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Deutsche Erstausgabe (ePub) November 2019

 

 

© 2019 by Raik Thorstad

 

 

Verlagsrechte © 2019 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk, Taufkirchen

 

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

 

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

Druckerei: CPI Deutschland

Lektorat: Anne Sommerfeld

 

ISBN-13: 978-3-95823-791-9

 

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de


 

 

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Teil II


 

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

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Vielen Dank!

Ihr Cursed-Team

 

 

 

 

Klappentext:

 

Als Soldat einer römischen Eliteeinheit nach Germanien entsandt zu werden – davon träumt Ciaran seit Beginn seiner Ausbildung. Doch die Aussicht auf Ruhm und Ehre entpuppt sich schnell als Trugbild, als Ciaran und seine Kampfgefährten mit der Realität des germanischen Winters und dem Widerstand des wilden Volkes konfrontiert werden. Schließlich wird Ciaran damit beauftragt, den Kriegsgefangenen Kjell davon zu überzeugen, auf ihre Seite zu wechseln und sein Volk zu verraten, um den römischen Truppen zum Sieg zu verhelfen. Kein leichtes Unterfangen, denn die Kluft zwischen ihnen scheint unüberwindbar zu sein. Wäre da nicht die stetig wachsende Anziehung, die vor allem Kjells Weltbild vollkommen auf den Kopf stellt. Sind die Gefühle der beiden Männer stark genug, um für sie zu kämpfen, oder werden sie weiterhin nur Figuren im ewigen Würfelspiel der Götter sein?

 


 

Kapitel 44

 

 

Lange blieben sie eng aneinandergedrängt vor dem Feuer liegen. Kjell sehnte sich nach den weichen Fellen, aber Ciarans Körper auf seinem eigenen gab genug Wärme ab, dass er nicht fror. In diesen Stunden konnte er sich zum ersten Mal aufrichtig eingestehen, dass er die träge Nähe zwischen ihnen genoss. Diesen Umstand anzunehmen, verschaffte Kjell Erleichterung. Es tat gut, Ciaran über sich zu spüren und zu wissen, dass sie sich mehr bedeuteten als Freunde. Ganz zu schweigen von der lustvollen Erfahrung dieser Nacht. Kjell konnte es nicht erwarten, mehr davon zu kosten.

Stumm ließ er die Finger durch Ciarans getrocknete Haare gleiten. Sie hatten den Geruch des Rauchs angenommen und luden dazu ein, die Nase darin zu vergraben. Er ging davon aus, dass Ciaran längst der Erschöpfung nachgegeben hatte und eingeschlafen war. Er hatte die Ruhe verdient.

Entsprechend überrascht war er, als sich Ciaran plötzlich mit einem Grunzen aufsetzte. Verwundert stützte Kjell sich auf die Ellenbogen auf und beobachtete, wie Ciaran sich zwei Schritte von ihm entfernt mit dem Rücken zu ihm auf ein Kissen setzte. Doch selbst von hinten war ihm die Anspannung anzumerken, die von ihm Besitz ergriffen hatte.

Kjell glaubte, sie zu spüren, als wäre sie seine eigene, und sie machte ihn nervös.

»Hör zu«, murmelte Ciaran nach einer Weile dumpf. »Ich weiß zu schätzen, was du für mich getan hast. Dass du mir gegeben hast, was ich brauchte. Nicht viele Männer hätten das getan.« Er räusperte sich. »Wie dem auch sei: Du sollst wissen, dass ich mir der Besonderheit dieser Nacht bewusst bin – und dass sie nichts zwischen uns ändert. Ich werde dich nicht… bedrängen.«

Etwas in Kjell schien zu zerspringen. »Was willst du damit sagen?«

Ciarans Züge wirkten verhärmt, als er Kjell über die Schulter hinweg einen traurigen Blick zuwarf. »Dass ich deine Beweggründe verstehe und achte. Du wolltest mir beistehen und das ist dir gelungen. Mehr kann und werde ich nicht von dir erwarten. Morgen ist diese Nacht vergessen. Ich verspreche es dir.«

Innerlich schlug sich Kjell vor die Stirn. Was war er nur für ein Narr? Da saß er hier und suhlte sich im Glanz seiner jüngsten Erkenntnisse, ohne einen Gedanken daran zu verlieren, dass Ciaran nichts von ihnen wusste. Natürlich musste er in seiner Trauer davon ausgehen, dass Kjell sich geopfert hatte, um ihm etwas Gutes zu tun. Die Selbstlosigkeit, die er Kjell zutraute, war beinahe rührend.

Das Missverständnis musste schnellstens ausgeräumt werden. Blieb nur die Frage, ob er bereit war. Konnte er es sich erlauben, Ciaran Hoffnungen zu machen? Was, wenn er nun von großen Gefühlen sprach und am Ende doch feststellte, dass er sie mit Lust verwechselt hatte? Liebte er Ciaran?

Er dachte an Silvius' flammende Rede und an die Herausforderung, die er ihm entgegengeschleudert hatte. Nein, er entstammte keinem Volk von Feiglingen.

Auf Knien rückte Kjell an Ciaran heran. Sein Herz flatterte, als er die Hand auf dessen Schulter legte. Ciaran machte Anstalten, ihn abzuschütteln, doch Kjell blieb hartnäckig und rieb über eine wunde Stelle, in die er zuvor die Zähne geschlagen hatte.

»Ich verstehe, worauf du hinauswillst. Aber nun erweise mir den Gefallen und hör mir zu. Ich… ich weiß nicht…«

Kjell verstummte und hielt sich vor Augen, wie kurz ihre gemeinsame Zeit unter Umständen sein würde. Wollte er sich je wieder fühlen wie heute, als er sich gegrämt hatte, weil er Ciaran ohne jedes Gefühl der Zuneigung hatte ziehen lassen? Nein. Und deswegen musste er ehrlich sein. Zu sich selbst – und zu Ciaran.

