Brasilien

Stefan Zweig

Brasilien

Ein Land der Zukunft

FISCHER E-Books

Mit einem Nachwort von Knut Beck.

Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur.

Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK.

Inhalt

Impressum

 

Reihengestaltung: bilekjaeger

Covergestaltung: Ingrid Lutterbeck

Coverabbildung: Archiv S. Fischer Verlag

 

© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2012

 

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ISBN 978-3-10-400182-1

»Un pays nouveau, un port magnifique, l’éloignement de la mesquine Europe, un nouvel horizon politique, une terre d’avenir et un passé presque inconnu qui invite l’homme d’étude à des recherches, une nature splendide et le contact avec des idées exotiques nouvelles.«

[»Ein unbekanntes Land, ein herrlicher Hafen, die Ferne zum kleinlichen Europa, ein neuer politischer Horizont, ein Land der Zukunft und eine nahezu unbekannte Geschichte, die einen Mann von Bildung zum Forschen einlädt, eine wundervolle Natur und die Berührung mit neuen exotischen Ideen.«]

 

Der österreichische Diplomat Graf Prokesch-Osten 1868 an Gobineau, als dieser zögerte, den Gesandtschaftsposten in Brasilien anzunehmen.

Einleitung

In früheren Zeiten pflegten die Schriftsteller, ehe sie ein Buch an die Öffentlichkeit gaben, eine kleine Vorrede vorauszuschicken, in der sie redlich mitteilten, aus welchen Gründen, von welchen Gesichtspunkten aus und in welcher Absicht sie ihr Buch geschrieben. Es war eine gute Gewohnheit. Denn sie schuf durch den Freimut und die direkte Ansprache von vornherein ein richtiges Einverständnis zwischen dem Schreibenden und denen, für die es geschrieben war. Und so möchte auch ich in möglichster Redlichkeit sagen, was mich bewog, ein von meinem sonstigen Arbeitskreis scheinbar weitabgelegenes Thema mir vorzunehmen.

Als ich im Jahre 1936 zum PEN-Club-Kongreß in Buenos Aires nach Argentinien fahren sollte, fügte sich dem die Einladung bei, gleichzeitig Brasilien zu besuchen. Meine Erwartungen waren nicht sonderlich groß. Ich hatte die durchschnittliche hochmütige Vorstellung des Europäers oder Nordamerikaners von Brasilien und bemühe mich jetzt, sie zurückzukonstruieren: irgend eine der südamerikanischen Republiken, die man nicht genau von einander unterscheidet, mit heißem, ungesundem Klima, mit unruhigen politischen Verhältnissen und desolaten Finanzen, unordentlich verwaltet und nur in den Küstenstädten halbwegs zivilisiert, aber landschaftlich schön und mit vielen ungenützten Möglichkeiten – ein Land also für verzweifelte Auswanderer oder Siedler und keinesfalls eines, von dem man geistige Anregung erwarten konnte. Zehn Tage daran zu wagen, schien mir

Dann kam die Landung in Rio, einer der mächtigsten Eindrücke, den ich zeitlebens empfangen. Ich war fasziniert und gleichzeitig erschüttert. Denn hier trat mir

Als dann das Schiff abfuhr – es war eine Sternennacht, und doch glänzte diese einzige Stadt mit ihren Perlenschnüren elektrischen Lichts schöner und geheimnisvoller als die Funken des Firmaments – war ich gewiß, daß ich diese Stadt, dieses Land nicht zum letztenmal gesehen, und völlig im klaren auch, daß ich eigentlich nichts gesehen oder keinesfalls genug. Ich nahm mir vor, gleich im nächsten Jahr wiederzukommen, besser vorbereitet und um länger zu bleiben, um noch einmal und noch stärker dieses Gefühl zu empfinden, im Werdenden, Kommenden, Zukünftigen zu leben und die Sicherheit des Friedens, die gute gastliche Atmosphäre nun noch bewußter zu genießen. Aber ich konnte mein Versprechen nicht halten. Im nächsten Jahr war der Krieg in Spanien, und man sagte sich: warte ab bis zu einer ruhigeren Zeit. 1938 fiel Österreich, und wieder harrte man auf einen ruhigeren Augenblick. Dann, 1939, war es die Tschechoslowakei und dann der Krieg in Polen und dann der Krieg aller gegen alle in unserem selbstmörderischen Europa. Immer leidenschaftlicher wurde mein Wunsch, mich aus einer Welt, die sich zerstört, für einige Zeit in eine zu retten, die friedlich und schöpferisch aufbaut; endlich kam ich wieder in dieses Land, besser und gründlicher vorbereitet als zuvor, um zu versuchen, davon ein kleines Bild zu geben.

