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Über dieses Buch:

Arizona, 1884: Um einem sterbenden Mann den letzten Wunsch zu erfüllen, macht sich Ryan Delaney auf die Suche nach dessen verschollener Tochter. Doch dabei wird Ryan in einen Banküberfall verwickelt – und selbst für einen der Räuber gehalten. Auf der wilden Flucht inmitten von Gesetzlosen entdeckt Ryan, dass einer von ihnen ein delikates Geheimnis verbirgt: Unter den rauen Männerkleidern des wilden Kit steckt eine leidenschaftliche junge Frau, die in Ryan ein ungezügeltes Verlangen weckt. Aber kann er Kitty wirklich trauen – und ist er bereit, für sie seinen Schwur zu brechen, niemals zu lieben?

Über die Autorin:

Connie Mason hat früh ihre Leidenschaft für das Lesen und Schreiben entdeckt. 1984 veröffentlichte sie ihren ersten Roman. Im Jahr 1990 wurde die Amerikanerin vom »Romantic Times Magazine« zur »Erzählerin des Jahres« gekürt. Die Bestsellerautorin hat bereits mehr als 50 historische Liebesromane erfolgreich veröffentlicht. Heute lebt Connie Mason mit ihrem Mann in Florida. Sie hat drei Kinder und neun Enkel.

Bei venusbooks veröffentlichte Connie Mason außerdem:

Rebell meines Herzens

Die Liebe des Outlaws

Die Leidenschaft des Outlaws

In den Fängen des Wikingers

In den Armen des Ritters

Die Geliebte des Schwarzen Ritters.

In den Armen des Rebellen

Ein unwiderstehlicher Rebell

Der Rebell und die Schöne

Die letzten drei Romane sind auch im Sammelband Die Liebe der Rebellen erhältlich.

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eBook- Neuausgabe Juni 2018

Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Dieses Buch erschien bereits 2008 unter dem Titel Bittersüße Sehnsucht bei Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, Bergisch Gladbach.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1999 by Connie Mason.

Die amerikanische Originalausgabe erschien 1999 unter dem Titel To Tempt a Rogue bei Avon Books, An Imprint of HarperCollins Publishers, New York.

Copyright © der deutschen Ausgabe 2008 by Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, Bergisch Gladbach

Copyright © der Neuausgabe 2018 dotbooks GmbH, München

Copyright © der Lizenzausgabe 2018 venusbooks GmbH, München

Copyright © der aktuellen eBook-Neuausgabe 2020 venusbooks Verlag. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Dieser Titel wurde vermittelt durch Interpill Media GmbH, Hamburg. By arrangement with Natasha Kern Literary Agency.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz unter Verwendung von Bildmotiven von shutterstock/Vladlen Abdulin und shutterstock/Halay Alex

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-95885-630-1

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Connie Mason

Das Verlangen des Outlaws

Roman

Aus dem Amerikanischen von Ulrike Moreno

venusbooks

Prolog

Tucson, Arizona
1884

Der alte Mann im Bett lag im Sterben. Ryan Delaney wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis er seinen letzten Atemzug getan hatte.

»Du bist meine letzte Hoffnung, Ryan«, sagte Bert Lowry mit schwacher Stimme. »Ich habe keine Söhne, keine männlichen Verwandten, an die ich mich wenden könnte. Darum schrieb ich deinem Vater, meinem besten Freund, um ihn um Hilfe zu bitten. Es tut mir leid, dass ich nicht wusste, dass dein Vater tot ist. Wir schrieben uns nicht regelmäßig. Aber ich bin dir aufrichtig dankbar, dass du gekommen bist, Ryan. Wenn du meine verschwundene Tochter für mich finden könntest, würdest du einen sterbenden alten Mann sehr glücklich machen.«

Bert ließ den Kopf auf das Kissen zurücksinken. Die kurze Unterhaltung schien ihm seine letzte Kraft geraubt zu haben. Und Ryan erkannte plötzlich, dass er Bert tatsächlich helfen wollte, seine Tochter zu finden. Was zunächst als Jux, als kleines Abenteuer im Gegensatz zum Alltag auf der Ranch, begonnen hatte, hatte sich mit einem Mal in eine Hilfsmission verwandelt.

»Ich werde mein Bestes tun«, versprach Ryan. »Doch dazu müsste ich schon etwas mehr über Ihre Tochter wissen. Fühlen Sie sich in der Lage dazu, mir etwas über sie und ihren möglichen Aufenthaltsort zu erzählen?«

Plötzlich wurde die Tür zum Schlafzimmer aufgestoßen, und eine bezaubernd schöne, dunkelhaarige Frau trat ein. »Papa Bert! Mrs. Dewey sagte mir, es sei jemand bei dir. Bist du sicher, dass du dich wohl genug fühlst, um Besuch zu haben?«

Ihr scharfer Blick glitt prüfend über Ryan. Sie schien sehr zufrieden mit dem, was sie sah, da sie ihm ein strahlendes Lächeln schenkte und charmant meinte: »Ich bin Teresa Cowling, Berts Stieftochter. Ich glaube nicht, dass wir uns kennen?«

»Das ist Ryan Delaney, Teresa. Ich hatte ihn gebeten, zu uns zu kommen«, sagte Bert. »Du weißt, wie lange ich schon versuche, meine Tochter zu finden. Und nun wird Ryan mir dabei helfen. Er ist der Sohn meines ältesten Freundes.«

Teresa warf Bert einen verstimmten Blick zu. »Du verschwendest nur Mr. Delaneys Zeit, Papa Bert. Hast du ihm erzählt, wie viel Geld du schon ausgegeben hast, um ein Mädchen zu finden, das wahrscheinlich längst nicht mehr lebt? Wozu brauchst du noch eine weitere Tochter? Du hast doch mich, auch wenn ich nicht dein eigen Fleisch und Blut bin.«

»Na, na, Teresa«, meinte Bert beschwichtigend, »das haben wir doch schon oft genug besprochen. Solange noch auch nur ein Fünkchen Hoffnung besteht, werde ich niemals aufhören, Kathryn zu suchen.«

Ryan musterte Teresa mit einem anerkennenden Blick. Dank seiner vielseitigen Erfahrungen mit dem schöneren Geschlecht hatte er ihre sinnliche Natur sofort erkannt. Die Signale, die sie ihm zusandte, verrieten mehr als nur flüchtiges Interesse. Er war sich ihrer exotischen Schönheit, ihres kurvenreichen Körpers und der unverhohlenen Einladung in ihren blauen Augen sehr bewusst. Und er wusste auch, dass sie sein Interesse an ihr ebenso sehr abzuschätzen versuchte, wie es auch umgekehrt der Fall war. Er glaubte nicht, dass er sie falsch beurteilte, und fragte sich, was es wohl erfordern mochte, sie ins Bett zu bekommen. Womöglich würde dieses Abenteuer sich ja doch noch als erfreulicher erweisen, als er erwartet hatte.

Ryan zügelte seine in diesem Moment wahrlich unangebrachten Gedanken und löste seinen Blick von dem verführerischen Dekolletee über dem Ausschnitt von Teresas Kleid, als er etwas zu spät bemerkte, dass Bert wieder das Wort an ihn gerichtet hatte.

