesen sein, da er Berlin zu dieser Zeit bereits verlassen hatte.

In seiner mehr als 2300 Seiten starken Dokumentation „Hitler. Reden und Proklamationen 1932 bis 1945“ hat Max Domarus zwar grundsätzlich akribisch gearbeitet, jedoch nur das berücksichtigt, was zeitgenössisch veröffentlicht wurde. So fehlt beispielsweise der Besuch des bulgarischen Königs Boris III. am 3. Juni 1943 auf dem Obersalzberg. Domarus übernahm außerdem die Ortsangaben stets aus der zensierten Presse; hier stand oft unzutreffend Berlin. So konnte er die für den Stalingradfeldzug entscheidende Besprechung in Poltawa am 1. Juni 1942 nicht aufnehmen, da sie seinerzeit der Geheimhaltung unterstand. Doch sogar veröffentlichte Ereignisse erwähnte Domarus mitunter nicht. So fehlt etwa der Staatsakt für General Karl Becker am 12. April 1940 in Berlin.

In seiner ansonsten detaillierten Arbeit „Hitler in Hamburg“ behauptet Werner Johe, Hitler habe „außer Berlin, München und Nürnberg aufgrund deren bevorzugten Stellungen im Deutschen Reich keine deutsche Stadt so oft besucht wie Hamburg“. Belegen konnte Johe diese Information nicht. Andererseits wurde nach dem Zweiten Weltkrieg kolportiert, dass der „Führer“ Hamburg angeblich gemieden habe, weil er eine Abneigung gegen die Stadt und ihre ehrbaren Kaufleute gehabt hätte.

In ihrer Biographie über Eva Braun schreibt Heike Görtemaker, Hitler habe sich im Februar 1933 „die Hälfte der Zeit in München“ aufgehalten. Tatsache ist jedoch, dass Hitler in diesem ersten Monat seiner Reichskanzlerschaft nur vier Tage vollständig und an weiteren sechs Tagen zeitweise in München war.

Franz Seidler und Dieter Zeigert behaupten in ihrem Buch über die Führerhauptquartiere, dass Hitler nach 1939 nicht mehr in Pullach gewesen sei. Dabei fanden die meisten seiner Aufenthalte bis 1945 in der von Martin Bormann errichteten „Siedlung Sonnenwald“, später jahrzehntelang Hauptsitz des Bundesnachrichtendienstes, während des Krieges statt. Hitler übernachtete hier sogar.

Florian Beierl schreibt, dass Hitler auf dem Obersalzberg „länger ansässig gewesen sei, als sonst irgendwo in seinem Leben“. Das ist jedoch unzutreffend. Er behauptet zudem, dass Hitler „nach 1939 nie wieder eine deutsche Stadt mit seiner Anwesenheit beehrt“ habe, was ebenfalls nicht stimmt.

Der sehr genau arbeitende Anton Joachimsthaler gibt an, Hitler sei „ab März 1925 bis zum 23. März 1929 370.000 Kilometer“ mit dem Auto gefahren. Eine Quelle für diese Angabe nennt er nicht.

Im hervorragend zusammengestellten Buch zur Dauerausstellung „Die tödliche Utopie“ in der Dokumentation auf dem Obersalzberg ist eine Auswahl prominenter Besucher bei Hitler aufgeführt. Leider wurden dafür Angaben aus der Literatur ungeprüft übernommen. So sind im Ergebnis von 56 Daten mehr als ein Drittel falsch.

Dass die Internetenzyklopädie Wikipedia und – oft darauf gestützt – geschichtsjournalistische Beiträge häufig fehlerhaft sind, verwundert nicht. So heißt es mehrfach, am 22. März 1925 habe der erste Auftritt Hitlers außerhalb von Bayern stattgefunden. In Wirklichkeit sprach der NSDAP-Agitator jedoch bereits am 7. Mai 1920 in Stuttgart.

