Himmelstürmer Verlag, part of Production House GmbH,

Kirchenweg 12, 20099 Hamburg

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Foto: Anja Müller, Berlin. www.anja-mueller-fotografie.de

Umschlaggestaltung: Olaf Welling, Grafik-Designer, AGD, Hamburg.

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Originalausgabe, Februar 2007

Digitale Version: Juni 2012

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages

 ISBN:            978-3-934825-71-0

ISBN e.pub:  978-3-86361-235-1

ISBN pdf:     978-3-86361-236-8

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Manuel Mayer

 Marzipaneier

 


 

 

 

 

 

 

 

       

         Inhalt

        3. Mai 2005  

Donnerstag, der 12.

Marseille

Junggesellenabend

Nieder-Erlenbach

… the Show must go on!

Coras Rolle

Die 11. Klasse

Es sind doch nur drei Worte

Museumsuferfest

Der Herbst ist da!

Eine Dezembernacht

Das Fest der Liebe

Klassiker der Moderne

Beschlagene Scheiben  

Das Problem der Wahrheit  

Zerrissene Welten  

Die Hoffnung stirbt zuletzt  

Aus und vorbei  

Bon Voyage  

Ein neuer Anfang  


3. Mai 2005

Der 3. Mai ist normalerweise ein Tag wie jeder andere. Nicht für mich. Mein sechzehnter Geburtstag steht an. Endlich ein Fünkchen Freiheit. Von meinen Großeltern gibt’s ein Mofa und am Freitag werde ich meine erste Party schmeißen. Davor muss ich aber noch Lena Busch, das beliebteste Mädchen der Neunten und seit kurzem wieder Single, an Land ziehen. Eine Wette mit meinem besten Freund Mark hat mir das eingebrockt.  

Auf den Mund gefallen bin ich eigentlich nicht, aber gegen Mark hab ich oft keine Chance. Außerdem träume ich zurzeit lieber von hübschen Männern, die in ein Unwetter kommen und denen ich in meinem Zimmer Unterschlupf gewähren muss. Es ist immer ein triefend nasser und sexy Männerkörper, dem ich dann beim Ausziehen helfe. Ich wärme ihn ein bisschen, schlecke ihn ab und tue, was ihm gefällt. Jedes Mal flüstert er dann lüstern „Lass es uns tun“. Dann beginnt er mit mir zu spielen … Und nachdem wir uns die Seele aus dem Leib gestöhnt haben, kehre ich zurück in die reale Welt. Ja, so ist das mit meinen Fantasien.

Da ich Weltmeister im Dinge-vor-mir-herschieben bin, muss ich heute meinen inneren Schweinehund überwinden und in den sauren Apfel beißen. Bisher hatte ich schon zahlreiche Affären mit einer Reihe hübscher und beliebter Mädels. Einfach deshalb, weil die anderen auch immer Freundinnen haben. Schließlich muss ich mich doch endlich auch einmal verlieben und nicht nur Beziehungen zum Schein haben. Es ist ein mir auferlegter Druck von außen. Obwohl ich meist äußerst selbstbewusst auftrete, manche Leute sagen sogar ich sei arrogant, halse ich mir immer irgendwelche Frauen auf, nur damit die anderen nicht schlecht über mich reden. Ne Abfuhr möchte ich keinesfalls bekommen, wie stünde ich vor der Clique da?

Wir stehen in der Pause bei den Fahrradständern in der Gruppe. Natürlich erinnert Mark alle an unsere Wette. Er hat dieses Talent, so was immer zum ungünstigsten Zeitpunkt anzubringen. Jetzt bin ich unter Druck, den die anderen durch ihre gehässigen Bemerkungen noch verstärken.

