Roland Habersetzer

Kobudô

Band 2: Nunchaku, Tonfa, Polizei-Tonfa

Aus dem Französischen
von Frank Elstner

Palisander

Hinweis: Weder der Autor noch der Verlag übernehmen Verantwortung für Folgen, die sich aus dem Gebrauch oder dem Mißbrauch von Informationen, die in diesem Werk enthalten sind, ergeben können. Sie erinnern des weiteren daran, daß beim Umgang mit den hierin beschriebenen Waffen die jeweiligen landesspezifischen waffentechnischen Regelungen unbedingt einzuhalten sind. Es obliegt der Eigenverantwortung des Praktizierenden, sich über diese Bestimmungen ausreichend zu informieren. Allgemein gilt, daß der Umgang mit den Waffen des Kobudô vernünftig, vorsichtig, kontrolliert und angemessen zu erfolgen hat.

Der Verlag dankt Sven Hensel, Oliver Siegemund (CRB), Janett Kühnert und Norbert Wölfel vom Chemnitzer Karateverein, Helmut Götz, Mitglied des CRB aus Weiden und Franz Scheiner, Mitglied des CRB aus Würzburg, für die fachliche Unterstützung bei der Redaktion.

Deutsche Erstausgabe

1. Auflage 04/​2007

Titel der Originalausgaben:

Kobudo 2. Nunchaku et Tonfa

© 1986 by Éditions Amphora s.a., Paris

Tonfa - art martial, technique d’intervention

© 1996 by Éditions Amphora s.a., Paris

Deutsch von Frank Elstner

© 2007 by Palisander Verlag, Chemnitz

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlaggestaltung: Anja Elstner

Redaktion & Layout: Viola Börner und Frank Elstner

Illustrationen: Roland Habersetzer, Archiv Roland Habersetzer

Fotos: Gabrielle Habersetzer, Archiv Roland Habersetzer

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015

ISBN 978-3-938305-42-3

www.palisander-verlag.de

In Zeiten des Krieges muß man die Künste des Budô üben, um überleben zu können, in Zeiten des Friedens, um länger leben zu können …

Matayoshi Shinpô (1922 - 1997)

Dem Andenken von Meister Matayoshi Shinpô gewidmet als Zeichen des Respekts und der Dankbarkeit für das, was er darstellte und für all sein Wissen. Mögen auch in Zukunft weitere dem Weg seines Kobudô folgen.

Roland Habersetzer

Roland Habersetzer mit Tonfa (Saint-Nabor, 2006)

Der Autor

Roland Habersetzer, Jahrgang 1942, ist seit 1957 Praktizierender der Kampfkünste. Bereits 1961 erhielt er den 1. Dan und wurde so zu einem der ersten französischen »Schwarzgurte« im Karate. Zu recht wird er sowohl als Spezialist der japanischen Kampfkünste (Budô) als auch der chinesischen (Wushu) angesehen. Nachdem er verschiedene Graduierungen in Frankreich, Japan und China erhalten hatte, wurde Roland Habersetzer im April 2006 in Japan durch O-Sensei Tsuneyoshi Ogura (10. Dan, Leiter des Dôjô Gembukan in Kofu, Schüler von Yamaguchi Gôgen und von Gima Makoto) der 9. Dan, Hanshi, sowie der Titel eines Soke (Meister-Gründer) für seinen eigenen Kampfkunststil »Tengû no michi« (Tengû ryû Karatedô, Kobudô, Hôjutsu) verliehen. Diese Graduierungen und Titel wurden durch Tadahiko Ôtsuka vom Tokioter Gôjûkensha (anerkannter Meister des Gôjû ryû, des Naha te und des Shuri te und direkter Schüler von Higa Yûchoku, von welchem er den Titel des Hanshi erhalten hat) bestätigt. Damit wurden seine außerordentlichen Bemühungen bei der Verbreitung der Kampfkünste und die hohe Effektivität seines Wirkens gewürdigt. Bestätigt wurde hierdurch ebenfalls der Sinn, den Roland Habersetzer stets in den nunmehr 49 Jahren seiner Kampfkunstpraxis und in seinem Engagement für eine authentische Tradition gesehen hat, einer Tradition, die im Zeichen des größten Respekts vor den Stufen »Shu«, »Ha« und »Li« steht. Schließlich stellt dies auch die Legitimierung seines eigenen Konzepts der Praxis der Kampfkünste dar, des »Weges des Tengû« (»Tengû no michi«).

