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Über dieses Buch:

Die Brüder Michael und Paul Stadler könnten unterschiedlicher nicht sein: Der ältere Paul hat sich für eine gut bezahlte Stelle als Zimmermann entschieden, während Michael seinen Vater tatkräftig auf dem Hof unterstützt. Doch dann schlägt das Schicksal zu: Der Vater erleidet einen Herzanfall und stirbt. In seinem Testament hält er fest, dass die Söhne den Hof gemeinsam führen müssen, ansonsten geht er in den Besitz der Kirche über. Michael kocht vor Wut: Paul, der sich die ganze Zeit im Hintergrund gehalten hat, soll nun ein Erbteil am Hof bekommen? Der Streit der Brüder gerät immer mehr außer Kontrolle. Denn Paul macht auch noch Sabine schöne Augen, in die sich Michael verliebt hat ...

Die Heimatglück-Romane bei dotbooks: Schicksalhafte und romantische Geschichten vor traumhafter Bergkulisse!

Über die Autorin:

Christa Moosleitner, geboren 1957, schreibt seit 20 Jahren Romane in den unterschiedlichsten Genres. Sie lebt und arbeitet in Hessen. Bei dotbooks erscheinen ihre folgenden Heimatglück-Romane: „In der Stunde der Gefahr“ / „Ein Sommer in den Bergen“ / „Dunkle Wolken über dem Richterhof“ / „Rückkehr nach Liebenau“ / „Schicksalhafte Entscheidungen“ / „Die Söhne der Familie Stadler“. Weitere Heimatglück-Romane folgen.

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Neuausgabe April 2014

Dieses Buch erschien bereits 1985 unter dem Titel Wenn sich zwei Brüder streiten bei Martin Kelter Verlag GmbH & Co.

Copyright © der Originalausgabe 1985 Martin Kelter Verlag GmbH & Co., Hamburg

Copyright © der Neuausgabe 2014 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: init | Kommunikationsdesign, Bad Oeynhausen, unter Verwendung eines Motiv von thinkstockphotos, München

ISBN 978-3-95520-366-5

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Christa Moosleitner

Die Söhne der Familie Stadler

Ein Heimatglück-Roman

dotbooks.

1

»Nun streng dich gefälligst ein bissel mehr an, Bubi«, ermahnte der Josef seinen jüngsten Sohn. »Schließlich sollst nachher dem Sepp drüben im Stall noch zur Hand gehen. Oder willst ihn die schwere Arbeit vielleicht ganz allein tun lassen?«

Michael Stadler seufzte tief auf, als er seinen Vater so reden hörte. Im Grunde genommen war es tagaus, tagein immer das gleiche. Dem Vater konnte es nie schnell genug gehen, und dabei tat Michael doch sein bestes. Wie oft war er nach getaner Arbeit auf dem Feld und in der Scheune todmüde ins Bett gefallen, weil er sich so sehr verausgabt hatte. Bemerkte das denn der Vater gar nicht, wie sehr er sich ins Zeug legte?

»Ich streng mich schon an, Vater«, erwiderte Michael knapp und versuchte seine Enttäuschung darüber zu verbergen, daß ihn der Vater wie schon so oft wieder einmal zu maßregeln begann. Er wußte schon gar nicht mehr, wie oft das in den letzten Tagen und Wochen der Fall gewesen war. Irgendwann hatte Michael aufgehört, es zu zählen. Weil es ja doch nichts an der verfahrenen Situation änderte. Einen solch eigensinnigen Mann wie seinen Vater konnte man nicht mehr ändern. Das wußte auch Sepp, der Knecht, den der Bauer schon des öfteren angeschnauzt hatte, noch schneller zu arbeiten.

»Leg dich ins Zeug, Bub«, spornte der Stadler seinen Sohn an, als dieser sich nur kurz den Schweiß von der Stirn wischen wollte. »Net, daß der Sepp und du euch beschwert, daß ihr wieder bis spät in die Nacht arbeiten müßt.«

Michael schluckte seinen Zorn hinunter und beeilte sich, dem Vater zu gehorchen. Es vergingen aber nur wenige Minuten, bis ihn wieder die gestrengen Blicke trafen.