Ich bewege ich mich in Richtung neunte Stufe. Wo ist sie? Aber was ist das? Lena entfernt sich von ihrer Clique. Ihre blonden Haare wehen leicht im Wind und ihre Möpse wackeln auf und ab, während sie auf mich zukommt. Es ist warm, die Sonne blendet mich ein wenig. Lena trägt mal wieder Mini und ein Top, das mehr verrät als verdeckt. Das ist Lena! Sie kommt auf mich zu und lächelt, wie nur sie das kann. Ich bringe lediglich ein leises „Hi“ raus. Ihre Zähne sind weiß. Eigentlich ist sie super sexy, aber nicht einmal sie schafft es meinen speziellen Freund da unten in Aufruhr zu versetzen. Nicht im Geringsten. Warum nur? Seit geraumer Zeit reagiert er nicht mehr auf Frauenkörper.

„Du hast heute Geburtstag, nicht?“ Lässig schiebt sie eine Strähne hinter ihr Ohr. Sie gratuliert mir.

„Ich will lieber nicht singen, sonst vergraule ich dich noch“, meint sie liebenswürdig.

Plötzlich umarmt sie mich und drückt mir ein „Yes“ in die Hand; ich komme mir vor wie in der Werbung. Das einzige was ich bei halbwegs klarem Verstand noch fertig bringe, ist sie zu meiner Party einzuladen. Sie scheint, als hätte sie genau darauf gewartet und sagt auf der Stelle zu. Sie dreht sich um und ich blicke auf ihren BH, dessen Formen sich unter ihrem Top abzeichnen.

Strike! Ich hab’s geschafft! Die Wette hab ich gewonnen, was für ein Tag! Im Nachhinein war das gar nicht so schwer, dennoch bin ich heilfroh es hinter mich gebracht zu haben. Manchmal träume ich davon, dass Mark mich zwingt, mit einem Jungen aus zu gehen. Aber auf die Idee wird er wohl nie kommen.

 

Endlich Freitag. Wir feiern bei mir zu Hause im Partykeller. Alle sind supergut drauf. Links von mir läuft eine Tequila-Runde nach der anderen, zu meiner Rechten knutscht Julian mit ’ner blonden Tussi rum, die kaum einer kennt und die anderen erzählen sich Witze. Aber ich bin irgendwie nur körperlich anwesend und kann mich nicht amüsieren. Am liebsten würde ich mich allein mit ‘nem hübschen Jungen auf mein Zimmer verziehen und den ein bisschen verwöhnen. Sein Ding in den Mund nehmen oder an seinen Nippeln saugen. Wo ist eigentlich Lena? Sie wird mich doch nicht vor allen blamieren und zu Hause bleiben wollen? Mark merkt es sofort, wenn ich schlechte Laune habe und spielt DJ.

Heute kann mich nicht einmal sein gelungener Mix aus Techno und Hiphop aufheitern. Doch dann ist es soweit. Ich dachte schon sie hat mich vergessen; das hätte ich ihr aber übel genommen. Wenigstens spielt mein kleiner Mann in der Hose nicht den großen Macker, oder soll ich sagen immer noch nicht? Lena trägt ihr Haar hochgesteckt. Perlen glänzen darin mit ihrem Lächeln um die Wette. Geschminkter als in der Schule steht sie vor mir in einer Kombination aus aufdringlich nuttig und gleichzeitig noch kindlich verspielt. Der ultimative Lolita-Look. Ich begrüße sie euphorisch. Sie riecht gut, vielleicht ist es Pfirsich oder so was ähnliches.

Sie umarmt mich. Ich spüre ihre Möpse. Immer noch keine Reaktion. Sie schnappt sich ein Glas, unbekümmert was drin ist, und haut es runter wie nichts. Frauenpower pur! Es muss Wodkakirsch gewesen sein. Bewundernswert, wie schnell sie das verputzt. Ich zwinkere Mark zu. Der hat schon verstanden und übernimmt die Rolle des Aufpassers. Nicht, dass meine Clique einen benötigte, dennoch würde es Mum alles andere als gut heißen, wenn sie morgen Früh ein voll gekotztes Rosenbeet vorfände oder einige Typen unseren Keller unter Wasser setzten. Es ist ja nur für alle Fälle.

Ich lade Lena auf ‘ne Kippe im Garten ein. Das kommt nicht so auffällig rüber und da ich weiß, dass sie sich sehr gerne einladen lässt, finden wir schließlich den Weg nach draußen.

