Roland Habersetzer

Bubishi

An der Quelle des Karatedô

Mit den 32 Formen des Kaisers Song Taizu

Aus dem Französischen
von Frank Elstner

Palisander

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Widmung

Der Autor

Illustrationen

Danksagungen

Vorbemerkung zur 3. deutschsprachigen Auflage

Die 32 Formen des „Boxens des Kaisers Song Taizu“

Die Bibel der Kampfkunst der „leeren Hand“

I Einführung in die Untersuchung einer Reliquie: Vom chinesischen Shaolin quan zum japanischen Karatedô

Das „fehlende Bindeglied“

Ein geheimes Dokument

Die Ursprünge: vom ersten zum zweiten Bubishi

Die Verbreitung: die Verbindung zwischen China und Okinawa

Kumemura: die Eingangspforte

Pilgerfahrten zur chinesischen Quelle

Zum neuen Kara des Karatedô

II Die 32 Formen des Kaisers Song Taizu

Lange vor dem okinawanischen Bubishi

Die 32 Kampfhaltungen des Kaisers Song Taizu

III Die Lehren des Bubishi

Die 48 Nahkampftechniken

Die Vitalpunkte und die „vergiftete Hand“

Die Technik des Dianxue

Die Haupt-Xue

Die Schule des Weißen Kranichs von Fujian

Baihequan (Hakutsuru ken): Der Kampfstil des Weißen Kranichs

Die Hakufa no kata

IV Der verlorene und wiederentdeckte Schatz: Die Happoren no kata

Zur Geschichte

Zur Technik

Was wäre, wenn

V Anhang – Die Einleitung zu den 32 Formen des Kaisers Song Taizu

Die Einleitung des Quan Jing Bian

Das Vorwort

Das Prinzip der acht Methoden und der Hong-Quan-Stil

Der Haupttext der Einleitung des Ji Xiao Xin Shu

Die abschließenden Ausführungen Qi Jiguangs

Anmerkungen

Der Verlag dankt Sven Hensel, Oliver Siegemund, Conrad Kassebaum und Janett Kühnert vom Chemnitzer Karateverein und Franz Scheiner, Mitglied des CRB aus Würzburg, für die fachliche Unterstützung bei der Redaktion. Weiterhin dankt der Verlag Maik Albrecht, Wuhan (China), für die Übersetzung und Kommentierung der Einleitung des 14. Kapitels des Ji Xiao Xin Shu und seine Anmerkungen zu den 32 Formen aus diesem Werk.

3., erweiterte Auflage 2009

Titel der Originalausgabe:

Bubishi – à la source des karaté do

© 1995 by Éditions Amphora s.a., Paris

Deutsch von Frank Elstner

© 2004/​2009 by Palisander Verlag, Chemnitz

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlaggestaltung: Anja Elstner

Redaktion & Layout: Viola Börner und Frank Elstner

Illustrationen: Roland Habersetzer, Archiv Roland Habersetzer

Fotos: Gabrielle Habersetzer, Archiv Roland Habersetzer

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2013

ISBN 9783938305386

www.palisander-verlag.de

Für Ôtsuka Tadahiko Sensei,

ohne den ich nicht von der Quelle hätte trinken können;

ihm gilt mein Dank.

All jenen, die durstig sind;

ihnen gilt meine Ermutigung.

R. H.

Der Autor

Roland Habersetzer, Jahrgang 1942, ist seit 1957 Praktizierender der Kampfkünste. Bereits 1961 erhielt er den 1. Dan und wurde so zu einem der ersten französischen „Schwarzgurte“ im Karate. Zu recht wird er sowohl als Spezialist der japanischen Kampfkünste (Budô) als auch der chinesischen (Wushu) angesehen. Nachdem er verschiedene Graduierungen in Frankreich, Japan und China erhalten hatte, wurde Roland Habersetzer im April 2006 in Japan durch O-Sensei Ogura Tsuneyoshi (Schüler von Yamaguchi Gôgen und von Gima Makoto) der 9. Dan, Hanshi, sowie der Titel eines Sôke (Meister-Gründer) für seinen eigenen Kampfkunststil „Tengu no michi“ (Tengu ryû Karatedô, Kobudô, Hôjutsu) verliehen. Diese Graduierungen und Titel wurden durch Tadahiko Ôtsuka vom Tokioter Gôjûkensha (anerkannter Meister des Gôjû ryû, des Naha te und des Shuri te und direkter Schüler von Higa Yûchoku, von welchem er den Titel des Hanshi erhalten hat) bestätigt. Damit wurden seine außerordentlichen Bemühungen bei der Verbreitung der Kampfkünste und die hohe Effektivität seines Wirkens gewürdigt. Bestätigt wurde hierdurch ebenfalls der Sinn, den Roland Habersetzer stets in den nunmehr über 50 Jahren seiner Kampfkunstpraxis und in seinem Engagement für eine authentische Tradition gesehen hat, einer Tradition, die im Zeichen des größten Respekts vor den Stufen „Shu“, „Ha“ und „Ri“ steht. Schließlich stellt dies auch die Legitimierung seines eigenen Konzepts der Praxis der Kampfkünste dar, des „Weges des Tengu“ („Tengu no michi“).

