Schmutztitel
Titel

Der Fall Dornröschen

Kari Erlhoff

KOSMOS

Umschlagillustration von Ina Biber, Gilching

Umschlaggestaltung von Sabine Reddig

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© 2020 Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten.

ISBN 978-3-440-50225-9

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Stress in der Villa

»Der sieht aus wie ein Verbrecher!«, rief Tessa voller Entsetzen.

Herr Grevenbroich sah seine Frau erstaunt an. Auch Marie erkannte ihre Stiefmutter kaum wieder, die sonst nicht so gestresst und angespannt war. »So schlimm ist der nun auch nicht!«, warf sie vorsichtig ein.

Tessa seufzte. »Du hast ja recht«, räumte sie ein. »Aber du musst zugeben, dass es unmöglich ist, Natascha zu ersetzen!« Natascha war das Au-pair-Mädchen, das sich bei den Grevenbroichs um den kleinen Finn kümmerte. Die Familie hatte die junge Frau aus Russland ins Herz geschlossen. Nun wollte Natascha allerdings ein Studium anfangen und aus der Villa von Maries Familie ausziehen. Deshalb musste so schnell wie möglich ein passender Ersatz gefunden werden. Kein Wunder, dass Tessa unter Druck stand. Immerhin ging es um jemanden, der mehrere Monate bei den Grevenbroichs wohnen und auf den kleinen Finn aufpassen würde. Wie ein Verbrecher sah der Junge auf dem Foto im Internet jedoch wirklich nicht aus. Marie fand sogar, dass er ein ganz sympathisches Lächeln hatte. Außerdem hatten sie sich schon den halben Vormittag gemeinsam durch das Angebot der Au-pair-Vermittlung geklickt. An jedem Bewerber hatte Tessa etwas auszusetzen gehabt. Herr Grevenbroich kratzte sich am Kopf. »Vielleicht sollten wir doch lieber ein Au-pair-Mädchen nehmen. Da ist die Auswahl größer!«

»Ich bin Trine, die Fernbediene-Biene!«, schallte es hinter ihnen. Finn drängte sich an Marie und Tessa vorbei. In der Hand hielt er seine neuste Errungenschaft: ein abscheuliches Plastikteil, das halb Biene, halb Fernbedienung war und über ein Dutzend Lieder und Texte von sich geben konnte. »Olé, olé!«, grölte Trine. »Summ! Summ!«

»Na, Finn, wie findest du den Burschen da?«, fragte Herr Grevenbroich und deutete auf das Foto eines jungen Engländers. »Soll der bei uns einziehen?«

Finn schlug mit Trine, der Fernbediene-Biene, auf die Tastatur. Dabei blinkten rote und grüne Lämpchen am Kopf der Biene auf.

»Lass das, Finn!«, sagte Tessa ungeduldig, dann drehte sie sich um. »Marie, kannst du den Kleinen einen Augenblick übernehmen? Wir müssen hier endlich vorankommen.«

»Aber gleich –«, setzte Marie an. Doch Tessa warf ihr einen bittenden Blick zu, der sie verstummen ließ.

»Kein Problem«, sagte Marie schnell und schnappte sich ihren kleinen Bruder.»Danke!«, sagte Tessa erleichtert. »Ich übernehme ihn, sobald wir jemanden gefunden haben.«

Das konnte dauern! Aber Marie spielte im Grunde gern mit ihrem süßen Halbbruder. Sie wollte gerade seine Bauklötze holen, als es an der Tür klingelte. Marie öffnete. Draußen standen Kim Jülich und Franziska Winkler – Maries Freundinnen und Kolleginnen. Gemeinsam betrieben die Mädchen einen äußerst erfolgreichen Detektivclub. Jetzt hatten sie allerdings gerade mal keinen Fall. Die Sommerferien hatten gerade erst begonnen und die Mädchen gingen gemeinsam ins Freibad, in ihr Lieblingscafé oder zum Skaten.