»Bub, du stellst dich so an, als hättest das erste Mal eine Heugabel in der Hand«, sagte der Stadler, ging auf Michael zu und nahm ihm die Heugabel aus der Hand. »Schau her, so mußt du's machen.«

Er bückte sich, wollte mit der Gabel eine Ladung Heu hochheben, als er plötzlich innehielt. Da er Michael den Rücken zuwendete, konnte der Bub nicht sehen, daß das Gesicht des Vaters von einer plötzlichen, krankhaften Blässe überzogen wurde. Der Stadler Josef begann zu stöhnen, ließ die Heugabel fallen und geriet ins Wanken.

»Mein Herz«, stöhnte der alte Bauer und brach zusammen, bevor Michael ihn auffangen konnte. Der Bub stieß einen Schreckensschrei aus, eilte auf den zusammengebrochenen Vater zu, und beugte sich über ihn. Michael zuckte zusammen, als er in das schmerzverzerrte Gesicht seines Vaters blickte.

»Bleib still liegen, Vater!« rief er mit besorgter Stimme. »Beweg dich auf gar keinen Fall. Ich werd gleich den Doktor holen.«

Der Stadler Josef wollte daraufhin etwas erwidern, aber über seine Lippen kam nur ein schmerzhaftes Stöhnen. In diesem Moment hörte Michael Schritte, die sich der Scheune näherten. Hastig wandte er den Kopf und sah den graubärtigen Sepp im Eingang zur Scheune stehen.

»Bleib bei ihm und kümmer dich um ihn, Sepp!« rief Michael dem erschrockenen Knecht zu. »Der Vater hat einen Herzanfall bekommen! Ich ruf rasch den Doktor ...«

Michael rannte aus der Scheune hinüber zum Wohnhaus, um den Doktor anzurufen. Rasche Hilfe war geboten, denn das war nicht der erste Herzanfall, den sein Vater bekommen hatte. Vor einem Jahr war das schon einmal gewesen. Aber jetzt erschien es Michael bedeutend schlimmer.

Wie gut, daß Sepp drüben in der Scheune beim Vater war. Kaum auszudenken, wenn er allein mit dem Vater auf dem Hof gewesen wäre.

Michaels Atem ging keuchend, als er die Haustür aufriß, und in die Stube eilte, wo das Telefon stand. Er riß den Hörer von der Gabel, schaute auf den Zettel mit den wichtigsten Telefonnummern, die der Vater stets griffbereit neben dem Apparat liegen hatte. Die Nummer des Doktors befand sich auch darunter, und genau die wählte er nun mit zitternden Fingern. Michael war so aufgeregt, daß ihm das nicht gleich beim erstenmal gelang. Er verwählte sich nämlich und mußte noch einmal von vorn beginnen.

Eine halbe Ewigkeit verstrich, bis jemand am anderen Ende den Hörer abhob.

»Dr. Steiner, hier ist Michael Stadler!« rief der Bauernsohn außer sich vor Sorge. »Bitte kommen's ganz schnell zu uns auf den Hof. Der Vater – ich glaub, er hat wieder einen Herzanfall bekommen!«

»Ich bin sofort da!« beeilte sich der erfahrene Doktor zu antworten. Weil er genau wußte, was los war. »Kümmer dich um deinen Vater und sorg dafür, daß er ruhig liegt. In fünf Minuten bin ich bei dir, Michael.«

Dann legte er den Hörer auf, weil es keine unnötige Zeit zu verlieren galt. Anschließend rannte Michael wieder hinüber zur Scheune, wo ihn Sepp fragend anblickte.

»Hast den Doktor erreicht?« fragte er Michael und atmete erleichtert auf, als dieser nickte. »Gütiger Himmel, der Bauer ist ja ganz blaß.«

»Ich – ich krieg gar keine – Luft«, stöhnte der Bauer in diesem Moment ganz schwach. Sepp und Michael beugten sich sofort zu ihm hinunter. Michael öffnete die obersten Hemdknöpfe seines Vaters, um ihm Erleichterung zu verschaffen.