Im Jahre 1968 erschien sein erstes populärwissenschaftliches Buch über die Kampfkünste. Heute besteht sein Werk aus über 70 Büchern, was ihn zum Autor der weltweit bedeutendsten Buchreihe auf diesem Gebiet werden läßt. Seine Bücher, die in mehrere Sprachen übersetzt worden sind, gelten in allen frankophonen Ländern als historisches, technisches und pädagogisches Standardwerk. Auch in vielen anderen Ländern besitzen sie hohes Ansehen.

Schon frühzeitig zeigte sich Roland Habersetzer enttäuscht von der Tendenz des Karate, sich von einer Kampfkunst zur Sportart zu entwickeln. Daher gründete er 1974 das Centre de Recherche Budo (CRB), eine internationale, unabhängige Organisation, die zahlreiche Budôka zusammengeführt hat, denen vorrangig der Erhalt der geistigen Werte der japanischen und chinesischen Kampfkünste am Herzen liegt. Durch sein Wirken im Rahmen des CRB, durch zahlreiche Lehrgänge und Seminare auf der ganzen Welt und natürlich auch durch seine technischen Handbücher und historischen Werke leistete er echte Pionierarbeit, damit die traditionellen Werte seiner Kunst nicht verloren gehen. Zwischen 1962 und 2002 unterrichtete er in seinem Dôjô in Straßburg. Stets umfaßte sein Ausbildungskonzept sowohl die Kampftechniken als auch deren kulturellen Hintergrund. Nach wie vor ist er als Budôka sehr aktiv, auch wenn sich seine Lehrtätigkeit inzwischen auf wenige Lehrgänge und Seminare hohen Anspruchs pro Jahr beschränkt.

Der weltweit anerkannte Experte des Karatedô, des Kobudô und des Taijiquan interessiert sich leidenschaftlich für Kampfkünste in all ihren Erscheinungsformen. Nach Effektivität im Kampf zu streben bedeutet für ihn, alle Entwicklungen vorurteilsfrei zu betrachten. Diese Überzeugung führte den modernen „Rônin“, als den er sich sieht, dazu, seiner Praxis auch andere Techniken hinzuzufügen, was selbst den Umgang mit zeitgenössischen Waffen einschließt. So ist er (mit entsprechenden Diplomen aus den USA und der Schweiz) u. a. auch als Ausbilder im Kampfschießen mit Handfeuerwaffen tätig.

Foto 1: Ôtsuka Tadahiko, links, gemeinsam mit dem Autor (Straßburg, Oktober 1993)

Mit seinem Institut Tengu, das er 1995 gründete, begann parallel zu seiner Tätigkeit als Budôka eine neue Etappe seiner Forschungen auf dem Gebiet der Kampfkünste. Das Ziel dieses Instituts besteht darin, auf Grundlage des Studiums und des praktischen Vergleichs zahlreicher Formen des Kampfes mit und ohne Waffe zu einem umfassenden Konzept der Selbstverteidigung zu gelangen, das den Gegebenheiten des heutigen Lebens gerecht wird. Die Absicht von Habersetzer Sensei besteht darin, der Praxis des Karatedô einen Sinn zu verleihen, der in der modernen Gesellschaft Bestand hat, einen Sinn, der nichts zu tun hat mit sportlichen oder spielerischen Varianten. Sein leidenschaftliches Streben gilt einer gültigen Neubestimmung des Konzepts des Kriegertums für unsere Epoche; Techniken, Taktiken und Verhaltensweisen der Praxis des klassischen Karatedô sollen mit den Gegebenheiten unserer Zeit in Einklang gebracht werden.

„Der Weg des Tengu“ (Tengu no michi) ist für ihn das Abbild einer neuen Bewußtwerdung, eines Willens, einer modernisierten Methode des Budô. Geistige Einstellung und technische Mittel entsprechen dabei den Anforderungen der heutigen Welt. Indem er nach langen Jahren auf dem Weg des klassischen Karatedô eine authentische Schule (Ryû) der vereinigten Kampfkünste (Shin Budô), „Tengu no michi“, gegründet hat, tat Habersetzer Sôke nichts anderes, als den lebendigen Geist der Tradition in die Gegenwart einzubringen. Ganz im Sinne eines „Tatsujin“ („aufrechter Mensch“) ist er somit seiner ursprünglichen Wahl treu geblieben, indem er die Tradition mit Nachdruck und Überzeugung ehrt und weitervermittelt.

Illustrationen

Außer den 48 Originalzeichnungen des Bubishi, den 32 Zeichnungen aus dem Ji Xiao Xin Shu, die ihm von Ôtsuka Sensei anvertraut wurden und einigen Illustrationen, deren Quellen angegeben wurden bzw. die lizenzfrei sind, entstammen alle Zeichnungen der Feder des Autors.

