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WILLIAM VOLTZ

 

 

 

DER

TRIUMPH

 

Erzählungen

 

 

 

 

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WING Publishing

Inhalt

 

Über den Autor

Vorwort

Der Triumph

Ernesto, der Ballspieler

Quarantäne

Heimkehr bei Nacht

Die Bevölkerungsbombe

Das PSI-Nest

Der Dreiköpfige

Vorurteile

 

Über den Autor

 

William Voltz wurde am 28.Januar 1938 in Offenbach geboren. Er interessierte sich bereits in früher Jugend für Science Fiction, wurde Mitglied im SFCD und war Mitbegründer des SF-Clubs STELLARIS in Frankfurt.

William Voltz begann mit dem Schreiben von Kurzgeschichten und auch ein Buch mit dem Titel STERNENKÄMPFER wurde veröffentlicht. Für seine Stories, die sich großer Beliebtheit erfreuten, bekam er im Jahr 1961 den »Besten Fan-Autor Preis«.

Sein Engagement ebnete ihm 1962 den Weg ins damals noch junge und kleine PERRY RHODAN - Team.

Bis zu seinem viel zu frühen Tod am 24. März 1984 schrieb der Autor nicht nur für diese und andere Serien, sondern veröffentlichte auch Serien unabhängige Romane und Kurzgeschichten.

Bookwire gab uns die Möglichkeit, diese William Voltz Veröffentlichungen als e-books anzubieten.

Vorwort

 

Der eifrige Büchersammler – und welcher SF-Leser wäre das nicht – kennt und verwünscht die nach den Dimensionen Länge, Breite und Höhe herrschende Unordnung in seinem Bücherschrank. In keiner Beziehung sind Verleger und ihre Hersteller so einfallsreich wie bei der Auswahl des Formats ihrer Produktionen, gleichgültig, ob es sich um Bücher, Paperbacks, Taschenbücher, Hefte oder Magazine handelt. Ein typischer Beweis für diese Behauptung ist jene Zeile in meinem Bücherschrank, in der meine Stories untergebracht sind – ein chaotisches Durcheinander aller nur denkbaren Publikationen, wo doch angeblich alles exakt genormt ist. Daher entspringt die Idee, eine einheitliche Sammlung all meiner SF-Stories in drei Bänden (dies ist der erste) herauszugeben, weniger meinem künstlerischen Ehrgeiz als einem tief verwurzelten Sinn für Ordnung. Die Früchte meines Bemühens sind thematisch und zeitlich recht unterschiedlicher Herkunft. Die jüngste ist die Titelstory und erschien erstmals in ANDROmeda, dem Fanzine des Science Fiction Clubs Deutschland (SFCD), dessen Ehrenmitglied ich zum Kummer einiger Kritiker bin. Diese Story brachte mir viel Lob, aber auch den Vorwurf ein, die Idee sei Joe Haldemann nachempfunden. Dazu kann ich feststellen, dass mit Sicherheit Joe Haldemann auch schon Ideen von mir nachempfunden hat, ohne auch jemals nur eine Zeile von mir gelesen zu haben, geschweige denn, mich zu kennen. (Ein ähnliches Problem hatte ich übrigens mit meiner Story »Der Preis«, die im dritten Sammelband erscheint, dort ist angeblich eine geistige Verwandtschaft mit Clifford D. Simak entdeckt worden). Die zweite Story in diesem ersten Sammelband, »Ernesto, der Ballspieler«, ist eine meiner frühen Geschichten aus dem Jahr 1960. Ein Kritiker bescheinigte mir, dass, wenn ich überhaupt gesellschaftskritisch aktiv würde, dies nur mit melancholischen Stories geschehe. Nun gut, dies ist so eine »melancholische« Geschichte. »Quarantäne« ist ebenfalls eine meiner ersten Stories, sie gehört zu meinen persönlichen Favoriten, weil ich die Pointe für gut gelungen halte und weil sich die ganze Geschichte jederzeit auf ethnische Minderheiten in unserer heutigen Zeit beziehen könnte. Eine typische Invasionsstory ist »Heimkehr bei Nacht«; ich glaube, auf die eine oder andere Weise schreibt jeder SF-Autor einmal eine solche Geschichte. »Die Bevölkerungsbombe« können Sie wieder dem »melancholischen« Teil zurechnen, während »Das PSI-Nest« rein aus der Lust am Fabulieren und wegen ihrer Pointe entstanden ist. Die Story, von der ich annehme (und das wird sicher viele Leser in Erstaunen versetzen), dass sie am ehesten einmal Wirklichkeit werden könnte, ist »Der Dreiköpfige«. Die letzte Story in diesem Band, »Vorurteile«, handelt von Minderheiten und davon, dass der Mensch seine Fehler auf alle möglichen zukünftigen Einrichtungen übertragen könnte. Ich hoffe, dass man allen Stories anmerkt, dass sie mit Spaß geschrieben wurden. Auf jeden Fall bin ich immer bemüht, nicht mit erhobenem Zeigefinger herumzufuchteln oder ihn gar in alle möglichen Wunden zu legen.