Obwohl sich das schöne Sommerwetter leider plötzlich verabschiedet hatte und es kühl geworden war, wollten sie heute zur Abwechslung gemeinsam Eis machen. Die Zutaten dafür lagen bereits in dem riesigen Kühlschrank der Familie Grevenbroich.

»Wir sollten das mit dem Eis besser lassen und uns lieber einen heißen Kakao machen!« Franzi rieb sich über die Arme. Sie trug ein kurzärmeliges Sport-Shirt und hatte eine sichtbare Gänsehaut.

»Warum nicht gleich Zimtsterne und Lebkuchen?«, witzelte Marie. Bevor sie die Tür hinter ihren Freundinnen schloss, warf sie einen betrübten Blick auf den bleigrauen Himmel. Es fühlte sich gerade wirklich so gar nicht nach Sommer an. Eine beinahe herbstliche Stimmung überkam Marie. Doch da riss Kim sie aus ihren Gedanken. »Kannst du mir mal helfen?« Kim trug einen großen Karton. Darin befand sich die Eismaschine der Jülichs. Das Gerät der Grevenbroichs hatte gerade erst den Geist aufgegeben. Seit nunmehr zwei Wochen hatte es kein selbst gemachtes Eis mehr in der Villa gegeben. Höchste Zeit, etwas dagegen zu unternehmen. Gemeinsam wollten die drei !!! Schokoladeneis machen. Marie nahm ihrer Freundin den Karton ab. »Finn muss leider mit in die Küche. Ich soll auf ihn aufpassen. Papa und Tessa sind gerade ziemlich beschäftigt und Lina ist seit gestern im Ferienlager.«

»Habt ihr denn schon eine Nachfolgerin für Natascha gefunden?«, erkundigte sich Franzi.

Marie schnaubte. »Das wird nie was!« Dann berichtete sie von der Suche nach einem Au-pair-Jungen.

»Ihr wollt einen Jungen einstellen? Spannend!«, fand Franzi. »Das ist echt mal etwas anderes als die üblichen Au-pair-Mädchen!«

Ein Jodeln erklang. »Schalt mich ein und drück die Eins«, kreischte Finns Spielzeug. Dann wechselte es mit einem schrillen Piepen in den Gesangs-Modus. »Dornröschen war ein schönes Kind, schönes Kind, schönes Kind! Dornröschen nimm dich ja in Acht, ja in Acht, ja in Acht …«

Franzi zog die Augenbrauen hoch. »Was ist das denn?«

»Frag nicht.« Marie stöhnte. »Das Ding nervt mich schon den ganzen Tag.«

»Kann Natascha nicht mit ihm auf den Spielplatz gehen?«, wollte Kim wissen. »Im Haus langweilt er sich doch.«

»Sie hat diese Woche frei, damit sie sich ein WG-Zimmer suchen kann«, erklärte Marie mit Bedauern. »Außerdem gibt es an der Uni wohl irgendeine Sommer-Veranstaltung, die sie gerne besuchen will. Meine Eltern haben extra eine Babysitterin engagiert. Wann die bei uns anfängt, weiß ich aber nicht. Ich fürchte, ich muss mich heute noch den ganzen Nachmittag um Finn kümmern.«

»Kein Problem«, meinte Franzi. »Dann hilft er uns eben in der Küche. Eis mag er doch bestimmt gern.«

»Klar«, gab Marie zurück. »Er soll nur nicht zu viel davon naschen.«

»Und wie geht es dir sonst?«, fragte Kim vorsichtig.

