Vorwort

Deutschland im Mai 2013: Deutschland sucht. Diesmal nicht den Superstar, sondern alte, noch funktionstüchtige Allesschneider. Der Hausgerätehersteller ritterwerk aus Bayern hat unter dem Motto „Deutschlands ältester Küchenritter“ dazu aufgerufen. Am Ende der Aktion wird er weit über einhundert Zuschriften und Fotos erhalten haben. Und bei vielen Menschen wird in Erinnerung bleiben, wofür das Unternehmen seit Jahrzehnten steht – Langlebigkeit und Nachhaltigkeit.

Die Aktion ist in mehrfacher Hinsicht ein lehrreiches Beispiel für gute Public Relations (PR). Denn PR ist mehr als Pressemeldungen schreiben, Pressekonferenzen abhalten, Facebook-Likes sammeln oder wahl- und ziellos zu twittern. Klar: Wer Öffentlichkeit möchte, muss auffallen. Der Schlüssel zur Aufmerksamkeit liegt aber nicht allein im Nutzen neuer Verbreitungstechniken oder im Erfinden von PR-Events.

Egal ob Zeitungsveröffentlichung, TV-Auftritt oder Social Media: Welche Formen Öffentlichkeitsarbeit in der Praxis annimmt, ist sekundär. Primär kommt es auf die Inhalte und die zu erreichenden Zielgruppen an.

So ist die Allesschneider-Aktion keine Goldidee, die den Mitarbeitern der PR-Agentur nach dem Genuss von drei Flaschen Rotwein zugeflogen ist. Vielmehr beruht sie auf einer PR-Konzeption, der eine ausführliche Situationsanalyse vorausgegangen ist. Die Kampagnenidee ist das Ergebnis des Kommunikationsziels, die Unternehmenswerte „Bauhaus“, „Nachhaltigkeit“ und „Made in Germany“ für Redakteure und Kunden gleichermaßen erlebbar zu machen und zu transportieren.

In diesem Buch sollen Sie jedoch nicht Erfolgsgeschichten konsumieren, die Sie am Ende nicht in Ihre individuelle PR-Praxis transferieren können. Das angeführte Beispiel soll lediglich verdeutlichen, dass wirksame Medienarbeit kein Zufallsprodukt ist, sondern immer zu einer Frage führt: Wie müssen Inhalte sein, damit sie neu, wichtig und interessant sind? Und zwar für den Empfänger – und nicht für den Absender.

Egal, ob Sie ein Unternehmer sind, der Pressearbeit betreiben möchte, oder ob Sie sich dem Thema PR als Künstler, Student oder Pressereferent widmen: Auf den kommenden Seiten werden Sie nicht nur in das Handwerkszeug der Pressearbeit eingeführt, sondern stets mit den Grundfragen der Kommunikation konfrontiert. Denn PR ist Kommunikation.

Und: Kommunikation ist Denkarbeit. Nur wer seine Zielgruppe jedes Mal neu absteckt, wer Inhalte jedes Mal zielgruppengerecht aufbereitet, wer kommuniziert, um verstanden zu werden – der hat Erfolg.

In diesem Sinne: Viel Erfolg beim Erlernen erfolgreicher PR wünscht

Kai Oppel

Die Multiplikatoren verstehen

Wer erfolgreich PR betreiben will, braucht Empathie. Warum? Der PR-Schaffende befindet sich in einem System verschiedenster Zielvorgaben und Erwartungen. Nur wem es gelingt, sich empathisch in die Welt seiner Stakeholder (Anspruchsgruppen) hineinzuversetzen, der wird ihre Beweggründe erkennen und ihr Handeln verstehen.

Ob Redakteur, Journalist, Politiker, Leser, Radiohörer, Unternehmer oder Verbandsvorsitzender: Nur wer sich als PR-Schaffender in die Arbeits- und Denkwelt dieser Zielgruppen einzudenken vermag, hat eine Chance, deren Handeln durch seine Kommunikationsleistung zu beeinflussen.

Empathie als Erfolgsfaktor

Der ideale PR-Experte verfügt über ein Mindestmaß an Empathie und Vorstellungsvermögen, um sich in die Arbeits- und Denkwelt des Journalisten bzw. des Redakteurs zu versetzen.