 

Heusenstamm, Mai 1980

William Voltz

Der Triumph

 

Das Alarmgeschrei der Totalprothetischen war noch nicht verstummt, als DuLewitt in seiner schimmernden Stützrüstung die Zentrale der LEA betrat und sich an den Kontrollen niederließ. Nichteingeweihte hätten den Kommandanten vermutlich für zumindest vier Fünftel prothetisch gehalten (auch wenn eines der ältesten Flottengesetze besagte, dass Kommandanten nur zur Hälfte prothetisch sein durften – wer, zum Teufel, hielt sich in diesem Krieg noch an die verdammten Gesetze!), aber das war eine Täuschung. DuLewitt war der einzige Mensch an Bord der LEA, der jemals in den Wirkungsbereich eines der geheimnisvollen Zertrümmerer der Yaels geraten war; dabei war ein Teil seines Skeletts zerstört worden. Für DuLewitt war es ein unschätzbarer Vorteil, so auszusehen, denn er konnte sich zwischen der überdurchschnittlich prothetischen Besatzung bewegen, ohne Neidgefühle zu erwecken.

DuLewitts Stimme klang dumpf unter der Haube hervor.

»Wann habt ihr das Ding geortet?«

Er hatte den Kopf in meine Richtung gedreht, aber die Frage galt zweifellos Mostryn, der die Entdeckung gemacht hatte. Mostryn war zu zwei Dritteln prothetisch, wenn auch auf eine recht unglückliche Weise: Sein Torso war mit einem fahrbaren Untersatz gekoppelt, der wie eine Art Tisch auf Rädern aussah. Es kam immer darauf an, wann es einen erwischte; manchmal ließen die äußeren Umstände und der Zeitdruck keine einwandfreie Prothetisierung zu.

»Vor knapp drei Minuten«, erwiderte Mostryn mit seiner sanften und melodischen Stimme.

DuLewitt beugte sich so hastig nach vorn, dass die Gelenke der Stützrüstung knackten.

»Warum kam der Alarm so spät?«, fuhr er uns an.

»Wir dachten, es sei eine harmlose Spionbombe«, erwiderte ich, obwohl ich als einer der drei Piloten für solche Einschätzungen nicht zuständig war. »Als wir sie neutralisieren wollten, schickte Turner ein routinemäßiges Echosignal hinüber. Dabei stellten wir fest, dass es sich um eine Sonde handeln könnte.«

Eine Zeitlang herrschte Schweigen. Ich spürte das unbestimmte Bedürfnis, aufzustehen und in der Zentrale auf und ab zu gehen. Doch dazu war ich seit sieben Jahren nicht mehr in der Lage, denn ich war ein standortgebundener Zweidrittel-Prothetisierter, wie es in der offiziellen Flottensprache hieß.

»Eine Sonde«, wiederholte DuLewitt, und jeder in der Zentrale ahnte, was er dachte.