Die Fotografien, wenn nicht anders vermerkt, sind von Gabrielle Habersetzer und aus den Archiven des Autors bzw. entstammen lizenzfreien Quellen.

Die Fotos, die Ôtsuka Sensei bei seiner Vorführung der Happoren no kata zeigen, wurden von Jean-Claude Bénis und von Jean-Jacques Graff angefertigt.

Danksagungen

Der Autor dankt nachdrücklich Ôtsuka Tadahiko Sensei, 9. Dan des Gôjûkensha von Tokio, dessen Wissen und dessen Freundschaft dieses Werk ermöglicht haben.

Gleichermaßen geht der Dank des Autors an Jean-Jacques Graff, 2. Dan, der ihm als Partner in zahlreichen Praxisstunden für die Herausarbeitung der Interpretationen der 48 Bildtafeln des Bubishi diente, sowie an Jacques Faieff, 4. Dan, und Bernard Bomati, 3. Dan, Ausbilder am CRB, welche ebenfalls auf einigen Fotos dieses Buches vertreten sind.

Der Autor weiß den ausgezeichneten Kontakt mit Patrick McCarthy zu schätzen, der eine eigene Studie über das Bubishi verfaßt hat und der dem Autor gestattet hat, auf eine Anzahl von Informationen und Überlegungen dieser Studie zurückzugreifen.

Der Autor dankt Claudia von Collani aus Würzburg, Danträger des CRB/​Institut Tengu, Theologin, Japanologin und Sinologin, für ihre Recherchen, die die Einführungen zu den „32 Formen des Boxens des Kaisers Song Taizu“ bereichert haben.

Centre de Recherche Budo (CRB)

7b Chemin du Looch

F-67530 Saint-Nabor

Internet: www.karate-crb.com

Deutsche CRB-Website:

www.wslang.de/​karatecrb

Vorbemerkung zur 3. deutschsprachigen Auflage

Die 32 Formen des „Boxens des Kaisers Song Taizu“

Kaiser Song Taizu (927 - 976), der Begründer der Song-Dynastie. Er gilt als Schöpfer eines eigenen Kampfkunststils, des Taizu Chang Quan („Taizus lange Faust“), auf welchen die 32 Formen aus dem Ji Xiao Xin Shu zurückgehen.

Ôtsuka Tadahiko Hanshi, der Leiter des Gôjûkensha in Tokio, bat mich im Rahmen eines Besuches im Elsaß im Herbst 2007, die „32 Formen“ von Qi Jiguang in Europa zu veröffentlichen (siehe S. 55 ff.). Diese sind auch Bestandteil des ersten Bubishi (Wu Bei Zhi) von Mao Yuan Yi (siehe S. 23 f.). Ich nutze die Gelegenheit der deutschsprachigen Neuauflage meines Buches über das okinawanische Bubishi, um diese bislang im Westen nicht veröffentlichte Arbeit zu publizieren. Dies stellt einen wichtigen Beitrag für die Erforschung der Wurzeln der Kunst der „leeren Hand“ dar – des okinawanischen Tôde und des daraus hervorgegangenen japanischen Karate. Einmal mehr bin ich Ôtsuka Sensei zu großem Dank verpflichtet für das Vertrauen, das er mir entgegenbrachte, als er mir seine Übersetzungen des alten chinesischen Dokuments sowie einige Kommentare dazu anvertraute (mit einer Übertragung ins Französische, die durch seine Schüler Philippe Callens und Kyôko Momose ausgeführt wurde). Die dazugehörigen Abbildungen entstammen dem Werk „Ji Xiao Xin Shu“ von Qi Jiguang, in der Version, wie sie ins Wu Bei Zhi von Mao Yuan Yi aufgenommen wurde.

General Qi Jiguang (1528 - 1588). Er gilt als Autor des Ji Xiao Xin Shu, einem Handbuch für die militärische Ausbildung, das u. a. die 32 Formen des Taizu Chang Quan enthält.

Der Weg, dem wir in den Kampfkünsten folgen, ist eine der Erscheinungsformen des Tao. Ich glaube, daß dies auf menschlicher Ebene einfach nachzuvollziehen ist. Gleich dem Tao hat der Weg weder Anfang noch Ende. Seit es die Menschheit gibt, existiert er, spornt er an, folgt er bestimmten Vorgehensweisen. Und es wird ihn so lange geben, wie es Menschen gibt, die es dazu drängt, sich den Fragen zu stellen, die der Weg aufwirft. Den Weg zu erforschen kann bedeuten, zu versuchen, stromaufwärts zu seinen Quellen vorzustoßen – was eine Art archäologische Neugierde voraussetzt. Man kann aber auch versuchen, seinem Fluß stromabwärts zu folgen, angespornt von einer Zukunftsvision, so, wie ich es selbst mit meinem „Weg des Tengu“ (Tengu no michi) versuche. Beides verlangt unendlich viel Gefühl für das rechte Maß, Respekt und Bescheidenheit. Ich bin sehr glücklich, daß ich dank der Freundschaft von Ôtsuka Tadahiko Sensei hier wieder die Gelegenheit hatte, den Weg in Richtung seiner Quellen erforschen zu können. Er, der genau verstanden hat, welche Ziele ich mit meinem „Weg des Tengu“ verfolge, hat mir – im vollen Bewußtsein der Unterschiede unserer Vorgehensweisen – erneut sein vollkommenes Vertrauen geschenkt.