Im Wikipedia-Eintrag „Tag der Nationalen Solidarität“ 1934 über die Eröffnung des Winterhilfswerkes ist (Stand 22. Juli 2015) zu lesen: „Am 11. Oktober 1934 rief Adolf Hitler mit einer Rede in der Krolloper zur Spendensammlung beim zweiten ‚Winterhilfswerk des Deutschen Volkes‘ auf.“ Das stimmt jedoch nicht. Vielmehr fand diese Veranstaltung bereits am 9. Oktober 1934 statt; der „Völkische Beobachter“ berichtete in seiner Ausgabe Nr. 282 am 10. Oktober 1934 darüber.

Als Beginn des sogenannten zweiten Deutschlandfluges in der Zeit der Wahlkämpfe 1932 wird in der Literatur durchgängig der 16. April 1932 angegeben. Tatsächlich startete das Propagandaunternehmen aber erst zwei Tage später mit einem Flug von München nach Beuthen. Hier übernahmen verschiedene Autoren einfach den von der NSDAP offiziell genannten Termin.

Gefälschte „Hitlerautografen“, beispielsweise von dem durch die Tagebuchaffäre der Illustrierten „Stern“ bekannt gewordenen Konrad Kujau, fanden Einzug in die Werke namhafter Historiker. So mussten Eberhard Jäckel und sein Mitarbeiter Axel Kuhn einräumen, in ihrer Edition „Hitler. Sämtliche Aufzeichnungen 1905 bis 1924“ neben 618 echten Dokumenten auch 76 Falsifikate aufgenommen zu haben.

Ebenso sind Bildunterschriften in Archiven und Datenbanken häufig fehlerhaft. So weist eine Bildunterschrift des Bundesarchivs Koblenz auf einen angeblichen Aufenthalt Hitlers 1941 in Schytomyr hin. In Wirklichkeit hielt er sich im Hauptquartier der Heeresgruppe Süd bei Taganrog auf.

Ein weiteres Beispiel ist der Besuch Hitlers im Lazarett „Carlshof“ nach dem Attentat vom 20. Juli 1944. In der Bildunterschrift wird vermerkt, dass ein „schwer angeschlagener“ Hitler zu sehen sei. Das Datum wird mit 21. Juli angegeben, da es passend erschien, dass er schon einen Tag nach dem Attentat das Lazarett aufsuchte. In Wahrheit kam er erst am 24. Juli zu den Verwundeten.

Auch das Deutsche U-Boot-Museum irrt, wenn es ein Bild, das Hitler beim Besteigen eines U-Bootes in Kiel zeigt, auf den 28. September 1935 datiert. Denn der „Führer und Reichskanzler“ war an diesem Tag in Essen und besuchte die Firma Krupp. Das U-Boot besichtigte er bereits am 28. August; der Fehler liegt hier in der Monatsangabe.

Laut einem Bildarchiv soll der Besuch des französischen Politikers Pierre Laval bei Hitler am 29. April 1942 stattgefunden haben; gemeint war jedoch der 29. April 1943. Falsch ist somit die Jahreszahl.

Ein Bild, das Hitler auf dem alten Linienschiff „Schleswig-Holstein“ bei einem Übungsschießen zeigt, wird auf den 19. August 1935 datiert. Tatsächlich war er an diesem Tag in München, um an einer Besprechung über den Reichsparteitag im September teilzunehmen, und hörte sich dabei eine erste Musikprobe an. Er kann demnach gar nicht in Kiel gewesen sein.

Der Historiker Uwe Neumärker und die Architekten Robert Conrad und Cord Woywodt schreiben in ihrem sonst hervorragenden Buch „Wolfsschanze“, dass Hitler am 10. Mai 1940 in „Heusenstamm bei Euskirchen“ mit dem Zug ankam. Tatsächlich liegt Heusenstamm bei Frankfurt/Main. In Wirklichkeit stieg Hitler in Euskirchen aus; der Sonderzug wurde danach lediglich in Heusenstamm abgestellt.