Ich weiß, daß dieses Bild nicht vollständig ist und nicht vollständig sein kann. Es ist unmöglich, Brasilien, eine so weiträumige Welt, vollkommen zu kennen. Ich habe ungefähr ein halbes Jahr in diesem Lande verbracht und weiß gerade jetzt erst, wieviel trotz allen Lerneifers und Reisens mir zu einem wirklich vollständigen Überblick dieses gewaltigen Reiches noch fehlt, und daß ein ganzes Leben kaum ausreichte, um sagen zu dürfen: ich

Auch von den landschaftlichen Sehenswürdigkeiten kenne ich manche der wesentlichen nur von Bildern und Büchern. Ich bin nicht die zwanzig Tage die grüne, in ihrer Monotonie großartige Wildnis des Amazonas hinaufgefahren, nicht bis an die Grenzen Perus und Boliviens gelangt, ich habe es durch die Schwierigkeiten der Schiffahrt innerhalb der ungünstigen Jahreszeit versäumen müssen, die zwölftägige Fahrt auf dem Rio São Francisco zu unternehmen, Brasiliens mächtigem und historisch so bedeutsamem Binnenfluß. Ich habe den Itatiaia nicht bestiegen, den dreitausend Meter hohen

Auch endgültige Schlüsse, Voraussagen und Prophezeiungen über die wirtschaftliche, finanzielle und politische Zukunft Brasiliens zu geben, muß ich mir redlicherweise versagen. Wirtschaftlich, soziologisch, kulturell sind Brasiliens Probleme so neu, so eigenartig und vor allem infolge seiner Weiträumigkeit so unübersichtlich geschichtet, daß jedes einzelne einen ganzen Stab von Spezialisten zu gründlicher Erklärung forderte. Ein vollständiger Überblick ist unmöglich in einem Lande, das sich selber noch nicht vollständig überblickt und außerdem sich in einem so stürmischen Wachstum befindet, daß jeder Bericht und jede Statistik schon überholt ist, ehe die Information zur Schrift und diese Schrift zum gedruckten Wort wird. Aus der Fülle der Aspekte sei darum vor allem ein Problem in den Mittelpunkt gestellt, das mir das aktuellste scheint und im Geistigen und Moralischen heute Brasilien einen besonderen Rang unter allen Nationen der Erde gibt.

Dieses Zentralproblem, das sich jeder Generation und somit auch der unseren aufzwingt, ist die Beantwortung der allereinfachsten und doch notwendigsten Frage: wie ist auf unserer Erde ein friedliches Zusammenleben der Menschen trotz aller disparaten Rassen, Klassen, Farben, Religionen und Überzeugungen zu erreichen? Es ist das Problem, das an jede Gemeinschaft, jeden Staat immer wieder von neuem gebieterisch herantritt. Keinem Lande hat es sich durch eine besonders komplizierte Konstellation gefährlicher gestellt als Brasilien, und keines hat es – und dies dankbar zu bezeugen, schreibe ich dieses Buch – in so glücklicher und vorbildlicher Weise gelöst wie Brasilien. In einer Weise, die nach meiner persönlichen Meinung nicht nur die Aufmerksamkeit, sondern auch die Bewunderung der Welt für sich fordert.