Roland Habersetzer, Saint-Nabor im Frühjahr 2009

Die Bibel der Kampfkunst der „leeren Hand“

Das moderne japanische Karate mit seinen verschiedenen Stilrichtungen existiert seit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts1. Es entwickelte sich aus dem Ryûkyû Kempô Karate Jutsu, auch Okinawa te genannt. Verschiedene Strömungen der chinesischen Kampfkünste spielten zusammen, als sich im Verlauf der vergangenen Jahrhunderte die Techniken des Kampfes mit bloßer Hand herausbildeten. Diese Strömungen waren das Tô-De („Kontinentaltechnik“)2, auch „Hand der Tang“ genannt, des weiteren jene Kampftechniken, die heute im Westen unter dem Gattungsnamen Kungfu (korrekter ist die Bezeichnung Wushu) bekannt sind, sowie die Prinzipien des Ch’i kung bzw. Qigong (Beherrschung der „Lebensenergie“). Kenntnisse über diese Techniken gelangten aus dem Reich der Mitte nach Japan und verbanden sich mit dort bereits vorhandenem Wissen. Die Insel Okinawa, die etwa 600 Kilometer südlich von Japan liegt, war das Bindeglied zwischen China und Japan, wirkte selbst aber als eine Art Tiegel, in dem unterschiedliche Strömungen der ostasiatischen Kampfkünste miteinander verschmolzen. Auf diese Weise wurde Okinawa zum Ursprungsort mehrerer durchaus eigenständiger Kampfkunststile, wie dem Shuri te, dem Naha te und dem Tomari te.

Die Umstände der alten, bekannten Verbindung China – Okinawa – Japan werden seit langem von den Historikern der Kampfkünste studiert. Die Untersuchungen über die Wurzeln der Kampfkunst mit bloßer Hand3 führten diese Forscher schon bald über die Grenzen Japans und selbst über die Okinawas hinaus. Sie richteten ihr Augenmerk auf das südliche China, genauer gesagt, auf die Provinz Fujian (auf japanisch Fukien). Dort haben, wie es scheint, vor sehr langer Zeit alle Entwicklungen ihren Anfang genommen. Hier vermuteten die Historiker die Quelle, der die oft zueinander gegenläufigen Strömungen entsprangen, die heute den Weg der reinen Kampfkunst überfluten. Den ernsthaft Praktizierenden befallen mitunter grundsätzliche Zweifel, wenn er darüber nachsinnt, was aus seiner inzwischen von Medien und Kommerz vereinnahmten „Kunst“ geworden ist. Um so reizvoller der Gedanke, es existiere eine Quelle, rein, ungetrübt und ursprünglich4.

Tatsächlich traten, um bei diesem Bild zu bleiben, die ersten Rinnsale, die am Ende jenen mächtigen Strom bildeten, der die Kampfkünste revolutionierte5, in der Region von Fujian hervor, wahrscheinlich im Umkreis der Stadt Fuzhou. Hier wurde vor mehreren Jahrhunderten der Kampfstil des Weißen Kranichs (Baihequan, oder auf japanisch Hakutsuru ken) geboren. Der Name resultiert daraus, daß Körperhaltungen und Bewegungen von Vögeln imitiert werden, was zahlreiche Spuren in den Kampfkünsten hinterlassen hat, die sich vereinzelt selbst noch in den Techniken des modernen Karate wiederfinden: in einigen Kata (Gankaku/​Chintô) oder in manchen Stellungen (Tsuruashi dachi). Und ebendieser Stil ist es, der das Zentrum des Bubishi bildet, einer Sammlung illustrierter Texte, die gleichfalls in jener Region entstanden ist und die den Gegenstand dieser Arbeit darstellt.