Es war natürlich absurd, auch nur zu hoffen, dass wir den Triumph erringen würden, aber der Gedanke daran war wie schleichendes Gift, und er ließ sich nicht verdrängen. Vielleicht war es dieser Gedanke, der die Menschen diesen Krieg überhaupt noch durchstehen ließ, jene seit achthundert Jahren oder noch länger währende Serie von Massakern, die Yaels und Menschen untereinander anrichteten.

 

DuLewitt schaltete die Totalprothetischen ein, aber er hatte Pech und erwischte den verrückten Stanford, der sofort zu kreischen begann: »Schaltet mich ab! Bei allem, was euch heilig ist – schaltet mich ab!«

DuLewitt stieß eine Verwünschung aus. Er wandte sich an Darl Bongor, den Chefmechaniker.

»Ich hatte befohlen, ihn aus dem Kommunikationskreis auszuschließen«, sagte der Kommandant wütend.

Bongor bewegte nervös seine sechs spinnenförmigen Montagearmprothesen.

»Es würde ... Einsamkeit bedeuten!«

»Irgendwann drehen diese Totalprothetischen alle durch«, sagte DuLewitt. »Wir sollten wirklich das Recht bekommen, sie zu eliminieren, wenn es soweit ist.«

Diese Worte waren reine Ketzerei, doch niemand nahm sie unter den gegenwärtigen Umständen sehr ernst.

Der nächste Totalprothetische, der sich meldete, war Klärchen. Ursprünglich hatte sie zum Ärztepersonal der Achten Flotte gehört, aber nun war sie hier, vielmehr das, was noch von ihr übrig war – ihr Gehirn!

»Ihr kennt unser Problem, Klärchen«, sagte DuLewitt. »Wie weit seid ihr mit den Auswertungen?«

»Um ehrlich zu sein – wir haben überhaupt noch nicht damit angefangen«, entschuldigte sich Klärchen. Sie sprach mit der gleichen Stimme wie alle Totalprothetischen im Bordrechner, aber da an den Kontrollen jeweils das Persönlichkeitssymbol des Sprechers aufleuchtete, wussten wir, mit wem wir es zu tun hatten. »Wir gingen davon aus, dass es eine Spionbombe ist.«

»Fangt an!«, befahl DuLewitt.

»Wir sollten das Ding nicht zu nahe an uns heranlassen«, warnte ich. »Immerhin könnte es sich um eine neue Art von Waffe handeln – dann sind wir geliefert.«

»Sei still!«, befahl DuLewitt ungeduldig. Er lehnte sich im Sitz zurück.

»Ausgerechnet hier im Haegel-Sektor, wo vor achthundert Jahren alles angefangen hat!«, sagte er nachdenklich.

Bongor und ich wechselten einen schnellen Blick. Da war er wieder, dieser unselige Hang des Kommandanten zu metaphysischen Aspekten. Unter dieser schimmernden Stützrüstung steckte etwas von einem Philosophen, und das würde uns eines Tages noch das Leben kosten.

Natürlich entsprach die Bemerkung des Kommandanten den Tatsachen. Vor mehr als achthundert Jahren war ein riesiges Siedlerschiff, die ARCHE I, von den Yaels überfallen und vernichtet worden. Das hatte diesen schrecklichen Krieg zweier großer Zivilisationen ausgelöst.

Die Yaels sind dafür verantwortlich! Das war der erste Satz, den jeder zu hören bekam, den man rekrutierte. Inzwischen hatte dieser Krieg auf beiden Seiten soviel Opfer gefordert, dass man in unserer Flotte zum Prinzip der Prothetisierung übergegangen war. Der dabei inzwischen entwickelte Perfektionismus ließ es zu, dass selbst Halbtote immer wieder »hergestellt« und in den Krieg geschickt werden konnten. Vielleicht hatte der Gegner eine ähnliche Maßnahme ergriffen, denn es sah nicht danach aus, als sei die Zahl der Yaels inzwischen entscheidend dezimiert worden.