»Hör nicht auf Teresa, Ryan«, sagte Bert. »Sie ist ein bisschen eifersüchtig. Sie hatte in all diesen Jahren meine ganze Aufmerksamkeit und kann sich immer noch nicht damit abfinden, dass ich eine leibliche Tochter habe. Ich konnte es selbst nicht glauben, als ich vor sechs Jahren von Kathryn hörte.«

Ryan horchte auf. »Sie haben erst vor sechs Jahren von Kathryns Existenz erfahren?«

»Das war, als ich von Rena Johnson, einer Frau aus meiner Vergangenheit, einen Brief erhielt, in dem sie mir mitteilte, dass wir eine Tochter zusammen haben.« Er starrte ins Leere, und seine scharfen Züge wurden etwas weicher. »Vor fast zwanzig Jahren verliebte ich mich in Rena. Wir hatten eine kurze, aber leidenschaftliche Affäre miteinander. Ich hätte sie gerne zur Frau genommen, wenn ich mich nicht gezwungen gesehen hätte, eine reiche Witwe zu heiraten. Ich hatte ziemlich hohe Steuerschulden und war kurz davor, meine Ranch zu verlieren.«

»Papa Bert!«, rief Teresa entsetzt. »Soll das etwa heißen, dass du meine Mutter nur wegen ihres Geldes geheiratet hast?«

»In erster Linie ja, Teresa, obwohl ich Leona ziemlich schnell lieb gewann, nachdem wir erst einmal verheiratet waren. Und seit du als erwachsene Frau hierhergekommen bist, habe ich dich immer wie mein eigen Fleisch und Blut behandelt.«

»Bitte fahren Sie fort«, sagte Ryan, dem Berts auffallende Blässe nicht entgangen war. Er konnte nicht versprechen, dass er Berts vermisste Tochter wirklich finden würde, aber an dieser vereitelten Liebesgeschichte zwischen Bert und Rena war etwas, das sein Interesse weckte.

»Rena schrieb in ihrem Brief, sie habe nicht mehr lange zu leben, und bat mich, unsere Tochter bei mir aufzunehmen, wenn sie nicht mehr sein würde. Sie hatte einen Mann namens Deke Johnson geheiratet, den sie als Trunkenbold und Frauenheld beschrieb, und wollte nicht, dass Kathryn nach ihrem Tod bei ihm blieb.

»Zuerst hielt ich das Ganze für ein Lügenmärchen und unternahm daher auch nichts. Doch je länger ich darüber nachdachte, desto mehr freundete ich mich mit dem Gedanken an, tatsächlich eine Tochter mit Rena zu haben. Leonas lange Krankheit und ihr Tod verzögerten allerdings meine Nachforschungen während dieser Zeit. Nachdem ich Renas Brief erhalten hatte, verging ein ganzes Jahr, bis ich einen Privatdetektiv engagierte. Und für diese Verzögerung habe ich einen hohen Preis gezahlt.«

»Hatte Rena Ihnen geschrieben, wo Sie Kathryn finden würden?«

»Rena und Kathryn lebten in Tombstone bei Deke Johnson, als sie den Brief aufgab. Sowohl Rena wie auch Deke waren aber schon unter der Erde, als der Detektiv, den ich beauftragt hatte, in Tombstone eintraf. Er erfuhr, dass Rena tatsächlich eine Tochter namens Kathryn hatte. Aber das Mädchen war gleich nach Dekes Tod verschwunden. Ich engagierte noch weitere Detektive, aber auch sie fanden keine Spur von ihr. Allerdings machten sie das Haus ausfindig, in dem Rena und Kathryn mit Deke Johnson gelebt hatten. Es liegt am südlichen Außenrand von Tombstone und steht leer, soweit ich weiß. Sie fanden auch noch etwas anderes Wichtiges heraus. Johnson hatte einen Sohn namens Lex, der schon Jahre zuvor die Stadt verlassen hatte und angeblich mit der Barton-Bande reitet. Diesen Lex aufzuspüren, könnte möglicherweise ein guter Anfang sein.«

»Wie ist Deke Johnson denn zu Tode gekommen?«, fragte Ryan.

»Etwa einen Monat nach Renas Tod wurde er bei einer Partie Poker beim Mogeln erwischt und erschossen.«

Ryan kniff nachdenklich seine grünen Augen zusammen. »Das sind nicht allzu viele Anhaltspunkte, um mit der Suche zu beginnen.«

»Es ist alles ... was ich habe«, erwiderte Bert, dessen Stimme mittlerweile schon deutlich schwächer war.

»Papa Bert braucht Ruhe«, erklärte Teresa, während sie nach Ryans Arm griff und ihn mit sich zur Tür zog. »Sie können später noch mal mit ihm reden.«

Ryan folgte ihr ohne Protest. Leise zog er die Tür hinter sich zu und begleitete die junge Frau die Treppe hinunter ins Wohnzimmer. Dort ließ er sich auf ein bequemes Sofa fallen und streckte seine langen Beine aus.

»Sie sind doch sicher müde«, meinte Teresa, während sie sich neben ihn setzte.

Sie beugte sich ein Stückchen zu ihm vor, und er nahm einen schwachen Hauch von Veilchenduft wahr. Er hatte schon immer eine besondere Vorliebe für den Geruch von Veilchen gehabt. »Ein bisschen«, sagte Ryan. »Es ist ein weiter Weg von Dry Gulch in Montana.«

»Nach Tucson ist es ein weiter Weg von überallher«, gab Teresa knapp zurück. »Manchmal wünschte ich ...« Sie unterbrach sich brüsk und schenkte Ryan ein verführerisches Lächeln. »Sind Sie verheiratet, Ryan?«

»Verheiratet? Ich? Ha! Der Tag wird niemals kommen«, erklärte er mit Überzeugung. »Meine Brüder mögen der Versuchung zwar erlegen sein, aber für mich ist die Ehe nichts. Es gibt zu viele Frauen dort draußen, um mich mit einer einzigen zu begnügen.«

»Ich wette, Sie haben schon viele Mädchen geküsst«, sagte Teresa mit einem gespielt schüchternen Blick.

Ryan grinste sie frech an. »Das ist eine Wette, die Sie gewinnen würden, Miss Cowling.«

»Nennen Sie mich doch Teresa, dann nenne ich Sie Ryan. Ich wette allerdings auch, dass Sie nur noch nie der richtigen Frau begegnet sind und dass das der Grund ist, warum Sie nichts von der Ehe halten.«

»Die richtige Frau gibt es gar nicht«, versetzte Ryan knapp.

Er starrte Teresas sinnliche, erfreulich volle Lippen an, die sie wie in einer stummen Einladung ein wenig geöffnet hatte, und lächelte innerlich. All seine Instinkte sagten ihm, dass Teresa offensichtlich mehr als gewillt war, sich auf einen kleinen Flirt einzulassen. Wenn sie so begierig darauf war, warum sollte er sie zurückweisen? Er würde ohnehin nicht eher gehen, bis er alles erfahren hatte, was Bert über seine Tochter Kathryn wusste, und bis dahin konnte er sich mit einer kleinen Tändelei mit Teresa wenigstens die Zeit vertreiben. Und wenn der Tag des Aufbruchs kam, würde Teresa aus eigener Erfahrung wissen, wie ›Frauenheld‹ Ryan sich seinen Spitznamen erworben hatte.