Das Bubishi ist ein kleines Buch, das vor rund 250 bis 300 Jahren entstand und dessen Autor unbekannt ist. Es wurde in einem mitunter schwer zu entschlüsselnden Altchinesisch verfaßt und mit einer Reihe von Zeichnungen in naivem Stil illustriert. Es stellt die Frucht der Erfahrungen mehrerer anonymer Meister der „leeren Hand“ dar. Auch wenn es vielleicht nicht als die Quelle von allem, was die Techniken des waffenlosen Kampfes betrifft, angesehen werden kann, so ist es doch ein wesentlicher Beitrag dafür, daß wir heute manches über diese Quelle wissen. Kein ebenso altes Kampfkunst-Werk solch unschätzbaren Wertes ist uns gegenwärtig bekannt. Sein Text, wenngleich teilweise unverständlich, ist lebendig geblieben, er vermittelt eine Botschaft. Bu Bi Shi (oder Bu Bi She) lautet sein chinesischer Titel, der auch auf Okinawa beibehalten wurde. Ein programmatischer Name, der auf japanisch folgende Begriffe umfaßt: Goshin (Selbstschutz), Sonaeru (Vorbereitung) und Hakitome Teoku (Anmerkungen). Das Buch besteht aus drei Teilen. Der erste Teil beschreibt die Geschichte des Stils des Weißen Kranichs und ist mit 48 Bildern von Nahkampftechniken, sehr einfach und roh gezeichnet, illustriert. Der zweite Teil enthält Anmerkungen darüber, wie im Kampf die Hände auf richtige Weise eingesetzt werden müssen, um auf die Vitalpunkte des Gegners einwirken zu können. Der dritte Teil handelt von der Pflege und Heilung von Verletzungen. Es scheint, daß dieses Manuskript, das heute alle Kampfkunst-Historiker einmütig für äußerst wertvoll erachten, seinen Weg nach Okinawa zuerst durch Higaonna Kanryô (1853 - 1916) gefunden hat.

Zwei Zweige des Karate verdanken dem Bubishi ihren Ursprung: das Gôjû ryû, das durch Miyagi Chojûn (1888 - 1953) entwickelt wurde, und das Shitô ryû, entwickelt durch Mabuni Kenwa (1889 - 1952). Diese beiden Meister haben unterschiedliche Kopien des chinesischen Bubishi besessen und gaben sie später weiter. Die Kopie Chojûns war Grundlage einer Arbeit von Ôtsuka Tadahiko Sensei6, und das Exemplar Kenwas diente Patrick McCarthy7 als Vorlage.

Ôtsuka Sensei hat mir sein Exemplar des Bubishi anvertraut, damit es auch einer nicht-japanischen Öffentlichkeit zugänglich würde.8 Das vorliegende Werk beruht allerdings gleichermaßen auf den ausführlichen Gesprächen, die ich mit Ôtsuka Sensei während seines Besuches im „Centre de Recherche Budo“ (CRB) in Straßburg im Herbst des Jahres 1993 führte. Bei diesem Besuch lehrte er insbesondere die Happoren no kata, die im Bubishi erwähnt wird.

Ich habe nicht versucht, eine vollständige Übersetzung des Originaltextes zu unternehmen.9 Anstelle dessen habe ich mich dazu entschlossen, mich auf drei Schwerpunkte zu beschränken. Als erstes werden die 48 Zeichnungen aus dem Bubishi vorgestellt und erläutert (auch wenn ich mich dabei möglicherweise der Gefahr allzu persönlicher Interpretationen ausgesetzt habe). Der zweite Schwerpunkt ist der Ablauf der Hakufa no kata des Weißer-Kranich-Stils, und der dritte besteht in der Geschichte und der Beschreibung der Happoren no kata.

Das Bubishi enthält die Schöpfungsgeschichte einer Linie der Kampfkünste. Alles darin ist noch ursprünglich, nichts deformiert. Man kann es mit der Bibel vergleichen, denn wenn in ihm auch nicht alles zu finden ist, was heute existiert, so finden sich doch alle Anfänge, verbunden mit der Frische und Unschuld, wie sie der Morgendämmerung zu eigen ist, der Stunde, bevor das marktschreierische Gehabe der falschen Propheten und alle anderen Verfälschungen sich wie Staub auf die frischen und echten Farben legen und die wahre Gestalt der Dinge verhüllen.

I

Einführung in die Untersuchung einer Reliquie:
Vom chinesischen Shaolin quan zum japanischen Karatedô

Das „fehlende Bindeglied“

Es ist bekannt, daß alles, was Historiker über die Entwicklung der Kunst der „leeren Hand“10 in der Zeit vor Beginn des 20. Jahrhunderts aussagen, mit Vorsicht interpretiert werden muß und mit dem bereits bestehenden Wissen sorgfältig verglichen werden sollte. Jede voreilige „Erkenntnis“, die dem Enthusiasmus entspringt, der gerade auf diesem Forschungsgebiet jede neue Entdeckung zu begleiten pflegt, kann zu falschen Schlußfolgerungen und den Forscher in die verkehrte Richtung führen. Da einige dieser Irrwege äußerst verlockend erscheinen, fällt die Rückkehr dann oftmals nicht leicht. Größte Vorsicht ist also geboten, wenn man sich mit der Geschichte des Okinawa te oder des Ryûkyû-Kempô11 im 19. Jahrhundert befaßt.