»Ich weiß nicht, was in mir vorgeht. Ich kann dir nichts versprechen und will dich sicher nicht anlügen, aber ich denke... Wenn man jemanden gern küssen möchte und unglücklich ist, weil man es nicht kann...« Kjell stammelte. Es war ihm unangenehm, aber er arbeitete sich vorwärts. »Wenn einem übel ist, weil man jemanden vermisst... und wenn man solche Angst um jemanden hat wie ich um dich, dann...« Er unterbrach sich erneut. »... dann denke ich, dass das etwas zu bedeuten hat. Oder?«

Ciaran schwieg. Er rührte keinen Muskeln. Nur an seinem Hals zuckte ein Nerv.

Kjell spürte Verzweiflung in sich hochsteigen. »He, nun hilf mir hier mal!«, brach es aus ihm hervor. »Ich habe keine Ahnung, was in mir vorgeht. Aber ich weiß, dass ich es gehasst habe, nicht mehr bei dir schlafen und nicht länger offen mit dir reden zu können. Und mir ist klar geworden, dass ich heute ohne Zögern Männer meines eigenen Volkes getötet hätte, wenn sie dir gefährlich geworden wären. So viel kann ich dir sagen. Alles andere weiß ich selbst nicht.«

»Ich auch nicht. Und ich kann dir gerade auch beim besten Willen nicht helfen«, flüsterte Ciaran. »Einer meiner engsten Freunde ist tot und mit ihm so viele andere. Ich weiß nicht, was aus Tiberius und Gwydion geworden ist. Silvius war ein Wrack, als ich ihn zum letzten Mal gesehen habe. Wie könnte ich... Wie soll ich dir da raten, was du tun oder wie du empfinden sollst?«

»Verstehe ich«, entgegnete Kjell leise und fragte sich, ob er es wagen konnte, Ciaran an sich zu ziehen und ihn zu küssen. »Aber ich will dich weder anlügen noch will ich dir vormachen, dass ich... Ich schätze, ich will nur, dass du weißt, dass ich dich vermisst habe. Nicht dein Lager... Dich

Schaudernd holte Ciaran Luft. Endlich wandte er sich zu Kjell um. »Gut, dann… Sag mir, was du willst. Ich will nicht wissen, was du für richtig hältst, welche Pläne du für nächste Woche hast oder ob du eine hübsche Germanin heiraten wirst, sobald du frei bist. Was willst du jetzt und hier?« Die letzten Worte betonte er, als hätte er Sorge, missverstanden zu werden.

Kjell musste nicht überlegen. Er wusste, was er wollte. Er wusste es so genau, dass ihm allein der Gedanke an einen weiteren Aufschub Schmerzen verursachte.

»Das hier«, murmelte er, bevor er sich nach vorn beugte und Ciarans Lippen mit seinem Mund verschloss.

Der Widerstand hielt nur einen Atemzug lang an, dann spürte Kjell, dass Ciaran ihm entgegenkam. Ihre Lippen bewegten sich so behutsam übereinander, als wollten sie sich für das raue Vorgehen zuvor entschuldigen. Endlich erlaubte Kjell es sich, Ciaran zu umarmen.

Und er kam ihm entgegen. Ihre Hände fanden sich in der Dunkelheit und verhakten sich miteinander. Leichtigkeit erfasste Kjell. Ihm war bewusst, dass Ciaran anders empfand, dass er unter den Geschehnissen des Tages litt. Doch er selbst schwelgte in der Erfahrung, auf eine nie gekannte Weise Trost zu spenden. Bisher war es stets Ciaran gewesen, der für ihn da gewesen war. In dieser Nacht jedoch war Kjell der Erfahrene, der Stärkere; ein Umstand, der nicht nur einen Teil seines angeschlagenen Selbstwertgefühls reparierte, sondern ihm auch ein gänzlich unbekanntes Gefühl von Erfüllung vermittelte.

Er wusste vielleicht nicht, was es war, das zwischen ihnen vorging, aber es gefiel ihm.

Nach und nach machte sich die Kälte der Nacht bemerkbar. Schließlich standen sie auf, um zur Bettstatt zu taumeln. Ciaran schob die Decken zurecht und ließ sich in die gemütliche Mulde fallen, in der sie so oft nebeneinander geschlafen hatten.

»Komm her, Wolf«, raunte er mit einem Lächeln, das die Traurigkeit nicht aus seinem Gesicht vertreiben konnte.

Kjell zögerte nicht, ihm zu folgen. Kaum, dass er neben Ciaran Platz gefunden hatte, zogen sie gemeinsam die Felle über sich. Aneinandergedrängt begannen sie von Neuem, sich zu küssen; gieriger als zuvor. Neugierige, besitzergreifende Hände glitten über erhitzte Haut. Kjells Finger tasteten über die bereits verschlossenen Schnitte an Ciarans Beinen und tauchten gleich darauf an der Innenseite seiner Oberschenkel wieder auf. Auf und ab, in Geraden oder Schlangenlinien, bis Ciaran knurrte und nach seinen Fingern griff, um sie um seine Männlichkeit zu legen. Die Lieblosigkeit des vorangegangenen Akts erinnerte Kjell daran, mit leichten Berührungen daran entlangzufahren und zu spüren, wie der Schaft länger und fester wurde.

Als Ciaran an seinem Oberkörper entlangglitt und die Lippen um eine seiner Brustwarzen schloss, legte Kjell mit einem Brummen den Kopf in den Nacken. Die Lust baute sich von Neuem in ihm auf. Er befeuchtete mit der Zungenspitze seine eigenen Lippen und presste Ciarans Kopf näher an sich heran.

Wie sehr liebte er die Bewegungen der fremden Zunge auf seiner Haut. Egal, wo sie auftauchte, sie richtete Verheerungen an und ließ sein Herz schneller schlagen. Ein Kribbeln breitete sich in seiner Kehrseite aus und brachte den Wunsch mit sich, dass Ciaran sich dieser erstaunlich empfindsamen Rundungen annehmen mochte. Zur selben Zeit gierte er nach Aufmerksamkeit für seine sträflich vernachlässigte Körpermitte. Die Erinnerung an einen viel zu fernen Nachmittag, an dem Ciaran ihn dort unten geküsst und geleckt hatte, entlockte ihm ein gequältes Stöhnen und brachte ihn dazu, den Schaft seines Liebhabers schneller durch seine Faust gleiten zu lassen.