Die folgenden Tabellen geben Ihnen einen Überblick über die Gedankenwelt von Redakteuren – und durch welche vertrauensbildenden Maßnahmen PR-Schaffende die Medienschaffenden unterstützen können.

Welche Ängste könnte ein Redakteur haben?

Wie kann der PR-Schaffende diesen Ängsten entgegenwirken?

  • einer Falschinformation eines PR-Schaffenden aufzusitzen
  • Quellen ordentlich aufzeigen, Vertrauen schaffen durch kontinuierliche PR-Kommunikation sowie durch Transparenz.
  • falsche Informationen zu verbreiten
  • Informationen so verständlich aufbereiten, dass sie vom Journalisten begriffen und hinterfragt werden können
  • sich zum Sprachrohr eines Unternehmens/einer Institution zu machen
  • weitere Ansprechpartner nennen, Fakten mit verschiedenen anderen Quellen belegen

Was muss der Journalist/Redakteur für seine Leser, Hörer und/oder Zuschauer leisten?

Wie kann der PR-Schaffende den Journalisten/Redakteur dabei unterstützen?

  • seine Leser, Hörer und/oder Zuschauer neutral informieren
  • Inhalte zügig zusammentragen/schnell sein
  • Inhalte gewichten
  • Meinungsbildung
  • Medienrezipienten für das Thema begeistern
  • Zeitgeschehen dokumentieren
  • Rezipienten unterhalten/zerstreuen
  • entscheidungsrelevante Fakten und Informationen liefern (Börsenberichte etc.)
  • in der Kommunikation auf werbliche Aussagen und Wertungen verzichten
  • Inhalte zügig liefern
  • Issue-Management: Themen aufbereiten und gewichten
  • PR-Inhalte so aufbereiten, dass sie auch für den Mediennutzer neu, wichtig und interessant sind
  • kontinuierlich informieren

Was muss der Journalist/Redakteur gegenüber seinem Medium leisten?

Wie kann der PR-Schaffende den Journalisten/Redakteur dabei unterstützen?

  • Das Medium muss sich im Konkurrenzkampf mit anderen Medien behaupten.
  • Das Medium muss sich verkaufen.
  • das Medium zu einer Marke machen bzw. mit der Art seiner Berichterstattung der Medienmarke gerecht werden
  • redaktionelle Berichterstattung von Werbung trennen
  • den Redakteur mit exklusiven und spannenden PR-Inhalten versorgen
  • bei PR-Inhalten auf Relevanz für die Medienzielgruppe achten. PR nach Nachrichtenfaktoren wie Neuigkeitswert, Kuriosität, Dramatik aufbereiten
  • die PR möglichst nach redaktionellen Gesichtspunkten aufbereiten

Welchen Blog würden Sie lesen?

Immer wieder fragen in unserer Agentur Unternehmen an, ob wir Texte für einen Blog liefern können. Natürlich sollen die Texte günstig sein und viele Keywords enthalten. Suchmaschinenoptimierung lautet das Gebot der Stunde und das Diktat des Suchmaschinengiganten.

Für gewöhnlich fragen wir dann: Welchen Blog lesen Sie selbst? Nicht wenige lesen selbst natürlich gar keinen Blog. Die Frage muss also lauten: Wie müsste ein Blog gestaltet sein, damit er andere wirklich interessiert?

Fragen dieser Art sind auch erlaubt, wenn es um das Twittern geht. Wer Twitter nur nutzt, um auf seine Pressemeldungen zu verlinken, hat etwas falsch verstanden. Interessant wird Twitter erst dann, wenn sich beispielsweise eine Persönlichkeit pointiert mit Meinungen positioniert. Oder wenn es für Endkunden neben den Informationen einen materiellen Mehrwert gibt, zum Beispiel regelmäßige Hinweise auf Rabatte. Dann bietet Twitter einen Informationsvorsprung.