Marie sah ihre Freundin nicht an. »Gut«, sagte sie zögerlich. Sie stellte den Karton auf dem Küchentisch ab. Dann öffnete sie den Kühlschrank und sah angestrengt hinein. Kim spielte darauf an, dass Marie und ihr Freund Holger sich für einige Zeit nicht sehen wollten. Genauer gesagt wollte Holger etwas Abstand von Marie. Er hatte sich beim Training für einen Parkouring-Wettkampf in ein anderes Mädchen verliebt. Jetzt brauchte er Zeit, um sich über seine Gefühle klar zu werden. Die Beziehung war also auf Eis gelegt. Marie wusste nun ebenfalls nicht, was sie fühlen sollte. Trauer? Gleichgültigkeit? Oder doch Hoffnung? Irgendwo tief in Marie gab es diese leise Stimme, die ihr zuflüsterte: »Holger und du, ihr seid einfach ein Traumpaar! Er kommt zu dir zurück, Marie!« Daran wollte Marie nur zu gern glauben. Und sie wollte nicht, dass ihre Freundinnen ihr diese Hoffnung ausredeten. Abgesehen davon war es bestimmt das Beste, sich abzulenken, bis Holger sich wieder meldete. Die beste Ablenkung wäre natürlich ein neuer Fall für Die drei !!!. Aber zur Not tat es auch eine kleine Eis-Aktion. Kim und Franzi fragten nicht weiter nach. Anscheinend verstanden sie, dass Marie jetzt nicht an Holger denken wollte. Franzi vermied es sogar, über ihren eigenen Freund, Blake, zu sprechen. Dabei war sie bis über beide Ohren verliebt und konnte kaum an etwas anderes denken. Sie schwebte geradezu auf Wolke sieben. Das wollte sie ihrer Freundin aber nicht auf die Nase binden. Franzi wusste nur zu gut, wie sich Liebeskummer anfühlte. Es war besser, das Thema »Jungs« vorerst zu umgehen. Dafür plauderten sie über unverfängliche Dinge. Zum Beispiel über die ungewöhnlich kühlen Temperaturen, über die Krimi-Komödie, die gerade im Kino lief, und über ein Abschiedsgeschenk für Natascha. Bislang war den Grevenbroichs einfach nichts Passendes für das Au-pair-Mädchen eingefallen. Während sie redeten, schlugen sie Eier auf, erwärmten Milch und hackten Schokolade in kleine Stücke. Zwischendurch mussten sie immer wieder aufpassen, dass Finn nicht von den Zutaten naschte oder die singende Trine in die Schüssel warf. Er hatte schon ganz verschmierte Hände.

»Ihr könntet ein Fotobuch machen«, schlug Kim vor. Sie quirlte den Zucker und die Eier im Wasserbad zu einer schaumigen Masse. »Mit Bildern aus ihrer Au-pair-Zeit bei euch. Dann hat sie eine schöne Erinnerung an deine Familie.«

»Ist das nicht ziemlich aufwendig?«, fragte Franzi.

»Am Computer geht das eigentlich ganz einfach«, meinte Kim. »Wenn du willst, kann ich dir dabei helfen.«

Marie fand die Idee von Kim sehr gut. So ein Fotobuch würde Natascha sicherlich gefallen. Doch dann dachte sie an all die Fotos, die oben in ihrem Zimmer im Computer gespeichert waren. Es waren Bilder von Natascha, ihrer Familie, von sämtlichen Urlauben und von ihren Freundinnen – aber auch Bilder von Holger! Die Bilder zu sichten würde nicht einfach werden.

»Ich weiß nicht«, sagte sie zögerlich. »Ich überlege mir das noch mal.«

Kim hatte gerade die Eismasse in die Maschine gefüllt und das Gerät eingeschaltet, als es erneut an der Tür klingelte. Es dauerte nicht lange, bis Tessa in die Küche kam – gefolgt von einem hochgewachsenen blonden Mädchen. Sie war beinahe so perfekt zurechtgemacht wie Marie. Allerdings bewegte sie sich etwas unnatürlich. Beinahe so, als wäre sie eine Ballerina beim Tanz-Training.

»Besuch für dich!«, sagte Tessa zu ihrer Stieftochter.

