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Dick Francis

Banker

Roman

Aus dem Englischen von
Malte Krutzsch

 

 

 

 

 

 

 

 

Titel der 1982 bei Michael Joseph Ldt., London,

erschienenen Originalausgabe: ›Banker‹

Copyright © 1982 by Dick Francis

Die deutsche Übersetzung erschien erstmals 1983

unter dem Titel ›Galopp in Gefahr‹

im Ullstein Verlag, Frankfurt/M., Berlin;

sie wurde für diese Ausgabe durchgesehen

Copyright © der deutschen Übersetzung

Verlag Ullstein GmbH, Frankfurt/M., Berlin

Umschlagzeichnung von

Tomi Ungerer

 

 

Für die großzügige Hilfe danke ich

Jeremy H. Thompson MD FRCPI,

Professor für Pharmakologie,

University of California, Los Angeles,

sowie Michael Melluish und

John Cooper

 

 

Alle deutschen Rechte vorbehalten

Copyright © 2014

Diogenes Verlag AG Zürich

www.diogenes.ch

ISBN Buchausgabe 978 3 257 22601 0 (8. Auflage)

ISBN E-Book 978 3 257 60007 0

Die grauen Zahlen im Text entsprechen den Seitenzahlen der im Impressum genannten Buchausgabe.

 

[5] Inhalt

Das erste Jahr

Mai  [7]

Juni  [28]

Oktober  [64]

November  [83]

Dezember  [113]

Das zweite Jahr

Februar  [137]

April  [156]

Oktober  [181]

November  [196]

Das dritte Jahr

April  [207]

Mai  [251]

Juni  [294]

Oktober  [349]

Dezember  [358]

[7] Das erste Jahr

Mai

Gordon Michaels stand voll angekleidet im Springbrunnen.

»Mein Gott«, sagte Alec. »Was treibt er denn?«

»Wer?«

»Dein Chef«, sagte Alec. »Der da im Brunnen steht.«

Ich ging ans Fenster und starrte hinab: zwei Etagen tiefer auf den Zierbrunnen im Vorhof der Paul-Ekaterin-Handelsbank. Dort stiegen drei verschlungene Fontänen anmutig in die Luft und fielen als glitzernder, kreisrunder Vorhang nieder. Im Becken stand Gordon, wadentief, in seinem blauen Nadelstreifenanzug, weißem Hemd, Seidenkrawatte und schwarzen Schuhen… triefend naß.

Es war seine Reglosigkeit, die mich vor allem beunruhigte. Unmöglich, dieses äußerst uncharakteristische Verhalten als irgendeinen Ausdruck von Unbeschwertheit, Jubel oder Freude zu deuten.

Ich rannte geradewegs aus dem mit dickem Teppichboden belegten Büro, durch den Notausgang, die Fluchten der groben Steintreppe hinunter und über den Marmor der Eingangshalle. Der uniformierte Mann am Wachschalter gaffte mit entblößten Plomben nach der breiten gläsernen Eingangstür, und zwei ankommende Kunden sahen verblüfft hinter mir her. Ich ging hastig an ihnen vorbei ins Freie und bremste erst bei den letzten Schritten vor dem Brunnen ab.

»Gordon!« sagte ich.

Seine Augen waren offen. Wasserperlen liefen von dem tropfnassen schwarzen Haar an seiner Stirn herunter und fingen sich [8] hier und da an seinen Wimpern. Der größte Teil des Wassers glitt in einem kristallenen Strom unmittelbar hinter seinen Schultern herab, wobei vereinzelte Tropfen nach vorn auf ihn sprühten wie Regen. Gordons Augen sahen mich ohne zu blinzeln mit ernster Zerstreutheit an, als wüßte er nicht, wer ich war.

»Kommen Sie in den Brunnen«, sagte er.

»Ähm… wieso denn?«

»Die mögen kein Wasser.«

»Wer mag keins?«

»Die Leute. Die Leute mit den weißen Gesichtern. Sie mögen kein Wasser. In den Brunnen kommen die Ihnen nicht nach. Wenn Sie naß sind, passiert Ihnen nichts.«

Seine Stimme klang völlig vernünftig, so daß ich mich verwirrt fragte, ob nicht alles nur ein Scherz war: Aber Gordons Scherze waren normalerweise kleine, kultivierte, funkelnde Kommentare über die Dummheit der Menschen, keine wildwüsten Paukenschläge mit dem Geruch des Surrealen.

»Kommen Sie da raus, Gordon«, sagte ich unbehaglich.

»Nein, nein. Die warten doch nur darauf. Holen Sie die Polizei! Rufen Sie sie an. Sie soll kommen und die alle mitnehmen!«

»Aber wen denn, Gordon?«

»Alle diese Leute natürlich. Die mit den weißen Gesichtern.« Sein Kopf schwenkte langsam von einer Seite zur andern, die Augen wie auf eine dicht um den ganzen Brunnen gescharte Menge fixiert. Instinktiv blickte ich ebenfalls um mich, aber das einzige, was ich sehen konnte, waren die Stein- und Glaswände der Bank, wo jetzt ein wachsender Chor von Häuptern ungläubig an den Fenstern erschien.

Ich klammerte mich immer noch an den Glauben an einen Scherz. »Sie arbeiten hier«, sagte ich. »Die Leute arbeiten hier.«

»Nein, nein. Sie sind mit mir gekommen. Im Wagen. Nur zwei oder drei von ihnen, dachte ich. Aber die anderen, die waren schon hier, wissen Sie. Sie wollen, daß ich mit ihnen gehe, aber [9] hier kommen sie nicht an mich heran, sie mögen das Wasser nicht.«

Er hatte die ganze Zeit ziemlich laut gesprochen, damit ich ihn durch den Lärm des Brunnens auch verstand, und die letzte dieser Äußerungen erreichte den Präsidenten der Bank, der mit raschen Schritten vom Gebäude herüberkam.

»Also Gordon, alter Kamerad«, sagte der Präsident energisch, als er neben mir stehenblieb, »was soll denn das, um Himmels willen?«

»Er hat Halluzinationen«, sagte ich.

Der Blick des Präsidenten huschte zu meinem Gesicht und wieder zu Gordon. Gordon riet ihm ernsthaft, in den Brunnen zu steigen, weil ihn die Leute mit den weißen Gesichtern dort nicht erreichen könnten, da ihnen Wasser zuwider sei.

»Tun Sie etwas, Tim«, sagte der Präsident, also stieg ich in den Brunnen und ergriff Gordons Arm.

»Kommen Sie«, sagte ich. »Wenn wir naß sind, rühren sie uns nicht an. Wir brauchen nicht im Wasser zu bleiben. Naß sein genügt.«

»Es genügt?« fragte Gordon. »Haben die Ihnen das erzählt?«

»Ja, sie rühren niemanden an, der naß ist.«

»Aha. Na schön. Wenn Sie sicher sind.«

»Ja, ich bin sicher.«

Er nickte verstehend, machte auf nur leichten Druck von meinem Arm zwei vernünftig wirkende Schritte durch das Wasser und trat über die kniehohe Einfassung auf die Steinplatten des Vorhofs. Ich hielt ihn weiter fest und betete im stillen, daß die Leute mit den weißen Gesichtern auf Distanz bleiben würden; und obwohl Gordon ängstlich umherblickte, schien es, daß sie bislang keine Anstalten trafen, ihn zu entführen.