Das magische Dreieck der PR-Kommunikation

Gute Inhalte sind grundsätzlich neu, wichtig und interessant. Dabei interessiert es zunächst nicht, ob es sich um journalistische Medieninhalte oder Pressemeldungen handelt. Das Problem: Was Unternehmer, Redakteure und Medienrezipienten für neu, wichtig und interessant halten, kann ziemlich weit auseinanderliegen. Das Unternehmen, das jahrelang Herzblut in die Entwicklung eines neuen Produkts investiert hat, hält allein schon die Markteinführung für die Top-Nachricht des Tages, wenn nicht gar des Jahres. Der Redakteur sieht darin lediglich schnöde Werbung und der Leser, Zuschauer oder Zuhörer – so der Medieninhalt überhaupt gedruckt oder ausgestrahlt wird – fühlt sich persönlich nicht angesprochen.

Unternehmen, Verein, Institution

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Der PR-Schaffende oder eine PR-Agentur begreift sich deshalb als Mediator und zugleich Katalysator zwischen diesen divergierenden Ansichten. Ihre Aufgabe ist es, Inhalte so aufzubereiten, dass sie Auftraggeber, Redakteure und Rezipienten gleichermaßen neugierig machen. Sie suchen in den verschiedenen PR-Inhalten so lange nach den treffenden Aspekten und Aufhängern, bis alle drei Seiten des Dreiecks zufrieden sind.

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Praxistipp

Der Köder sollte nicht nur dem Hecht schmecken – er muss auch dem Angler genehm sein und darf gern auch einen Zander anlocken. Bei der Positionierung von Inhalten in den Medien geht es nicht nur darum, dem Auftraggeber gerecht zu werden. Vielmehr sind auch der Redakteur und die Leser abzuholen.

Warum Pressearbeit oft scheitert

Nun haben Sie in kurzer Zeit gelernt, welche Kriterien Pressearbeit erfüllen muss, damit sie funktioniert. Dennoch schaffen es viele Unternehmen trotz des Wissens darum immer noch nicht in die Medien. Warum? Oft liegt es daran, dass viele nicht wissen, was Public Relations eigentlich bedeutet und leisten kann. Allein die Wissenschaft zählt mehr als 2.000 Erklärungsversuche. Kurzum: Jeder versteht darunter jeder etwas anderes. Das ist insofern erstaunlich, weil Unternehmen dafür viel Geld ausgeben. Allein die zehn umsatzstärksten PR-Agenturen in Deutschland erwirtschaften jährlich mehr als 200 Mio. Euro Umsatz. Unternehmen, Verbände und Institutionen überweisen pro Jahr fünf- und sechsstellige Etats, damit die Öffentlichkeit eine gute Meinung über sie hat. Nicht wenige PR-Kunden sind am Ende enttäuscht, weil das nicht so richtig klappt. Zumindest nicht mit dem Erfolg, den man sich erwünscht hat.

Der Unterschied zwischen PR und klassischer Werbung

Ein Hauptproblem bleibt oftmals die Erwartungshaltung der Auftraggeber gegenüber den PR-Treibenden. Unternehmen und Investoren verlangen der Medienarbeit nicht selten Dinge ab, die sie nicht leisten kann. Achten Sie darauf, ob sich nicht bereits im Briefing Erwartungshaltungen finden, die mit PR-Arbeit allein nicht realisierbar sind.

Die folgenden Tabellen zeigen Ihnen die Stärken und Schwächen von klassischer Werbung und PR:

Klassische Werbung kann besonders gut

PR kann besonders gut

  • ein Image erzeugen
  • die Bekanntheit erhöhen
  • die Marke stärken
  • den Absatz direkt erhöhen
  • Behauptungen aufstellen
  • den Endverbraucher direkt ansprechen und Impulse auslösen
  • Emotionen erzeugen
  • durch Kampagnen zu einem bestimmen Zeitpunkt eine bestimmte Reichweite in einer abgesteckten Zielgruppe erreichen
  • kurzfristig das Handeln von Zielgruppen beeinflussen
  • Glaubwürdigkeit erzeugen
  • die Bekanntheit erhöhen
  • allgemeine Marketingziele unterstützen
  • über Produkte und Dienstleistungen informieren/aufklären
  • Fakten und Daten transportieren
  • langfristig das Handeln von Zielgruppen beeinflussen
  • mit geringen finanziellen Mitteln vergleichsweise viel erreichen
  • Einfluss auf die öffentliche Meinung nehmen