1. Kapitel

Tombstone, Arizona
1884

Musst du schon gehen, Ryan?«, fragte Terri schmollend, während sie sich träge auf ihm räkelte und verführerisch die Hüften kreisen ließ. »Das nächste Mal ist umsonst, wenn du noch ein bisschen länger bleibst.«

Ryan bedachte sie mit einem leicht spöttischen Grinsen. »Das klingt ja ungemein verlockend, Schätzchen, aber ich habe schon länger mit dir herumgeschäkert, als ich dürfte. Ich kam her, um Informationen zu sammeln, und nicht, um flachgelegt zu werden.«

»Es kann aber auch nichts schaden, beides zu bekommen«, erwiderte Terri kokett und rieb ihre vollen Brüste an seinem nackten Oberkörper. »Außerdem bekomme ich so gut aussehende, grünäugige Männer wie dich nicht oft zu sehen. Angie nimmt die jungen immer sofort selbst in Beschlag. Wenn sie nicht gerade beschäftigt gewesen wäre, als du kamst, hätte sie sich bestimmt auch dich geschnappt.«

»Einer schönen Frau konnte ich noch nie widerstehen«, sagte Ryan, während er Terris Schenkel spreizte und mit einer kraftvollen Bewegung in sie eindrang.

Terri seufzte vor Entzücken und überließ sich Ryans vollkommenem Liebesspiel. Er war der einzige Mann, der sie nicht wie die Hure behandelte, die sie war.

Ryan zog sich an, verließ Terris übertrieben protzig eingerichtetes Zimmer und dachte über die Dinge nach, die er seit seiner Ankunft in Tombstone am Vortag in Erfahrung gebracht hatte.

Terri hatte ihm erzählt, dass Lex Johnson kein Unbekannter vor Ort war, obwohl sie nichts über seine Familie wusste. Auch die Mitglieder der Barton-Bande zählten zu den häufig kommenden Gästen, waren allerdings in letzter Zeit nicht mehr in der Stadt gesehen worden waren. Ryan wusste, dass die besten Informationsquellen normalerweise im örtlichen Bordell zu finden waren – deshalb hatte er auch zuerst das Bird Cage aufgesucht. Er hatte eigentlich nicht vorgehabt, sich mit einem der Mädchen einzulassen, konnte aber eben einfach gar nicht anders, als das zu tun, was ihm am meisten lag. Er war fest entschlossen, eines Tages wiederzukommen, um es auch mit Pat, Bev und Lee zu probieren. Seiner Meinung nach verfügte das Bird Cage über die besten Huren in ganz Arizona. Mother Mary, wie die Bordellmutter liebevoll genannt wurde, führte ein ausgesprochen gutes Haus.

Die Sonne ging schon langsam unter, als Ryan das Bird Cage verließ und zur Bank hinüberging, um Geld von dem Kreditbrief abzuheben, den er von zu Hause mitgebracht hatte. Als er die Bank betrat, waren noch zwei andere Kunden vor ihm an der Reihe, und so sah er sich erst mal die Steckbriefe an einer der Wände an. Er wollte sich nach einem kurzen Blick darauf gerade abwenden, als eins der Bilder seine Aufmerksamkeit erregte. Es zeigte einen Mann, der ihm merkwürdig bekannt vorkam.

Es war nur eine grobe Zeichnung, doch die Ähnlichkeit war unverkennbar, sogar der Bart, den Ryan sich in den letzten Wochen hatte stehen lassen, war identisch. Der Mann auf dem Steckbrief sah ihm geradezu unheimlich ähnlich. Er sah sich das Bild noch genauer an und merkte dabei nicht, dass der Bankangestellte ihn scharf beobachtete. Laut Steckbrief war der darauf abgebildete Mann ein Bandit, der wegen Bankraubs in Tucson und Yuma gesucht wurde. Er hatte mehrere falsche Namen. Ryan rieb sich sein bärtiges Kinn und fragte sich, ob er dem Banditen ohne Bart noch immer ähnlich sehen würde.

Als er sah, dass die anderen Kunden ihre Angelegenheiten erledigt hatten, wandte er sich ab und ging zum Schalterfenster. Der Bankangestellte starrte ihn weiterhin an, sein Blick glitt unruhig zwischen Ryan und dem Steckbrief hin und her. Als Ryan in seine Lederweste und nach seinem Kreditbrief griff, warf der Mann erschrocken die Hände hoch und begann am ganzen Leib zu zittern. Ryan, der nicht wusste, was er davon halten sollte, sagte: »Ich wollte ...« Er verstummte jedoch abrupt, als der Bankangestellte Geld aus der Schublade nahm und es vor sich aufzuhäufen begann.

»Nicht schießen, Mister«, bettelte der Mann. »Nehmen Sie einfach das Geld, und gehen Sie.«

Ryan war wie vor den Kopf geschlagen. »Sie verstehen nicht. Ich wollte nur ...«

»E-es ist noch mehr im Tresor«, stammelte der Bankangestellte und schob Ryan die Bündel zu.

Verärgert schüttelte Ryan den Kopf, als ihm endlich klar wurde, was da gerade geschah. Pierce und Chad würden sich bestimmt großartig darüber amüsieren, dass er mit einem Bankräuber verwechselt wurde. Auch er lachte im Stillen über die absurde Vorstellung. Doch egal, wie komisch die Situation vielleicht auch sein mochte, Ryan wusste, dass er ihr ein Ende bereiten musste, bevor das Ganze aus dem Ruder lief.

»Hören Sie, ich bin nicht ...«

Plötzlich flog die Banktür auf, und vier Männer traten ein. Sie hatten ihre Hüte tief in die Stirn gezogen und verdeckten damit einen Großteil ihrer Gesichter, und ihre Waffen waren gezogen und entsichert.

»Keine Bewegung!«, knurrte einer der Männer. Dann deutete er mit seiner Waffe auf den Bankangestellten. »Ich will das Geld auf dem Schalter sehen – und zwar ein bisschen plötzlich, ja!«

Er musste etwas verspätet bemerkt haben, dass das Geld bereits auf dem Schalter lag, denn er schob mit dem Lauf seiner Waffe seinen Hut zurück und sagte: »Was zum Teufel ...!«

»Er hat das Geld schon für uns da liegen, Billy«, sagte der Mann, der neben ihm stand.

»Halt die Klappe, Lex. Lass mich das regeln«, knurrte Billy.

Als Ryan hörte, dass Billy seinen Komplizen ›Lex‹ nannte, wurde ihm klar, dass er mitten in einen echten Banküberfall der Barton-Bande geraten war. Und dass der Mann, den er gesucht hatte, nur ein paar Schritte von ihm entfernt stand. Verwundert starrte er Lex Johnson an und fragte sich, wie zum Teufel er ihn nach Kathryn fragen sollte, während er direkt in den Lauf einer Pistole sah.