Der Ausdruck von Besorgnis im Gesicht des Präsidenten war tief und echt. Er und Gordon waren seit langem eng befreundet. Abgesehen vom Äußeren glichen sie einander sehr; kluge [10] Burschen, intuitiv, mit schöpferischer Einbildungskraft. Jeder hatte unter normalen Umständen eine Art zu sprechen, die selbst die härtesten Befehle in sanfte Höflichkeit zu kleiden wußte, und beide mochten ihren Beruf. Sie waren beide in den Fünfzigern, beide auf der Höhe ihrer Kräfte, beide recht vermögend.

Von Gordon tropfte das Wasser auf die Pflastersteine.

»Ich glaube«, sagte der Präsident und warf einen Blick auf die bevölkerten Fenster, »wir sollten hineingehen. In den Sitzungssaal vielleicht. Kommen Sie, Gordon.«

Er nahm Gordon Michaels an dem anderen durchnäßten Ärmel, und einer der solidesten Bankiersköpfe Londons trottete gehorsam und durchnäßt zwischen uns.

»Die Leute mit den weißen Gesichtern«, sagte ich, während wir auf stetem Kurs durch die marmorne Eingangshalle zwischen staunenden Beobachtern entlangsteuerten, »sind sie noch da?«

»Natürlich«, sagte Gordon.

Offensichtlich fuhren auch einige von ihnen mit uns im Lift nach oben. Gordon ließ sie nicht aus den Augen. Die anderen, das entnahmen wir seinem Widerstreben, auf den Flur ins Obergeschoß hinauszutreten, warteten schon auf unsere Ankunft.

»Es ist in Ordnung«, ermutigte ich Gordon. »Vergessen Sie nicht, wir sind noch naß.«

»Aber Henry nicht«, sagte er und beäugte bang den Präsidenten.

»Wir sind ja dicht beisammen«, sagte ich. »Das geht schon in Ordnung.«

Gordon blickte zweifelnd drein, ließ sich aber schließlich zwischen seinen Helfern aus dem Fahrstuhl ziehen. Die weißen Gesichter teilten sich offenbar vor uns, um den Weg freizugeben.

Der persönliche Assistent des Präsidenten kam den Korridor entlanggehastet, doch der Präsident gebot ihm mit einem Wink entschieden Einhalt und erklärte, niemand dürfe uns im [11] Sitzungszimmer stören, bis er läute. Gordon und ich schlappten in unseren nassen Schuhen über den dick gewebten Teppich zu dem langen blanken Konferenztisch aus Mahagoni. Gordon setzte sich bereitwillig in einen der behaglichen Ledersessel, die um ihn herum gruppiert waren. Der Präsident fragte, ob die Leute mit den weißen Gesichtern uns gefolgt seien.

»Aber ja«, sagte Gordon und schaute sich um. »Sie sitzen ja auf allen Stühlen am Tisch. Und stehen noch dahinter. Haufenweise. Sieh doch selbst.«

»Wie sind sie gekleidet?« fragte der Präsident.

Gordon blickte ihn zwar verwundert an, aber antwortete ohne weiteres. »Weiße Anzüge natürlich. Mit schwarzen Knöpfen. Drei schwarze Knöpfe an der Vorderseite.«

»Alle?« fragte der Präsident. »Alle gleich?«

»Aber ja, natürlich.«

»Clowns«, rief ich aus.

»Was?«

»Weißgesichtige Clowns.«

»Aber nein«, sagte Gordon. »Es sind keine Clowns. Sie sind nicht lustig.«

»Weißgesichtige Clowns sind traurig.«

Gordon sah bekümmert und argwöhnisch drein und behielt seine Verfolger gut im Auge.

»Was tun wir am besten?« überlegte der Präsident. Er sprach in erster Linie mit sich selbst. An mich gewandt sagte er nach einer Pause: »Ich glaube, wir sollten ihn nach Hause bringen. Er ist offensichtlich nicht gewalttätig, und ich sehe keinen Nutzen darin, einen Arzt herzuholen, den wir nicht kennen. Ich rufe Judith an und verständige sie. Das arme Kind. Ich werde ihn in meinem Wagen fahren, bin ja vielleicht der einzige, der genau weiß, wo er wohnt. Und ich wäre dankbar, Tim, wenn Sie mitkämen und ihn weiter beruhigen würden.«

»Sicher«, stimmte ich zu. »Sein Wagen ist übrigens auch hier. [12] Er sagte, bei der Ankunft war ihm, als seien zwei oder drei Weißgesichter bei ihm gewesen. Der Rest hätte hier gewartet.«

»Tatsächlich?« Der Präsident dachte nach. »Er kann noch nicht halluziniert haben, als er zu Hause wegfuhr. Judith hätte es bestimmt bemerkt.«

»Er schien auch in Ordnung, als er ins Büro kam«, sagte ich. »Still, aber in Ordnung. Er hat fast eine Stunde an seinem Schreibtisch gesessen, ehe er rausging und sich in den Brunnen stellte.«

»Haben Sie nicht mit ihm gesprochen?«

»Er mag es nicht, wenn Leute reden, während er nachdenkt.«

Der Präsident nickte. »Dann weiter«, sagte er, »schauen Sie mal, ob Sie eine Decke auftreiben können. Bitten Sie Peter, eine zu suchen. Und… ähm… wie naß sind Sie selber?«

»Nicht durch, außer an den Beinen. Wirklich kein Problem. Es ist ja nicht kalt.«

Er nickte, und ich ging los. Peter, der Assistent, fand eine rote Wolldecke, die an einer Ecke ohne erdenklichen Grund die Inschrift Feuer trug. Als wir ihm diese behaglich um seine inzwischen nackte Brust gewickelt hatten, ließ sich Gordon diskret zum Wagen des Präsidenten führen. Der Präsident selbst glitt hinter das Steuer und fuhr seinen immer noch halb feuchten Passagier durch den klaren Maimorgen südwärts.

Henry Shipton, Präsident der Paul Ekaterin Ltd., war physisch ein stark gebauter Mann, der seine Neigung zum Übergewicht mit rohen Karotten, Mineralwasser und Willenskraft bekämpfte. Halb Visionär, halb Spieler, unterwarf er gewohnheitsmäßig jede hochfliegende Idee rigoroser analytischer Prüfung: ein Mann, dessen mächtige Triebimpulse allseits eingespannt und nutzbar gemacht wurden.

Ich bewunderte ihn. Das mußte man. Im Verlauf seines Zwanzigjahrespensums (zehn davon als Präsident) war die Paul Ekaterin Ltd. von einer mäßig erfolgreichen Bank zu einer der ersten [13] Liga geworden, weltweit geachtet und anerkannt. Ich konnte den wachsenden Respekt vor dem Namen der Bank in der Öffentlichkeit beinahe exakt ermessen, da es auch mein Name war: Timothy Ekaterin, Urenkel von Paul, dem Gründer. In meiner Schulzeit sagten die Leute immer: »Timothy wer? kat-rin? Wie schreibt man das?« Jetzt nickten sie ziemlich oft nur – und meinten, ich hätte das entsprechende Vermögen, was nicht zutraf.

»Sie sind sehr friedlich, versteht ihr?« sagte Gordon nach einiger Zeit.