Klassische Werbung kann eher nicht

PR kann eher nicht

  • Glaubwürdigkeit vermitteln
  • mit geringen finanziellen Mitteln viel erreichen
  • Einfluss auf die öffentliche Meinung nehmen
  • tiefgründig informieren
  • den Absatz direkt erhöhen
  • den exakten Zeitpunkt der Kommunikation steuern
  • Emotionen bei der Zielgruppe erzeugen, die dem angestrebten Markenbild und dem Absatz zuträglich sind
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Achtung

Vielen ist vor allem überhaupt nicht klar, welche Kommunikationsziele es gibt. Und welche Ziele durch PR realistischerweise erreicht werden können.

PR wird nicht selten als ein Sammelsurium von Aktivitäten missverstanden. Für die einen bedeutet Public Relations (PR) die komplette Bandbreite der Öffentlichkeitsarbeit – vom Beeinflussen von Entscheidungsträgern bis zur Kommunikation mit Kunden, Mitarbeitern, Anwohnern und Journalisten.

Für die anderen ist PR vor allem DAS Instrument der Medienarbeit. Soll heißen: Über die Medien wird mit den verschiedenen Zielgruppen kommuniziert. Man will Journalisten erreichen, um anschließend bei Kunden, Lieferanten, Mitarbeitern und beispielsweise Politikern in einem günstigen Licht zu erscheinen. In diesem Buch verwende ich den Begriff genau so. Public Relations bezieht sich vorrangig auf Presse- und Medienarbeit.

Problem: Austauschbarkeit und Informationsflut

Machen wir uns nichts vor: Wir befinden uns längst in einem Zwiespalt und Bücher wie diese sind der gedruckte Beweis dafür: Immer mehr Unternehmen widmen sich der Kommunikation. Sie wissen, dass sich durch professionelle Öffentlichkeitsarbeit der Erfolg steigern lässt. Die Annahmen lauten:

Durch PR

Diese Rechnung geht in der Praxis allerdings nicht immer auf. Denn: Mit jedem Unternehmen, das dies erkennt, steigt die allgemeine PR-Aktivität – immer mehr Unternehmen buhlen mit immer mehr Informationen um die Gunst von Redakteuren und Konsumenten.

Das Hauptproblem: Weil viele Unternehmen auf dieselben PR-Mittel und Wege setzen, befinden sie sich in einem zunehmenden Konkurrenzkampf. Doch die folgenden Fragen lassen sich bereits mit ein bisschen gesundem Menschenverstand beantworten:

Richtig: nichts. Die meisten werden keinen Deut stärker wahrgenommen. Es ist, als ob ein Fass voller Wasser bereits überläuft – und nun noch mehr Leute Wasser hineingießen.

Für Ihre Öffentlichkeitsarbeit stellt sich damit die Frage: Wie muss Ihr Wasser aussehen, damit es im Fass auffällt? Was wäre, wenn Sie blau oder grün gefärbtes Wasser in das Fass schütten? Oder gar Wein oder Cola? Oder noch besser: Erbsen?

Würde es sich mit dem anderen Wasser vermengen oder würden Sie in der Informationsflut oben schwimmen?

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Praxistipp

Betreiben Sie PR niemals um ihrer selbst willen und weil es andere tun. Seien Sie in Ihrer Kommunikation mindestens so anders, wie Sie auch mit Ihren Produkten oder Dienstleistungen anders sind. Überlegen Sie, wie Sie sich am besten abheben können.

Es geht nicht um ein Mehr an Kommunikation. Zu oft kopieren Unternehmen Texte voneinander, um sie dann auf der eigenen Website oder in Blogs zu veröffentlichen. Das dient jedoch nicht der Suchmaschinenoptimierung. Vielmehr werden die Unternehmen austausch- und verwechselbar. Immer gleiche Textbausteine verwässern das eigene Image, anstelle dem Unternehmen ein Profil zu geben.

Auf den Punkt gebracht