Billy Bartons nervöser Blick glitt vom Bankangestellten zu Ryan, dann zu den Bündeln Geld, die ordentlich aufgestapelt dalagen. Ryan konnte den exakten Augenblick bestimmen, in dem der Bankräuber zu verstehen begann, denn die Augen des Mannes verengten sich vor Überraschung, als er Ryan genauer musterte.

»Ich fasse es nicht!« Billy prustete los. »Es scheint ganz so, als hätte dieser Herr hier die gleiche Idee gehabt wie wir!«

»Er ist allein, und wir sind zu viert, Billy«, meinte Lex. »Lass uns das Geld nehmen und zusehen, dass wir Land gewinnen. Es wäre nicht besonders schlau, noch länger hier rumzuhängen.«

Ryan dachte an den sterbenden Bert und wusste, dass er Lex nicht einfach so verschwinden lassen konnte. Vielleicht würde er ihm ja nie wieder begegnen. Und so suchte er fieberhaft nach einem Ausweg aus seinem Dilemma und fand ihn schließlich auch. Alle Vorsicht außer Acht lassend, sagte er: »Es ist genug Geld für alle da. Ich will nur meinen gerechten Anteil. Ich reite mit euch, und dann können wir die Beute später teilen.«

»Warum sollten Sie einen Anteil von uns kriegen?«, fragte Billy schroff.

»Weil ich zuerst hier war«, erwiderte Ryan gelassen. »Und weil ich euch bis in die Hölle und wieder zurück verfolgen würde, wenn ich meinen Anteil nicht bekäme.«

»Sie sind ganz schön mutig, Mister«, stellte Billy nach kurzem Überlegen fest. »Sie bekommen Ihren Anteil, wenn es Ihnen gelingt, lebend aus der Stadt herauszukommen.« Er gab seinen Männern ein Zeichen, das Geld in die mitgebrachten Satteltaschen zu stopfen. »Räumt auch den Tresor aus«, befahl er ihnen, woraufhin Lex sich beeilte, der Anweisung Folge zu leisten.

Minuten später trat Ryan zusammen mit den Bartons den Rückzug an, und das Adrenalin brodelte in seinen Adern, als er sich auf sein nervös tänzelndes Pferd schwang. Nicht einmal in seinen wildesten Phantasien hätte er sich je ein derartiges Szenario ausmalen können. Aus dem Augenwinkel sah er einen jungen, in viel zu weiten Kleidern steckenden Burschen, der bei den Pferden der Bartons wartete. Dann hörte er einen Schuss und blickte sich zur Bank um.

Der Bankangestellte, der inzwischen seinen Mut zurückgewonnen hatte, stand im Eingang, schwenkte eine Waffe und schrie: »Es sind die Bartons!! Sie haben die Bank überfallen!«

Die Bandenmitglieder hatten sich schon auf ihre Pferde geschwungen und wollten gerade wie die Teufel von dannen galoppieren, als der Bankangestellte einen weiteren Schuss abgab und traf. Ryan sah Lex vom Pferd fallen und reglos mitten auf der schmutzigen Straße liegen bleiben. Erschrocken und entsetzt musste Ryan feststellen, dass die Bartons keineswegs die Absicht hatten, sich um ihren gefallenen Kameraden zu kümmern, geschweige denn ihn mitzunehmen. Sie galoppierten die Straße hinunter, als wäre ihnen der Teufel höchstpersönlich auf den Fersen. Für einen Moment war Ryan wie vom Donner gerührt, und dann geschahen im selben Augenblick zwei Dinge.

Marshal Wyatt Earp stürmte auf den angeschossenen Banditen zu, während der Junge, der vor der Bank Schmiere gestanden hatte, von seinem Pferd sprang und sich neben Lex Johnson kniete. Da Ryan sein Schicksal bereits mehr oder weniger besiegelt hatte, als er sich den Bartons angeschlossen hatte, blieb ihm gar nichts anderes übrig, als mit der Bande zu fliehen. Der Anblick des neben seinem verwundeten Kameraden knienden Jungen gab ihm aber doch zu denken. Offenbar hatte der Junge keine Vorstellung von der Gefahr, in die er sich durch ein derartiges Verhalten begab.

Getrieben von der Sorge um den Jungen und aus einem Instinkt heraus, den Pierce als vollkommen absurd bezeichnet hätte, wendete Ryan sein Pferd. Die Zeit drängte. Der Marshal hatte sie schon fast erreicht, und aus den Läden und Wohnhäusern strömten neugierige Stadtbewohner. Entschlossen, den Jungen als Erster zu erreichen, trieb Ryan sein Pferd auf den Jungen zu, packte ihn am Kragen und hob ihn vor sich auf den Sattel. Kugeln pfiffen ihm um die Ohren, als er sich tief über den Jungen beugte und seinem Pferd die Sporen gab.

»Bleib unten!«, schrie Ryan, als der Junge sich plötzlich heftig gegen ihn wehrte.

»Bastard! Lass mich runter!«, schrie der Kleine und versuchte, sich aus Ryans Armen zu befreien. »Ich kann Lex nicht einfach liegen lassen.«

»Du undankbares Gör! Ich hab nicht mein Leben riskiert, um dich hängen zu sehen«, knurrte Ryan. »Da vorne sind die Bartons. Sie scheinen in Richtung Grenze zu reiten. Sobald wir auf der anderen Seite sind, ist es mir egal, was du mit deinem Leben anstellst.« Das brachte den Jungen zum Schweigen, und er begann sich zu beruhigen. Es dauerte nicht lange, bis sie den Rest der Bande eingeholt hatten und kurz darauf die Grenze nach Mexiko überquerten. Als es zu dunkel wurde, um weiterzureiten, schlugen sie an einem Fluss ihr Lager auf. Der Junge verschwand, während Ryan sein Pferd versorgte. Er sah ihn erst später wieder, als er in einiger Entfernung von den anderen am Lagerfeuer saß und an einem Stückchen Dörrfleisch kaute. Irgendetwas an dem Jungen kam Ryan sehr seltsam vor, aber er konnte einfach nicht genau bestimmen, was es war.

Er dachte noch immer über den jungen Burschen nach, als Billy Barton sich zu ihm gesellte. »Wenn Lex hier wäre, würde er Ihnen danken, dass Sie sich um Kit gekümmert haben. Lex hatte sich schon mit dem Jungen zusammengetan, bevor er zu uns kam. Sie waren beide auf der Flucht vor dem Gesetz. Kit war noch jung, aber ich hatte nichts dagegen, ihn bei uns aufzunehmen, solange er sich nützlich machte.«

»Wie alt ist Kit?«, fragte Ryan.

Billy kratzte sich am Kopf, den eine wirre Mähne verfilzter Haare zierte. »Weiß ich nicht genau. Sechzehn oder siebzehn, schätze ich mal. Er war noch ein kleines Bürschchen, als Lex ihn hierher brachte. Sie reiten jetzt schon vier oder fünf Jahre mit uns. Kit ist seither ein Stückchen gewachsen, wenn auch nicht gerade um Meter. Er wird Johnson vermissen.«

»Kit muss diesen Johnson sehr gut kennen«, bemerkte Ryan nachdenklich.