Eine Übersicht der mit Hitler in Verbindung zu bringenden Orte bietet das Internetprojekt „The Hitler Pages“. Manche der dort präsentierten Informationen sind gut recherchiert und detailliert. Sie berücksichtigen jedoch überwiegend nur die offiziellen Auftritte und sind auch teilweise fehlerhaft. So erweisen sich beispielsweise von sieben Einträgen zur Stadt Coburg vier als unzutreffend.

In seinem Buch „Hitler in Weimar“ behauptet Holm Kirsten, dass der „Führer“ sich am 20. und 21. Dezember 1944 in der thüringischen Stadt aufgehalten habe. Das ist frei erfunden, denn Hitler leitete an diesen Tagen vom Führerhauptquartier Adlerhorst aus die Ardennenoffensive.

In einer TV-Dokumentation über Rudolf Heß im Informationssender Phönix hieß es 2012, dass Hitler „im Jahre 1932 200 Auftritte absolvierte und dabei 30.000 Kilometer zurückgelegt“ habe. Belegbar ist diese Angabe allerdings nicht.

Lothar Machtan schreibt, Hitler sei „vor 1933 drei- bis viermal im Hotel Bube in Bad Berneck“ gewesen – eine nicht zu bestätigende Angabe. In der Literatur finden sich ebenfalls Behauptungen, dass Hitler „von Dezember 1929 bis Dezember 1930 nur elfmal auf dem Obersalzberg war“ und „1929 insgesamt nur 28 Tage“. Es stellt sich hierbei die Frage, wie diese Angaben ohne entsprechende Quellen oder ein seriöses Itinerar zustande kommen konnten.

Als Hitler bei der Grundsteinlegung für das Münchner „Haus der Deutschen Kunst“ am 15. Oktober 1933 der Hammer zerbrach, soll er am nächsten Tag deswegen seine Privatwohnung am Prinzregentenplatz nicht verlassen haben. Eine Anekdote, die wohl seine Betroffenheit betonen sollte. In Wirklichkeit jedoch gratulierte er am 16. Oktober dem bayerischen Reichsstatthalter Franz Ritter von Epp in dessen Wohnhaus zum 65. Geburtstag.

Hanns Christian Löhr kolportiert in seinem Buch „Das Braune Haus der Kunst“, dass Hitler am Staatsbegräbnis für den Leiter des „Sonderauftrages Linz“ Hans Posse in Dresden am 10. Dezember 1942 teilgenommen habe, um die Bedeutung des Verstorbenen zu unterstreichen. Hitler war an diesem Tag jedoch nachweislich in der „Wolfsschanze.“ Dennoch übernimmt Birgit Schwarz in ihrer Untersuchung „Geniewahn. Hitler und die Kunst“ Löhrs Behauptung ungeprüft.

Die Illustrierte „Stern“ druckte in einem Bericht über Heiligendamm ein Foto Hitlers mit Mussolini ab – als Beweis dafür, dass beide zusammen in dem Ostseebad waren. Doch das stimmt nicht.

Hitlers einmaliger Besuch in Paris illustriert die Probleme exakter Datierung besonders gut. Sogar nachgewiesene Teilnehmer der Reise gaben den Zeitpunkt falsch an; seitdem kursieren in der Literatur zwei abweichende Daten. Da Autorin Anna Maria Sigmund den Widerspruch nicht erkannte, konstruierte sie aus diesen zwei Daten – dem 23. und dem 28. Juni 1940 – einfach „zwei heimliche Besuche“, die natürlich „fast gleich abgelaufen“ seien.

Auch Paul Bruppacher hat in seiner durchaus guten „Chronik der NSDAP“ leider, was Hitler betrifft, viele fehlerhafte Angaben anderer Autoren übernommen und nicht selbst recherchiert.

Manchmal liegt die Ursache für Fehldatierungen bei fehlerhafter Übernahme aus anderer Literatur. Karina Urbach zitiert in ihrem Werk „Go-Betweens for Hitler“ aus dem Buch „Hitlers Herzog“. Jedoch hat sie das Datum eines Hitler-Besuches in Coburg, der am 19. Oktober 1935 stattfand, falsch abgeschrieben. So heißt es in ihrem im Juli 2015 erschienenen Buch, der „Führer“ sei am 24. Oktober 1935 in der oberfränkischen Stadt gewesen.