 

Die Unfähigkeit einer jeden Seite, den Feind zu besiegen, lag wahrscheinlich auch daran, dass die kämpfenden Parteien nichts voneinander wussten. Noch nie war ein Yael in unsere Hände gefallen, und noch nie war ein Mensch von den Yaels gefangengenommen worden. Außerdem gab es keinerlei Kriegsbeute – die beiderseitigen Systeme der Selbstvernichtung im Augenblick der Niederlage funktionierten offenbar immer. Davon, ein noch so kleines technisches Gerät der Yaels in seinen Besitz zu bringen, träumte jeder Raumfahrer von der Erde, denn das hätte vermutlich eine Wende in diesem Krieg bedeutet.

Auch DuLewitt träumte diesen Traum; allen logischen Erfahrungen zum Trotz hoffte er, dass er es sein könnte, der den Triumph errang.

Klärchen meldete sich wieder und unterbrach meine Gedanken.

»Alle Echos deuten darauf hin, dass es keine Waffe ist – jedenfalls keine der uns bekannten. Dagegen spricht vieles dafür, dass es sich um eine Sonde handeln könnte.«

»Kommandant!«, rief Mostryn.

»Du brauchst mich nicht zu ermahnen«, verwies ihn DuLewitt. »Ich kenne die Risikovorschriften und habe nicht vor, dieses Schiff in eine größere Gefahr zu bringen, als es den Umständen entsprechend erforderlich ist.«

Was für ein Schlauberger!, dachte ich wütend. Mit seiner Aussage hatte er sich praktisch alle Manöver offengelassen.

Klärchen sagte: »Gesetzt den Fall, es ist eine Sonde – was versprichst du dir davon? Sie wird sich in dem Augenblick auflösen, in dem wir uns zu intensiv um sie kümmern. Die Selbstvernichtungsautomatik der Yaels hat bisher noch nie versagt.«

 

»Ich denke, ich bin der Besatzung eine Erklärung schuldig«, sagte DuLewitt. »Bisher waren alle an Bord der Meinung, dass die LEA den Auftrag hat, unsere Nachschubrouten abzusichern. Offiziell tun wir das auch, seit ich vor zwölf Jahren an Bord gekommen bin und das Kommando übernommen habe. Das Oberkommando geht jedoch von anderen Voraussetzungen aus, als hier an Bord bekannt ist. Erinnert euch: Hier im Haegel-Sektor erfolgte vor mehr als achthundert Jahren jener heimtückische Überfall auf die ARCHE I, der den Krieg auslöste. Die Yaels sind dafür verantwortlich. Damals hatten sie ihre Selbstvernichtungsanlagen gewiss noch nicht in allen Raumflugkörpern installiert. Sie haben das zwar schnell nachgeholt, aber das Oberkommando schließt nicht aus, dass es Objekte geben könnte, die der Aufmerksamkeit der Yaels entgingen, sogenannte Irrläufer. Es könnten Sonden sein, von denen die Yaels annehmen, sie seien aufgrund ihres vorprogrammierten Kurses längst in eine Sonne gestürzt. Aber jeder Kurs kann beeinflusst werden, durch einen vorbeiziehenden Kometen, durch einen Meteor oder durch Gravowellen.«

 

»Hat sich das Oberkommando so weit von den Realitäten entfernt, dass es an einen derartigen Zufall glaubt?«, fragte Klärchen bestürzt. »Das käme fast dem Eingeständnis einer Niederlage gleich, denn es bedeutet nicht mehr und nicht weniger als dass man auf der Erde auf ein Wunder hofft.«

»Ja«, sagte DuLewitt matt. »Die Wahrscheinlichkeit, dass wir einen derartigen Irrläufer finden, ist in der Tat sehr gering.«

Bongor beugte sich zu mir herüber und flüsterte mir zu: »Dieser verdammte Esoteriker!«

Die Situation erschien mir immer unwirklicher. Wie konnten wir jetzt, da dieses Ding sich der LEA immer weiter näherte, die kostbare Zeit mit Diskussionen vergeuden?