»Die Weißgesichter?« fragte ich.

Er nickte. »Sie sagen nichts. Sie warten einfach.«

»Hier im Wagen?«

Er sah mich unsicher an. »Sie kommen und gehen.«

Zumindest waren es keine rosa Elefanten, dachte ich respektlos. Doch Gordon war, wie der Präsident, ohne Zweifel abstinent. Er sah bemitleidenswert aus in seiner roten Decke, der scharfe Verstand verwirrt von Träumen. Das war nun der Kämpfer, der täglich selbstbewußt mit Millionen umging, dieser zusammengekrümmte Haufen von Trugbildern, der in nassen Hosen nach Hause fuhr. Die Würde des Menschen war allerorts papierdünn.

Er wohnte am Clapham Park in einer spätviktorianischen Stadtvilla, umgeben von mannshohen Gartenmauern. Wir fanden ein cremefarbenes Holztor, das zu einer kurzen kiesbestreuten Auffahrt zwischen gepflegtem Rasen führte.

Judith Michaels stürzte aus der Haustür, dem Wagen des Präsidenten entgegen. Ihre ersten Worte, abwechselnd an Henry Shipton und an mich gerichtet, waren: »Den verdammten Arzt erwürge ich.«

Danach sagte sie: »Wie geht es ihm?«, und danach, mitfühlend: »Komm, Lieber, alles in Ordnung, komm rein, Schatz, wir machen’s dir warm und stecken dich sofort ins Bett.«

Sie legte schützend ihre Arme um die rote Decke, als ihr [14] kindlich gewordener Mann aus dem Wagen stolperte. Zu mir und Henry Shipton sagte sie nochmals zornig: »Ich bringe ihn um. Er gehört abgeknallt.«

»Von Hausbesuchen halten die nichts heutzutage«, meinte der Präsident zweifelnd, »aber kommen… wird er doch?«

»Nein, er kommt nicht. Geht ihr beiden Guten mal in die Küche – da ist etwas Kaffee in der Kanne. Ich bin gleich wieder unten. Komm, Schatz, die Stufen rauf…« Sie half ihm zur Haustür herein und durch eine mit Perserteppichen ausgelegte Halle zu einem getäfelten Treppenhaus, während der Präsident und ich ihren Wunsch befolgten.

Judith Michaels, irgendwo Ende dreißig, war eine brünette Frau voller Lebenskraft, in die ich mich leicht hätte verlieben können. Ich war ihr vor diesem Morgen schon verschiedentlich begegnet (bei den diversen gesellschaftlichen Anlässen der Bank) und mir jedesmal neu der Wärme und des Zaubers bewußt gewesen, die für sie so selbstverständlich waren wie das Atmen. Ob ich dagegen die leiseste Anziehung für sie besaß, wußte ich nicht und hatte ich nicht herauszufinden versucht, da es kaum das beste für die eigenen Aussichten ist, sich gefühlsmäßig mit der Frau seines Chefs einzulassen. Trotzdem spürte ich denselben alten Ruck und hätte nichts dagegen gehabt, Gordons Stelle auf der Treppe einzunehmen.

Mit diesen, wie ich hoffte, diskret verborgenen Gedanken ging ich mit Henry Shipton in die Küche und trank den angebotenen Kaffee.

»Ein großartiges Mädchen«, sagte der Präsident mit Gefühl, und ich sah ihn kläglich überrascht an und stimmte zu.

Sie kam nach einiger Zeit zu uns, noch immer mehr verärgert als beunruhigt. »Gordon sagt, überall im Zimmer sitzen weißgesichtige Leute und wollen nicht weggehen. Es ist wirklich zu schlimm. Es ist eine Zumutung. Ich bin so wütend, ich könnte schreien.«

[15] Der Präsident und ich sahen verblüfft drein.

»Habe ich es Ihnen nicht gesagt?« Sie musterte uns. »Ach nein, wahrscheinlich nicht. Gordon haßt den Gedanken, daß jemand von seiner Krankheit erfährt. Sie ist nicht sehr schlimm, wissen Sie. Nicht so schlimm, daß er aufhören müßte zu arbeiten oder etwas dergleichen.«

»Ähm…«, sagte der Präsident. »Was für eine Krankheit?«

»Ich muß es Ihnen wohl erzählen, jetzt wo das passiert ist. Ich könnte diesen Arzt umbringen, allen Ernstes.« Sie holte tief Atem und sagte: »Gordon hat leichten Parkinsonismus. Seine linke Hand zittert ab und zu ein bißchen. Ich nehme nicht an, daß Sie es bemerkt haben. Er verbirgt es vor den Leuten.«

Wir schüttelten verständnislos die Köpfe.

»Unser alter Hausarzt ist gerade in den Ruhestand getreten, und der neue Mann ist einer von diesen furchtbar aufgeblasenen Leuten, die meinen, sie wüßten es besser als alle anderen. Darum hat er Gordons alte Pillen abgesetzt, die gut halfen, soweit ich das beurteilen kann, und ihm neue verschrieben. Seit vorgestern. Und als ich ihn gerade eben in absoluter Panik anrief, weil ich dachte, Gordon wäre hoffnungslos verrückt geworden und ich würde für den Rest meines Lebens Nervenkliniken besuchen, da sagt er mir locker, nur keine Bange, dieses neue Medikament bewirkt recht häufig Halluzinationen, man muß bloß die Dosis richtig abstimmen. Ich sage Ihnen, wenn er nicht weit weg am anderen Ende einer Telefonleitung gesessen hätte, hätte ich ihm den Hals umgedreht.«

Henry Shipton und ich fühlten uns indessen merklich erleichtert.

»Sie meinen«, fragte der Präsident, »das Ganze… klingt einfach ab?«

Sie nickte. »Dieser verdammte Arzt sagte, wenn Gordon die Tabletten nicht mehr schluckt, dann ist er in sechsunddreißig Stunden wieder völlig normal. Und danach soll er sie wieder [16] einnehmen, aber nur die Hälfte, und abwarten, was passiert. Und falls wir uns Sorgen machten, sagte er sehr zartfühlend, könne Gordon ja übermorgen mal in die Praxis kommen und es mit ihm besprechen. Aber da Gordon bis morgen abend völlig in Ordnung wäre, fänden wir ja vielleicht, daß es nicht nötig sei.«

Sie selbst zitterte leicht vor Ärger. Plötzlich schluchzte sie auf, sagte »O Gott« und wischte sich nervös die Augen.

»Ich war so erschrocken, als Sie es mir mitteilten«, sagte sie halb entschuldigend. »Und als ich die Praxis anrief, kriegte ich diese verflucht sture Sprechstundenhilfe und mußte zehn Minuten diskutieren, bis sie mich überhaupt mit dem Arzt reden ließ.«

Nach einer kurzen mitfühlenden Pause kam der Präsident wie üblich zum Kern der Sache und fragte: »Hat der Arzt gesagt, wie lange es dauern würde, die Dosis richtig abzustimmen?«

Sie sah ihn mit einer verzagten Grimasse an. »Er meinte, da Gordon so stark auf eine durchschnittliche Dosis reagiert hätte, könne es bis zu sechs Wochen dauern, ihn völlig zu stabilisieren. Er sagte, jeder Patient sei verschieden, aber wenn wir durchhalten würden, sei es auf lange Sicht das allerbeste Mittel für ihn.«

Henry Shipton fuhr mich gedankenvoll zurück in die Stadt.