Unter diesen Voraussetzungen betrachtet, können nur wenige Fakten als historisch gesichert angesehen werden, denn es gab zu jener Zeit keine zuverlässigen Aufzeichnungen; alles beruhte auf der Geheimhaltung der einzelnen Stile, auf Rivalität, und Wissen wurde grundsätzlich mündlich weitergegeben. Aus dem Geflecht überlieferter Geschichten und Legenden konnten lediglich wahrscheinliche Aussagen über die tatsächlichen Geschehnisse extrahiert werden.

Und an diesem Punkt kam es plötzlich zur Wiederentdeckung des Bubishi. Mit seinem Text und seinen Illustrationen schien es das Dokument schlechthin zu sein über die traditionellen chinesischen Kampfkünste. Zugleich war es Inspiration für die ältesten Schulen des Okinawa te, deren Vertreter während der letzten Jahre das Bubishi in zunehmendem Maße offen als wertvolle Quelle ihres gegenwärtigen Wissens bezeichneten. Das fragliche Dokument war 100 bis 300 Jahre alt, und es war authentisch. Endlich zeichneten sich die Konturen der Brücke zwischen China und Okinawa deutlicher ab, über welche die Kampfkunst mit bloßer Hand, deren Wurzeln sich bis ins berühmte Shaolinkloster verfolgen lassen, auf die Ryûkyû-Inseln12 gelangt war. Man hatte das „fehlende Bindeglied“ der Übertragungskette gefunden. Auch wenn im Bubishi nicht auf alle Fragen eine Antwort gefunden werden kann, so stellt es doch einen gewichtigen Beitrag zur Kenntnis der Herkunft und der Urbestandteile des Karatedô dar. Es vermittelt uns auch eine Ahnung des Wunderbaren, das das Leben dieser alten Meister aus Okinawa durchdrang, die uns ein Erbe an Kampftechniken und Kultur hinterließen, dessen Fülle wir selbst heute noch nicht vollkommen erschlossen haben.

Für den Karateka, der wissen will, woraus das Karate, das er praktiziert, im Grunde besteht, ist dieses wieder und wieder mit größter Sorgfalt kopierte Manuskript das historische Dokument schlechthin. Es sollte ihm jedoch klar sein, daß selbst diese Quelle, so unverzichtbar und unersetzlich sie auch sein möge, seinen Wissensdurst nicht völlig stillen wird. Dennoch, auch wenn das Bubishi nicht als Handbuch der Techniken, der Geschichte und der Philosophie des Karate begriffen werden kann, erhellen seine theoretischen und praktischen Ausführungen auf eine Weise die Wurzeln der Kampfkünste, daß dieses kleine Buch in seinem Rang mit dem berühmten Werk „Die Kunst des Krieges“ von Sun-Tsu oder auch mit Miyamoto Musashis „Buch der fünf Ringe“ vergleichbar ist.

Ich halte es für wichtig und für nur allzu gerecht, hervorzuheben, daß es zum großen Teil Ôtsuka Tadahiko Sensei zu verdanken ist, wenn heute das lange Zeit unbekannte (oder zumindest in seinem Wert verkannte) Bubishi von Seiten der Spezialisten mit wachsendem Interesse bedacht wird.13 Ôtsuka Sensei, Gründer und Leiter des Gôjûkensha in Tokio, ist einer der zeitgenössischen japanischen Meister, die all ihr Streben darauf richten, nach den Wurzeln des Karatedô zu suchen und es in seiner ursprünglichen Form zu rekonstruieren. Dank der Unterstützung durch Yang Ming-shi Shifu14 und die okinawanischen Meister Iken Tokashiki Sensei und Mie Shimizu Sensei gelang Meister Ôtsuka die erste Übertragung des Bubishi ins moderne Japanisch. Bereits Mitte der 70er Jahre erzählte er mir von diesem Dokument, dessen Wert ich damals noch nicht in vollem Umfang zu erkennen vermochte, und er hielt mich in der Folge über seine Forschungen und Veröffentlichungen zu diesem Thema auf dem Laufenden. In meinen Augen stellt er die unangefochtene Autorität für das Bubishi in Japan dar. Gewiß existieren weitere Kopien des Originalmanuskripts in den von den alten Meistern Okinawas, Chinas und Japans hinterlassenen Archiven, aber es war niemand anders als Meister Ôtsuka, der seine Arbeiten zum Bubishi der Öffentlichkeit zugänglich machte. Wir verdanken ihm außerdem eine bemerkenswerte Studie über die Übertragung der chinesischen Dao15 auf die Koshiki kata aus Okinawa. Die Studie beruht auf der Wiederentdeckung einer sehr alten chinesischen Kata aus der Provinz Fujian (Fukien), die im Bubishi erwähnt wird und die den gemeinsamen Stamm der stark auf Atemtechniken orientierten modernen Kata des Gôjû ryû darzustellen scheint: der Happoren no kata. Mit seiner Erlaubnis und auf seine Anregung hin habe ich damit begonnen, diese Entdeckungen durch meine eigenen Bücher zu verbreiten. Dem Meister und auch Freund, der er mir geworden ist, sei hiermit für seine außerordentlichen Beiträge zum Wissen über die Tradition gedankt.