»Wir schleusen ein paar Roboter aus, die versuchen sollen, die Sonde unter Kontrolle zu bringen«, befahl der Kommandant.

»Und wenn es eine Falle ist?«, protestierte Klärchen. »Der nächste Schritt wird sein, dass du befiehlst, die Sonde an Bord zu holen.«

DuLewitt schien so von der Vorstellung beherrscht zu sein, dass er derjenige sein könnte, der den Triumph errang, dass er offenbar an nichts anderes mehr denken konnte. Andererseits mussten wir uns fragen, ob das Oberkommando so leichtsinnig sein und einen Labilen als Kommandanten eines Geheimunternehmens einsetzen würde. Aber hatte nicht das Oberkommando selbst den Bezug zur Realität verloren? War dieser unsinnige Auftrag, den man DuLewitt erteilt hatte, nicht der Beweis für eine immer schlimmer werdende Kopflosigkeit im Hauptquartier auf der Erde?

Ich gestand mir ein, dass alle meine Bedenken sehr vordergründiger Natur waren. Tief in meinem Innern fieberte ich wie DuLewitt dem Ausgang dieser rätselhaften Begegnung entgegen, und wie er war ich von der vagen Hoffnung erfüllt, die Besatzung der LEA könnten den ersehnten Triumph für sich verbuchen.

 

Die Fangroboter wurden ausgeschleust. Es waren Bergungsautomaten, die nach Raumschlachten versuchten, Schiffbrüchige zu retten. Ich konnte die unförmigen Maschinen mit ihren tentakelähnlichen Spiralarmen auf den Bildschirmen erkennen. Es waren sechs. Sie bewegten sich im Formationsflug auf die feindliche Sonde zu. Niemand in der Zentrale sprach. Unbewusst warteten wir alle darauf, dass das mysteriöse Objekt sich auflösen und von den Kontrollen verschwinden würde.

Aber die Roboter erreichten es, ohne dass sich diese Befürchtung bewahrheitete.

»Mein Gott«, flüsterte Luster Hagen. Dort, wo die Platinschale über dem zerstörten Gesicht des Stellvertretenden Kommandanten endete, am Stirnansatz, bildeten sich kleine Schweißtropfen. »Sie berühren es!«

Ich biss mir auf die Unterlippe, um nicht aufzuschreien. Wir hatten unsere Unfähigkeit, irgendetwas aus der Yael-Zivilisation in unseren Besitz zu bringen, bereits wie ein unumstößliches Naturgesetz akzeptiert.

Und nun sah es so aus, als könnte dieses Gesetz gebrochen werden.

»Was melden die Roboter, Klärchen?«, krächzte DuLewitt.

»Sie haben offenbar keine Probleme«, berichtete die Totalprothetische.

Ihr Persönlichkeitssymbol erlosch, und das von Kithänen flammte auf. Es war nicht festzustellen, ob sie dem ehemaligen Admiral freiwillig den Kommunikationsplatz geräumt oder ob er gewaltsam ihre Stelle eingenommen hatte. Kithänen galt auf jeden Fall als Hauptsprecher der Gehirne.

»Ich habe noch immer den Status eines Admirals«, sagte er. »Das heißt, dass ich dein Vorgesetzter bin, DuLewitt.«

»Das gilt nicht bei Geheimmissionen«, erwiderte DuLewitt.

»Du bist im Begriff, dieses Ding an Bord holen zu lassen!«, warf ihm Kithänen vor. »Dabei handelt es sich offensichtlich um eine Falle. Die Yaels haben sich eine Methode ausgedacht, um irgendetwas von unserem Schiff in ihren Besitz zu bringen. Und du gehst ihnen auf den Leim.«

»Wenn das wirklich so ist, wird unsere eigene Selbstvernichtungsanlage verhindern, dass sie Erfolg haben«, erwiderte der Kommandant.

»Entmachtet ihn!«, rief Kithänen. »Setzt ihn ab!«

Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich begriff, dass diese Aufforderung an die Offiziere der LEA gerichtet war, auch an mich.