Im Jahre 1968 erschien sein erstes populärwissenschaftliches Buch über die Kampfkünste. Heute besteht sein Werk aus über 70 Büchern, was ihn zum Autor der weltweit bedeutendsten Buchreihe auf diesem Gebiet werden läßt. Seine Bücher, die in mehrere Sprachen übersetzt worden sind, gelten in allen frankophonen Ländern als historisches, technisches und pädagogisches Standardwerk. Auch in vielen anderen Ländern besitzen sie hohes Ansehen.

Schon frühzeitig zeigte sich Roland Habersetzer enttäuscht von der Tendenz des Karate, sich von der Kampfkunst zur Sportart zu entwickeln. Daher gründete er 1974 das Centre de Recherche Budo (CRB), eine internationale, unabhängige Organisation, die zahlreiche Budôka zusammengeführt hat, denen vorrangig der Erhalt der geistigen Werte der japanischen und chinesischen Kampfkünste am Herzen liegt. Durch sein Wirken im Rahmen des CRB, durch zahlreiche Lehrgänge und Seminare auf der ganzen Welt und natürlich auch durch seine technischen Handbücher und historischen Werke leistete er echte Pionierarbeit, damit die traditionellen Werte seiner Kunst nicht verloren gehen. Zwischen 1962 und 2002 unterrichtete er in seinem Dôjô in Straßburg. Stets umfaßte sein Ausbildungskonzept sowohl die Kampftechniken als auch deren kulturellen Hintergrund. Nach wie vor ist er als Budôka sehr aktiv, auch wenn sich seine Lehrtätigkeit inzwischen auf wenige Lehrgänge und Seminare hohen Anspruchs pro Jahr beschränkt.

Der weltweit anerkannte Experte des Karatedô, des Kobudô und des Taijiquan interessiert sich leidenschaftlich für Kampfkünste in all ihren Erscheinungsformen. Nach Effektivität im Kampf zu streben bedeutet für ihn, alle Entwicklungen vorurteilsfrei zu betrachten. Diese Überzeugung führte den modernen »Ronin«, als den er sich sieht, dazu, seiner Praxis auch andere Techniken hinzuzufügen, was selbst den Umgang mit zeitgenössischen Waffen einschließt. So ist er (mit entsprechenden Diplomen aus den USA und der Schweiz) u. a. auch als Ausbilder im Kampfschießen mit Handfeuerwaffen tätig.

Mit seinem Institut Tengu, das er 1995 gründete, begann parallel zu seiner Tätigkeit als Budôka eine neue Etappe seiner Forschungen auf dem Gebiet der Kampfkünste. Das Ziel dieses Instituts besteht darin, auf Grundlage des Studiums und des praktischen Vergleichs zahlreicher Formen des Kampfes mit und ohne Waffe zu einem umfassenden Konzept der Selbstverteidigung zu gelangen, das den Gegebenheiten des heutigen Lebens gerecht wird. Die Absicht von Habersetzer Sensei besteht darin, der Praxis des Karatedô einen Sinn zu verleihen, der in der modernen Gesellschaft Bestand hat, einen Sinn, der nichts zu tun hat mit sportlichen oder spielerischen Varianten. Sein leidenschaftliches Streben gilt einer gültigen Neubestimmung des Konzepts des Kriegertums für unsere Epoche; Techniken, Taktiken und Verhaltensweisen der Praxis des klassischen Karatedô sollen mit den Gegebenheiten unserer Zeit in Einklang gebracht werden.