»Hmm...«, grollte Ciaran und schob ein Bein zwischen seine bereitwillig offen liegenden Oberschenkel. Von unten stieß er leicht gegen die von dichtem Flaum bedeckten Hoden, eine stumme Einladung, sich an ihm zu reiben.

Seufzend drängte Kjell seine Härte gegen Ciarans knochige Hüfte. Das verbliebene Öl erleichterte das Gleiten an der weichen Haut. Wieder stieg Hitze zwischen ihnen auf, und er umfasste Ciarans Schultern und zog ihn nach oben, damit sie sich küssen konnten.

Ciaran ließ es jedoch nicht lange dabei bewenden und zog sich zurück. Kjell gab ein unwirsches Geräusch von sich. Frustriert versuchte er, Ciarans Mund wieder an seinen eigenen zu führen, doch der wich ihm aus. Mit den Daumen zeichnete er enge Kreise um Kjells Brustwarzen. »Ich möchte in dir sein. Lässt du mich?«

Es lag so viel Begierde in seiner Stimme, dass Kjells Magen einen Sprung machte. Dennoch kam seine Hand an Ciarans Männlichkeit zum Erliegen. Zu gut erinnerte er sich an den Schmerz, der sich auf Ciarans Gesicht widergespiegelt hatte, während er in ihm gewesen war.

Würde es ihm ebenso ergehen? Oder hatten sie etwas falsch gemacht? Überhaupt, wollte er, dass er auf diese Weise berührt wurde?

Ciaran rieb die Nase an Kjells Wange. »Ich behaupte nicht, dass es nicht wehtun wird. Am Anfang. Aber glaub mir, es wird dir gefallen.«

Trotz seiner Erregung war Kjell unangenehm berührt. Ciaran hatte nicht gezögert. Er hatte sich auf ihn gesetzt und ihn in sich aufgenommen, obwohl er geahnt haben musste, dass Kjell nicht würde an sich halten können. Und es hatte ihm gefallen, auch wenn er seine Erfüllung erst hinterher gefunden hatte.

Schließlich nickte Kjell. Weil er mehr brauchte als das, was sie im Augenblick miteinander teilten. Er wollte, dass sie sich erneut nahekamen, und das Eindringen in einen Körper war der einzige Weg. Und dann würden sie sich ebenbürtig sein.

Ciarans Hände, die ihm warm und beruhigend über den Körper strichen, versprachen ihm Rücksicht und Erfahrung.

»Gut«, wiederholte er seine Entscheidung laut.

»Du wirst es nicht bereuen.«

Aufgeregt und besorgter, als er sich eingestehen wollte, wollte Kjell es sich auf dem Rücken bequem machen, aber Ciaran schüttelte den Kopf. »Lass mich das machen.«

Mit sanftem Druck dirigierte er Kjell auf den Bauch und begann, seinen Rücken zu küssen. Zeitgleich schrieben seine Finger fremde Schriftzeichen auf seine Haut. Als er kaum spürbar mit den Handflächen über Kjells Hintern fuhr, wölbte der sich ihm einer inneren Stimme folgend entgegen.

Ciaran ließ sich Zeit. Immer wieder rieb er die empfindlichen Stellen von Kjells Rücken und strich langsam an seinen Seiten entlang, bis seine Unruhe in angenehme Erwartung überging und er sich unbewusst mit dem Unterleib gegen die Decken drängte. Das Kribbeln, das er bisher in erster Linie in seiner Härte wahrgenommen hatte, erfasste seinen Körper und machte jede noch so leichte Berührung lustvoll.

Irgendwann spürte Kjell einen einzelnen feuchten Finger zwischen seinen Beinen. Er strich über ihn hinweg und fand den angespannten Muskel. Im ersten Moment war ihm die Berührung an seinem Eingang unangenehm. Die Stelle war empfindsam, reagierte zu stark. Er wollte sich entziehen, brachte es aber nicht über sich.

Als Ciarans Finger sanfte Kreise zog, entfuhr Kjell ein leises Stöhnen. Vielleicht hätte er lieber geschwiegen, denn dem Augenblick haftete etwas Erniedrigendes an. Aber die behutsamen Streicheleinheiten waren zu erregend, um stumm zu bleiben. Als Ciaran schließlich sacht einen Finger in ihn schob, gab es keinen Schmerz, nur einen leichten Druck, der nicht einmal unangenehm war. Tiefer und tiefer tastete Ciaran sich vor, ohne dass sich Kjell unwohl fühlte. Es blieb nur das Gefühl, einen Fremdkörper in sich zu haben.

Mit dem Lichtblitz, der auf einmal durch seine Beine zuckte und einen feinen Tropfen aus seinem Glied treten ließ, hatte er nicht gerechnet. Schaudernd hob er sich der Hand entgegen, begierig auf eine Wiederholung.

Ciaran lachte leise. Mit leichtem Druck strich er ein paarmal in rascher Folge über den sensiblen Punkt, bevor er sich über Kjell beugte und sein Ohr küsste. »Siehst du, und das ist der Beweis, dass die Götter uns segnen. Warum sonst hätten sie uns so erschaffen sollen? Kein Weib wird dich je auf diese Weise anfassen. Und doch empfindest du Lust, wenn ich dich innen berühre.«

Kjell nahm die heiseren Worte kaum wahr. Er wollte, dass Ciaran ihn fester rieb, sich der vernachlässigten Erektion unter ihm annahm, ihn überall küsste und das Spiel mit seinen harten Brustwarzen wieder aufnahm, die auf mysteriöse Weise mit Kjells Glied verbunden waren.

»Oh, bei allen...«, keuchte Kjell und bewegte unruhig das Becken. »Mach weiter. Ich brauche...«

»Ungeduldiger Wolf«, zog Ciaran ihn auf.