Zu diesem Itinerar

Viele Autoren haben falsche Angaben zu Adolf Hitler ungeprüft übernommen, manche sogar mehr oder weniger frei erfunden. Mangels eines seriösen Hitler-Itinerars konnten solche falschen Daten bislang nicht überprüft werden, jedenfalls nicht ohne den zeitaufwändigen Gang in Archive und die Erschließung dort zugänglicher Quellen. Das Institut für Zeitgeschichte München kündigte im ersten Band der Edition „Hitler – Reden, Schriften, Anordnungen“ 1992 an, dass dieses wichtige Werk der historischen Grundlagenforschung „verbunden mit der Erstellung eines detaillierten Itinerars“ erscheine. Allerdings ist es, selbst 23 Jahre später, bei dieser Ankündigung geblieben.

Die Notwendigkeit eines Itinerars ergab sich aus den zahlreichen Fehlern, Lücken, Irrtümern und widersprüchlichen Aussagen in der bisher veröffentlichten Literatur und in Fernsehsendungen. Hiervon sind namhafte Autoren und ihre Werke, deren Gesamtverdienste nicht geschmälert werden sollen, nicht ausgenommen.

Daraus ergeben sich viele Fragen zur historischen Wirklichkeit: Wann war Hitler wirklich wo und wie oft? Wo traf er politische Entscheidungen? Von welchen Orten aus leitete er den Krieg? Wo übernachtete er? Was tat er zwischen seinen offiziellen Auftritten? Welche Verkehrsmittel benutzte er? Wo erholte er sich? Welche Örtlichkeiten besichtigte er? Wie waren seine Reisegewohnheiten?

Die aufgeführten Beispiele zeigen, dass eine vollständige und nachweisbare, aufwändig recherchierte Dokumentation mit allen Daten längst überfällig war. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, mittels aller zur Verfügung stehenden wesentlichen Quellen akribisch und logisch dem Gesamtbild der vergangenen Wirklichkeit so nahe wie möglich zu kommen. Daher ist es wenig erstaunlich, dass sich noch kein, vor allem kein hauptberuflicher Historiker, dieser Aufgabe angenommen hat; ist sie doch mit sehr viel Zeit- und Kostenaufwand verbunden.

Das jetzt als vierbändiges Werk vorgelegte Hitler-Itinerar entstand insgesamt, von einigen Unterbrechungen abgesehen, zwischen den Jahren 1983 und 2015. Rund drei Jahrzehnte lang mussten Daten recherchiert, geprüft und abgeglichen werden; so ergab sich gewissermaßen ein Datenteppich. Zuerst wurde alle Zeitangaben in einer Liste eingetragen, später in eine Datenbank – unabhängig davon, ob sie glaubwürdig waren oder nicht –, verbunden mit der Fundstelle. Bereits hier ergaben sich für viele Ereignisse voneinander abweichende Daten.

In einem zweiten Schritt wurden die einschlägigen Archive systematisch um Auskunft gebeten, wann und wie oft Hitler vor Ort war. Teilweise verwiesen die Institutionen auf Zeitzeugen oder Privatpersonen, die sich mit der lokalen Materie auskannten. Auch diese Kenntnisse der befragten Personen flossen in das Itinerar ein – die meisten von ihnen leben inzwischen nicht mehr. Historische Tageszeitungen, natürlich einschließlich des Parteiblattes „Völkischer Beobachter“, ergänzten den Datenteppich.