 

Die Stützrüstung klirrte leise, als DuLewitt sich umwandte und uns der Reihe nach ansah.

»Keiner von euch wird es wagen, diese einmalige Chance zunichte zu machen«, sagte er bestimmt.

»Admiral«, sagte Hagen verzweifelt, »wir müssen das Risiko eingehen.«

Inzwischen hatten sich die Roboter um die Sonde gruppiert, als wären sie ein Stück von ihr. Sie bugsierten sie auf die offene Hangarschleuse der LEA zu.

»Seit mehr als achthundert Jahren wird gemordet und zerstört«, sagte DuLewitt verbissen. »Die Yaels sind dafür verantwortlich. Sie haben diesen Krieg begonnen. Nun werden wir endlich etwas über ihre Technik erfahren. Das ist unser Triumph! Er wird die entscheidende Wende in diesem Krieg herbeiführen.«

Kithänens Persönlichkeitssymbol erlosch. Die Leuchtsegmente blieben dunkel. Ich begriff, dass der Kommandant die Verbindung zu den Totalprothetischen abgeschaltet hatte. Sie konnten nun keinen Einfluss mehr auf das Geschehen nehmen.

 

DuLewitt schaltete auf Interkomverbindung in den Hangar und fragte nach dem Diensttuenden Techniker. Knut Alberson, ein einarmiger Riese mit einer Plastikschulter, meldete sich.

»Sollen wir den Hangar räumen?«, erkundigte er sich.

»Genau das sollt ihr nicht tun«, erwiderte der Kommandant. »Sobald die Schleuse geschlossen ist, beginnt ihr mit den Untersuchungen. Ich erwarte ein einwandfreies Bild über Bordfunk. Lasst eure Anzüge geschlossen.«

Alberson, eines der wenigen Besatzungsmitglieder der LEA, das nur ein Drittel prothetisch war, zeigte Anzeichen einer beginnenden Panik. »Wir können hier nicht bleiben!«, schrie er.

»Ich befehle es!« DuLewitt zeigte plötzlich eine Haltung, die ich immer an ihm vermisst hatte – die des kompromisslosen Kommandanten. Vielleicht verbarg sich hinter seiner Rüstung noch mehr als ein knochenloser schwammiger Körper.

Wir saßen wie erstarrt da und beobachteten über die Bildschirme, wie die sechs Roboter mit der Sonde in den Hangar glitten.

»Sie sieht nicht so fremdartig aus, wie wir immer dachten, dass Yael-Technik sein könnte«, meldete Alberson gefasst. »Aber ich finde, dass sie außerordentlich primitiv wirkt.«

Der Kommandant lachte geringschätzig.

»Sei nicht voreilig in deinem Urteil, Knut.«

Die Roboter zogen sich zurück, und die Techniker mit ihren Geräten und Werkzeugen näherten sich der Sonde. Die Geschwindigkeit, mit der sich alles abwickelte, erschien mir im höchsten Maß widersinnig, denn anstelle dieser unvernünftigen Eile wäre behutsame Vorsicht richtiger am Platz gewesen. Aber vielleicht hatten wir unbewusst alle schon zu lange auf den Triumph gewartet. Das mochte die Hast erklären, in der wir nun handelten.

 

»Es scheint sich um eine Art Behälter zu handeln«, berichtete Alberson. »Mit einem eher einfachen Verschlussmechanismus. Kommandant, wenn das alles ist, was die Yaels aufzubieten haben, dann frage ich mich, warum wir sie bisher nicht schlagen konnten.«

»Spar dir deine Überlegungen«, empfahl ihm DuLewitt.

Die Untersuchungen wurden fortgesetzt. Ich starrte auf den Bildschirm und versuchte, Ordnung in meine Gedanken und Gefühle zu bringen. Ich sah, dass Alberson und sein Team die Sonde öffneten, ohne dass irgendetwas Bedrohliches geschah. Die Unkompliziertheit, mit der alles ablief, war geradezu überwältigend. Aber gerade sie ließ mein Unbehagen wachsen.