Billy zuckte mit den Schultern. »Etwa so gut wie jeder andere hier. Warum?«

»Ach, nur so. Ich fühle mich ein bisschen verantwortlich für den Jungen. Ich werde ein Auge auf ihn haben, wenn Sie wollen.« Falls Kit diesem Lex tatsächlich so nahe stand, wie man aus Billys Worten schließen konnte, wusste er vielleicht auch etwas über Kathryn, dachte Ryan.

Billy warf ihm einen taxierenden Blick zu. »Ist das Ihre Art zu fragen, ob Sie sich uns anschließen dürfen?«

Ryan grinste. »Ich hatte gehofft, dass Sie mich fragen würden.«

»Ich kenne ja nicht mal Ihren Namen.«

»Ryan.«

»Ryan was?«

»Ist das wichtig?«

»Na ja, wahrscheinlich nicht. War die Bank in Tombstone Ihr erster Überfall?«

»Weder der erste noch der letzte«, log Ryan. »Normalerweise arbeite ich allein, aber ich hätte nichts dagegen, mich Ihnen anzuschließen. Was meinen Sie?«

Hier war die Aufregung, die Ryan sich so ersehnt hatte, als er von zu Hause weggegangen war! Das Hochgefühl, welches ihn beim Gedanken an das, was er im Begriff zu tun war, überkam, der damit verbundene Nervenkitzel und die drohende Gefahr durchfluteten ihn mit Adrenalin. Die Arbeit auf einer Ranch ließ sich mit dieser Art von Abenteuer nicht vergleichen. Und er hatte jetzt sowieso keine Zeit mehr, über die Folgen seiner möglicherweise unbedachten Handlungsweise nachzudenken.

»Da Lex ausgefallen ist, könnten wir wohl noch jemanden gebrauchen, denke ich mal«, sagte Billy. »Der arme Kerl wird hängen, wenn er nicht sowieso schon tot ist. Kit stellt sich bei Überfällen nicht gerade geschickt an, sodass wir uns auf ihn auch nicht verlassen können. Wir behalten ihn bei uns, weil er ein einigermaßen annehmbarer Koch ist und mit den Pferden umgehen kann. Der Überfall in Tombstone war erst der dritte, zu dem er mitgeritten ist. Er steht gewöhnlich Schmiere, wenn wir in der Bank sind.«

»Sie werden es nicht bereuen«, sagte Ryan erfreut.

»Das will ich auch schwer hoffen, sonst blüht Ihnen nämlich was«, warnte Billy. »He, Jungs«, rief er seinen Kumpanen zu. »Das hier ist Ryan. Er wird probeweise der Bande beitreten. Der hässliche Kerl dort mit der krummen Nase, der uns gegenübersitzt, ist Clank«, sagte Billy, an Ryan gewandt. »Das Halbblut ist Durango. Und Kit kennst du ja schon.«

Ryan nickte den Männern einem nach dem anderen zu, was diese mit Grunzlauten parierten. Sie reagierten auf diese Weise zumindest, im Gegensatz zu Kit, der ihn nicht einmal beachtete.

»Wir hauen uns jetzt besser hin, wenn wir morgen in aller Frühe weiterreiten wollen«, meinte Billy und gähnte laut. »Wir müssen eine Weile untertauchen, also erwarte keine weiteren Aktionen, Ryan, bis ein bisschen Gras über die Sache gewachsen ist.«

»Ich kann die Ruhe gut gebrauchen«, sagte Ryan, als die anderen aufstanden und ihre Decken holten.

Die erzwungene Untätigkeit war Ryan sogar sehr recht. Er wollte ohnehin nur so lange bleiben, bis er herausgefunden hatte, was Kit über diesen Lex Johnson und seine Stiefschwester Kathryn wusste.

Unter halbgeschlossenen Lidern beobachtete Ryan, wie Kit sich ein Stück vom Lagerfeuer und den anderen Männern entfernt in eine Decke rollte. Seine Bewegungen waren fast zu anmutig für einen Jungen, und für sein Alter wirkte er auch erstaunlich zart. Es schien, als würden seine Schultern zucken, und Ryan fragte sich, ob er vielleicht weinte. Offenbar war Lex wie ein Bruder für Kit gewesen, und ihn einem ungewissen Schicksal überlassen zu haben musste tragisch für den Jungen sein.

Aus Anteilnahme, aber auch aus noch einem anderen Gefühl heraus, das er nicht näher benennen konnte, ging Ryan an den schlafenden Männern vorbei zu der Stelle, an der sich Kit hingelegt hatte. Ryan kniete neben dem Jungen nieder und berührte seine Schulter.

Kit fuhr wütend auf. »Nimm deine dreckigen Pfoten von mir!«, fauchte er. »Beweg deinen Hintern zu deiner eigenen Decke und lass mich in Ruhe.«

Verblüfft über den unverdienten Angriff, hockte Ryan sich auf die Fersen. »Ich wollte nur sehen, ob es dir gut geht.«

»Mit mir ist alles in Ordnung«, erwiderte der Junge mürrisch. »Ich nehme das zurück, was ich gesagt habe«, fügte er ärgerlich hinzu. »Ich könnte jetzt einen Schluck Whiskey brauchen.«

»Tut mir leid, aber Whiskey habe ich leider nicht. Ich weiß, dass du mit Lex befreundet warst, und dachte, du fühlst dich vielleicht ein bisschen einsam.«

»Dann hast du falsch gedacht. Ich bin kein sabberndes Kleinkind mehr.«

Ryan starrte den Jungen an. Er hatte dichtes, kurz geschnittenes blondes Haar, geradezu unglaublich lange, helle Wimpern, eine gerade Nase und volle Lippen. Irgendetwas regte sich in Ryan. Mitgefühl? Bedauern? Es war schwer zu bestimmen, bis er den Jungen besser kannte. Eins wusste er jedoch: Der Kleine war ein schmuddeliges, unflätiges Kerlchen, das in die Schule gehörte, statt sich mit einer Bande Gesetzloser herumzutreiben. Seine Hände und sein Gesicht waren so schmutzig, dass Ryan sein glattes Kinn unter all dem Dreck fast nicht erkennen konnte.

Er erhob sich abrupt. »Entschuldige vielmals, dass ich mich bemüht habe, freundlich zu dir zu sein. Ich habe es nicht nötig, mich von einem ungezogenen kleinen Bengel beleidigen zu lassen. Gute Nacht, du Flegel.«

Nachdem er sich kurz hinter einen Baum verzogen hatte, um auszutreten, legte auch Ryan sich zum Schlafen hin. Aber er konnte keine Ruhe finden. Noch lange lag er wach und dachte über die unerwartete Wendung nach, die sein Leben genommen hatte. Pierce und Chad würden ihn umbringen, wenn sie wüssten, was er getan hatte. Das war das Problem, wenn man zwei ältere Brüder hatte. Beide versuchten ihm vorzuschreiben, wie er sein Leben führen sollte. Das war der Hauptgrund, warum er Dry Gulch verlassen hatte. Das und das geradezu abschreckende Eheglück, das seine Brüder gefunden zu haben schienen. Liebe und Ehe! Das mochte bei seinen Brüdern funktionieren, aber es war ganz bestimmt keine Sache, die er für sich selbst erstrebte.