Er drückte gegen Kjells Schulter, bis er sich auf die Seite drehte. Augenblicklich drängte Ciaran sich von hinten an Kjells Rücken und legte ihm einen Arm um die Seite. Mit dem Daumen strich er über den flachen Bauch und küsste seinen Nacken. Atemlos neigte Kjell den Hals, damit Ciaran mehr Spielraum hatte und drückte gleichzeitig mit dem Hintern gegen dessen Unterleib. Es fühlte sich verdorben an, sich wie eine Hure an seinem Liebhaber zu reiben, aber es war herrlich. Wer hätte je gedacht, dass es so erregend sein konnte, alle Hemmungen abzustreifen?

Eine Hand tauchte unter Kjells Bein auf und brachte ihn dazu, es anzuheben und auf Ciarans Oberschenkel abzulegen. Dessen Arm hielt sie im Gleichgewicht. Suchend griff Kjell hinter sich und fand erst ein Gesicht, dann einen Mund. Es schüttelte ihn, als Ciaran an seinen Fingern leckte und sie schließlich in seinen Mund sog. Sofort tauchten die Bilder von Ciarans Lippen um seine Männlichkeit vor ihm auf. Ob dafür auch noch Zeit sein würde? Er wollte es wieder erleben, es war so befreiend gewesen, berauschend.

Der stetige Druck auf Kjells Eingang riss ihn aus seinen Fantasien. Er verkrampfte sich.

Sofort hielt Ciaran inne und sagte leise: »Es wird schmerzen, wenn du mich nicht einlässt. Entspann dich. Atme ruhig weiter und erinnere dich an das Gefühl von eben.«

Bemüht, den guten Rat umzusetzen, schloss Kjell die Augen und rief die Erinnerung in sich wach. Er hörte auf seine Atmung und versuchte, sie an Ciarans anzugleichen. Die Finger, die sich zwischen seine Beine stahlen und sich um seine Härte schlossen, waren eine große Hilfe. Wieder spürte Kjell, wie Ciaran sich gegen ihn drückte. Dann war da dieses Reißen, gänzlich fremd und unangenehm. Er wollte sich zur Wehr setzen und fühlte sich an eine Gelegenheit erinnert, an dem ihm ein Pfeil ins Bein gefahren war. Das Eindringen des fremden Körpers fühlte sich ähnlich an – und doch anders. Ein Schmerz, der sich tief in seinem Bauch ausdehnen wollte. Der ihm das Gefühl gab, pressen zu müssen. Der falsch war, aber unter sich etwas barg, das den Aufwand wert war.

Als der Schmerz zu einem Ziehen verdampfte, fiel es Kjell leichter, sich an Ciaran zu lehnen. Die winzige Bewegung ließ sein Glied tiefer in ihn hineingleiten. Es schmerzte erneut, aber Kjell fühlte sich nicht länger davon abgeschreckt. Dafür genoss er das Gefühl ihrer Körper aneinander zu sehr, die Hitze, die von Ciarans Brust und Beinen ausging und sich auf ihn übertrug.

Lange Zeit rührte sich keiner von ihnen. Kjell hörte raschen Atem hinter sich, während streichelnde Hände ihn beruhigten, ablenkten, erregten. Ciaran wog seine prallen Hoden in der Handfläche, presste sie sanft gegen Kjells Körper oder zog an ihnen. Währenddessen spielte er geschickt mit seiner Männlichkeit, machte sie hart und härter, nachdem sie zuvor etwas von ihrer Standfestigkeit eingebüßt hatte. Kjell konnte sich des Verdachtes nicht erwehren, dass Ciaran früher viel Zeit darauf verwendet hatte, die Geheimnisse des männlichen Körpers zu erkunden. Er nutzte seine Erfahrung, um ihn an den Rand der Verzweiflung zu bringen.

Erst als Kjell ebenso wütend grollte wie sein Namenstier, begann Ciaran, vorsichtig in ihn hineinzustoßen. Mit fließenden Bewegungen passte er sich Kjells Rucken und Drängen an, bis er den besten Winkel für ihrer beider Lust gefunden hatte. Immer wieder schauderte Kjell, wenn Ciaran gegen den verborgenen Punkt in seinem Innern rieb.

Es war immer noch nicht genug. Verzweifelt wandte Kjell den Kopf, um Ciaran zu küssen. Ohne Rücksicht auf Verluste überdehnte er seinen Hals, bis ihre Lippen aufeinanderlagen. Ein Rausch ergriff von ihm Besitz und ließ ihn hemmungslos stöhnen, keuchen und manchmal sogar anfeuernde Worte ausstoßen. »Weiter, mehr.« Dann ächzte Ciaran jedes Mal, als würde Kjell ihm das Leben schwer machen.

Eine Ewigkeit verstrich. Kjell näherte sich immer wieder der Erlösung, nur um im letzten Moment aufgehalten zu werden. Mehr als einmal flüsterte Ciaran ihm zu, dass sie einen Moment stillhalten mussten, weil sonst alles vor der Zeit enden würde. Kjell war sich dann nie sicher, ob er nicht genau das wollte. Doch der Gedanke an endlose Lust war so verführerisch, dass er sich auf das Spiel einließ.

Schließlich war es Ciaran, der zittrig zugeben musste: »Ich kann nicht mehr. Bei Cupido, ich kann nicht länger warten.«

Stöhnend lehnte Kjell den Hinterkopf gegen Ciarans Schulter und legte die Hand über die Finger, die ihn massierten. Gemeinsam glitten ihre Hände über die zum Bersten angeschwollene Härte, während Ciaran das Gesicht in Kjells Nacken vergrub und hart in ihn eindrang.

Es dauerte nicht lange, und Kjell verlor sich in dem fließenden Gefühl, das seinen Körper übernommen hatte. Er zuckte zwischen den streichelnden Fingern und der Härte in seinem Inneren hin und her, bis er den Punkt der höchsten Lust erreichte und erstarrte. Seine Muskeln zogen sich zusammen und stießen Luft und Laute, vielleicht sogar Worte, gleichermaßen aus ihm heraus. Ganz am Rande spürte er, dass Ciaran ihm in den Hals biss, noch einmal hektisch in ihn stieß und dann ebenfalls verharrte.