»Oje!«, entfuhr es Marie. »Das hatte ich total vergessen!«

Kim und Franzi sahen Marie fragend an. Das Mädchen hatten sie noch nie gesehen.

»Macht nichts«, sagte diese mit einer sehr hellen, hohen Stimme. »Ich dachte, ich komme einfach mal vorbei und schaue mir an, wie du so wohnst!«

»Äh, ja«, machte sich Tessa bemerkbar. »Ich gehe dann mal wieder. Wir müssen noch mal die Au-pairs ansehen, die in die engere Auswahl gekommen sind.«

»Viel Erfolg!«, rief Marie ihr noch hinterher. Dann drehte sie sich wieder zu ihren Freundinnen, die den Besuch erwartungsvoll musterten. »Das ist Janette«, erklärte Marie schnell. Dann deutete sie auf ihre Freundinnen: »Franzi und Kim.«

»Hi!«, sagte Janette freundlich. Mit federleichten Schritten war sie beim Tisch. Sie spähte durch das Fenster ins Innere der Eismaschine. Dann sprang sie zurück, als hätte sie soeben einen Stromschlag bekommen. »Wua! Das wird ja eine Kalorienbombe!«

»Und wenn schon.« Kim warf dem Mädchen einen finsteren Blick zu. »Wir freuen uns auf das Eis!«

»Sorry!« Janette hob beschwichtigend ihre schmalen Hände. »Ich will Tänzerin werden. Genauer gesagt, Musical-Darstellerin. Da muss ich enorm auf meine Linie achten.« Sie deutete auf ihr figurbetontes hellgraues Top, auf dem mit Strass-Steinchen die Worte Dancing Queen aufgeklebt waren. »Erfolg fordert Disziplin.«

Damit machte sie sich bei Kim nicht unbedingt beliebter. Aber auch Franzi schien nicht besonders begeistert von Janette zu sein. Dabei war sie, im Gegensatz zu Kim, eine begeisterte Sportlerin.

»Janette und ich sind bei derselben Gesangslehrerin«, erklärte Marie nach einer kurzen und etwas unbequemen Gesprächspause.

»Und wir hatten früher mal zusammen Ballett. Da waren wir aber noch in der Grundschule«, fügte Janette hinzu. »Danach haben wir uns für ein paar Jahre aus den Augen verloren.«

»Alarm! Alarm! Eins, zwei, drei!«, plärrte die Fernbedienung. Finn drückte den Knopf immer wieder. Dabei machte er ein hoch konzentriertes Gesicht. Janette verdrehte die Augen. »Kinder!«

Nun war es an Marie, beleidigt zu gucken. Das Spielzeug war schwer zu ertragen, aber gegen ihren süßen kleinen Bruder durfte niemand etwas sagen. Marie strich ihm liebevoll über den Kopf. Mittlerweile war sie fast so gestresst wie Tessa. Es war offensichtlich, dass Janette nicht viel für Finn übrighatte und Kim und Franzi wiederum mit Janette nichts anfangen konnten. Janette konnte anstrengend sein, allerdings hatte sie ziemlich locker darauf reagiert, dass Marie die Verabredung verschwitzt hatte. Das rechnete Marie ihr hoch an. Sie wusste, dass Janette auch in den Ferien ein straffes Programm aus Gesangsstunden, Ballettunterricht, Jazzdance und Schauspielkursen hatte. Sie schenkte Janette ein entschuldigendes Lächeln. »Tut mir echt leid, dass ich nicht ins Café gekommen bin!«

»Schon okay«, meinte Janette lässig. »Ich hätte da eh nur ein Mineralwasser getrunken. Außerdem ist es gut, dass deine Freundinnen hier sind. Ich wollte etwas Wichtiges mit euch besprechen!«

»Mit uns?«, fragte Franzi überrascht.

»Ich dachte, es geht um das Fotoshooting, das deine Mutter machen will«, hakte Marie nach.

»Darum geht es auch«, erwiderte Janette.

