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IMPRESSUM

David Signer

Dead End 3 – Die plötzliche Verdoppelung

Salis Verlag AG, Zürich

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Lektorat: Patrick Schär, Basel

Korrektorat: Ina Serif, Freiburg

Gestaltung Umschlag: André Gstettenhofer, Zürich

Umschlagbild: vectorstock.com

ISBN 978-3-906195-39-1

© 2015, David Signer & Salis Verlag AG

Alle Rechte vorbehalten

Inhalt

Dead End 3 – Die plötzliche Verdoppelung

David Signer

Dead End 3 – Die plötzliche Verdoppelung

ZUM AUTOR

David Signer (*1964), promovierter Ethnologe, hat mehrere Jahre in Afrika verbracht. Er ist der Autor des zum Standardwerk gewordenen Buches »Die Ökonomie der Hexerei oder Warum es in Afrika keine Wolkenkratzer gibt« über die Auswirkungen der Hexerei auf die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas. Der Bild- und Textband »Grüezi – Seltsames aus dem Heidiland«, in Zusammenarbeit mit Andri Pol, erschien 2006. Sein erster Roman »Keine Chance in Mori« folgte 2007 bei Salis, der zweite Roman »Die nackten Inseln« 2010, auch bei Salis. David Signer lebt in Zürich.

»Zeig den Afrikanern, wie man heutzutage röntgt«, sagte der Chef.

Das kam so: Eine Röntgenanlage am Universitätsspital Zürich wurde ersetzt. Der Chefarzt war mit dem Direktor eines Krankenhauses in Dakar befreundet, und so beschied er bei einer Sitzung launig: »Wir schicken den alten Apparat in den Senegal hinunter.« Und weil sonst niemand Zeit und Lust hatte, schickte er den jungen Assistenzarzt gleich mit, um dem Personal dort das Ding zu erklären.

Eigentlich hieß der Assistenzarzt Marco Scagnetti, aber in Dakar nannten sie ihn nur Dr. Katz, nach einem Arzt in einer Vorabendserie, dem er mit seinen schwarzen Locken und der Goldrandbrille offenbar glich.

Schon am ersten Tag merkte Marco, dass niemand in der Radiologie-Abteilung die geringste Ahnung von Radiologie hatte. Aber vielleicht war das ja egal und es ging lediglich darum, die Maschine günstig zu entsorgen und dabei auch noch das Gefühl zu haben, etwas Gutes zu tun. Am zweiten Tag gab es Probleme mit dem Strom. Marco rief Guido an, den Universalhandwerker, den er von einem Praktikum in einem psychiatrischen Wohnheim kannte. Guido hatte mit den Bewohnern in der Werkstatt gearbeitet. Sie hatten sich angefreundet, aber zwei Jahre später wanderte Guido in den Senegal aus, um dort eine Art Muster-Schreinerei zu bauen. Marco hatte vor, ihn zu besuchen, sobald die Instruktionen in Dakar beendet wären. Am Telefon gab Guido ihm ein paar Elektro-Tipps. Nach wenigen Handgriffen funktionierte die Maschine tatsächlich perfekt, und die Angestellten begannen, sich gegenseitig in allen erdenklichen Stellungen zu röntgen. Marco warnte sie, es nicht zu übertreiben, aber eigentlich war es ihm wurst. Seine Arbeit war getan.

Guido lebte in einem Kaff namens Albadar im Süden des Senegal. Casamance hieß das Gebiet, das seit Jahren von Rebellen terrorisiert wurde, die angeblich für die Unabhängigkeit der Region kämpften, vielleicht aber auch gewöhnliche Gangster waren. Das kleine Land Gambia, das sich von der Westküste her wie ein Keil ins Landesinnere bohrte, trennte den Norden des Senegal von der Casamance.

Die Frage war, wie Marco von Dakar nach Albadar kommen würde. Im Krankenhaus gab ihm jeder einen anderen Ratschlag. Man konnte mit dem Schiff nach Ziguinchor fahren und von dort mit einem Buschtaxi in zwei Stunden nach Albadar. Diese Route führte allerdings durch gefährliches Rebellengebiet. Darüber hinaus war vor ein paar Jahren ein Schiff gesunken. Zweitausend Tote. Seitdem wurde diese Route gemieden. Man konnte auch per Flugzeug nach Ziguinchor reisen. Das war jedoch erstens teuer, und zweitens blieb dann immer noch das Problem mit der Fahrt durch die Krisenregion. Eine weitere Alternative war die Fahrt mit einem 7-places-Peugeot nach Farafenni. Dort musste man jedoch stundenlang auf die klapprige Fähre warten, die einen über den Gambia-Fluss brachte. Hinzu kam das gespannte Verhältnis zwischen dem Senegal und Gambia. Die Zöllner taten alles, um die Durchreisenden unter irgendeinem Vorwand festzuhalten und horrende Summen für das Passierenlassen zu verlangen. Im schlimmsten Fall schaffte man es nicht vor Einbruch der Dunkelheit nach Albadar. Von Nachtfahrten wurde abgeraten, aber richtige Hotels gab es auf dieser Route auch nicht. Schließlich blieb noch die Möglichkeit, mit einem Sammeltaxi via Banjul, der Hauptstadt Gambias, zu fahren. Das Dörfchen Albadar lag nur etwa zweihundert Kilometer Luftlinie von Dakar entfernt, und die Banjul-Route war die direkteste. Auch bei dieser Version durchquerte man Rebellengebiet. Aber normalerweise fuhr man am frühen Morgen los und kam am Nachmittag an. Sagten die Gewährsleute. Als Marco die Landkarte studierte, schien ihm dies die praktikabelste Variante. Er fragte sich allerdings, warum sie trotzdem so selten gewählt wurde. Der Arzt von der Notaufnahme erklärte ihm, falls es Probleme gebe, könne er so wenigstens in Banjul übernachten und in Ruhe am nächsten Tag weiterreisen. Das gab den Ausschlag. Der Kollege bot an, ihn am Morgen um sechs zum Busbahnhof zu bringen. Dann könne er das erste Fahrzeug nehmen und komme vor Sonnenuntergang in Albadar an.

Es war noch dunkel, als sie verschlafen bei der gare routière eintrafen, aber es herrschte schon ein atemberaubendes Gewühl und Gedränge. Alle rannten kreuz und quer durcheinander, wie in einem zu schnell abgespulten Film. Marco war froh um seinen Begleiter. Allein hätte er den Abfahrtsort nie gefunden; er war lediglich mit einer schiefen Stange markiert, an der ein kleines Holzschild baumelte. Darauf hatte jemand mit grüner Farbe – kaum leserlich – Banjul gepinselt.

Wie ein Grabkreuz, dachte Marco.

»Siehst du«, sagte der Kollege. »Banjul. Das heißt, der 7-places fährt bis in die Hauptstadt durch, und du musst sonst nirgends umsteigen.«

Marco, der Glückspilz. Es war genau noch ein Platz frei, er stieg ein, und kurz darauf fuhren sie los.