Ein geheimes Dokument

Das Bubishi stellt aus heutiger Sicht die gemeinsame Wurzel zumindest der wichtigsten Stile des Ryûkyû Kempô Karate Jutsu dar. Dieses historische Dokument, dessen Authentizität unangefochten ist, wurde lange Zeit von den alten Meistern Okinawas, in deren Hände es anscheinend in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelangte, geheimgehalten. Es ist bekannt, daß sowohl Higashionna Kanryô (1853 - 1915) als auch Itosu Ankô (1832 - 1916) ein Exemplar besaßen. Es scheint, daß Miyagi Chojûn (1888 - 1953) durch ein Kapitel des Bubishi inspiriert wurde, als er im Jahre 1929 seinen eigenen Kampfkunststil Gôjû ryû nannte. Darauf deutet die Verwendung der Begriffe (Härte; das Ausatmen) und (Weichheit; das Einatmen; aber auch: die Geschicklichkeit, sich aus einer mißlichen Lage zu befreien) hin. Andere, wie sich noch zeigen wird, wußten um die Existenz des Buches, ohne jedoch in jedem Fall die Möglichkeit zu einem intensiveren Studium der Schrift gehabt zu haben. Der erste, der das Dokument teilweise der Öffentlichkeit zugänglich machte, war Mabuni Kenwa (1889 - 1952), der Begründer des Shitô ryû. In seinem Buch „Studie der Seipa“, das 1934 in Tokio erschien, gab er einige Auszüge aus dem Bubishi wieder.16

Worum geht es nun im einzelnen auf diesen seit vielen Generationen von den Meistern an ihre Schüler weitergegebenen und immer wieder sorgfältig kopierten Seiten? In 32 Abschnitten werden die Techniken des Shaolin-Stils Quan-fa (Chuan-fa), die Techniken des Kranichs (auch Weißer Reiher) aus der chinesischen Provinz Fujian, die Übungen des Qigong (Beherrschung der inneren Energie), die geheimen Prinzipien des Tuidi (Dianxue, auf japanisch Atemi) und alle Formen des Angriffs auf die Vitalpunkte des menschlichen Körpers abgehandelt. Des weiteren werden das Bunkai (Anwendungsmöglichkeiten) der Kata Happoren, das Wissen über Heilkräuter und die Art ihrer Verwendung bei Kampfverletzungen beschrieben, und es werden moralische Richtlinien dargelegt, die durch jene, die in all diese Geheimnisse eingeweiht sind, zu befolgen sind.

Einerseits stellt das Bubishi einen äußerst bemerkenswerten Versuch dar, das Wissen über die Künste der „leeren Hand“, wie es in der Zeit der Entstehung des Buches bestand, als ein Ganzes zu begreifen. Andererseits sind die Informationen, die im Bubishi gegeben werden, nicht immer zusammenhängend dargestellt, und es ist auch nicht immer möglich, ihren praktischen Aspekt klar zu erkennen. Eine weitere Schwierigkeit der Textinterpretation ergibt sich daraus, daß es ursprünglich in dem chinesischen Dialekt, wie er in Fujian gesprochen wurde, verfaßt wurde und die heute existierenden Kopien auf Abschriften und auf Übersetzungen in andere Dialekte oder gar Sprachen beruhen. Dadurch haben sich zwangsläufig Irrtümer grammatikalischer und lexikalischer Natur eingeschlichen. Auf diese Weise bleibt das Bubishi gewissermaßen ein Text voller Geheimnisse, geschützt durch eine Art „Code“. Ähnlich wie bei einer alten Kata, die auch nicht durch bloße Übung all ihre Bunkai-Möglichkeiten enthüllt, werden, je nachdem, welchen Grad der Vollkommenheit (vielleicht auch der „Reinheit“) der Suchende erreicht hat, verschiedene Aspekte auf unterschiedliche Weise begriffen.

Foto 2: Die ersten Anfänge entwickelten sich höchstwahrscheinlich im alten Indien. Die riesigen Steinwächter am Eingang zur großen Höhle der Longmen-Grotten in der Nähe von Lo-Yang (China) nehmen verschiedene Haltungen aus der Vajramukti-Kampfkunst ein, die einst durch die Kriegerkaste des alten Indiens praktiziert wurde. Diese Positionenfinden sich gleichermaßen in japanischen Götterstatuen (Devas) und in Figuren der Tempelwächter im mittelalterlichen Japan (Kongo-Rikishi) wieder. Auch in der alten Kampkunst der Mönche des berühmten Shaolin-Tempels lassen sich diese Körperhaltungenwiederfinden. Dieser Tempel liegt an einer von Indien nach China führenden Pilgerstraße, über die im übrigen auch der Chan-Buddhismus nach China gelangt ist.