»Darfst jetzt net reden, Vater«, sagte er dann so laut, daß es der Vater auch hören konnte. »Ich hab den Doktor schon angerufen. Er muß jeden Moment kommen. Und jetzt bleib ja still liegen, der Sepp und ich sind ja bei dir.«

Mit diesen Worten versuchte er seinen Vater zu beruhigen. Aber das war leichter gesagt als getan, denn Michael war selbst ganz schön nervös, weil er seinen Vater so hilflos am Boden liegen sah. Nein, das wäre nicht auszudenken, wenn der Doktor womöglich noch zu spät kam. An so etwas durfte er jetzt nicht denken, sonst drehte er noch durch.

Zum Glück hörte er dann aber das Geräusch eines näherkommenden Wagens. Das mußte der Doktor sein. Er nickte dem graubärtigen Knecht zu.

»Geh hinaus und hol den Doktor, Sepp«, trug er ihm auf. »Rasch, es eilt.«

Der Knecht begriff den Ernst der Lage, erhob sich ächzend und eilte hinaus ins Freie. Genau in dem Moment, als der hellblaue Mercedes mit quietschenden Reifen vor dem Wohnhaus stoppte.

»Hier drüben, Herr Doktor! rief der Knecht dem aussteigenden Arzt zu und winkte eifrig mit beiden Händen. »Der Bauer liegt in der Scheune.«

Dr. Steiner eilte sofort herbei, ließ Sepp stehen und sah dann den halb bewußtlosen Bauern auf dem strohbedeckten Boden liegen. Michael war ganz aufgeregt, das sah er auch. Sofort bückte er sich, um den Stadler kurz zu untersuchen, und das, was er sah, wollte ihm ganz und gar nicht gefallen.

»Sieht aber gar net gut aus«, wandte er sich dann an Michael und Sepp, während er rasch eine Spritze hervorholte und sie aufzog. »Das war höchste Eisenbahn.«

»Helfen's ihm, Herr Doktor«, wandte sich Michael mit flehender Stimme an den Arzt. »Er darf net sterben.«

»Nun beruhig dich aber«, ermahnte ihn der Arzt. »Ich werde gewiß alles tun, was in meiner Macht steht.« Er setzte die Spritze an und injizierte dem Bauern ein kreislaufstabilisierendes Mittel, »Jetzt müssen wir erstmal abwarten, was weiter geschieht. Gleich bringen wir ihn ins Haus. Wir müssen nur noch abwarten, bis die Spritze zu wirken beginnt. Wie ist es denn überhaupt passiert?«

»Ganz plötzlich eben«, berichtete Michael dem Doktor. »Wie aus heiterem Himmel. Ist's denn wirklich so schlimm, Dr. Steiner?« fragte Michael sofort wieder. Weil es ihm ins Herz schnitt, daß es dem Vater so schlecht ging und er selbst gar nichts tun konnte, um dessen Schmerzen zu lindern.

»Bei einem Mann in seinem Alter ist ein Herzanfall etwas, mit dem net zu spaßen ist«, meinte der Doktor daraufhin. »Weil er das nämlich schon einmal hat durchmachen müssen. Und beim zweiten Mal können sich durchaus Komplikationen ergeben ...« Er brach ab, als er in Michaels besorgtes Gesicht blickte. Es war nicht gut, wenn sich der Bub so aufregte. »Er hat wieder mal zu viel gearbeitet, hab ich recht?«

Als Michael daraufhin seinem Blick auswich, wußte der Doktor, daß er mit seiner Vermutung richtig gelegen hatte. Einer wie der Stadler Josef hielt sich eben für unentbehrlich. Die Quittung dafür hatte er jetzt bekommen.

»Bringen wir ihn ins Haus!« sagte Dr. Steiner nun zu Michael und dem Knecht. »Aber faßt ihn vorsichtig an, ja?«

Das brauchte er den beiden nicht zweimal zu sagen. Michael und Sepp wußten auch so, was die Stunde geschlagen hatte. Mit vereinten Kräften hoben sie den Bauern vorsichtig hoch und trugen ihn hinüber ins Wohnhaus. Zehn Minuten später lag er dann in seinem Bett.