»Ich glaube«, sagte er, »wir werden im Büro erklären, daß Gordon eine ›Grippe‹ kommen sah und irgendwelche Tabletten nahm, die sich als halluzinogen entpuppt haben. Wir könnten einfach sagen, er hätte sich eingebildet, im Urlaub zu sein und das Bedürfnis nach einem kleinen Bad gehabt. Ist das annehmbar?«

»Sicher«, sagte ich milde.

»Halluzinogene Medikamente sind schließlich überaus verbreitet heutzutage.«

»Ja.«

»Kein Grund also, weißgesichtige Clowns zu erwähnen.«

»Nein«, stimmte ich zu.

»Oder Parkinsonsche Krankheit, wenn Gordon es nicht möchte.«

[17] »Ich werde nichts sagen«, versicherte ich ihm.

Der Präsident brummte und verfiel in Schweigen; und vielleicht drehten sich unser beider Gedanken um die abgedroschene Phrase, daß medikamentös bedingte Nebenwirkungen störender seien als die Krankheit.

Erst als wir nur noch eine Meile von der Bank entfernt waren, sprach Henry Shipton wieder. Er sagte: »Sie genießen jetzt schon zwei Jahre Gordons Vertrauen, nicht?«

»Beinahe drei«, murmelte ich nickend.

»Können Sie die Festung halten, bis er wiederkommt?«

Es wäre unehrlich zu sagen, daß ich die Möglichkeit dieses Angebots nicht seit ungefähr Viertel nach zehn im Hinterkopf gehabt hätte, und so nahm ich es weniger mit Aufregung als mit Erleichterung an.

Es gab keine starre Hierarchie bei Ekaterin. »Soundsos Vertrauen genießen«, wie der Hausjargon es ausdrückte, hieß, daß man normalerweise auf dem Weg zu mehr Verantwortung war, doch im Gegensatz zu den diversen anderen Zweiunddreißigjährigen, die das Gebäude mit ihren Erwartungen und Hoffnungen bevölkerten, lebte ich mit dem schwerwiegenden Nachteil meines Namens. Aus Angst vor dem Vorwurf der Vetternwirtschaft ließ der Vorstand mich jede Beförderung zweimal verdienen.

»Danke«, sagte ich neutral.

Er lächelte ein wenig. »Fragen Sie um Rat«, sagte er, »wann immer Sie welchen brauchen.«

Ich nickte. Seine Worte waren nicht als Herabsetzung gemeint. Jeder bei Ekaterin fragte die ganze Zeit um Rat. Verständigung zwischen Leuten und zwischen Abteilungen war eine unbedingte Priorität im Kodex Henry Shiptons, und er war es, der einen Haufen kleiner Büros abgeschafft hatte, um offene Großräume zu bilden. Er selbst saß stets an einem (recht gewaltigen) Schreibtisch in einem Raum, der noch acht ähnliche [18] enthielt. Der seine auf einer Seite flankiert von dem des Vizepräsidenten und auf der anderen vom Chef der Beteiligungsfinanzierung. Weitere Direktoren anderer Abteilungen nahmen eine Reihe gleicher Schreibtische gegenüber ein, sämtlich in bequemer Hörweite voneinander.

Wie bei allen Handelsbanken, lief das von Ekaterin betriebene Geschäft anders und getrennt von dem, das die Highstreet-Kette der Clearingbanken tätigte. Bei Ekaterin bekam man niemals wirklich Geld zu sehen. Es gab keine Kassierer, keine »Bankbeamten«, keine Schalter, keine Einzahlungen, keine Abhebungen und kaum irgendwelche Scheckbücher.

Es gab drei Hauptabteilungen, jede mit ihrer gesonderten Funktion und jede auf ihrer eigenen Etage des Gebäudes. Beteiligungsfinanzierung half Großkunden bei Fusionen, Übernahmen und bei derKapitalbeschaffung. Kredite, wo ich mit Gordon arbeitete, lieh Geld an Unternehmen und Industrie. Und Anlagen, die älteste und größte Abteilung, trachtete danach, die bestmöglichen Erträge aus den umfangreichen Investmentfonds von Stiftungen, Firmen, Pensionskassen, Trusts und Gewerkschaften zu erzielen.

Es gab noch mehrere kleine Sektionen wie Verwaltung, die jedermanns Schreibarbeit erledigte; wie Immobilien, die kaufte, verkaufte, entwickelte und verpachtete; wie Recherchen, die sich umhörte; wie Übersee-lnvestments, die schnell wuchs; und wie Devisen, wo etwa zehn rasende junge Hexenmeister Weltwährungen in Minutenschnelle kauften und verkauften, Millionen mit Dezimalstellen-Margen riskierten und mit vierzig ausgebrannt waren.

Das Leben der dreihundertundfünfzig Leute, die für Ekaterin arbeiteten, war darauf abgestellt, Geld zum Arbeiten zu bringen. In der Hauptsache auf die Produktion von Handel, Geschäft, Industrie, Renten und Arbeitsstellen. Es war nichts Schlechtes, vom Wert dessen, was man tat, überzeugt zu sein, und sicherlich [19] gab es einen haltbaren Grundkonsens im Haus, der unerschüttert von den Spannungen an der Oberfläche, den Eifersüchteleien und Territorialquerelen des Büroalltags bestehen blieb.

Die Dinge hatten sich bereits weiterentwickelt, als der Präsident und ich zum Schwarm zurückkehrten. Der Präsident wurde gleich in der Eingangshalle von einer besorgt wartenden Gestalt aus der Beteiligungsfinanzierung angefallen, und oben in der Kreditabteilung kicherte Alec in seine Schreibunterlage.

Alec, so alt wie ich, litt, beruflich gesprochen, an einem unkontrollierbaren Hang zur Leichtfertigkeit. Er erfrischte das Büro unaufhörlich, da jedoch Hofnarren es selten bis zum Thron brachten, war seine Laufbahn schon jetzt merkbar schlagseitig und sprunghaft. Der Rest von uns war vermutlich hoffnungslos verstaubt. Gott sei gedankt, dachte ich oft, daß es Alec gibt.

Er hatte ein ebenmäßiges Gesicht mit verstreuten Sommersprossen auf blasser Haut, eine hohe Stirn, eine verfilzte Masse dichter flachsfarbener Locken. Dicke blonde Wimpern blinzelten über wachen blauen Augen hinter goldgerahmter Brille, und sein Mund zuckte gern, wenn er die komische Seite einer Sache entdeckte. Fast jeder mochte ihn auf Anhieb, und erst nach und nach wunderte man sich, ob der Prüfer in Oxford, der ihm eine Eins in Jura zuerkannt hatte, an Blindheit gelitten habe.

»Was ist los?« fragte ich und lächelte unwillkürlich, um das Gekicher einzuholen.

»Wir haben eine undichte Stelle.« Er hob den Kopf und tippte auf die Zeitung, die auf seinem Schreibtisch lag. »Meine Güte«, sagte er mit hämischem Vergnügen, »das kam hier vor einer Stunde, und es scheint, wir sind undicht wie eine durchlöcherte Blase. Wie ein Baby. Wie die Feuerwehr.«

Undicht wie die Feuerwehr… nun ja.