»Der Weg des Tengû« (Tengû no michi) ist für ihn das Abbild einer neuen Bewußtwerdung, eines Willens, einer modernisierten Methode des Budô. Geistige Einstellung und technische Mittel entsprechen dabei den Anforderungen der heutigen Welt. Indem er nach langen Jahren auf dem Weg des klassischen Karatedô eine authentische Schule (Ryû) der vereinigten Kampfkünste (Shin Budô), »Tengû no michi«, gegründet hat, tat Habersetzer Soke nichts anderes, als den lebendigen Geist der Tradition in die Gegenwart zu einzubringen. Ganz im Sinne eines »Tatsujin« (»aufrechter Mensch«) ist er somit seiner ursprünglichen Wahl treu geblieben, indem er die Tradition mit Nachdruck und Überzeugung ehrt und weitervermittelt.

Danksagungen

Der Autor dankt Herrn Jean-Pierre Richeton, 4. Dan, Herrn Jean-Claude Benis, 2. Dan und Herrn Christophe Sivy, 2. Dan, Experten des Centre de Recherche Budo, sowie Herrn Thierry Habersetzer und Herrn Pierre Stubbe vom »Dento Budo Dojo« in Straßburg, die mit ihm zusammen auf den Aufnahmen zu sehen sind. Er dankt ebenfalls den Meistern und Experten Matayoshi, Chinen, Izumi, Tamano und Hayashi für ihr Einverständnis, daß Fotos von ihnen in diesem Buch gezeigt werden dürfen. Des weiteren gilt sein Dank dem Unternehmen »G. K. International«, Paris, das ihm das auf den Seiten 175 und 176 dargestellte Material zur Verfügung gestellt hat.

Illustrationen

Die Fotos 66, 161 und 195 wurden uns freundlicherweise von Javier Brieva (Malaga) zur Verfügung gestellt, alle übrigen Fotos stammen vom Autor und von Gabrielle Habersetzer. Alle Zeichnungen stammen aus der Feder des Autors.

Die Fotos 68, 77, 87 und 88 wurden während Lehrgängen im Dôjô des CRB in Straßburg aufgenommen.

Vorwort zu Band 2 der deutschen Ausgabe des »Kobudô«

Ich habe mich von jeher für alles, was mit dem Kämpfen zusammenhängt, interessiert. Aus diesem Grunde habe ich vor etwa 20 Jahren damit begonnen, meine Praxis der klassischen Budôkünste auch auf Disziplinen auszuweiten, in denen moderne Waffen zum Einsatz kommen.1 Eine Waffe, welcher Art auch immer, ist stets nur eine Verlängerung der Hand, und sie ist Ausdruck eines Willens. Im Rahmen dieser parallelen Forschungen habe ich während meines ersten Aufenthaltes in den USA mit Erstaunen feststellen können, daß der Tonfa dort für Techniken zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung verwendet wurde. Mir wurde bewußt, daß der als »Mehrzweckeinsatzstock«2 verwendete Tonfa eine natürliche Weiterentwicklung dieser Waffe darstellt. Diese Weiterentwicklung betrifft sowohl die Einsatzmöglichkeiten, für die der Tonfa als Waffe einst konzipiert wurde, als auch die technische Ausführung des Gerätes und seine Einsatzmethoden. Diese neue Zweckbestimmung einer jahrhundertealten Waffe außerhalb der Dôjô, in denen der Umgang mit ihr nach wie vor auf herkömmliche Weise trainiert wird, erinnert an den Einsatz von Jutte und Yawara durch die feudale japanische Polizei während der Ära der Tokugawa (1603 - 1868). Man sieht, daß die Erfindungsgabe des Menschen der Vergangenheit der des heutigen Menschen in nichts nachsteht. Auch für andere alte Waffen gibt es moderne Verwendungen innerhalb bestimmter Polizeieinheiten, vor allem in Japan.3 Hier verbinden sich Vergangenheit und Zukunft, und die Tradition paßt sich an, um nicht zu verlöschen. Dies sollte jenen zu denken geben, deren einziges Anliegen darin besteht, im Namen der Tradition ausschließlich Kampftechniken, die in der modernen Welt ohne praktischen Nutzen sind, zu reproduzieren.