»Viel Ruhe und gute Pflege braucht er jetzt«, sagte der Arzt zu Michael. Er nahm sein Rezeptbuch heraus, schrieb etwas auf und drückte Michael anschließend den Zettel in die Hand. »Hier , ich hab ihm eine gute Arznei aufgeschrieben, die er dreimal am Tag nehmen muß. Und du sorgst dafür, daß er sie auch nimmt, hast mich verstanden?«

»Das werd ich tun«, versprach Michael dem Doktor. »Ich werd mich ganz gewiß gut um ihn kümmern.«

Damit war der Doktor zufrieden, nickte dem Knecht noch einmal zu und verließ dann das Haus. Weil noch mehr Patienten auf ihn warteten.

»Willst deinen Bruder net anrufen?« riß die Stimme des Knechtes Michael aus seinen Gedanken und brachte ihn wieder zurück in die rauhe Wirklichkeit. »Er muß doch erfahren, was geschehen ist, Michael.«

»Wahrscheinlich hast recht, Sepp«, seufzte Michael und wandte sich vom Fenster ab, nachdem er zugeschaut hatte, wie der Arzt vom Hof gefahren war. »In dem ganzen Durcheinander hab ich net daran gedacht.«

Paul, sein ältester Bruder, wohnte drüben in Rommerskirchen, im Nachbardorf. Schon seit einem Jahr, weil er im dortigen Sägewerk eine gutbezahlte Stelle als Zimmermann gefunden hatte. Eigentlich hätte der Vater den Ältesten gern auf dem Hof gehabt. Aber Paul hatte ja immer seinen eigenen Willen durchsetzen müssen. Und wegen ihm mußte sich Michael jeden Tag so abschuften. Nur Paul hatte er das zu verdanken. Wahrscheinlich war er deswegen alles andere als gut auf seinen älteren Bruder zu sprechen.

»Soll ich ihn anrufen?« fragte Sepp, weil er zu ahnen schien, was Michael in diesem Moment durch den Kopf ging. »Wenn du bei deinem Vater bleiben willst?«

»Da wär ich dir wirklich dankbar, wenn du mir die Arbeit abnehmen würdest, Sepp«, erwiderte Michael. »Weißt doch, wie ich zu dem Paul stehe.«

»Freilich weiß ich das«, antwortete der Knecht daraufhin. »In so einem Augenblick solltest dich aber mit deinem Bruder net uneins werden, Michael. Schließlich wollt ihr doch beide, daß euer Vater bald wieder wohlauf ist, oder?«

»Ich wünsch mir, er wäre schon wieder ganz gesund«, meinte Michael und vergewisserte sich mit einem kurzen Seitenblick zum Bett seines Vaters, daß die Spritze nun ihre Wirkung zeigte. Der Stadler war bereits eingeschlafen. In der momentanen Situation war das wahrscheinlich am besten für ihn. Michael konnte nur hoffen, daß vielleicht schon morgen früh das schlimmste ausgestanden war.

»Ich ruf den Paul jetzt im Sägewerk an«, sagte der Knecht und verließ das Zimmer des Bauern. Zurück blieb ein sehr nachdenklicher Michael, der erst jetzt wieder mal spürte, wie sehr er eigentlich an seinem Vater hing. Obwohl er ihn so oft gemaßregelt hatte.

2

»Paul!« rief der Exner Willi mit lauter Stimme. »Kommst einmal ans Telefon? Es ist wichtig!«

Jedoch reagierte Paul auf seinen Zuruf nicht, weil nämlich die Bandsäge mit einem schrillen Geräusch jede Stimme übertönte. Da blieb dem Exner nichts anderes übrig, als auf Paul zuzugehen und ihn anzutippen.

»Was ist denn?« schrie Paul und blinzelte mit den Augen, weil ihm Sägespäne ins Gesicht flogen.