Er hielt die Zeitung hoch, und alles, jedenfalls eine ganze Menge, war erklärt. Vor kurzem war eine dünne zweimonatliche Publikation aufgetaucht mit dem Titel Was läuft, wo es nicht [20] sollte, die flugs die Aufmerksamkeit des größten Teils der Nation auf sich gelenkt hatte und von der Polizei, wie es hieß, gierig verschlungen wurde. Als Abkömmling des forschungseifrigen Journalismus, den Watergate nach sich gezogen hatte, wurde Was läuft, wo… angeblich geradezu von Informanten bombardiert, die haargenau verrieten, was lief, und die Zeitung brauchte nur noch den Wahrheitsgehalt der Informationen zu ermitteln; eine Aufgabe, die sie bekanntermaßen nicht immer gründlich erfüllte.

»Was steht drin?« fragte ich.

»Wenn man die lustigen Seitenhiebe wegläßt«, sagte er, »steht drin, daß irgend jemand bei Ekaterin interne Informationen verkauft hat.«

»Verkauft…«

»Ganz recht.«

»Über eine Übernahme?«

»Woher weißt du das?«

Ich dachte an den Mann aus den Verbundfinanzen, der vor Ungeduld von einem Bein aufs andere gehüpft war, während er auf die Rückkehr des Präsidenten wartete, und wußte, daß nichts als höchste Dringlichkeit ihn runter an die Tür gebracht hätte.

»Zeig her«, sagte ich und nahm Alec die Zeitung ab.

Der lediglich »Ts, ts« überschriebene Artikel umfaßte nur vier Abschnitte. In den drei ersten wurde mit verführerischer Autorität erklärt, daß in Handelsbanken die Manager von Investmentfonds die Möglichkeit hätten, schon in einer frühen Phase Kenntnis von einer Übernahme zu bekommen, die seine Kollegen vorbereiteten. Es sei allerdings völlig illegal für einen Manager, aufgrund dieses Insiderwissens zu handeln, auch wenn er damit seinen Kunden ein Vermögen verschaffen könne.

Die Aktien einer Gesellschaft, die vor einer Übernahme stand, stiegen wahrscheinlich im Wert. Wenn man sie zu einem niedrigen Preis kaufen könne, bevor auch nur das Gerücht einer Übernahme aufkam, seien gewaltige Gewinne möglich.

[21] Ein solch unprofessionelles Verhalten von seiten einer Handelsbank würde wegen der gemachten Profite sofort erkannt, und kein Investmentmanager würde sich in dieser Weise der persönlichen Katastrophe aussetzen.

Doch siehe da (fragte der Artikel), was läuft in der Handelsbank Paul Ekaterin Ltd.? Dreimal im letzten Jahr ist man Übernahmen, die von dieser renommierten Firma geleitet wurden, durch energischen Erwerb der betreffenden Aktien zuvorgekommen. Der Erwerb selbst kann nicht zu den Investmentmanagern Ekaterins zurückverfolgt werden, doch wir sind unterrichtet, daß die Informationen aus dem Hause Ekaterin kamen und daß da jemand die goldene Nachricht verkauft hat, entweder gegen bares Geld oder einen Anteil am Gewinn.

»Es ist eine reine Vermutung«, sagte ich entschieden und gab Alec die Zeitung zurück. »Da sind überhaupt keine Fakten.«

»Ein Eimer kaltes Wasser«, nörgelte er, »ist ein Sonnentag im Vergleich mit dir.«

»Möchtest du, daß es stimmt?« fragte ich neugierig.

»Würde den Laden doch ein bißchen beleben.«

Und da, dachte ich, lag der Unterschied zwischen Alec und mir. Für mich war der Laden die ganze Zeit lebendig, obwohl ich vor acht Jahren wider Willen dort gelandet war, weil mein Onkel mich dazu gezwungen hatte. Meine Mutter war damals bankrott gewesen, und ihre Wohnung wurde vom Gerichtsvollzieher bis auf das Telefon (Eigentum der Post) und ein Bett ausgeräumt. Die Pleite meiner Mutter war, wie mein Onkel und ich wohl wußten, ohne Zweifel ihr eigenes Verschulden. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, seine erpresserische Zange anzulegen.

»Ich begleiche ihre Schulden und zahle ihr eine Rente, wenn du kommst und in der Bank arbeitest.«

»Aber ich will nicht.«

[22] »Das weiß ich. Und ich weiß, du bist blöd genug, sie selbst unterstützen zu wollen. Aber wenn du’s machst, wird sie dich ruinieren, wie sie deinen Vater ruiniert hat. Gib nur der Bank eine Chance. Wenn du sie in einem Vierteljahr immer noch haßt, laß ich dich gehen.«

Also zog ich mit störrischer Auflehnung aus, um den Weg meines Urgroßvaters, meines Großvaters und meines Onkels zu beschreiten, und innerhalb von drei Monaten hätte man mich mit einer Brechstange loseisen müssen. Wahrscheinlich steckte es mir im Blut.

Die ganze großkotzige Teenagerverachtung fürs »Geldraffen«, die ganze hochnäsige Mißbilligung meiner Studentenzeit, die ganzen negativen Einstellungen, die mein verkrachter Vater mir vererbte – alles hatte sich in Verständnis aufgelöst, in Interesse und schließlich Begeisterung. Die Kunst des Geldmanagements hatte mich jetzt gepackt wie einen Süchtigen, und mein Berufsleben war so erfüllend, wie nur ein Sterblicher erwarten konnte.

»Was glaubst du, wer es war?« sagte Alec.

»Falls es jemand war.«

»Es muß passiert sein«, sagte er überzeugt. »Dreimal im letzten Jahr… das ist mehr als ein Zufall.«

»Und ich wette, daß dieser Zufall alles ist, wovon die Zeitung ausgeht. Die klopfen Sprüche. Werfen einen Köder aus. Die sagen ja nicht mal, welche Übernahmen sie meinen, geschweige denn nennen sie Zahlen.«

Aber wahr oder nicht, die Story allein war schlecht für die Bank. Kunden würden schleunigst abspringen, wenn sie kein Vertrauen mehr haben konnten, und Was läuft, wo… hatte oft genug recht, um Unruhe zu stiften. Henry Shipton verbrachte den größten Teil des Nachmittags damit, im Konferenzsaal eine Krisensitzung des Vorstands zu leiten, von wo sich kleine Wellen des Unbehagens durch sämtliche Abteilungen ausbreiteten. Bis zum Feierabend hatte so gut wie jeder im Gebäude die [23] Zeitung gelesen, und wenn auch manche es so fröhlich aufnahmen wie Alec, hatte es doch die Wirkung, die Spekulation beinahe vollständig von Gordon Michaels abzulenken.

Nur zweimal ließ ich mich über »Grippe« und Tabletten aus: Nur zwei Leute fragten. Wenn am Ruf der Bank selbst gerüttelt wurde, wen kümmerte da ein Hopser in den Zierbrunnen – selbst wenn der Badende alle Kleider angehabt hatte und ein Direktor der Kreditabteilung war.