Der Tonfa im klassischen Kobudô wird paarweise verwendet, und es existiert ein großer Reichtum an Verteidigungs- und Schlagtechniken, was seine Zweckbestimmung als Waffe für den Kampf auf Leben und Tod verdeutlicht. Der moderne Tonfa der Polizei wird dagegen als Einzelwaffe verwendet, und seine Haupteinsatztechniken bestehen darin, durch schmerzhafte Hebel Gehorsam zu erzielen. Auf diese Weise kann ein Verdächtiger unter Kontrolle gebracht werden, ohne daß seine körperliche Unversehrtheit gefährdet wird. Der letzte Teil dieses Buches ist der modernen Anwendung dieser alten Waffe gewidmet. Natürlich ist dieser Teil des Werkes ausschließlich für Personen bestimmt, die dazu berechtigt sind, den Tonfa im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit zu tragen und einzusetzen (Polizisten, Mitglieder von Wachgesellschaften, Leibwächter usw.). Der Leser möge aufmerksam die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen studieren. Ich warne hiermit vor jeglicher Nachlässigkeit auf diesem Gebiet. Das gleiche gilt natürlich entsprechend auch für die anderen Waffen, die in den beiden Bänden vorgestellt werden. Ihre Handhabung unterliegt in einigen Ländern bestimmten Einschränkungen, über die sich der Leser im Klaren sein muß. Insbesondere sei darauf verwiesen, daß Besitz und Handhabung des in diesem Buch beschriebenen Nunchaku in manchen Ländern verboten ist.4

Roland Habersetzer, 9. Dan Karatedô (Japan), Hanshi
Soke: Tengû ryû

Saint-Nabor, März 2007

I

Nunchaku

1. Abschnitt – Hôjô undô (Grundtechniken)

1. Kapitel – Einführung5

Foto 1: Meister Matayoshi Shinpô beim Üben mit einem Nunchaku, das aus drei langen Abschnitten besteht. Die Aufnahme entstand im Sommer 1984 in seinem Dôjô in Naha.

1.1 Nunchaku: eine Waffengattung

Seit der Flut der Kungfu-Filme aus Hongkong ist das Nunchaku die zweifelsohne populärste Waffe des Kobudô im Westen. Tatsächlich stammt sein Vorläufer aus China. Im alten Reich der Mitte kannte man seit jeher vergleichbare Waffen; sie waren dort unter den Bezeichnungen Shuangchin-kun und Shao-tse-kun bekannt.

Ursprünglich soll das Nunchaku nichts weiter gewesen sein als ein Dreschflegel, mit dem Bauern ihr Getreide gedroschen haben. Ein Experte hat dem Autor hingegen erzählt, daß das Nunchaku als Gebiß des Pferdegeschirrs fungiert haben soll, diese Version erscheint jedoch nicht sehr glaubwürdig.

Die Waffe ist ein Muster an Einfachheit: Es genügt, zwei Holzstücke durch eine Schnur miteinander zu verbinden, um eine furchterregende Waffe zu erhalten. Diese Tatsache hat den Gesetzgeber bewogen, Besitz und Nutzung des Nunchaku starken Einschränkungen zu unterwerfen,6 aus Sorge darum, daß jeder Rowdy Mißbrauch damit betreiben könnte, ohne daß er das mindeste über Kobudô weiß. Ein Grund mehr dafür, daß Kampfkunstlehrer sehr sorgfältig darauf achtgeben sollten, wem sie die echte Kunst des Umgangs mit dem Nunchaku beibringen. Der Mißbrauch, der mit dieser Waffe zu kriminellen Zwecken getrieben wurde, hat das Nunchaku in der Öffentlichkeit unglücklicherweise in Mißkredit gebracht und damit das gesamte Kobudô in ein ungünstiges Licht gerückt.

Abbildung: Aufbau eines Nunchaku

Das Grundmodell des Nunchaku besteht aus zwei Stöcken aus hartem Holz von gleicher Länge (30 bis 60 cm), die an den freien Enden leicht verdickt sind, um dort das Gewicht zu erhöhen. Die Stöcke sind durch eine Schnur miteinander verbunden. Ursprünglich bestand diese Schnur aus Roßhaar oder aus geflochtenem Reisstroh. Manchmal wurde auch eine kleine Kette eingesetzt, um zu verhindern, daß die Verbindung durch eine Schnittwaffe getrennt werden konnte. Die Länge der Schnur beträgt rund 10 Zentimeter. Bei größerer Länge besteht die Gefahr, daß die Waffe aufgrund der größeren Schwingweite ihrem Nutzer gefährlich wird. Ist die Länge zu gering, wird die Freiheit der Handhabung eingeschränkt, der Wirkungsradius wird verringert, und die Abnutzung ist größer. Die genaue Länge der beiden Holzstücke richtet sich nach der Länge der Unterarme des Nutzers. Die ideale Länge entspricht dem Abstand zwischen Handmitte und Ellbogen.