»Ans Telefon sollst kommen!« wiederholte der Exner seine Bitte. »Es wär dringend.«

»Gut, dann mach hier einen Augenblick weiter«, sagte Paul zu seinem Arbeitskollegen. »Ich bin gleich wieder da.«

Er nickte dem Exner kurz zu, bevor er das Gebäude verließ und hinüberging zum Wohnhaus, in dessen unterer Etage der Sägewerksbesitzer ein kleines Büro eingerichtet hatte. Die Tür stand offen, deswegen ging Paul hinein ohne anzuklopfen. Er hatte das sowieso nicht nötig, weil er genau wußte, daß er einer der besten Arbeiter vom Holzer David war.

»Euer Knecht Sepp ist am Telefon«, sagte der Holzer und sah kurz von seinen Rechnungen hoch, die er gerade ausstellte. »Ist wohl ziemlich wichtig. Er will nur mit dir selbst reden.«

Mit diesen Worten überreichte er Paul den Telefonhörer. Der meldete sich und bekam keine Gelegenheit mehr, Sepp danach zu fragen, was eigentlich der Grund für diesen Anruf war. Sepp sprudelte nämlich gleich los wie ein Wasserfall, und das, was Paul zu hören bekam, gefiel ihm ganz und gar nicht.

»Mußt sofort auf den Hof kommen, Paul«, sagte der Knecht mit ganz aufgeregter Stimme. »Dein Vater hat grad einen Herzanfall bekommen. Es geht ihm gar net gut und ...«

»Was?« rief Paul erschrocken. »Du, Sepp, ich komm sofort. Wie geht's ihm denn jetzt?«

»Der Doktor war eben grad da«, berichtete Sepp am anderen Ende der Leitung. »Er hat ihm eine Spritze verabreicht, und jetzt tut der Bauer schlafen. Trotzdem wär's gut, wenn du gleich kämst.«

»Freilich komm ich«, versprach ihm Paul und legte den Hörer auf. Wahrscheinlich hatte der Sägewerksbesitzer trotz seiner vielen Papiere doch noch am Rande mitbekommen, was der Inhalt dieses Telefonates gewesen war.

»Holzer, ich muß sofort nach Hause«, klärte Paul dann seinen Chef auf. »Der Vater hat einen Herzanfall bekommen.«

»Gütiger Himmel!« meinte der Holzer daraufhin mit ehrlicher Anteilnahme. »Dann hast selbstverständlich für den Rest des Tages frei. Setz dich gleich ins Auto und fahr los, damit du keine unnötige Zeit verlierst.«

Er konnte Paul ansehen, daß dieser sich gerade bei seinem Chef bedanken wollte, aber er winkte nur ab.

»Spar dir deine Worte«, meinte er. »Bist schließlich einer meiner besten Arbeiter. Und wenn in der Familie was ist, dann muß man sich dafür Zeit nehmen. Nun fahr schon endlich los.«

So was brauchte er Paul nicht zweimal zu sagen. Der lief nämlich schon zu dem kleinen Volkswagen, den er sich von seinem ersparten Geld gekauft hatte. Sekunden später saß er hinterm Steuer und gab Gas.

3

Tausend Gedanken spukten Paul im Kopf herum, während er zügig zu seinem Heimatdorf fuhr. Heckenau war nur zehn Kilometer entfernt, und mit seinem klapprigen Volkswagen legte er diese Strecke in gut fünf Minuten zurück. Als dann schließlich in der Ferne das vertraute väterliche Anwesen auftauchte, spürte Paul, wie er ganz plötzlich von einer eigenartigen Aufregung gepackt wurde. Das konnte er sich gar nicht erklären. Wahrscheinlich schrieb er das der Tatsache zu, daß er jetzt gezwungenermaßen mit Michael ein paar Worte wechseln mußte. Mit dem jüngeren Bruder hatte er sich in der Vergangenheit nämlich gar nicht verstanden. Vielleicht war das auch einer der Gründe gewesen, die ihn schließlich dazu bewogen hatten, den Hof zu verlassen und sein eigenes Leben zu gestalten.