Am nächsten Tag stellte ich fest, daß Gordons Stelle zu vertreten, kein leichtes Spiel war. Bis dahin hatte er mir nach und nach die Entscheidungsgewalt über Anleihen bis zu einem bestimmten Umfang übertragen, alles Größere aber lag ganz allein in seiner Zuständigkeit. Innerhalb meines Rahmens konnte ich also jeden Kredit vermitteln, vorausgesetzt, ich hielt den Kunden für zuverlässig und für fähig, Kapital und Zinsen in angemessenen Raten zurückzuzahlen. Doch wenn ich falsch entschied, und der Kunde ging bankrott, verloren die Geldgeber sowohl ihr Geld als auch ihren Glauben an meinen gesunden Menschenverstand. Da die Geldgeber ziemlich oft die Bank selbst waren, durfte mir das nicht zu häufig passieren.

In Anwesenheit Gordons war das Ausmaß meiner möglichen Debakel immerhin begrenzt gewesen. Für ihn jedoch existierte ein Maximum kaum, wenn es bei Millionenkrediten für ihn auch normal war, sich mit anderen im Vorstand zu beraten.

Diese zwanglosen Beratungen, die schon durch die Großraumstruktur erleichtert wurden, erstreckten sich auch gern über das Mittagessen, das die Direktoren meist gemeinsam in ihrem separaten Speisesaal einnahmen. Es war Gordons Gewohnheit, um fünf vor eins mit erfreuter Miene auf seine Uhr zu sehen und sich freundlich in Richtung eines Tomatensafts und Lammbratens zu entfernen. Eine Stunde später kehrte er dann mit klarem Kopf und getroffenem Entschluß zurück.

[24] Mir war Gordons Arbeit übertragen worden, aber nicht sein Sitz im Vorstand, deshalb kam ich nicht in den Genuß der Mittagessen, und da er selbst der Ranghöchste auf unserer grünen Büroweide gewesen war, stand sonst niemand seines Formats unmittelbar zur Verfügung. Alecs Rat neigte dazu, zwischen scharfsichtiger Brillanz und aberwitziger Verwegenheit zu schwanken, doch man war nie ganz sicher, wie der Fall gerade lag.

Gordon pflegte daher Alec nur ziemlich klare Fälle anzuvertrauen und die weniger klaren mir. Einmal hatte er lächelnd bemerkt, daß dieser Job einem entweder die Nerven stählte oder sie aufrieb, was ich damals ein wenig überspannt gefunden hatte. Ich begriff jedoch, was er meinte, als ich mich ohne ihn vor eine Aufgabe gestellt sah, die unangerührt auf seinem Schreibtisch lag: ein Antrag auf finanzielle Unterstützung für eine Serie von Zeichentrickfilmen.

Es war allzu einfach, Sachen abzulehnen… und vielleicht einen Geniestreich wie die Peanuts oder Mickymaus zu verpassen. Ein großer Teil der Bankprofite kam von den Zinsen, die Kreditnehmer zahlten. Wenn wir nichts verliehen, verdienten wir nichts. Alles war offen. Ich griff zum Telefon und lud den hoffnungsvollen Trickfilmer ein, mit seinen Angeboten in die Bank zu kommen.

Die meisten von Gordons Projekten waren halbwegs durch, sein größtes im Moment hieß 3,4 Millionen für den Ausbau einer Kuchenfabrik. Daran hatte ich ihn eine Woche lang arbeiten hören, deshalb machte ich einfach an der Stelle weiter, wo er aufgehört hatte. Ich rief Leute an, die manchmal Kapital zu vergeben hatten, und fragte, ob sie interessiert seien, für ein Stück hausgemachtes Paradies zu zeichnen. Die Bank selbst lieh Gordons Liste zufolge nur dreihunderttausend, weshalb ich mich fragte, ob er insgeheim damit rechnete, daß das Volk wieder mehr zum Brotessen überging.

[25] Außerdem lag, diskret in einem Hefter versteckt, eine Glanzprospektwerbung für die Beteiligung an einem Multimillionenprojekt in Brasilien, auf die Gordon mit Bleistift ein Heer von Fragezeichen und zwei Gewissensfragen gekritzelt hatte: Sollen wir oder nicht? Denk an die Brasilia-Pleite! Ist Kaffee genug? Oben auf der Titelseite stand in Rot ein Nichts-wie-ran-Memo: Vorläufige Antwort bis Freitag.

Es war schon Donnerstag. Ich nahm den Prospekt und ging rüber in das andere und größere Büro am Ende des Gangs, wo Gordons Beinah-Gleichgestellter an einem der sieben Schreibtische saß. Auch hier war der Teppichboden üppig und entsprachen die Möbel den Beträgen, mit denen man sich hier befaßte. Nur der Blick aus den Fenstern war anders. Kein Brunnen, sondern die sonnenbeschienene Kuppel der St.-Pauls-Kirche, die sich wie ein Fabergé-Ei aus dem steinernen Rautenmuster der City erhob.

»Problem?« fragte Gordons Beinah-Gleichgestellter. »Kann ich helfen?«

»Wissen Sie, ob Gordon vorhatte, damit weiterzumachen?« sagte ich. »Sprach er davon?«

Gordons Kollege sah den Prospekt durch und schüttelte den Kopf. »Wer ist denn noch bei Ihnen heute?«

»Nur Alec. Ich habe ihn gefragt. Er weiß es nicht.«

»Wo ist John?«

»Im Urlaub. Und Rupert ist wegen seiner Frau weg.«

Der Kollege nickte. Ruperts Frau lag im Sterben; grausam mit sechsundzwanzig.

»Ich würde es herumzeigen«, riet er. »Sehen, ob Gordon in Recherchen, in Übersee oder sonstwo seine Fühler ausgestreckt hat. Bilden Sie sich selbst ein Urteil. Wenn Sie dann glauben, daß es sich lohnt, dranzubleiben, gehen Sie damit zu Val und Henry.« Val war der Chef der Kreditabteilung, und Henry war Henry Shipton. Ich sah, daß es wirklich ein großer Schritt nach oben [26] war, Gordons Arbeit zu machen, und wußte nicht genau, ob ich froh oder traurig darüber sein sollte, daß die Beförderung nur vorübergehend war.

Den ganzen Nachmittag wanderte ich mit dem Prospekt herum und erfuhr dabei weniger über Brasilien als über die Aufregung wegen des Berichts in Was läuft, wo… Seelenforschung war offenbar in Mode. Lange Gesichter erkundigten sich ängstlich: »Könnte man möglicherweise… ohne es zu wissen… einer interessierten Partei gegenüber etwas von einer Übernahme erwähnt haben?« Und die kurze Antwort darauf, schien mir, war nein, man konnte nicht. Geheimhaltung war Bankern allerorts zweite Natur.

Wenn der Artikel in der Zeitung stimmte, mußten drei Personen beteiligt sein: der Verkäufer, der Käufer und der Informant; und zweifellos konnten weder der Käufer noch der Informant in Unkenntnis oder rein zufällig gehandelt haben. Habgier und böser Vorsatz regten sich wie Würmer im Dunkeln. Wenn man von ihnen befallen war, wußte man es.

Gordon schien niemanden nach Brasilien gefragt zu haben, und für mich war es Zeit zur Entscheidung. Es wäre hilfreich gewesen zu wissen, was die anderen Handelsbanken dachten, die sechzehn britischen Diskonthäuser wie Schroders, Hambro, Morgan Grenfell, Kleinwort Benson, Hill Samuel, Warburg, Robert Fleming, Singer und Friedlander, die alle wie Ekaterin davon ausgehen durften, daß die Bank von England ihnen in einer Krise zu Hilfe kommen würde.