Foto 2: Meister Izumi (Yonago, Japan) bei einer Vorführung. Das freie Ende des Nunchaku kann hohe Geschwindigkeiten erreichen. Es besteht die Gefahr, daß der Praktizierende sich selbst verletzt, wenn er die entsprechende Technik unzureichend beherrscht.

Aufgrund der Reichweite, der Kraft und der außergewöhnlichen Präzision seiner Waffe ist ein Meister des Nunchaku ein besonders furchterregender Gegner.

Es existieren zahlreiche Nunchaku-Arten, die sich in Form und Größe voneinander unterscheiden. Manche dieser Arten sind alt, wie z. B. der Dreschflegel mit drei oder vier Abschnitten, oder Nunchaku, die aus zwei Abschnitten unterschiedlicher Länge bestehen. Letztere ähneln den Dreschflegeln, die im europäischen Mittelalter als Waffe verwendet wurden. Andere Arten sind Neuerungen aus jüngster Vergangenheit, die vorrangig kommerziellen Zwecken dienen. Hierzu zählen Nunchaku mit besonders schweren Enden, die in aufgesetzten Hülsen enden oder mit Spitzen versehen sind, mit Blei beschwerte Modelle, Modelle aus Aluminium und immer mehr Modelle, deren Abschnitte durch Ketten miteinander verbunden sind. Durch Modelle aus Kunststoff sollen Risiken beim Training verringert werden (Sicherheits-Nunchaku, Soft-Nunchaku) oder gesetzlichen Bestimmungen Rechnung getragen werden.

Im Rahmen dieses Buches sind jedoch lediglich die traditionellen Arten des Nunchaku von Interesse:

1.2 Die Bereitschaftshaltungen (Nunchaku no gamae)

Es handelt sich um Haltungen und Positionen, die der unmittelbaren Vorbereitung zum Kampf dienen. Für das Nunchaku gibt es eine Vielzahl derartiger Haltungen. Die Besonderheit einer effektiven Bereitschaftshaltung besteht darin, es dem Kämpfenden zu ermöglichen, unverzüglich auf eine Aktion des Gegners zu reagieren. Hierfür sollen die günstigsten Bedingungen in bezug auf das Timing und den Abstand geschaffen werden. Eine Bereitschaftsstellung muß an die offenkundigen oder erahnten Absichten des Gegners, an die eigenen Angriffs- oder Verteidigungsabsichten, an den Abstand zwischen den Kämpfenden, der sich unaufhörlich ändert (Ma: normaler Abstand, Chika ma: sehr kurzer Abstand, Tô ma: weiter Abstand) und an die Angriffs- oder Verteidigungsbewegungen, die man bevorzugt, angepaßt werden.

Foto 3

Eine Bereitschaftshaltung kann auch eine Finte darstellen, durch die dem Gegner suggeriert wird, daß man eine bestimmte Angriffsart plant, während man tatsächlich eine andere vorbereitet.

Im folgenden sollen einige Beispiele klassischer Bereitschaftshaltungen aus dem besonders reichhaltigen Repertoire für das Nunchaku angegeben werden. Angemerkt sei, daß im Grunde genommen jede Art und Weise, eine Kobudôwaffe oder ein Paar solcher Waffen zu halten, eine mehr oder weniger originelle Bereitschafsstellung darstellen kann.