In vielen Fällen waren persönliche Archivbesuche notwendig, etwa im Historischen Archiv von Krupp in Essen. Ergebnis war nicht nur die Bestätigung der bekannten Besuche Hitlers, sondern noch drei weiterer Aufenthalte, die in der Literatur bisher nicht auftauchten, da sie damals strikter Geheimhaltung unterlagen. Aus diesen Akten ergab sich auch, quasi als Beifang, Hitlers Besuch auf dem Versuchsplatz der Krupp AG in Meppen. Für den Tag zuvor war ein Termin in Berlin dokumentiert und für den Tag danach ein Auftritt in Wilhelmshaven. Dazwischen fuhr Hitler nicht nur mit dem Zug durch Nordwestdeutschland, sondern legte einen Zwischenhalt in Meppen ein. Außerdem fanden sich Belege für bisher unbekannte Vorträge von Vertretern der Firma Krupp in der Neuen Reichskanzlei und auf dem Obersalzberg.

Wesentliche Geschehnisse, die entweder Hitler selbst und sein Umfeld beeinflussten oder die der „Führer“ selbst auslöste, erscheinen im Itinerar als einzelne Einträge. Soweit bekannt, sind Uhrzeiten eines Ereignisses vermerkt. Hierfür waren die Aufzeichnungen der Diener Karl Wilhelm Krause und Heinz Linge sehr hilfreich.

Selbstverständlich gibt es nicht für jeden Tag in Hitlers Leben eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Angabe, die seinen Aufenthalt an einem bestimmten Ort nachweist. Manchmal muss man mit Wahrscheinlichkeiten arbeiten. Wenn etwa ein nachweisbares Ereignis an einem Montag in München stattfand und ein weiteres am folgenden Donnerstag ebenso dort nachgewiesen war, durfte als wahrscheinlich gelten, dass Hitler auch am Dienstag und Mittwoch in München weilte. Dies trifft vor allem für die Zeit ab 1932 zu, als Zeitungen jeden Auftritt Hitlers meldeten und die Bevölkerung diese Berichte genau verfolgte.

Wenn also bei einer Datenlücke nach logischen Gesichtspunkten ein Ort mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden konnte, erscheint er im Itinerar. Oft konnten sogar solche Ergänzungen nachträglich bestätigt werden. Am 28. und 30. März 1935 beispielsweise war Hitler nachweislich in Berlin, für den 29. März gab es indes lange kein Indiz. Dann fand sich ein Foto, das Hitler beim Betreten der Akademie der Künste zur Besichtigung einer Ausstellung über polnische Kunst zeigt. Eine Nachfrage im Archiv ergab für die Eröffnung den 29. März 1935. So schloss ein Foto die Lücke, denn Hitlers Besuch der Ausstellungseröffnung scheint nirgendwo sonst erwähnt zu sein. Ähnlich war es mit dem genauen Ort von Hitlers Ankunft in Berlin nach dem gescheiterten Bombenattentat von Georg Elser. Dass sein Sonderzug am 10. November 1939 morgens am Anhalter Bahnhof ankam, ergab sich erst durch eine Bildunterschrift.

Bei der Auswahl des Bildmaterials für dieses Itinerar liegt der Schwerpunkt auf bisher unveröffentlichten Fotografien, außer wenn es erforderlich schien, ein bereits bekanntes Bild zu zeigen. Um den Bogen von der Vergangenheit zur Gegenwart zu spannen oder um Lücken zu schließen, wenn keine historische Aufnahme zur Verfügung stand, runden aktuelle Fotos der Orte bzw. Vergleichsaufnahmen der Originalschauplätze die Darstellung ab. So ist in diesem Itinerar zum ersten Mal überhaupt das Haus von Erna Hanfstaengl in Uffing am Staffelsee zu sehen, in dem Hitler nach dem gescheiterten Putsch von 1923 Unterschlupf suchte und wo er verhaftet wurde.