Bei meinen Ex-Freundinnen war das immer so einfach. Die hatte ich ja nur zum Schein. Aber jetzt, wo ich mich wirklich verlieben möchte, stelle ich mich blöd an. Die anderen konnte ich hemmungslos ansprechen, weil ich sie nicht geliebt habe. Liebe soll so was schönes sein und ich möchte es auch erleben. Außerdem wäre mit ihr gesehen zu werden mein bisheriges Highlight an Beziehungen. Ansonsten würde ich einfach eine Beziehung eingehen und hoffen, dass sich endlich einmal Liebe einstellt. Es passt eigentlich alles zusammen. Sie hat Witz, sieht geil aus und es ist irrsinnig toll in ihrer Nähe zu sein; dennoch scheint mir was zu fehlen. Aber nach wem soll ich denn sonst suchen, sie ist doch schon perfekt. Was ist falsch an mir?

Ehe ich mir ‘ne Kippe anzünden kann, spüre ich ihre Zunge in meinem Mund. Sie schmeckt nach Erdbeeren. Ich hatte bisher des öfteren Pech mit Frauen gehabt. Die haben’s einfach nicht geblickt, wie sie richtig küssen sollten. Ich frage mich, wie ich auf Küsse von Männern reagieren würde?

Tja, jetzt sind wir wohl zusammen. Liebe ich sie schon ein bisschen? Nein, sieht nicht so aus. Wird schon noch. Hoffentlich werden wir beobachtet.

Händchen haltend gehen wir zur Clique zurück. Julian wirft mir einige grimmige Blicke zu. Schließlich geht Lena in seine Klasse und er findet sie selbst ganz niedlich. Pech gehabt, Brüderchen.

Während sie auf meinem Schoß sitzt, krame ich in meiner Jackentasche. Ich finde jeglichen Schrott und ein Marzipanei. Lecker! Das ist noch von Ostern übrig. Komisch, dass ich es noch nicht aufgefuttert habe. Mein Onkel Ben bringt mir immer welche mit. Jedes Jahr zu Ostern; das ist so eine Art ungeschriebenes Gesetz zwischen uns. Er ist endlich nach Frankfurt zurückgekehrt. Vielleicht kommt er mich ja mal besuchen. Er sieht heißer aus als früher. Ich frage mich, wie er beim Küssen wohl schmeckt. Er hat irgendwas an sich, das mich seit seiner Rückkehr an ihn denken lässt. Aber was?

 

Donnerstag, der 12.

Ein verdammt schlechter Tag für mich. Zu diesem Tag hätte zweifellos die 13 gepasst. Wie die Faust aufs Auge. Am besten noch in Kombination mit einem Freitag. Nicht eine schöne, unschuldige zwölf. Andrerseits beweist es, dass nicht nur die Ziffer 13 eine Unglückszahl darstellen kann. Ist doch alles nur eine Frage des Aberglaubens. Wir haben Franz-Kurztest und obendrein die Matheklausur zurückbekommen. Alles, was mir zu meinen Albträumen fehlt. Ich bin gefährdet, ja versetzungsgefährdet. In Französisch habe ich die fünf ohnehin schon sicher, aber dass es jetzt in Mathe auch noch eng werden könnte, hätte ich niemals gedacht.

Ich war davon überzeugt den Stoff begriffen zu haben, aber mit einer 5-6 in dieser Klausur hätte ich am allerwenigsten gerechnet. Diese albernen Wahrscheinlichkeitsaufgaben rauben mir noch den letzten Nerv! Wer hat so was nur erfunden? Ist doch mir egal mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Kugel mit einer bestimmten Farbe gezogen wird; wer will das schon wissen!?

Hinzu kommt noch der Druck, der mir von zu Hause auferlegt wird. Meine Eltern haben beide ein exzellentes Abi hingelegt, ähnlich wie meine Schwester Cora. Dad hat Medizin studiert und Mum forscht an der Uni für Biotechnologie. Coras vorbildliches Abi macht es für mich keineswegs einfacher, besonders nicht, weil alle von mir bessere Noten gewohnt sind. Doch was sich schon gegen Ende des letzten Schuljahres abgezeichnet hatte, setzt sich in diesem Jahr zu meinem Unglück fort. Wahrscheinlich weil ich fauler geworden bin.