Denn seiner ethnologischen Struktur gemäß müßte, sofern es den europäischen Nationalitäten- und Rassenwahn übernommen hätte, Brasilien das zerspaltenste, das unfriedlichste und unruhigste Land der Welt sein. Noch sind mit freiem Blick schon auf Straße und Markt die verschiedenen Rassen deutlich erkennbar, aus denen die Bevölkerung geformt ist. Da sind die Abkömmlinge der Portugiesen, die das Land erobert und kolonisiert haben, da ist die indianische Urbevölkerung, die das Hinterland seit unvordenklichen Zeiten bewohnt, da sind die Millionen Neger, die man in der Sklavenzeit aus Afrika herüberholte, und seitdem die Millionen Italiener, Deutsche und sogar Japaner, die als Kolonisten herüberkamen. Nach europäischer Einstellung wäre zu erwarten, daß jede dieser Gruppen sich feindlich gegen die andere stellte, die früher Gekommenen gegen die später Gekommenen, Weiße gegen Schwarze, Amerikaner gegen Europäer, Braune gegen Gelbe, daß Mehrheiten und Minderheiten in ständigem Kampf um ihre Rechte und Vorrechte einander befeindeten. Zum größten Erstaunen

Und nun weiß man auch, warum sich einem die Seele so entlastend entspannt, kaum man dieses Land betritt. Erst vermeint man, diese lösende, beschwichtigende Wirkung sei nur Augenfreude, beglücktes In-sich-Aufnehmen jener einzigartigen Schönheit, die den Kommenden gleichsam mit weich gebreiteten Armen an sich zieht. Bald aber erkennt man, daß diese harmonische Disposition der Natur hier in die Lebenshaltung einer ganzen Nation übergegangen ist. Erst wie etwas Unglaubwürdiges und dann als unendliche Wohltat begrüßt einen, der eben der wahnwitzigen Überreiztheit Europas entflüchtet ist, die totale Abwesenheit jedweder Gehässigkeit im öffentlichen wie im privaten Leben. Jene fürchterliche Spannung, die nun schon seit einem Jahrzehnt an unseren Nerven zerrt, ist hier fast völlig ausgeschaltet; alle Gegensätze, selbst jene im Sozialen, haben hier bedeutend weniger Schärfe und vor allem keine vergiftete Spitze. Hier ist noch nicht die Politik mit all ihren Perfiditäten Angelpunkt des privaten Lebens, nicht Mittelpunkt alles Denkens und Fühlens. Es ist die erste und dann täglich glücklich erneute Überraschung, kaum man dieses Land betritt, in wie freundlicher und unfanatischer Form die Menschen innerhalb dieses riesigen Raums miteinander leben. Unwillkürlich atmet man auf, der

In diesem – meiner Meinung nach dem wichtigsten – Sinne scheint mir Brasilien eines der vorbildlichsten und darum liebenswertesten Länder unserer Welt. Es ist ein Land, das den Krieg haßt und noch mehr: das ihn soviel wie gar nicht kennt. Seit mehr als einem Jahrhundert hat mit Ausnahme jener Paraguay-Episode, die von einem tollgewordenen Diktator sinnlos provoziert wurde, Brasilien alle Grenzkonflikte mit seinen Nachbarn durch gütliche Vereinbarungen und Appell an internationale Schiedsgerichte ausgetragen. Nicht Generäle sind sein Stolz und seine Helden, sondern die Staatsmänner wie

Und darum schrieb ich dieses Buch.

Geschichte

Tausende und Tausende Jahre liegt das riesige brasilianische Land mit seinen dunkelgrünen, rauschenden Wäldern, seinen Bergen und Flüssen und dem rhythmisch anklingenden Meer unbekannt und namenlos. Am Abend des 22. April 1500 leuchten mit einemmal einige weiße Segel am Horizont; breitbäuchige, schwere Karavellen, das portugiesische Rotkreuz auf den Segeln, nahen heran, und am nächsten Tage [am 25. April] legen die ersten Boote an dem fremden Strande [im heutigen Porto Seguro, im sicheren Hafen] an.