Die atemberaubende Erregung ging fast augenblicklich in Müdigkeit über. Sie glitten auseinander, aber nicht weit genug, um sich zu verlieren. Kjell hörte, wie Ciarans Atmung ruhiger wurde und spürte förmlich die Schläfrigkeit, die sich über ihn legte.

Er selbst brauchte länger, um zur Ruhe zu kommen. Zu aufregend waren die Erfahrungen, die er in dieser Nacht gemacht hatte. Zu ungewiss war die Zukunft. Aber er konnte zumindest aufrichtig behaupten, dass er sich nicht schlecht fühlte. Sein Gewissen schwieg.

Mit einem kleinen Lächeln rollte Kjell sich herum und glitt in offene Arme hinein. Sie umschlangen sich, und dann, als Kjell längst glaubte, die einzige wache Seele im Zelt zu sein, drückte Ciaran das Gesicht an seinen Hals und murmelte mit schwerer Zunge: »Hab dich auch vermisst.«


 

Kapitel 45

 

 

Es gefiel Ciaran nicht, wie langsam die Zeit verstrich. Obwohl er seit einer Ewigkeit in den Himmel starrte, hatte sich der hinter dem morgendlichen Dunst blasse Sonnenball kaum bewegt. Auch das Lager erwachte nur allmählich zum Leben, wobei von Leben kaum die Rede sein konnte.

Angesichts der vielen Tausend Männer, die Castra Vetera beherbergte, war es viel zu still; zu jeder Tages- oder Nachtzeit seit der siegreichen, aber nichtsdestotrotz verheerenden Schlacht. Von den Soldaten, die in den Kampf gesandt worden waren, waren etliche tot und verletzt, die übrigen an der Seele wund. Diejenigen, die zurückgeblieben waren, respektierten den Zustand ihrer Kameraden, indem sie sich ruhiger verhielten als sonst. Man setzte sich nicht gemütlich am Feuer zusammen, wenn so viele gute Männer tot waren und die Verletzten vor Schmerzen stöhnten.

Mittlerweile hatte sich herumgesprochen, dass die Germanen an jenem Tag eine Versammlung abgehalten hatten, Feierlichkeiten zur Frühlingssonnenwende. Ein friedliches Fest. Kein Heerlager. Im Nachhinein betrachtet war es keine kluge Entscheidung gewesen, dennoch anzugreifen. Es hieß, Optus sei höchst verärgert, dass der befehlshabende Centurio keine Rücksprache gehalten hatte.

Außerdem ging das Gerücht um, dass sich eine große Gruppe Germanen im nahen Wald aufgehalten oder auf den letzten Metern des Weges zum Dorf befunden hatte, als die Schlacht begonnen hatte. Soldaten berichteten, dass urplötzlich zornige Krieger hinter ihnen aufgetaucht waren und eine ganze Kohorte aufgebracht hatten. Ob dieser Bericht der Wahrheit entsprach, vermochte niemand zu sagen. Zu groß war das Durcheinander gewesen, zu gewaltig die fremde Macht, die sie ergriffen hatte und nichts zurückließ außer dem Wunsch, das Gegenüber zu töten, bevor man selbst fiel.

Ciaran wusste nicht, was es mit jener Urgewalt in seinen Adern auf sich gehabt hatte. Sie hatte ihn stark gemacht und jeden Schmerz abgeschirmt. Mars Ultor musste über ihn gekommen sein. Und nun wunderte es ihn nicht länger, dass dem Gott des Krieges auch äußerst dunkle Gaben zugesprochen wurden; eine schwarze Leidenschaft, die über den Verstand der Sterblichen hinausging. Sie hatte ihn in ein reißendes Tier ohne Gewissen verwandelt. Bewusste Gedanken hatte es nicht mehr gegeben. Nur messerscharfe Aufmerksamkeit, den Schwung seiner Waffe und das Muskelspiel des Schimmels unter ihm.

Die Urgewalt hatte ihm das Leben gerettet. Das Problem war, dass ein Teil von ihr in seiner Seele zurückgeblieben war und sich mit der Erinnerung an blutbesudelte Blumen in hellem Haar zu einem finsteren Gespinst verwoben hatte.

Sie wollten das erwachende Leben feiern und ihr habt…

Abrupt gab Ciaran die Beobachtung der Sonne auf. Melancholie machte sein Herz schwer und Scham drohte ihm den Magen zu verbrennen. Die Schlacht hatte seine Freunde und ihn endlich zu Kriegern gemacht. Lange Jahre hatten sie auf diesen Tag gewartet, nur um schließlich festzustellen, dass Ruhm und Ehre im Schmutz des Schlachtfelds nur schwerlich zu finden waren. Und obwohl sie den Sieg davongetragen hatten, fühlte Ciaran sich nicht wie ein Sieger.

Es war egal, ob er seinen Freunden ins Gesicht blickte, ein Stück gebratenen Fleisches oder einen Grashalm betrachtete: Die Augen seiner Freunde waren leer wie seine eigenen, das Fleisch auf dem Teller erinnerte ihn an jenes, das er auf dem Schlachtfeld durchbohrt hatte. Und ein Grashalm mochte noch so grün und saftig sein, ein Teil von Ciaran sah ihn niedergetrampelt und mit Blut besudelt im Schlamm liegen.

Die Welt hatte ihre Unschuld verloren.

Ciaran verzog das Gesicht und tauchte in das tröstende Halbdunkel seines Zeltes. Auf seiner Bettstatt konnte er einen Umriss erkennen, der sich unruhig im Schlaf bewegte. Er unterdrückte ein Seufzen. Seitdem er Silvius am Morgen im Krankenlager aufgelesen hatte, schlief er. Silvius hatte nicht einen Laut von sich gegeben, als sie eintrafen, hatte sich einfach wie ein Kind zusammengerollt und die Augen geschlossen.

Unbehagen nagte an Ciaran, als er an die vergangenen beiden Nächte und den gestrigen Tag dachte. Die Erinnerung griff nach ihm und spielte die Ereignisse der letzten Stunden noch einmal vor seinen Augen ab.