DuLewitt schien ähnlich zu denken, denn er sagte: »Wenn ihr irgendetwas entdeckt, das wie eine Waffe aussieht, brecht die Arbeiten sofort ab.«

»Im Innern der Sonde befindet sich etwas, das wie eine Tonspule aussieht«, berichtete Alberson mit leiser Stimme.

Ich hörte jemand gereizt auflachen.

»Wie kommst du auf die Idee, dass es eine Tonspule sein könnte?«, fragte der Kommandant. »Du solltest dich exakter ausdrücken.«

»Vielleicht schicken sie uns eine Botschaft«, mischte sich Luster Hagen ein.

»Es ist wirklich eine Tonspule«, bestätigte nun Alberson. »Reichlich einfach und primitiv, aber ich glaube fast, dass wir in der Lage wären, sie abzuspielen.«

»Die Kapitulation«, sagte Mostryn spöttisch. »Hoffentlich verstehen wir die Sprache der Yaels

Ich sah, dass im Hangar Bewegung entstand. Ein Mann brachte ein Wiedergabegerät und baute es neben der Sonde auf.

»Ich glaube nicht, dass wir sie abspielen können«, sagte Alberson. »Trotzdem wollen wir einen Versuch machen.«

Wir konnten sehen, dass er die Spule einlegte – Szenen wie Ausschnitte aus einem Traum –, dann trat er einen Schritt zurück. Aus den Empfängern innerhalb der Zentrale erklang ein dumpfes Rauschen und wie aus weiter Ferne sagte eine menschliche Stimme:

»... endlich unser Zielgebiet im Haegel-Sektor erreicht. Die Tatsache, dass die Welt, die als Kolonie ausgesucht wurde, von fremden Intelligenzen bewohnt war, hat uns alle schwer getroffen. Die Entscheidung von Kommandant Sanghor, diese Wesen mit biochemischen Kampfmitteln auszurotten und den Planeten damit für uns freizumachen, war nur den Offizieren bekannt, aber ich weiß nicht, ob wir anderen, wenn wir davon erfahren hätten, stark genug für einen Protest gewesen wären. Zu sehr sehnten wir uns nach der langen Zeit im Weltraum danach, diese Welt in unseren Besitz zu bringen. Nun wissen wir, dass wir einen schlimmen Fehler gemacht haben. Raumschiffe der Fremden sind aufgetaucht und haben unser Schiff umzingelt. Sie werden das Ende ihrer Artgenossen rächen. Ich hoffe, diese Nachrichtensonde noch rechtzeitig in den Weltraum schießen zu können, bevor die ARCHE I zerstört wird ...«

Ernesto, der Ballspieler

 

Lester Westmore stand am Fenster und beobachtete eine Gruppe von Kampfrobotern, die quer über den Hof zum Verladeplatz marschierten. Die Sonne blitzte auf den ovalen, blanken Metallkörper und nahm damit der exakten Marschordnung etwas von ihrer militärischen Wirkung. Die Waffen waren noch nicht in den Armstummeln der Maschinen verschraubt. Während des Transports sollten Beschädigungen vermieden werden. Später, wenn die robotischen Soldaten ihren Bestimmungsort erreicht hatten, vollendete ein Monteur das grundlegende Werk der Fabrik. Die Hände der Roboter bestanden jetzt nur aus Greifzangen, mit denen sie sich während ihrer Reise festhaken mussten.

Westmore nickte befriedigt. Seit er technischer Direktor geworden war, hatte das Werk seine Leistungskapazität fast verdoppelt. Sie stellten jeden Tag über tausend Kampfroboter her.

Westmore war ein untersetzter Mann von großer Vitalität. In seinem runden Gesicht wirkte die scharfe Hakennase unnatürlich. Er trug eine Kunstfaserperücke, die nach der neuesten Mode gescheitelt war.

Die kleine Gruppe hatte jene Stelle im Hof erreicht, wo sie zum Verladeplatz abbiegen musste.

Da kam der Ball von der Straße über die Hofmauer geflogen.