Es ist die portugiesische Flotte unter dem Kommando des Pedro Álvarez Cabral, die im März 1500 von der Mündung des Tejo ausgefahren ist, um die unvergeßliche, von Camões in den ›Lusiaden‹ besungene Fahrt Vasco da Gamas, dieses »feito nunca feito« [dieser nie vollendeten Tat] rings um das Kap der Guten Hoffnung nach Indien zu wiederholen. Angeblich haben widrige Winde die Schiffe von Vasco da Gamas Wege längs der afrikanischen Küste so weit fortgetrieben zu dieser unbekannten Insel – denn Ilha da Vera Cruz [Insel vom »wahren Kreuz«] nennt man diese Küste zuerst, deren Ausdehnung man noch nicht ahnt. Die Entdeckung Brasiliens scheint also – sofern man die Reisen Vicente Jañez Pinzóns, der in die Nähe des Amazonenstromes kam, und die zweifelhafte Vespuccis nicht als Vorentdeckung rechnet – bloß durch eine absonderliche Fügung von Wind und Wellen Portugal und Pedro Álvarez Cabral zugefallen zu sein. Die Historiker sind freilich längst nicht mehr

Diese Hypothese mancher Historiker von einer früheren Kenntnis Brasiliens und einer geheimen Instruktion des Königs an Cabral, derart weit nach Westen abzuschwenken, damit er dort durch einen »wunderbaren Zufall« – »milagrosamente«, wie er an den König von Spanien schreibt – das neue Land entdecken könne, gewinnt überdies viel an Glaubwürdigkeit durch die Art, mit der der Chronist der Flotte, Pedro Vaz de Caminha, dem König von der Auffindung Brasiliens Bericht erstattet. Er äußert keinerlei Erstaunen oder Begeisterung,

Der erste Eindruck des neuen Landes auf die gelandeten Seeleute ist ausgezeichnet: fruchtbare Erde, milde Winde, frisches, trinkbares Wasser, reichliche Früchte, eine freundliche, ungefährliche Bevölkerung. Wer immer in den nächsten Jahren in Brasilien landet, wiederholt die hymnischen Worte Amerigo Vespuccis, der, ein Jahr nach Cabral dort eintreffend, ausruft: »Wenn irgendwo auf Erden das irdische Paradies existiert, so kann es nicht weit von hier gelegen sein!« Die Einwohner, die den Entdeckern im Unschuldskleid der Nacktheit in den nächsten Tagen entgegentreten und ihre unbedeckten Körper »com tanta inocência como o rosto«, mit ebensoviel Unbefangenheit wie ihr Gesicht darbieten, bereiten ihnen freundlichen Empfang. Neugierig und friedlich drängen die Männer heran, aber insbesondere sind es die Frauen, die durch ihre Wohlgebautheit und (auch von allen späteren Chronisten dankbar gerühmte) rasche und wahllose Gefälligkeit die Seefahrer die Entbehrungen

Die Meldung, daß die Flotte Cabrals dieses neue Land, sei es in Erfüllung geheimen Auftrages, sei es durch bloßen Zufall erreicht hat, wird im königlichen Palast wohlgefällig, aber ohne richtige Begeisterung aufgenommen. Man meldet sie in offiziellen Briefen an den König von Spanien weiter, um sich den Rechtstitel des Besitzes zu wahren, jedoch die Mitteilung, daß dies neue Land »sem ouro nem prata, nem nenhuma coisa de metal« [ohne Gold oder Silber oder sonst etwas aus Metall] sei, gibt dem Funde zunächst wenig Wert. Portugal hat in den letzten Jahrzehnten soviele Länder entdeckt und einen so gewaltigen Teil des Weltalls in Besitz genommen, daß die Aufnahmefähigkeit des kleinen Landes eigentlich völlig erschöpft ist. Der neue Seeweg nach Indien sichert ihm das Gewürzmonopol und damit allein schon unermeßlichen Reichtum; man weiß in Lissabon, daß in Calicut, in Malakka die seit Hunderten von Jahren sagenhaft gewordene Pracht an Edelsteinen, kostbaren Stoffen, Porzellan und Spezereien für einen kühnen Zugriff bereitliegt, und die Ungeduld, mit einem Ruck diese ganze Welt überlegener Kultur und orientalischer Pracht an sich zu reißen, treibt Portugal zu einer Anspannung des Wagemuts und des Heroismus, wie sie in der Weltgeschichte kaum ihresgleichen hat. Selbst die ›Lusiaden‹,