Wie er nach der Schlacht ins Lager gefunden hatte, wusste er nicht mehr. Aber Kjell hatte auf ihn gewartet, mit einem wissenden Ausdruck in den Augen und einem Zuber voll warmem Wasser. Ciaran hatte nicht gefragt, wie er aus der Zelle gekommen war. Er hatte nicht einmal darüber nachgedacht. Der Blutgeruch hatte ihn vergiftet. Alles, was er gewollt hatte, war, sich von der Last des Todes zu befreien.

Sie hatten miteinander gesprochen, aber ein Schleier lag über seiner Erinnerung. Überhaupt kam es Ciaran vor, als hätte ein Fremder an seiner Stelle das nächtliche Bad genommen. Sein Körper war ihm taub vorgekommen, abgelöst von seinem Geist. Erst Kjells Hände hatten ihn zurückgeholt. Sie hatten den Nebel vertrieben. Und als er gerade glaubte, sich wieder in ein menschliches Wesen verwandelt zu haben, war etwas mit ihm geschehen.

Nie zuvor hatte Ciaran eine solch finstere Lust verspürt. Das Erschreckendste daran war, dass sein verzweifeltes Verlangen dem Überlebenswillen auf dem Schlachtfeld in Nichts nachgestanden hatte. Es war dieselbe hässliche Münze gewesen, wenn auch von der anderen Seite betrachtet.

Wenn sein Gewissen nicht im letzten Moment eingeschritten und ihn gezügelt hätte, hätte es in jener Nacht ein weiteres Massaker gegeben. Die Versuchung, sich zwischen Kjells Beine zu knien und ihn auf sein Becken zu ziehen, war gewaltig gewesen. Auch so hatte er Kjell benutzt, um zu fühlen, dass er überlebt hatte.

Im Licht des neuen Tages waren die Zweifel gekommen, sie begleiteten ihn immer noch. Er sollte sich über Kjells unerwartete Offenheit, seine Eröffnungen freuen, aber wie konnte er das, solange er sich wund und krank fühlte? Solange er immer noch fürchtete, dass Kjell aus Mitleid handelte? Er hatte etwas anderes behauptet und glaubte wahrscheinlich sogar daran, und doch blieb das Gefühl, dass er Ciaran in erster Linie über Quintus' Tod hinwegtrösten wollte.

Eine Gänsehaut breitete sich auf Ciarans Beinen aus. Der Verlust von Quintus war ungeheuerlich, ihn zu töten eine Wunde in Ciarans Seele, die nie wieder heilen würde.

Warum hatte er nicht darauf geachtet, wo seine Freunde waren? Und vor allen Dingen: Warum hatte Quintus so verflucht stur sein müssen?

Wütend presste sich Ciaran die Handballen in die Augenhöhlen. Zu gut erinnerte er sich an den weingeschwängerten Abend, an dem sie zusammen vor einer schäbigen Taverne im Hafen von Ostia gesessen hatten. Eine Laune hatte die fünf jungen Männer an das Meer getrieben. Sie waren betrunken gewesen und schließlich in eine Stimmung geraten, in der sie sich gegenseitig von ihren geheimsten Träumen erzählt hatten.

Silvius hatte mit Wein die Figur seiner Traumfrau auf die Tischplatte gemalt, während der Seewind in ihre Haare griff. Tiberius sah in seiner Zukunft Ruhm und endlose Schlachten statt Frau und Kind, und Gwydion träumte davon, eines Tages die Heimat seiner Väter zu besuchen. Ciaran selbst hatte etwas von einem Meer bildschöner, ägyptischer Sklaven und dem Monopol für die Einfuhr von Löwen für den Circus Maximus gefaselt.

Nur Quintus hatte wie üblich geschwiegen. Als der Wind vom Meer her kälter geworden war und die Nacht in die Dämmerung überzugehen drohte, hatten sie ihn aufgezogen, bis er unter Lachen endlich bereit gewesen war, von seinen eigenen Wünschen zu berichten.

Fasziniert und erschrocken zugleich hatten sie an seinen Lippen gehangen, als er gestand, dass er schon lange das Interesse am Krieg verloren hatte. Dass er nur deshalb bei ihnen war, weil er sich zu lange verpflichtet hatte und weil er hoffte, genug Ehre und Gold zu gewinnen, um seiner Geliebten den Hof zu machen.

Niemand von ihnen hatte geahnt, dass dieses Mädchen längst ein Gesicht und einen Namen hatte. Umso betroffener waren sie gewesen, als Quintus mit hängendem Kopf erzählte, dass sie einer reichen und einflussreichen Familie entstammte. Die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Vater ihn jemals als Ehemann akzeptierte, war gering.

Ciaran hatte ihm angeboten, ihm sowohl mit Geld als auch bezüglich seines Namens auszuhelfen. In Rom konnte das richtige Wort in das richtige Ohr bei der Brautwerbung durchaus hilfreich sein. Doch Quintus hatte seine Hilfe nicht gewollt und darauf bestanden, selbst das Vermögen und das Land zu verdienen, damit er um sein Mädchen werben könnte.

»Wahnsinn«, wisperte Ciaran kaum hörbar. Quintus hatte nie eine Chance gehabt. Warum war er nur so stolz gewesen?

Quintus' Tod war so schrecklich sinnlos, und in Rom gab es nun eine junge Frau, die Witwe geworden war, bevor sie auch nur verheiratet gewesen war.

Ciaran konnte nicht länger darüber nachdenken. Es schmerzte zu sehr, und hinter der Trauer lauerten die letzten Augenblicke von Quintus' Leben. Und denen konnte er sich nicht stellen.

Es war leichter, an den vorigen Morgen zu denken, selbst wenn er verschwitzt aus einem Meer aus Albträumen hochgefahren war. Aber er war nicht allein gewesen, und Kjells Anwesenheit hatte ihm geholfen, sich zu beruhigen.

Letztendlich hatten sie fast den gesamten Tag verschlafen. Ciaran hatte sich unendlich schwach gefüllt. Wenn er nach draußen gegangen war, um seine Notdurft zu verrichten, war ihm jedes Mal schwarz vor Augen geworden. An Essen war nicht zu denken gewesen, sein Magen fühlte sich schon von einem Becher Wasser überfordert.