Kim wischte mit der Hand die restlichen Schokokrümel von der Arbeitsplatte. »Was für ein Fotoshooting?«

»Janettes Mutter ist Fotografin«, erklärte Marie ihrer Freundin. »Sie betreibt nebenbei einen ziemlich erfolgreichen Lifestyle-Blog zum Thema Wohnen und Einrichten.«

»Cool«, meinte Franzi. Es klang allerdings nicht wirklich interessiert.

»Frau Fries hat ein altes Bauernhaus gekauft und wunderschön renoviert«, fuhr Marie fort. »Darüber postet sie regelmäßig neue Beiträge und Fotos und veröffentlicht Einrichtungstipps. Ich habe gestern fast den ganzen Blog gelesen. Das Haus und der Garten sind bezaubernd!«

»Danke!« Janette grinste. »Es ist echt ein kleines Rosenparadies. Darum heißt Mamas Blog ja auch Homes ’n’ Roses. Aber eure Villa kann sich auch sehen lassen! Voll stylish! Mama wäre total begeistert von euren Fliesen!«

Franzi schenkte sich etwas Saft ein. »Und jetzt will deine Mutter Marie fotografieren?«

Janette nickte. »Marie und mich. Sie macht ein großes Special im Rosengarten. Dafür braucht sie Mädchen, die in altmodischen Kleidern in den alten Obstbäumen sitzen, Rosen pflücken oder Seifenblasen in den Abendhimmel pusten. Bewusst überzogen romantisch, mit Gegenlicht und Weichzeichner. Und das alles nicht nur für den Blog, sondern auch für ein ziemlich bekanntes Gartenmagazin.«

»Da hilft euch Marie bestimmt gern aus.« Franzi stellte ihr Glas ab und hob abwehrend die Hände. »Aber mich brauchst du gar nicht erst zu fragen. Ich habe es nicht so mit langen Kleidern und Schleifen im Haar und so einem Zeug. Und ich mache auf Inlinern eine bessere Figur als beim Rosenpflücken.«

»Keine Sorge, wir haben genug Models für das Shooting.« Janette blieb erstaunlich geduldig. Marie ließ nervös ihren Blick schweifen. Kim war gerade mit der Eismaschine beschäftigt, die merkwürdige, schnarrende Geräusche machte. Franzi versuchte, Finn die Fernbedienung abzunehmen. Der Kleine fing daraufhin jedoch an zu schreien, während die Fernbedienung piepte, schrillte und schließlich einen hektischen Tango spielte. Finn drückte erbarmungslos auf den Knopf für die Lautstärke. Der Tango schwoll bedrohlich an. Marie fasste sich an den Kopf. Ihre Schläfen pochten leicht. Heute war kein guter Tag! Erst die anstrengende Suche nach dem Au-pair-Mädchen, dann das Gefühlschaos wegen Holger und schließlich die vergessene Verabredung mit Janette. Irgendwie lief alles aus dem Ruder.

Janette sagte etwas, das im Lärm unterging.

»Was?«, rief Franzi.

Janette holte tief Luft, dann wiederholte sie ihren Satz in voller Lautstärke: »Ich habe einen Fall für euch!«

Ein Auftrag von der Dancing Queen

»Echt?« Kim blickte erstaunt auf. Franzi ließ das Spielzeug los. Finn drückte es sich fest an die Brust und sauste lachend davon.

Jetzt schnarrte nur noch die Eismaschine vor sich hin.

»Ich habe einen Fall für euch!«, wiederholte Janette. Zum ersten Mal wirkte sie etwas unsicher. »Ihr seid doch Detektivinnen, oder?«

»Woher weißt du das?«, erkundigte sich Kim statt einer Antwort. Sie erzählte nur ungern von ihrem Detektivclub. Schließlich war es von Vorteil, wenn die Mädchen ungestört ermitteln konnten. Das ging nur, wenn nicht jeder wusste, was sie machten.