In diesem Tumult der Leidenschaften wird ein so welthistorisches Geschehnis wie die Entdeckung Brasiliens kaum bemerkt, und nichts ist für die

Es entspricht also nur der harten Logik der Notwendigkeiten, daß sich das von seinen phantastischen Erfolgen berauschte Portugal zunächst kaum um Brasilien kümmert; der Name dringt nicht ins Volk, er beschäftigt nicht die Phantasie. Die deutschen und italienischen Geographen zeichnen die Linie der Küste als »Brasil« [nach

Von Spanien, dem mächtigen Nachbarn, ist nun keinerlei Gefahr mehr zu befürchten. Aber die Franzosen, die bei der Teilung der Erde zwischen Spanien und Portugal zu kurz gekommen sind, beginnen diesem noch unbesiedelten und unorganisierten Stück breiter, schöner Erde zusehends ihre Aufmerksamkeit zu widmen. Immer häufiger erscheinen Schiffe aus Dieppe und Havre, um Brasilholz zu holen, und Portugal hat in den Hafenplätzen noch keine Schiffe, keine Soldaten, um piratischen Eingriffen zu wehren. Sein Rechtstitel ist nur ein papierner, und mit einem einzigen raschen Handstreich,

Aber wie Kolonisten finden in dem kleinen, schon halb ausgebluteten Lande? Portugal hat zu Beginn seiner Eroberungszeit höchstens dreihunderttausend erwachsene Männer, davon sind ein gutes Zehntel, die stärksten, die besten, die mutigsten mit den Armadas und von diesem Zehntel neun Zehntel schon dem Meer, den Kämpfen, den Krankheiten zum Opfer gefallen. Immer schwerer wird es, obwohl die Dörfer schon entvölkert, die Felder verödet sind, Soldaten und Matrosen zu finden, und selbst unter der Gilde der Abenteuerlustigen will keiner nach Brasilien. Die vitalste, die tapferste Schicht des Landes, die Fidalgos, die Adeligen und Soldaten, weigert sich; sie wissen, daß in der Terra da Vera Cruz kein Gold zu holen ist, keine Edelsteine, kein Elfenbein und nicht einmal Ruhm. Die Gelehrten wiederum, die Intellektuellen, was sollen sie tun dort im Leeren, abgeschnitten von aller Kultur, die Händler, die Kaufleute, was sollen sie handeln in einem Land mit nackten Kannibalen, was heimbringen in umständlichem Hin und Her,

So ergibt sich zwingend die Notwendigkeit, der Einwanderung mit Gewalt und Organisation nachzuhelfen. Portugal wendet dafür die schon in Spanien erprobte Methode der Deportation an, indem alle Alcalden [richterlichen Beamten] des Landes aufgerufen werden, Übeltäter nicht mehr zu richten, sofern sie sich bereit erklären, nach dem neuen Weltteil zu fahren. Wozu die Gefängnisse überfüllen und Verbrecher jahrelang auf Staatskosten verpflegen? Besser, man schickt die »desgrenhados« [die außerhalb der allgemeinen Ordnung Lebenden] auf Nimmerwiederkehr über das Meer in das neue Land; dort können sie am Ende noch nützlich sein. Wie immer ist es scharfer, nicht ganz reinlicher Dünger, der eine Erde am besten für künftige Ernte reif macht.

Die einzigen Kolonisten, die freiwillig kommen, nicht aus Ketten, ohne Brandmal und richterliches Verdikt, sind die Cristãos Novos, die frischgetauften Juden. Aber

Langsam geht es vorwärts in den ersten drei Jahrzehnten und gefährlich langsam. Immer mehr fremde Schiffe besuchen – nach der Auffassung Portugals: widerrechtlich – die neuen Häfen, um Holz zu holen. 1530 entschließt sich der König endlich, um Ordnung zu schaffen, eine kleine Flotte hinüberzusenden unter Martim

Dieser erste Versuch, in die ganz zufällige und zersplitterte Art der Besiedlung eine gewisse Methode zu bringen, ist großzügig gedacht. Die Vorteile für die donatários [für die Beschenkten] sind unermeßlich; außer dem