Oh nein, dachte er und grinste im Stillen. ›Herzensbrecher‹ Ryan liebte die Abwechslung, was Frauen anging, und die Frauen liebten ihn. Nicht, dass er nicht auch einen ordentlichen Kampf genossen hätte, wenn die Gelegenheit es erforderte. Er und seine Brüder waren schließlich nicht umsonst als Raufbolde bekannt. Aber da Pierce und Chad nun Frauen und Familien hatten, blieb es ihm überlassen, den Ruf zu wahren, den die Delaney-Brüder sich erworben hatten.

Ryans letzter Gedanke vor dem Einschlafen war, dass er sich diesmal vielleicht ein wenig übernommen hatte. Sich auf der falschen Seite des Gesetzes zu befinden war eine völlig neue Erfahrung. Und hoffentlich würde er seine Voreiligkeit nicht für den Rest seines Lebens bereuen.

Der appetitliche Geruch von Kaffee und gebratenem Speck lag in der Luft, als Ryan aufwachte. Langsam öffnete er die Augen und sah, dass auch die Banditen sich allmählich regten. Da der Tag erst gerade anbrach, lag noch ein etwas unheimliches fahles Grau über dem mit Büschen bestandenen Gelände. Ryan sammelte seine Sachen ein und ging zum Fluss hinunter, um sich zu waschen und den Bart abzurasieren, den er sich in den letzten Wochen hatte stehen lassen. Er kniete gerade am Wasserrand, um sich die Rasierseife abzuwaschen, als er Schritte hinter sich hörte. Er fuhr herum und griff nach seiner Waffe. Doch als er bemerkte, dass Kit hinter ihm stand, entspannte er sich wieder.

Kits mürrischer Gesichtsausdruck ließ darauf schließen, dass der Junge alles andere als erfreut war, Ryan zu begegnen.

»Was willst du hier?«, fragte er.

»Das Gleiche wie du, denke ich mal«, erwiderte Ryan. »Nur dass du es dringender als ich benötigst. Wäschst du dich eigentlich nie? Und wenn man sich dein Haar anguckt, könnte man denken, dass du Ratten darin versteckst.«

»Fahr zu Hölle«, gab Kit unfreundlich zurück. »Du bist nicht mein Aufpasser.«

Ryan starrte den Jungen an und kniff nachdenklich die Augen zusammen. Dies war das erste Mal, dass er den Jungen bei Tageslicht gründlich mustern konnte, und er erkannte sofort, was ihn schon die ganze Zeit gestört hatte. War er der Einzige, der etwas bemerkte, was auch für alle andere hätte offensichtlich sein müssen? Denn wenn es eins gab, wovon Ryan, der Frauenheld, etwas verstand, dann war es von Frauen. Er kannte ihre Körper, ihre Stimmen, ihre Eigenarten, ihre Weiblichkeit. Trotz der viel zu weiten Kleidung und des schmutzigen Gesichts erforderte es kein besonderes Geschick, um Kits Verkleidung zu durchschauen. Die strahlend blauen Augen und erstaunlich langen Wimpern waren zu feminin, die Gesichtszüge zu zart und fein. Eins musste man Lex lassen. Er hatte einen ausgezeichneten Geschmack in Bezug auf Flittchen.

Denn Kit war kein bartloser Knabe, sondern eine Frau. Ryan hätte die Ranch darauf verwettet. Und Kit war vermutlich sogar älter, als sie aussah.

»Was starrst du mich so an?«, fragte sie erbost.

Ryan zuckte mit den Schultern. »Ich fragte mich nur, wie du den Dreck an deinem Körper erträgst. Das Wasser ist nicht sehr kalt, warum ziehst du dich also nicht aus und wäschst dich einmal ordentlich?«

»Warum kümmerst du dich nicht um deinen eigenen verdammten Mist?«

Tatsächlich war sich zu waschen genau das gewesen, was Kit im Sinn gehabt hatte, bevor sie Ryan am Fluss begegnet war. Sie wusste, dass keiner der Bartons auch nur daran denken würde, sich zu säubern oder zu rasieren, und hatte daher eigentlich erwartet, ein stilles, abgelegenes Fleckchen für ihre Morgenwäsche zu finden. Natürlich würde sie ihr Gesicht und ihre Hände danach wieder beschmutzen müssen, um ihre Tarnung zu bewahren, aber zumindest ihr Körper wäre sauber. Da Lex nun nicht mehr hier war, um ihre Ungestörtheit zu gewährleisten, würde es nicht leicht sein, ein bisschen Zeit für sich allein zu finden.

»Du bist aber wirklich ein freches kleines Ding«, bemerkte Ryan. Er wirkte über irgendetwas sehr erheitert, und Kit fragte sich, was sie gesagt haben mochte, um ihn derart zu belustigen.

Dieser Bandit war anders als die anderen. Sie war schon lange bei den Bartons und hatte mehr über Gesetzlose gelernt, als es ihr lieb war, und Ryan passte nicht ins Schema. Wer war er und was wollte er? Er war ein gut aussehender Kerl, wer immer er auch war. Er hatte nicht ein einziges Gramm Fett an seinem muskulösen Körper, und wenn sie für männlichen Charme empfänglich wäre, würde allein das Lächeln dieses Mannes sie bezaubern. Fasziniert von seinen Augen, starrte sie ihn an. Sie waren grün wie Gras nach einem sanften Frühlingsregen. Gut, dass sie zu klug war, um auf das anziehende Gesicht und den beeindruckenden Körper dieses dunkelhaarigen Herzensbrechers hereinzufallen. Männer wie Ryan bildeten sich ein, sie wären der Traum aller Frauen.

Aber Kit hielt Gesetzlose für den Abschaum der Menschheit. Sie waren grausam, hart und hatten keinerlei Respekt vor Menschenleben, ob es nun um das von Männern oder Frauen ging. Kit hatte ungeheuer viel über Banditen gelernt, seit Lex sie vor fünf Jahren unter seine Fittiche genommen hatte, um sie zu »beschützen«. Sie war damals erst dreizehn gewesen und hatte keine andere Wahl gehabt, als ihn zu begleiten, da sie ganz auf sich allein gestellt gewesen war, nachdem ihre Mutter gestorben und Deke bei einer Partie Poker erschossen worden war. Die ersten zwei Jahre waren sie und Lex allein gewesen, hatten buchstäblich von der Hand in den Mund gelebt und sich mit Überfällen so gerade eben über Wasser halten können. Dann hatte Lex die Bartons kennengelernt und sich ihrer Bande angeschlossen, und das Leben war mit all dem Geld von den Banküberfällen ein bisschen leichter geworden.