Als sich Ciarans Körper von den Strapazen erholt hatte, dämmerte es bereits. Es war ihm schwergefallen, sich von Kjell zu trennen, der den ganzen Tag über an seiner Seite gelegen und sich nur von ihm getrennt hatte, um sich etwas zu essen bringen zu lassen. Aber Ciaran wollte nicht riskieren, dass sie in Schwierigkeiten gerieten. Eine Nacht außerhalb der Zelle mochte der Legat durchgehen lassen, mehr sicher nicht.

Die vergangene Nacht hatte Ciaran als einen einzigen Albtraum empfunden. Wie sehr Kjells Nähe ihn zuvor getröstet hatte, war ihm erst bewusst geworden, als er zum dritten Mal gesehen hatte, wie das Licht in Quintus' Augen erloschen war. Die Sorge um seine übrigen Freunde war mit Voranschreiten der Nacht dringlicher geworden. Schließlich war Ciaran aufgestanden, um sie zu suchen.

Lediglich im Licht einer Öllampe an den Reihen verwundeter Soldaten entlangzugehen, war bedrückend gewesen; gespenstisch sogar. Überall waren Heilkundige umhergehuscht, brachten Wasser, verbanden Wunden und schlossen die Augen der Verstorbenen. Es stank erbärmlich nach menschlichen Körpersäften. Dass die meisten Verletzten im Freien lagen, hatte Ciaran im ersten Moment verärgert, bis ihm eingefallen war, was dahintersteckte: Niemand hatte mit einer solchen Schlacht gerechnet und entsprechend waren die Heilkundigen nicht auf den Andrang an Verletzten vorbereitet gewesen.

Am Ende war es eine vertraute Erscheinung gewesen, die ihn auf den richtigen Weg lotste. Weit am Ende einer Reihe und in der Nähe der Palisade hatte Silvius zwischen zwei Lagern gehockt, die Beine verschränkt und war ins Gespräch mit einem der Liegenden vertieft. Im ersten Moment wollte Ciaran sich schämen, dass Silvius treu an der Seite ihrer Freunde wachte, während er selbst den ganzen Tag mit Kjell faul auf dem Lager gelegen hatte. Aber dann hatte er sich erinnert, dass Silvius andererseits nicht in der Lage gewesen war zu tun, was er getan hatte. Silvius hatte nicht einem guten Dutzend Männern beim Sterben geholfen, hatte nicht auf dem Schlachtfeld gekniet und die letzte Nachricht eines sterbenden Soldaten an seine Frau in Rom entgegengenommen.

Jeder Mann konnte nur das leisten, was im Bereich seiner Möglichkeiten lag. Ciaran hatte schon auf jenem Hügel in Sichtweite des Flusses alles gegeben, was er zu geben hatte.

Es war ihm dennoch schwergefallen, auf Silvius zuzugehen. Die Angst, etwas zu sehen, das er verzweifelt nicht sehen wollte, hatte seine Finger zucken lassen. Bevor er die Pritschen erreicht hatte, hatte sich einer der Männer mühsam aufgerichtet. Das flackernde Licht seiner Lampe war auf Gwydions Gesicht gefallen, der sich schwer auf Silvius' Schulter stützte.

Der Kelte hatte in einer Karikatur eines Lächelns die Zähne entblößt. »Du kommst gerade recht. Du darfst mir helfen, meine steifen Knochen zum nächsten Pisseimer zu schleppen.«

Ciaran hatte ihm den Gefallen gern getan.

Letztlich waren sowohl Gwydion als auch Tiberius glimpflich davongekommen. Ersterer war vom Pferd gestürzt. Andere Soldaten waren über ihn hinweggestolpert, sodass er neben einem gebrochenen Schlüsselbein eine Reihe Prellungen hatte.

Tiberius hingegen hatte eine hässliche Fleischwunde am Oberschenkel davongetragen und war zu allem Überfluss mit dem Fuß umgeknickt, der zu einem unförmigen Klumpen angeschwollen war. Die Heiler hielten ein strenges Auge auf die Wunde, doch ob sie sich entzünden würde oder nicht, lag in der Hand der Götter.

Darüber hinaus ging es beiden körperlich gut. In ihren Augen hatte Ciaran jedoch dieselben Schrecken irrlichtern sehen, denen er sich selbst zu stellen hatte. Zu viert zusammenzusitzen, hatte es nicht besser gemacht. Ihr Kreis war nicht länger vollständig.

Ciaran war dennoch lange bei den Verletzten geblieben. Zwar waren ihre eigenen Wunden erträglich, doch in der Finsternis zwischen all den Schwerverletzten und Sterbenden zu liegen, machte sie nervös. Als der Morgen graute, hatte Gwydion ein Machtwort gesprochen und Ciaran gebeten, nein, befohlen, zu verschwinden und Silvius mitzunehmen.

Aus gutem Grund: Silvius hatte ausgesehen wie der Tod. Der Schlafmangel und der Aufenthalt hatten ihm jede Kraft entzogen. Zeitweilig hatte Ciaran sogar befürchtet, dass er ihn tragen musste, weil Silvius jeden Augenblick die Besinnung zu verlieren drohte. Vielleicht hätte es ihm gutgetan. Hinabstürzen in die Dunkelheit und aufhören zu fühlen.

Und nun waren sie hier, Silvius schlief endlich. Ciaran bezweifelte allerdings, dass er Frieden fand. Dafür war Silvius zu unruhig. Manchmal fuhr er hoch und blinzelte, nur um anschließend umso tiefer unter die Decken zu kriechen.

Ciaran brachte es nicht über sich, sich zu ihm zu legen. Er hatte Angst vor den Bildern, vor den Erinnerungen. Außerdem vermisste er Kjell. Er konnte es nicht erwarten, ihn zu sich zu holen.