Gordons Kollegen in diesen Banken würden alle gerade über dem gleichen Prospekt die Lippen schürzen: Millionen in ein fruchtbares Unternehmen stecken, Millionen zum Fenster hinauswerfen. Die eine oder die andere Fehlentscheidung vermeiden.

Welche?

Man konnte schwerlich direkt fragen, und es über Flüsterparolen herauszufinden, brauchte etwas mehr Zeit.

[27] Ich ging mit dem Prospekt schließlich zu Val Fisher, dem Leiter der Kreditabteilung, der für gewöhnlich an einem der Schreibtische gegenüber Henry Shipton saß, zwei Etagen höher.

»Nun, Tim, wie ist denn Ihre Ansicht?« sagte er. Ein untersetzter Mann, sehr gewandt, sehr charmant, mit Nerven wie gehärtetes Eis.

»Gordon hatte offensichtlich Bedenken«, sagte ich. »Ich weiß nicht genug über das Vorhaben, und anscheinend auch niemand sonst hier. Ich denke, wir könnten entweder eine vorläufige Antwort mit vorsichtigem Interesse geben und dann ein bißchen mehr rausfinden oder aber einfach Gordons Instinkt vertrauen.«

Er lächelte leise. »Was von beidem?«

Ja, was?

»Gordons Instinkt vertrauen«, sagte ich.

»Gut.«

Er nickte, und ich ging und schrieb einen höflichen Brief an die Leute in Brasilien, in dem ich Bedauern ausdrückte. Und ich würde auf sechs oder sieben Jahre wahrscheinlich nicht wissen, ob die Entscheidung richtig oder falsch war.

Diese Glücksspiele waren alle langfristig. Man warf sein Brot in die Wellen und hoffte, es würde in der Zukunft mit Butter und Marmelade drauf angeschwemmt.

Schimmel… zu schade.

[28] Das erste Jahr

Juni

Gordon rief drei Wochen später an und klang völlig gesund und wohlauf. Ich warf einen Blick auf seinen Schreibtisch, der stumm und leer dastand, weil der ganze Papierkrieg jetzt auf meinem stattfand.

»Judith und ich wollten Ihnen danken…«, begann er.

»Wirklich nicht nötig«, sagte ich. »Wie geht es Ihnen?«

»Verlorene Zeit. Es ist lächerlich. Na, egal, wir haben eine halbe Loge in Ascot für nächsten Donnerstag angeboten bekommen. Wir dachten, es könnte Spaß machen… Wir haben sechs Plätze. Möchten Sie hinkommen? Als unser Gast natürlich. Als ein Dankeschön.«

»Liebend gerne«, sagte ich. »Aber…«

»Kein aber«, unterbrach er. »Wenn Sie Lust haben, regelt Henry das. Er kommt selbst mit. Er fand auch, daß Sie einen freien Tag verdient hätten, Sie brauchen sich also nur noch zu entschließen.«

»Dann käme ich sehr, sehr gern.«

»Gut. Wenn Sie keinen Cut haben, seien Sie unbesorgt. Wir sind nicht in den königlichen Logen.«

»Wenn Sie einen tragen… ich habe den meines Vaters geerbt.«

»Aha. Gut. Also dann. Donnerstag ein Uhr, zum Lunch. Ich schicke Ihnen die Eintrittskarten ins Büro. Judith und ich freuen uns beide sehr, daß Sie kommen können. Wir sind sehr dankbar. Sehr.« Er klang plötzlich halb verlegen und brach mit einem Klicken die Verbindung ab.

Ich hätte gern gewußt, wie weit er sich noch an die weißen [29] Gesichter erinnerte, aber mit Alec und Rupert und John sämtlich in Hörweite war es unmöglich gewesen zu fragen. Vielleicht würde er es mir bei den Rennen erzählen. Vielleicht auch nicht.

Zum Pferderennen ging ich jetzt nur noch selten, obwohl ich als Kind unzählige Nachmittage damit verbracht hatte, in der Nähe der Totalisatorschlangen zu warten, während meine Mutter in genüßlicher Qual auf ihre Dutzende von Ahnungen und Goldgruben und Fallgruben und Ferner-Liefen setzte und tonnenweise Geld verlor.

»Ich hab’ gewonnen!« verkündete sie dann strahlend den Umstehenden, indem sie ein unbestreitbares Siegticket schwenkte: Und das Bündel Miese aus demselben Rennen wurde in eine Tasche gestopft und später weggeworfen.

Mein Vater gab zur gleichen Zeit in der Bar Drinks aus. Ein liebenswürdiger, spendabler Säufer, mit mehr Gutmütigkeit als Verstand. Gegen Abend nahmen sie mich dann glücklich miteinander kichernd in einem samt Fahrer gemieteten Rolls mit nach Hause, und bis ich schon recht alt war, zweifelte ich nie daran, daß dieser zufriedene Wohlstand auf Fels gebaut war.

Ich war ihr einziges Kind gewesen, und sie hatten mir eine sehr gute Kindheit geschenkt in dem Sinne, daß ich, wenn ich an Ferien dachte, Yachten auf warmen Meeren oder Weihnachten in den Alpen meinte. Der Bösewicht jener Zeit war mein Onkel, der dann und wann über uns herfiel, um düstere Warnungen darüber auszustoßen, daß sein Bruder (mein Vater) einen Beruf ergreifen müsse.

Mein Vater jedoch konnte sich zur »Geldrafferei« nicht entschließen und besaß ohnehin keine echten Fähigkeiten in irgendwelcher Richtung. Er, der keinerlei Sinn für Arbeit hatte, verachtete im stillen die anderen. Er wurde seines Lebens in süßem Nichtstun niemals müde, und wenn er sich niemandes Respekt verdiente, gab es andererseits auch wenige, die ihn verabscheuten. Ein schwacher, freundlicher, unintelligenter Mann. [30] Als Vater nicht schlecht. Zu viel mehr aber nicht zu gebrauchen.

Er erlag einem Herzanfall, als ich neunzehn war, und damals wurde der Sinn der düsteren Warnungen offenbar. Er und meine Mutter hatten von dem ererbten Kapital meines Großvaters gelebt, und es war nicht mehr viel davon übrig. Gerade genug, um mich durch das College zu schleusen; wenn man achtgab, genug, um meiner Mutter ein kleines Einkommen auf Lebenszeit zu sichern.

Nicht genug allerdings, um ihre Wettgewohnheiten zu finanzieren, die sie nicht aufgeben wollte oder konnte. Eine Menge weiterer düsterer Warnungen blieb unbeachtet, so daß schließlich, während ich auf längst verlorenem Posten noch tapfer kämpfte, indem ich (ausgerechnet!) für einen Buchmacher arbeitete, der Gerichtsvollzieher bei uns an die Tür klopfte.

In fünfundzwanzig Jahren hatte meine Mutter offensichtlich den größten Teil einer halben Million Pfund verspielt; alles war draufgegangen für Pferde, schnelle und langsame. Das hätte mir wohl ganz und gar den Rennsport verekeln können, doch seltsamerweise hatte es das nicht. Ich erinnerte mich daran, wie sehr sie und Vater sich amüsiert hatten: Und wer wollte sagen, es sei ein schlecht durchgebrachtes Vermögen?