Das alte chinesische Symbol des Tai Ji repräsentiert das Universum im vollendeten Gleichgewicht gemäß den Prinzipien des Yin und des Yang, von denen jedes ein Teil des anderen enthält. Die Außenlinien der Begrenzungen fügen sich harmonisch in den Kreis, der das Dao symbolisiert. Alle aus China stammenden Kampfkünste, sowohl in ursprünglicher Gestalt als auch solche, die eine Synthese verschiedener Stilrichtungen darstellen, sind zutiefst von dieser taoistischen Sichtweise durchdrungen, die den philosophischen und religiösen Hintergrund für die Techniken bildet. Natürlich findet dies auch im Bubishi seinen Widerhall.

Foto 3: Um das Jahr 520 n. Chr. kam ein aus der Gegend von Madras stammender Mönch von Indien in die chinesische Provinz Henan und brachte das Chan (Zen) zum „Kloster des kleinen Waldes“ (Shaolin). Es ist denkbar, daß er das Vajramukti kannte. Fest steht, daß er dort eine bestimmte Kampftechnik lehrte und sich schließlich neun Jahre lang in eine Höhle zurückzog, um dort zu meditieren (das Foto zeigt den Eingang zu dieser Höhle). Auf diese Weise begann die Legende der unbesiegbaren Shaolin-Mönche.

Foto 4: Bodhidharma (auf chinesisch Da-mo, auf japanisch Daruma) überquert den Jangtse-Fluß auf einen Schilfrohr. Eine von zahlreichen modernen Darstellungen dieser Episode, wie man sie in den Tempeln Südchinas finden kann.

Foto 5: Klassische Darstellung derselben Begebenheit. Die Zeichnung (Tinte auf Papier, Museum von Stockholm) aus dem Jahre 1655 stammt von Shih Tsu (bekannter unter seinem Kaiser-Namen Shun Chih, 1638 - 1661).

Der Name Bu Bi Shi (Wu Bei Chi oder Wu Bei Zhi auf Mandarin) bezieht sich auf die Kenntnis der Kriegskunst. Bu steht für Krieger, Bi für Wissen und Versorgen und Shi für Geist und Ehrgeiz. Die genaue Entstehungszeit und der Entstehungsort des Werkes werden wohl für immer im Dunkeln bleiben. Wenig ist über seine Autoren bekannt. Es könnte sich um die Arbeit mehrerer Meister handeln, die ein und dieselbe chinesische Quelle studiert haben und der Nachwelt eine Art Vermächtnis hinterlassen wollten. In den folgenden Abschnitten sollen einige Hypothesen über die Herkunft des Buches und seinen Weg auf die Insel Okinawa erörtert werden.

Die Ursprünge: Vom ersten zum zweiten Bubishi

Tatsächlich existieren zwei Werke, die den Titel Bubishi tragen. Beide stammen aus Fujian, aber hinsichtlich ihrer Entstehungszeit und ihres Umfangs unterscheiden sie sich beträchtlich voneinander. Uns interessiert hier vor allem das später entstandene, kleinere Buch, das jedoch viel von seinem Inhalt dem älteren Bubishi verdankt.

Das erste Bubishi ist ein monumentales Werk, das im Jahre 1621 durch Mao Yuan Yi (ca. 1594 - 1844) veröffentlicht wurde.17 Der Autor hatte 15 Jahre seines Lebens damit verbracht, alles, was zu seiner Zeit über die Kunst des Krieges bekannt war, zusammenzufassen: Strategie und Taktik, Landkarten sowie Techniken des Einzelkampfes mit und ohne Waffen. Das Buch, von dem heute noch einige Kopien existieren, umfaßt 240 Kapitel. Die darin behandelten Nahkampftechniken mit und ohne Waffe wurden anhand von 32 Kampfpositionen – 16 Abbildungen mit jeweils zwei Personen – illustriert. Diese Kampfhaltungen ähneln stark den bereits 1561 durch den chinesischen General Qi Jiguang (1528 - 1588) in seinem Buch „Ji Xiao Xin Shu“ (auf japanisch „Kiko Shin Shô“) beschriebenen und auch denen des zweiten Bubishi. Allerdings werden in letzterem bedeutend mehr Positionen beschrieben. Mao Yuan Yis Bubishi wird in China bis zum heutigen Tag unter Verschluß gehalten, und lediglich hochrangige Militärs und Regierungsmitglieder haben ein Recht auf Einsichtnahme. Während der Qing-Dynastie (1644 - 1911) stand es sogar auf dem Index, weil es den Gegnern der Herrschenden als Anregung zum Widerstand hätte dienen können.

Der Kern des zweiten, bedeutend weniger umfangreichen Bubishi besteht aus dem Kampfstil, der „Weißer Kranich“ (Baihequan oder auch Hork Yang; auf japanisch Hakutsuru kenDianxueTien hsuehDim mak