»Ihr habt mal einer Freundin von mir geholfen«, fuhr Janette unterdessen fort. »Sie meinte, ihr wärt ziemlich gute Detektivinnen!«

»Das sind wir auch«, sagte Franzi selbstbewusst. »Warte mal!« Sie griff in ihre Hosentasche und förderte eine Visitenkarte zutage. »Hier!« Sie reichte Janette die Karte.

Visitenkarte

»Wow!«, entfuhr es Janette. »Das ist richtig professionell!«

»Wie können wir dir denn helfen?«, fragte Kim nun ein wenig freundlicher. Das Lob hatte sie etwas mit Janette versöhnt.

»Jemand schleicht nachts durch unseren Rosengarten!«, platzte Janette heraus. »In schwarzen Sachen. Voll unheimlich!« Kim war sofort in ihrem Element. Sie holte einen Block und einen Stift aus ihrer Umhängetasche. »Ich mache mir Notizen«, erklärte sie. »Wann genau hast du die Person gesehen und unter welchen Umständen?«

»Also, es begann am Mittwoch«, überlegte Janette. »Ich war recht spät im Garten, weil meine Schwester und ich Mamas Handy gesucht haben. Sie dachte, sie hätte es vielleicht auf dem Gartentisch liegen lassen.«

»Lag es denn da?«, fragte Kim nach.

»Nein, es war oben im Badezimmer.«

»Guter Trick: einfach das Handy anrufen«, meinte Kim.

»Wenn es nicht gerade ausgeschaltet oder auf stumm gestellt ist, findet man es im Handumdrehen.«

»Das haben wir ja auch gemacht«, meinte Janette. »Aber darum geht es nicht. Das Handy ist vollkommen egal. Wichtig ist, dass ich im Dunkeln in den Garten gegangen bin. Plötzlich habe ich hinten im Rosengarten eine Bewegung gesehen. Etwas hat im Gebüsch geraschelt.«

»Vielleicht ein Igel?«, warf Franzi ein. »Die können ziemlich laut sein.«

Janette schüttelte den Kopf. »Nein, es war ein Mensch. Da bin ich mir ziemlich sicher. Jemand, der ganz in Schwarz gekleidet war.«

»Bist du der Person gefolgt?«, wollte Kim wissen.

»Mitten in der Nacht?« Janette sah nun beinahe so entgeistert aus wie Tessa bei der Suche nach einem Au-pair-Jungen.

»Stell dir mal vor, bei dir läuft nachts plötzlich eine Gestalt durch den Garten! Da bekommt man einen gigantischen Schreck! Ich wollte jedenfalls nur noch ins Haus.«

»Vielleicht war es ein Einbrecher«, mutmaßte Marie.

»Meine Schwester und mein Vater haben den Rosengarten mit einer Taschenlampe abgesucht. Aber wir haben nichts gefunden. Im Garten waren Spuren, aber die hätten auch von uns stammen können, weil Mama meine Schwester und mich an dem Tag zur Arbeit im Rosengarten verdonnert hatte. Am nächsten Tag hat Papa mit den Nachbarn gesprochen, aber niemand hat etwas bemerkt.«

»Habt ihr die Polizei verständigt?«, wollte Franzi als Nächstes wissen.

»Nein«, gab Janette zu. »Es wurde ja anscheinend nirgendwo eingebrochen. Und schließlich hat Papa gemeint, ich hätte mir das nur eingebildet.«

Kim sah nicht überzeugt aus. »Vielleicht war es ja tatsächlich so. Im Dunkeln kann man sich leicht täuschen. Ein aufgeschreckter Vogel oder eine huschende Katze kann einen da ganz schön in die Irre führen.«

»Das habe ich dann auch geglaubt«, sagte Janette. »Aber dann haben meine Schwester und ich am Freitagmorgen Fußspuren im Gras gefunden. Es war feucht vom Tau. Daher konnte man die Spuren viel besser erkennen als am Tag davor.«