Kit war allerdings sehr schnell bewusst geworden, dass Lex sie in eine riskante Situation gebracht hatte, auch wenn seine Absichten vielleicht gut gewesen waren. Es war nicht ganz so schlimm gewesen, als sie noch ein halbes Kind gewesen war, doch seit sie älter und reifer war, wurde ihre Lage ausgesprochen brenzlig. Und nun, da Lex nicht einmal mehr da war, um sie zu beschützen, konnte ihre Tarnung jeden Moment auffliegen.

»Ich muss gehen«, sagte Kit und wandte sich ab. Ryan flößte ihr Unbehagen ein. Er schien ihre Verkleidung irgendwie zu durchschauen, obwohl sie bestimmt nichts getan hatte, um sein Misstrauen zu erregen. »Es wird Billy nicht gefallen, wenn der Speck verbrennt,«, sagte sie über die Schulter und ergriff damit schleunigst die Flucht. Sie hatte definitiv nicht die Absicht, die unausgesprochenen Fragen zu beantworten, die in Ryans schönen grünen Augen standen.

Ryan starrte auf ihre anmutige Rückseite, und ihm schossen tausend Fragen durch den Kopf. Er verstand sehr gut, warum Lex die Identität seines Flittchens geheim hielt. Er selbst würde sie ja auch nicht teilen wollen. Er fragte sich, wie alt sie sein mochte. Sie musste noch recht jung gewesen sein, als Lex sich den Bartons anschloss, denn sie sah nicht älter als zwanzig oder höchstens einundzwanzig aus. Von ihrem Körpers konnte er nicht auf ihr Alter schließen, denn den hielt sie verdammt gut bedeckt.

Nicht einmal der Ansatz von Brüsten war unter ihrer weiten Jacke zu erkennen, aber Ryan wäre jede Wette eingegangen, dass sie voll und üppig waren. Lex hätte sie wohl kaum bei sich behalten, wenn sie ihm nicht gefallen hätte. Ryan grinste. Vielleicht wäre es ja ganz amüsant, Kits Spielchen eine Zeit lang mitzuspielen. Außerdem war er aus einem ganz bestimmten Grund hier. Er musste Kathryn finden. Lex war nicht verfügbar, um seine Fragen zu beantworten, aber sein Liebchen war es. Wenn sie fünf oder sogar noch mehr Jahre mit Lex zusammen gewesen war, würde sie vermutlich auch etwas über seine Familie wissen.

Noch immer lächelnd kehrte Ryan zum Lager zurück. Die Männer hatten schon gegessen, und so schenkte er sich einen Becher Kaffee ein und schlang den übrig gebliebenen Speck hinunter, während er sein Pferd sattelte.

»Wo warst du?«, wollte Billy wissen.

»Austreten«, erwiderte Ryan kurz angebunden. »Ich werde bereit sein, wenn ihr aufbrecht.«

»Unsere Pläne haben sich geändert«, sagte Billy. »Wir halten noch kurz in der Stadt. Wir haben keinen Tropfen Whiskey mehr, und die Kehlen meiner Jungs sind ganz schön ausgetrocknet. Der schlechte Tequila, den man dort in der Cantina kaufen kann, ist besser als gar nichts. Und es gibt dort auch ein paar schwarzäugige Señoritas, die sich immer gern ein paar Pesos verdienen.«

»Carmen wird dir gefallen«, warf Durango ein. »Sie hat die schönsten Titten auf dieser Seite des Rio Grande.«

»Mir ist Lolita lieber«, widersprach ihm Clank. »Wenn die dich mit ihren Beinen umklammert, kannst du jeden Muskel spüren und ich kann dir sagen, diese Muskeln sind härter, als alles, was du je zu spüren bekommen hast.«

Ryan sah Kit an und fragte sich, was sie von all diesem obszönen Gerede halten mochte. Aber wahrscheinlich war sie mittlerweile schon daran gewöhnt, da sie nicht mal mit der Wimper zuckte. Sie war wirklich sehr beherrscht, die Kleine, das musste er ihr lassen.

»Und welche Frau ist Kit am liebsten?«, fragte er, was ihm einen überraschten Blick von ihr eintrug.

Billy lachte brüllend. »Kit? Dieser Bengel hat noch nie eine Frau gehabt, soviel ich weiß. Es wird aber nicht mehr lange dauern. Er ist in einem Alter, in dem er wahrscheinlich geiler als ein Ziegenbock ist. Hab ich recht, Kit?«

Kit zog es vor, nicht darauf zu antworten, und Ryan bereute seine Frage, als Clank und Durango Kit einige Ratschläge gaben, die so vulgär waren, dass sie ihr geradezu die Ohren verbrennen mussten.

»Lasst uns losreiten«, sagte Ryan, um die Männer von ihrem Thema abzubringen. »Ich kann diesen Tequila schon fast auf der Zunge schmecken.«

»Kit kann bei Ryan mitreiten«, bestimmte Billy, während er sich auf sein Pferd schwang.

Ryan saß auf und streckte Kit seine Hand hin. Aber sie beachtete diese nicht einmal und schwang sich ohne seine Hilfe hinter ihm aufs Pferd.

»Wenn du hinter mir sitzen willst, dann legst du besser deine Arme um meine Taille. Ich will nicht, dass du herunterfällst.«

»Mir ist es lieber so«, versetzte Kit und griff nach seinem Gürtel.

»Bist du immer so schlecht drauf?«, erkundigte sich Ryan schmunzelnd.

»Immer. Vor allem, wenn neugierige Stinktiere wie du zu viele Fragen stellen.«

Ryan verkniff sich eine Retourkutsche. Es wäre sinnlos, sich Kit zum Feind zu machen, wenn sie ihm womöglich den entscheidenden Hinweis zu Kathryns Aufenthaltsort liefern konnte.

»Tut mir leid, wenn ich dich verärgert habe«, erklärte Ryan. »Ich bin zu neu hier, um mir Feinde zu machen. Wie wäre es mit einem Waffenstillstand? Ich kann ein guter Freund sein, falls du einmal einen brauchst.«

Kit dachte über Ryans Angebot nach. Gott wusste, dass sie einen Freund benötigte. Besonders jetzt, da Lex nicht mehr da war. Als Bruder ließ er sehr zu wünschen übrig, aber er war alles gewesen, was sie hatte. Sie machte sich furchtbare Sorgen um ihn. War er tot? Oder saß er im Gefängnis und wartete auf seinen Prozess? Oder hatte die aufgebrachte Menge ihn vielleicht sogar bereits gelyncht?

Ein Freund. Kit wünschte, sie könnte sich den Luxus gönnen, einen Freund zu haben, aber das war zu gefährlich. Freunde verlangten einen gewissen Austausch von Gedanken, den sie sich nicht leisten konnte. Denn falls die Bartons dahinterkämen, dass sie eine Frau war, würden sie eine äußerst unerfreuliche Verwendungsmöglichkeit für sie finden, und das könnte sie nicht ertragen. Nein, beschloss sie. Sich mit Ryan anzufreunden war schlicht unvorstellbar.

»Von mir aus können wir einen Waffenstillstand schließen«, sagte sie. »Aber ich brauche keine Freunde. Lex und ich sind immer unter uns geblieben, wir brauchten niemand anderen.«

»Das kann ich mir vorstellen«, sagte Ryan mit einem Anflug von Sarkasmus in der Stimme, als er sich die intime Beziehung zwischen Lex und Kit vorstellte.