»Gute Neuigkeit?« fragte Alec, indem er meinen zweifellos ambivalenten Gesichtsausdruck musterte.

»Gordon fühlt sich besser.«

»Hm«, sagte er verständnisvoll. »Das sollte er auch. Drei Wochen frei wegen ›Grippe‹…«Er grinste. »Bißchen überzogen.«

Ich gab ein unverbindliches Grunzen von mir.

»Wir wollen froh sein, wenn er zurückkommt, was?«

Ich blickte in sein belustigtes, spöttisches Gesicht und sah, er wußte ebensogut wie ich, daß ich, wenn Gordon erschien, um sein Reich wieder in Besitz zu nehmen, keineswegs nur erfreut sein würde. Gordons Arbeit zu leisten, hatte mich nach dem [31] ersten atemberaubenden Sprung mit starken Gefühlen von Kraft und Gesundheit erfüllt; ich war Treppen hinaufgerannt, hatte im Bad gesungen und alle Symptome einer Liebesaffäre gezeigt; und wie so manche Liebschaft konnte das die Rückkehr des Ehemanns nicht überstehen. Ich fragte mich, wie lange ich wohl auf eine neue Chance dieser Art warten mußte und ob ich das nächste Mal ebenso berauscht sein würde.

»Glaub nicht, ich hätte es nicht bemerkt«, sagte Alec. Seine Augen flimmerten blau hinter der goldgerahmten Brille.

»Was bemerkt?« fragte Rupert und hob den Kopf über Papieren, die er seit neunzig Minuten blind anstarrte.

Zurück vom Tod und der Beerdigung seiner hübschen Frau, hatte Rupert noch immer einen verschleiert abwesenden Blick und neigte dazu, laufenden Gesprächen hinterherzuhinken. In den zwei Tagen seit seiner Rückkehr hatte er keine Briefe geschrieben, keine Anrufe getätigt, keine Entscheidungen getroffen. Aus Mitgefühl mußte man ihm Zeit lassen, und Alec und ich erledigten weiterhin heimlich seine Arbeit, ohne daß er es mitbekam.

»Nichts«, sagte ich.

Rupert nickte zerstreut und sah wieder herunter, ein Automat in seinem zehrenden Kummer. So schmerzlich, dachte ich, hatte ich nie jemand geliebt. Ich hoffte auch wohl, daß ich es niemals würde.

John, der ebenfalls frisch zurückgekommen war, allerdings aus dem Urlaub, glühte von einem noch roten Sonnenbrand und hatte Mühe, die grellen Details seiner sexuellen Abenteuer in die kurzen Pausen zu packen, während denen sich Rupert im Waschraum befand. Weder Alec noch ich schenkten Johns Heldensagen jemals Glauben. Aber Alec fand sie immerhin lustig. Ich nicht. Mir schien da ein Element von Frauenhaß verborgen, als sei jede besungene Inbesitznahme (real oder nicht) ein Ausdruck von Gehässigkeit. Er gebrauchte nicht direkt das Wort Besitz. Er sagte »vernascht«, »gepimpert« und »hab’ ich’s der [32] Kleinen besorgt«. Ich mochte ihn nicht besonders, und er hielt mich bestimmt für einen eingebildeten Affen; wir waren höflich im Büro und gingen nie zusammen zum Lunch. Er war von uns allen der einzige, der Gordons Rückkehr ungeduldig entgegensah, denn er konnte seine Bestürzung nicht verhehlen, daß ich es war, der die leeren Schuhe ausfüllte, und nicht er.

»Natürlich, wenn ich hier gewesen wäre…«, sagte er mindestens einmal am Tag. Alec berichtete, man hätte ihn gegenüber Gordons Beinah-Gleichgestelltem drüben im Gang äußern hören, daß jetzt, wo er, John, zurück sei, Gordons Arbeit ihm übertragen werden solle.

»Hast du es selbst gehört?« fragte ich überrascht.

»Sicher. Und ihm wurde in deutlichen Worten erklärt, daß der Boss persönlich dir das grüne Licht gegeben hat und daß er, John, gar nichts daran ändern kann. Unser Casanova war ziemlich eingeschnappt. Meint, das wär’ doch alles nur, weil du bist wer du bist und so weiter.«

»Scheiß auf ihn.«

»Lieber du als ich.« Er lachte leise in seine Schreibunterlage und griff zum Telefon, um Förderer für eine Kanalisations- und Kläranlage in Norfolk zu finden.

»Wußtest du«, sagte er im Plauderton, während er eine Nummer wählte, »daß es so wenige Rieselfelder in West-Berlin gibt, daß sie den Ost-Berlinern was bezahlen, um den Überschuß loszuwerden?«

»Nein.«Ich wollte es auch nicht unbedingt wissen, doch wie üblich war Alec voller unnützer Informationen und besessen von dem Drang, sie weiterzugeben.

»Die Ost-Berliner nehmen das Geld und laden das Zeug auf dem offenen Ackerland ab. Unbehandelt, wohlgemerkt.«

»Sei doch still«, sagte ich.

»Ich hab’s gesehen«, sagte er. »Und gerochen. Absolut widerlich.«

[33] »Es war vermutlich Dünger«, sagte ich, »und was hast du in Berlin getrieben?«

»Besuch bei Nofretete.«

»Die mit dem einen Auge?«

»Mein Gott ja, ist es nicht ein Schock? Oh… hallo…« Er bekam Verbindung mit seiner potentiellen Geldquelle und erklärte viel zu lange und mit einer gewissen Wonne die Notwendigkeit zusätzlicher Einrichtungen zur Rückverwandlung des Abwassersumpfes, der die Seen und Flüsse im Südosten ruinierte. »Natürlich kein Konflikt mit einem Wasserwerk zu befürchten.« Er hörte zu. »Dann nehm’ ich Sie rein, ja? Gut.« Er kritzelte eifrig und legte schließlich auf. »Kinderleicht diesmal. Umwelt und so. Spricht das Gefühl an.«

Ich raffte einen Stoß meiner eigenen Schriftsachen zusammen, die alles andere als kinderleicht waren, und ging damit hoch zu Val Fisher, der zufällig fast allein in dem großen Büro war. Henry Shipton, so schien es, war unterwegs auf einem seiner häufigen Ausflüge durch die anderen Abteilungen.

»Es ist ein Trickzeichner«, sagte ich. »Kann ich Sie um Rat fragen?«

»Schieben Sie’n Stuhl ran.« Val nickte und winkte einladend, und ich setzte mich neben ihn, breitete die Unterlagen aus und ließ mich über den rundum vernünftigen Künstler aus, mit dem ich zwei Wochen zuvor drei Stunden zugebracht hatte.

»Er hat von seiner lokalen Bank und bis jetzt von drei Häusern wie uns Absagen bekommen«, sagte ich. »Er hat kein verwertbares Vermögen, keine Sicherheit. Er wohnt zur Miete und kauft sich einen Wagen auf Raten. Wenn wir ihn finanzierten, wäre es auf Vertrauen.«

»Hintergrund?« fragte er. »Referenzen?«

»Ziemlich solide. Sohn eines Vertriebsleiters. An der Kunstschule hatte er den Ruf eines echten Talents. Ich sprach mit dem Rektor. Der Filialleiter seiner Bank bescheinigte ihm [34]