Foto 4

Foto 5

1.3 Das Halten des Nunchaku

Das Nunchaku wird für gewöhnlich mit einer Hand gehalten, die die Waffe entweder auf natürliche Weise (Honte mochi: Zeichnung a) oder im Rückhandgriff (Gyakute mochi: Zeichnung b) ergreift. Dies geschieht am unteren Drittel, oft so weit unten wie möglich, damit das äußere Ende sich frei auf der Handfläche bewegen kann (was für manche Block- oder Angriffstechniken erforderlich ist).

Der Griff ist verhältnismäßig locker, lediglich der kleine Finger preßt die Waffe sehr fest gegen die Handfläche, während die anderen Finger ohne große Anspannung geschlossen sind. Auf diese Weise werden Drehbewegungen des Handgelenks nicht verlangsamt, und die Zentrifugalkraft, die bei peitschenden Techniken auftritt, kann besser übertragen werden.

Abbildung: Die einzelnen Griffe des Nunchaku.

Man kann auch mit ein und derselben Hand die beiden Abschnitte des Nunchaku ergreifen und sie wie einen Kurzstab benutzen. Auf diese Weise verliert die Waffe natürlich alle Vorteile, die sich aus ihrer Entfaltung ergeben. Dieser spezielle Griff (Tokushu mochi) wird auch angewendet, um mit der Spitze zuzustoßen (Tatami zuki: Zeichnung c). Ein anderer Spezialgriff ist Ippon zuki, wie er in Zeichnung d dargestellt ist.

Das Nunchaku dient sowohl der Verteidigung als auch dem Angriff. Man kann mit ihm in geradlinigen Bewegungen die gegnerische Waffe blockieren und einen Gegenangriff ausführen. Häufiger sind jedoch kreisförmige Bewegungen, bei denen große Zentrifugalkräfte am äußeren Ende des freien Abschnitts entwickelt werden (siehe Foto 2 auf S. 15).

Wird die Waffe schließlich mit beiden Händen gehalten, kann man mit ihr das Handgelenk oder den Hals des Gegners einklemmen.

Natürlich gilt für das Nunchaku, wie für alle Waffen des Kobudô, daß die Handhabung auf effektive Weise mit Karatetechniken verknüpft werden kann, die entweder mit der freien Hand oder mit den Füßen ausgeführt werden. Der Einsatz der Füße ist jedoch eine relativ späte Ergänzung, die wahrscheinlich japanischen Ursprungs ist.

Foto 6: Meister Matayoshi Shinpô (1922 - 1997).

2. Kapitel – Die Verteidigungstechniken (Uke waza)

Um sicher mit einem Abschnitt oder mit beiden Abschnitten des Nunchaku – das heißt, mit einer relativ kleinen Fläche – einen gezielten Schlag, der mit großer Kraft geführt wird, abfangen zu können, ist es notwendig, die Grundtechniken gut zu beherrschen.

Bei einem Block mit offenem Nunchaku halten die Hände jeweils eines der äußeren Enden der Waffe. Es muß dabei ständig eine hohe Spannung zwischen den Abschnitten aufrechterhalten werden, d. h., die Verbindungsschnur muß straff gespannt sein. Auf diese Weise trifft die gegnerische Waffe auf einen festen Block. Außerdem werden genau im Moment des Auftreffens zusätzlich noch die Hände angespannt (Foto 7).

Foto 7

Meistens trifft die gegnerische Waffe auf die Abschnitte des Nunchaku, seltener auf die Verbindungsschnur (in letzterem Fall ist allerdings ein Nunchaku, dessen Abschnitte durch eine Kette verbunden sind, von Vorteil).

Wie auch im Falle eines Bô oder eines Sai gilt, daß man mit dem Nunchaku entweder direkt blocken oder eine Ausweichbewegung schützend begleiten kann.

Wie bei allen Kobudô-Künsten gilt: Der Körper muß sich als eine Einheit bewegen, und die Waffe ist in diesem Sinne nichts weiter als eine Verlängerung des Körpers.

2.1 Tiefe Abwehrtechniken (Gedan uke)

2.1.1 Fegende Abwehr (Gedan barai)

Erste Form:

Die Abwehr wird mit einem Abschnitt des Nunchaku, welcher die Außenseite des Unterarms verstärkt, ausgeführt. Sie eignet sich für alle im Bogen geführten Angriffe gegen die Seite oder den Bauch.