 

***

 

Der Himmel vergoss bittere Tränen und verwandelte die Wege zum wiederholten Male in diesem Frühjahr in hässliche Schlammpfützen. Missmutig verzog Ciaran das Gesicht. Es kam ihm vor, als würde der trübe Himmel, an dem sich der Stand der Sonne höchstens erahnen ließ, seinen eigenen Gemütszustand widerspiegeln. Kein Sturm, kein Platzregen, aber ein beständiges Nieseln bei grauem Himmel wie das dumpfe Klagelied einer verlorenen Seele, die längst nicht mehr vor Schmerz schrie, sondern lediglich leise schluchzte.

Lange hatte er den Mittag herbeigesehnt, aber nun, da er auf dem Weg zur Gefängnisbaracke war, fühlte er sich nicht wohl in seiner Haut. Je näher ihr Wiedersehen rückte, desto wahrscheinlicher schien ihm, dass Kjell ihm etwas vorgemacht hatte; wenn auch aus den edelsten Gründen. Es konnte nicht sein Ernst gewesen sein.

Warum sollte Fortuna Ciaran so gnädig sein? Verdiente er es denn, dass Kjell ihm seine Zuneigung schenkte?

Ciaran war sich nie weniger liebenswert vorgekommen, und mit dieser Gewissheit kehrten die Bilder zurück und brachten ihn ins Stolpern.

Wieder sah er die Siedlung vor sich. Die Zelte, die sich wie weidende Schafe um die im Bau befindliche Hütten scharrten. Geflechte aus jungen Zweigen, die die Fensteröffnungen schmückten. Der Geruch von frisch zubereiteten Speisen. Kinderlachen vom nahen Flussufer. Ein paar buntscheckige, mit groben Borsten bedeckte Schweine, die glücklich im Schlamm badeten, bevor sie wachsam mit den Ohren wackelten und nervös quiekten.

Auch, wenn die Germanen zufällig zahlreicher gewesen waren als vorhergesehen und in ihrer Kampfkraft die Ausmaße eines kleinen Heeres erreicht hatten, hatten sie letztendlich eine friedliche Siedlung niedergemacht. Keine Krieger, die auf den Kampf vorbereitet waren. Keine Soldaten, die wachsam in Reih und Glied standen und auf ihre Befehle warteten. Männer ohne, oder in unzureichenden Rüstungen, Frauen, Kinder, Alte, Kranke. Menschen, die sich darauf freuten, ihren Göttern dafür zu danken, dass sie einen weiteren Winter überlebt hatten.

Ciaran fühlte sich schmutzig. Er hatte nicht vergessen, dass die Germanen im Herbst aus dem Hinterhalt über ihre ahnungslosen Legionen hergefallen waren und auch nicht, wie anders sie Begriffe wie Ehre und Gerechtigkeit verstanden. Dass sie ihren Sieg durch Possenspiele und Schleicherei errungen hatten. Aber sie hatten wenigstens Ebenbürtige angegriffen.

Das konnte Ciaran nicht von sich behaupten. Ein Nebel lag über seiner Erinnerung und sorgte dafür, dass er sich nicht der Gesichter seiner Opfer entsinnen konnte. Er war Fluch und Segen zugleich. Zwar verhinderte er, dass er sich von den Blicken der Sterbenden gejagt fühlte, aber auf der anderen Seite konnte er sich nicht sicher sein, ob er nicht auch nach Frauen und Kindern geschlagen hatte.

Ciaran blieb stehen und stützte die Hände auf die Oberschenkel. Er atmete tief durch und zwang sich, die Finsternis aus seinem Geist zu verbannen. Kaum, dass er sich gefangen hatte, setzte er sich wieder in Bewegung. Bei der Baracke angekommen stürmte er wortlos an den Wachen vorbei und passierte mit einer kurzen Handbewegung in Richtung des Gefängnisaufsehers den ansonsten leeren Wachraum. Dank Kjells Verlegung in eine größere Zelle musste Ciaran nicht allzu lange durch die finsteren, übel riechenden Gänge irren und stand bald vor der Holztür. Der Riegel, der sie verschlossen hielt, schien an diesem Tag doppelt so schwer wie sonst, und es gab einen Teil von Ciaran, der sich wünschte, er würde klemmen.

Natürlich wollte er Kjell sehen. Er wollte es so sehr, dass es ihm körperliche Schmerzen verursachte. Aber er fürchtete sich davor, dass ihn die mittlerweile so vertrauten Augen voll Mitgefühl betrachten und damit mehr verraten würden, als er wissen wollte.

Als die Tür beiseiteschwang, sprang Kjell, der mit überschlagenen Beinen im Stroh gesessen hatte, hastig auf die Füße. Erleichterung stand in seinem Gesicht.

»Da bist du ja«, seufzte er. »Bei diesem Wetter hat man gar kein Zeitgefühl. Ich warte schon ewig auf dich.«

Statt zu antworten nickte Ciaran lediglich und betrachtete Kjell aufmerksam. Entdeckte er da einen Hauch von Zurückhaltung oder gar Zorn? Es sah nicht danach aus, aber viele Menschen waren in der Lage, ihre wahren Gefühle zu verbergen...

Hör auf damit, schalt Ciaran sich in Gedanken. Kjell war nie unehrlich zu dir. Selbst wenn er dich nach der Schlacht nur trösten wollte, würde er dir heute nichts mehr vormachen. Das ist nicht seine Art.

Offenbar spiegelte sich ein Teil seiner Empfindungen auf seiner Miene wider, denn Kjell runzelte die Stirn. »Geht es dir gut?« Als Ciaran nichts erwiderte, lächelte er dünn und beantwortete die Frage selbst. »Nein, natürlich nicht. Das hätte mich auch gewundert. Lass mich anders fragen: Schlechte Nachrichten?«

»Nein«, entgegnete Ciaran. »Zumindest keine allzu schlechten.«

»Verstehe«, gab Kjell zurück und presste die Lippen aufeinander, als müsse er mit Macht die Worte zurückhalten, die ihm auf der Zunge lagen.

Mit einem Mal sehr müde rieb Ciaran sich über die Nasenwurzel. »Lass uns gehen. Ich will nicht mehr Zeit in diesem verdammten Schweinestall verbringen als zwingend nötig.«