Das Gespräch kam zum Erliegen, da Ryan sich darauf konzentrieren musste, sein Pferd um Büsche und Kakteen, Felsen, Gräben und Erdfurchen herumzuführen, die sich für Pferd und Reiter als fatal erweisen konnten. Die Umrisse der Stadt zeichneten sich schon deutlich vor dem blauen Himmel und der braunen Erde ab. Sie bestand aus einer Ansammlung von Adobehäusern und Holzhütten, einer Kirche, die auf einer offenen Plaza lag, einem Gemischtwarenladen und der Cantina. Hühner, Ziegen und Kinder stoben in alle Richtungen, als sie in die Stadt ritten. Frauen standen in offenen Türen, während kleine Gruppen alter Männer plaudernd auf dem Dorfplatz standen. Die jüngeren Männer waren scheinbar alle auf den Gemeinschaftsfeldern hinter der Kirche bei der Arbeit.

Alles schien plötzlich still zu stehen, als die Bartons in die Stadt ritten. Falls das Städtchen einen Namen hatte, so stand er jedenfalls nirgendwo auf einem Schild. Die Banditen hielten ihre Pferde vor der Cantina an und saßen ab. Ryan tat es ihnen nach und folgte ihnen hinein. Alle fünf reihten sich vor dem verschrammten Tresen auf und bestellten Tequila. Mit Bewunderung verfolgte Ryan, wie Kit den Inhalt ihres Glases auf einen Zug hinunterstürzte und sich die Lippen leckte. Er fragte sich, ob sie vielleicht eine Gewohnheitstrinkerin war, beschloss dann aber, dass dem nicht so war, als sie ein Nachschenken ablehnte und hinausging, um auf die anderen zu warten.

Fast augenblicklich gesellten sich zwei dunkeläugige Señoritas zu den Männern, die zwar nicht mehr die Jüngsten, aber doch noch frisch genug waren, um nicht allzu wählerische Männer zufrieden zu stellen. Clank und Durango verschwanden mit ihnen hinter einem schmutzigen Vorhang, und kurz darauf konnte Ryan die typischen Geräusche sexueller Aktivitäten hören.

»Stell dich besser an, Ryan«, riet ihm Billy. »Denn später werden die Huren zu sehr mit ihren Stammkunden beschäftigt sein, und du wirst sie ja bestimmt nicht haben wollen, nachdem sie schon für jeden Mann in dieser Stadt die Beine gespreizt haben. Das ist der Grund, warum wir sie immer schon so früh am Tag aufsuchen.«

»Ich glaube, ich passe diesmal«, sagte Ryan. »Ich hatte eine Frau in Tombstone.« Um der Wahrheit die Ehre zu geben sogar mehr als eine. »Ich denke, ich gehe lieber hinaus und leiste Kit Gesellschaft.«

»Wie du willst«, meinte Billy. »Ich warte noch auf Carmen.«

Ryan ging hinaus und kniff die Augen zusammen. Das grelle Sonnenlicht blendete ihn nach der Düsternis in der Cantina. Er sah Kit unter einem Baum sitzen und ging zu ihr hinüber.

»Bist du schon fertig?«, fragte sie mit einem angewiderten Blick auf ihn. »Du bist wohl ein ganz Schneller?«

»Bei den Frauen habe ich gepasst. Der Tequila allerdings war gar nicht mal so schlecht«, erwiderte Ryan, während er seinen Hut abnahm und sich den Schweiß von der Stirn wischte.

Kit musterte ihn mit neu erwachtem Interesse. »Du hast bei den Frauen gepasst? Ich fasse es nicht. Was ist denn los mit dir? Magst du etwa lieber Jungs?« Sie rückte misstrauisch ein Stückchen von ihm ab. »Denn falls du diese Neigung haben solltest, komm mir nicht zu nahe, Mister«

Ryan brach in schallendes Gelächter aus. Es war das erste Mal, dass ihn jemand beschuldigte, keine Frauen zu mögen. »Ich mag Frauen sogar sehr, also mach dir bitte keine Sorgen. Außerdem bist du viel zu schmutzig für meinen Geschmack. Es ist einfach nur so, dass ich jetzt gerade keine Frau benötige. Und was ist mit dir? Jungen in deinem Alter sind für gewöhnlich geil wie Ziegenböcke. Wenn du ein paar Tipps brauchst, kann ich dir gerne sagen, wie du es anstellen musst.«

»Nein, danke«, erwiderte Kit kurz. »Ich weiß, was man mit einer Frau macht. Ich bin nur noch nicht bereit dazu.«

Ryans dunkle Brauen fuhren in die Höhe. Eins musste er Kit lassen – sie hatte auf alles eine Antwort. »Hast du Hunger? Ich kann noch mal hineingehen und uns einen Teller Bohnen und Tortillas holen, während wir auf die anderen warten.«

»Na ja, ich würde schon ganz gerne etwas essen«, gab Kit zu.

»Ich bin gleich wieder zurück.«

»Wenn du dir das mit den Frauen doch noch anders überlegst, warte ich auch gern«, rief sie ihm nach.

Auf dem ganzen Weg zur Cantina lachte Ryan vor sich hin.

2. Kapitel

Wie lange kennst du Lex schon?«, fragte Ryan, während er sich mit seiner Tortilla Bohnen in den Mund schaufelte.

»Lange genug«, erwiderte Kit misstrauisch. »Was geht dich das an?«

»Ich bin nur neugierig. Billy sagte, du und Lex, ihr wärt schon seit vier oder fünf Jahren bei der Bande, also müsst ihr beide doch mindestens auch schon so lange zusammen sein. Wo habt ihr euch kennengelernt?«

»Da und dort.« Kit betrachtete ihn aus schmalen Augen. Ryan war für ihren Geschmack viel zu neugierig. Warum war dieser Kerl so interessiert an Lex? Im Laufe der Jahre hatte sie gelernt, ihre Gedanken für sich zu behalten und so wenig wie möglich mit den anderen Bandenmitgliedern zu sprechen. Dass Ryan nicht wie die anderen zu sein schien, hieß noch lange nicht, dass sie bei ihm nicht auf der Hut sein würde. Gerade weil sie sich auf solch merkwürdige Weise zu dem gut aussehenden Banditen hingezogen fühlte, musste sie wachsamer denn je sein.

»Du redest wohl nicht sehr viel, was?«, versuchte Ryan sie auszufragen.

»Ich rede, wenn ich was zu sagen habe«, versetzte Kit. »Wenn du so darauf versessen bist zu plaudern, warum erzählst du mir dann nicht was über dich? Wie lange bist du schon auf der Flucht vor dem Gesetz?«

»Lange genug«, erwiderte Ryan, der offensichtlich ebenso wenig Interesse daran hatte, über seine eigene Vergangenheit zu sprechen, wie sie selbst. »Ich frage mich, wie lange es noch dauern wird, bis die anderen mit den Frauen fertig sind?«, meinte er mit einer Kopfbewegung zur Cantina.