Es kommt, wie ich es befürchtet habe. Mum rastet völlig aus. Klar, irgendwie ist es verständlich. Außerdem weiß sie seit gestern, dass Cora kommende Woche nicht nur zur Erholung nach Frankreich reist, sondern ein ganzes Jahr nutzt, um dort als Au-pair-Mädchen zu arbeiten. Wenn es möglich ist, will sie auch das ein oder andere Semester dort studieren. So hat Mum niemanden mehr, der ihr gegen uns drei Männer den Rücken stärkt. Es lag zwar schon ewig in der Luft, aber so richtig wollte sie es nicht wahrhaben. Die fleischgewordene Mutter Beimer aus der Lindenstraße sozusagen.

Wir einigen uns darauf, Nachhilfe zu nehmen. Was zu retten ist, soll ihrer Meinung nach noch aus mir herausgeholt werden. Auf die Schnelle fällt ihr nur Onkel Ben ein. Das zeigt mir den Ernst der Lage auf, denn ohne Grund würde Mum niemals wollen, dass ich ausgerechnet bei Ben Nachhilfe bekomme. Sie und er führen des öfteren ihre kleinen privaten Fehden gegeneinander. Alles was ich weiß, ist, dass er eine ziemlich wilde Jugend hinter sich haben muss, über die man sich bei uns selbstverständlich totschweigt, denn die Familie ist heilig, egal was vorgefallen sein mag.

Ben ist der jüngere Bruder meines Vaters und als Bankkaufmann hier in Frankfurt hauptsächlich mit der Börse und Aktien beschäftigt. Für mich ist er eher ein Kumpel, als ein Onkel. Mit seinen gerade einmal 28 Jahren ist er grob gesehen nicht viel älter als ich und im Grunde verstehen wir uns gut. Aber deshalb mit ihm lernen? Ich habe ein ungutes Gefühl dabei. Na ja, ich werde es schon irgendwie hinter mich bringen.

Die Straßenbahn ist für gewöhnlich um diese Zeit überfüllt und die Busse sind versifft. Es ist nicht besonders lustig damit durch die Stadt zu fahren. Ich habe mich in die vorderen Reihen gesetzt, denn zu allem Überfluss ist auch Verena in der Bahn. Ein unbeliebtes Mädchen aus meiner Klasse.

Nun bin ich also auf meinem Weg zu „Onkel“ Ben. Ich nenne ihn schon Ben seit ich denken kann, er sich selbst ja auch. Nur meine Eltern haben was dagegen, wenn ich ihn mit seinem Spitznamen rufe. Wichtig ist ihnen vor allem das Wort „Onkel“. Darauf legen sie besonders großen Wert. Dabei stellt man sich unter einem Onkel einen Mann mittleren Alters vor und nicht einen jungen Beau. In dieser Beziehung sind sie meiner Meinung nach viel zu spießig. Heutzutage ist es doch normal, nicht mit seinem vollständigen Namen angesprochen zu werden. Meine Freunde sagen oft nur Den oder Jacobi zu mir. Ich kann daran nichts Schlimmes erkennen. Mum und Dad haben eine große Abneigung gegen Kürzel. „Wenn wir gewollt hätten, dass ihr kurze Namen habt, hätten wir euch welche gegeben“ bekomme ich immer wieder mit einem Augenrollen zu hören – es ist wie ein Leierkasten. Sie drehen ja schon durch, wenn ich Julian nur Jay nenne.

Ich glaube, ich habe Ben während seiner Abwesenheit richtig vermisst. Er ist cool drauf und ich hab oft versucht, mir was von ihm abzukupfern. Was das Selbstbewusstsein angeht, habe ich das geschafft. Wir haben viel Mist miteinander angestellt. Wir haben zusammen Tennis gespielt, wahrscheinlich nur, weil er immer gewonnen hat, oder er hat mich mit seinem Cabriolet durch die Gegend gefahren, was besonderen Eindruck auf meine Freunde gemacht hat.