Eine kleine, farbige Kugel, die den Robotern entgegenhüpfte. Westmore hörte das enttäuschte Geschrei der Kinder von der Straße her. Sie wussten, dass ihr Spielzeug hinter den grauen Absperrungen der Fabrik verloren war.

Der Direktor, der sich gerade vom Fenster abwenden wollte, erstarrte inmitten seiner Bewegung. Mit offenem Mund blickte er auf die Betonfläche hinunter.

Einer der Roboter hatte sich von der Truppe getrennt. Etwas tolpatschig lief er hinter dem Ball her. Westmore vergaß zu atmen. So etwas gab es doch gar nicht.

Der Robot hob die Gummikugel auf und hielt sie unschlüssig in seiner Greifzange. Westmore riss das Fenster auf. Bevor er damit fertig war, hatte die Maschine den Ball zurück auf die Straße geworfen. Ein Triumphgeschrei der Kinder begrüßte das verloren geglaubte Spielzeug.

Westmore schluckte. Er schloss das Fenster wieder. Hastig griff er zum Telefon. Seine dicken, künstlich gebräunten Hände zitterten.

»Hallo, Wally!« Er räusperte sich nachdrücklich. »Schicken Sie mir sofort Lippert und Morenio herauf.«

»Sofort, Sir«, beeilte sich Wally zu antworten.

Westmore ließ sich ächzend in den pneumatischen Sessel hinter dem Tisch niedersinken.

Was er soeben erlebt hatte, war nach den Gesetzen der Robotik unmöglich. Nichts konnte einen Kampfroboter zu einer solchen Handlung veranlassen. Die Maschinen wurden gebaut, um zu kämpfen und zu zerstören. Sie erhielten eine entsprechende Programmierung, die jeden Fehler ausschloss. Der K-Typ musste den Feind schädigen, wann immer er auf ihn stieß.

Das Zurückwerfen des Balles – allein schon das Aufheben – war eine eigenmächtige Tat, die weit über das Aufgabengebiet dieser Roboter hinausging. Selbst für einen D-Typ – einen Dienstrobot – wäre dieses Geschehen noch ungeheuerlich gewesen.

Westmore schnaubte verwirrt.

Morenio und Lippert, die beiden Robotpsychologen, kamen herein.

Morenio war ein kleiner, knochiger Mann, mit einer wippenden Haartolle über der Stirn. Er hatte die Angewohnheit, seinen Mund während des Sprechens in die Breite zu ziehen.

Lippert hingegen war groß und ruhig, beinahe phlegmatisch. Sein Gesicht wirkte wie von einer Schablone gestanzt. Er hatte stets Gummibonbons bei sich, von denen er bei jeder Gelegenheit eines im Mund herumschob. Es gab ihm das Aussehen eines wiederkäuenden Büffels. Die Beschäftigung mit Robotern, das war die Meinung des Mannes von der Straße, schuf skurrile Menschen, die den Umgang mit ihren eigenen Artgenossen mieden.

Morenio schoss auf Westmore zu. Seine Augen funkelten gereizt.

»Wir stecken bis über beide Ohren in Arbeit, Lester.« An Morenios Größe gemessen, erschien dem Direktor die Arbeit nicht zuviel. »Sie holen uns einfach zu einer Konferenz herauf. Was bedeutet das?«

Fasziniert beobachtete Westmore das Zusammenwirken von Haartolle und Mund des Robotpsychologen. Mit schlenkrigen Bewegungen trat Lippert neben seinen Kollegen. Er fischte ein blaues Gummibonbon aus der Kitteltasche und betrachtete es nachdenklich. Voller Behagen schob er es sich in den Mund.

»Gerade habe ich gesehen, wie einer unserer Kampfroboter einen Ball aufhob, den Kinder hereingeworfen haben«, eröffnete er den beiden Spezialisten.

»Das soll wohl ein Witz sein?«, erkundigte sich Morenio aufgebracht.

Lippert sah ihn beunruhigt an uns sagte gar nichts.