Es war jedoch bei diesem Werk unmöglich, jedes Ereignis zu bebildern und jede verwendete Quelle nachzuweisen. Das hätte den ohnehin schon großen Umfang endgültig gesprengt. Dass Fußnoten auch problematisch sein können, zeigt folgendes Beispiel: Gunnhild Ruben verweist in ihrem Buch „Bitte mich als Untermieter bei Ihnen anzumelden“ mit einer Fußnote auf die seinerzeit im Institut für Zeitgeschichte München zugängliche erste Version eines Teiles dieses Itinerars sowie die Bormann-Tagebücher. Sie schreibt: „Über Jahre hindurch zeichnet dieses auf den Tag genau Hitlers Reiserouten exakt auf und beschreibt die Fahrtstrecke Hitlers nach Braunschweig auch für den 16. und 17. Juli 1935.“ Es folgt die Fahrtstrecke über Berlin, Potsdam und Brandenburg bis nach Braunschweig. G. Ruben suggeriert damit, dass Bormann seinerzeit die Details der Route dokumentiert hat. Tatsächlich ist bei ihm nur vermerkt: „16.7.1935 Fahrt M.B. mit Führer nach Braunschweig.“ Dass es der Verfasser dieses Itinerars war, der die eigentliche Fahrtstrecke rekonstruiert hatte, blieb unerwähnt.

Der Umgang mit der „braunen“ Vergangenheit, vor allem mit der Person Hitler, stellt jeden Autor vor große Herausforderungen. Lothar Machtan hat es auf den Punkt gebracht: „Wer etwas Neues über Hitler sagt, dem droht Ungemach, wenn er sich nicht nach mehreren Seiten hin absichert.“ Der Bremer Historiker konstatierte „eine andauernde Irritation, die zum Teil schon neurotische Züge trägt“. Doch wichtiger als ein moralisches Urteil, über das angesichts der in seinem Namen verübten Jahrhundertverbrechen nicht diskutiert werden muss, ist das Streben nach gesichertem Wissen. Zutreffend stellte Johannes Haslauer, der Leiter des Staatsarchivs Coburg, fest: „Quellen sprechen nicht für sich, sie müssen durch wissenschaftliche Herangehensweise kritisch interpretiert werden. In den Wissenschaften gibt es keine endgültig geklärten und abgeschlossenen Fragen.“

Man kann suchen, solange man will, man findet in der Geschichte nichts Vergleichbares.

Sebastian Haffner
Publizist und Historiker

Exkurs:
Hitlers Reisegewohnheiten

Die Eltern von Adolf Hitler besaßen nie ein Auto. Solche Fahrzeuge konnten sich vor dem Ersten Weltkrieg nur wenige reiche Privatpersonen leisten. Wenn überhaupt gereist wurde, dann mit Zug und Kutsche. Auch während seiner Zeit als Kriegsfreiwilliger von Mitte August 1914 bis November 1918 war Hitler relativ wenig unterwegs: 42 von 51 Kriegsmonaten verbrachte er im Hinterland der Front als Meldegänger beim Regimentsstab. Das war deutlich mehr als der Durchschnitt der deutschen Soldaten, die regelmäßig Heimaturlaub nahmen. Doch Hitler hatte niemanden, der für ihn Heimat bedeutete. Seine erste Abwesenheit aus dem erweiterten Kampfgebiet war ein Lazarettaufenthalt bei Berlin 1916. Seinen ersten Urlaub nutzte er im folgenden Jahr, um die Eltern eines Regimentskameraden in Berlin aufzusuchen. Truppenbewegungen kamen natürlich vor, wurden aber per Zug oder Lastwagen absolviert und sehr häufig mit längeren Fußmärschen.

Auch zu Beginn seiner politischen Tätigkeit als Mitglied der DAP und ab Februar 1920 der NSDAP legte er Strecken innerhalb Münchens sehr oft zu Fuß, außerhalb der Stadt mit dem Zug zurück. Nachdem er 1921 Parteiführer geworden war, schaffte ihm die NSDAP bald ein Auto an, mit dem er zu Veranstaltungen fuhr; allerdings nutzte er ebenso Züge und gelegentlich Lastwagen. Seinem späteren Diener Heinz Linge zufolge besaß Hitler zwar einen Führerschein und konnte Auto fahren, jedoch tat er es nicht. Der Führerschein wurde 1975 von „Hermann Historica“ in München versteigert. Nähere Details sind nicht bekannt.