Aber als ich knapp 14 war, ging er ins Ausland. Tja, Connections muss man haben. Kurz vor Ostern ist er in diesem Jahr wieder zurückgekommen. Er hat die bedeutendsten Orte der Welt gesehen. Hier in Frankfurt am Main zu bleiben ist trotzdem besser, als ständig irgendwo in der Weltgeschichte rumzudüsen. Er hat nicht vergessen, wie wahnsinnig ich Marzipaneier liebe. Die Zeit im Ausland hat ihn verändert. Souveräner ist er geworden und er hat versucht, seine kindliche Ader teilweise abzulegen – mit 28 wird’s vielleicht allmählich Zeit dafür. Außerdem ist er der Geilomat schlechthin. Er sieht männlicher aus als früher. Einfach heiß. 

Die Türen der Straßenbahn öffnen sich quietschend. Verwirrt verlasse ich die Bahn und gehe noch etwa fünf Minuten zu Fuß. Das Westend fasziniert durch seine hohen Bankgebäude und gilt bei Insidern als DAS Singleviertel schlechthin. Bens Vorgänger an der Deutschen Bank hat ihm seine alte Wohnung hinterlassen. Ansonsten wäre er da niemals rangekommen. Endlich, ich bin da! Hektisch suche ich nach dem Eingang. Dieses Gebäude hat sogar einen Aufzug, endgeil!

Wenn ich ehrlich sein soll, fühle ich mich fehl am Platz und bin mir auf einmal gar nicht mehr sicher, ob das alles eine gute Idee war. Hier wirkt alles so penibel sauber und reinlich. Ben wird wohl kein albernes Zeug mit mir machen oder mir ordinäre Sprüche an den Kopf werfen, sondern ähnlich wie alle Mathegenies ihr Können ganz schön unter Beweis stellen. Leider. Ich sollte mich, anstatt in der Gegend herumzuträumen, besser mal sputen. Dabei fällt mir ein, dass Ben fast auf den Tag genau zwölf Jahre älter ist als ich. Was diesen katastrophalen Tag fast zur Ironie macht. Ich befürchte, dass dies kein gutes Omen sein kann. Die zwölf scheint mich zu verfolgen. Ich sollte auf der Stelle wieder umkehren. Aber, da ich schon einmal da bin … Vielleicht ist mir das Schicksal behilflich, alles halbwegs zu überstehen.

Bens Wohnung ist der absolute Oberhammer. Drei Zimmer, Küche, Bad. Alles wirkt hell und freundlich. Es riecht nach Sommer. Die Fenster sind geöffnet, so dass stets ein laues Lüftchen durch die Räume weht. Im Arbeitszimmer stapelt sich rund um den Computer eine Unmenge von Papier, in der offenen Küche könnte mal wieder ein Abwasch getätigt werden und lediglich das Wohnzimmer scheint aufgeräumt. Inmitten des Raums steht eine dunkelblaue Couch, auf dem Tisch ein Laptop und in der Ecke ein LCD Fernseher, der ungefähr die halbe Größe einer Kinoleinwand einnimmt. Extraklasse! Ich beschließe für den Rest meines Lebens hier zu bleiben. Ansonsten steht da nichts mehr. Wen wundert’s?! Der Fernseher allein muss schon ein Vermögen gekostet haben. Die Tür, die zum anderen Zimmer führt, ist geschlossen. Ich vermute, dass dort das Schlafzimmer sein muss. Daneben steht ein alter Gummibaum, der einmal Oma gehörte.

Womöglich räkeln sich schon einige willige Frauen im Bett und streiten sich, welche Ben als nächstes abbekommt. Er ist ein sehr attraktiver Mann. Gar keine Frage! Oder es wartet ein Kerl auf ihn. Und ich kann die beiden dann durchs Schlüsselloch beobachten, wie sie sich gegenseitig einen blasen und sich kurz vorm Höhepunkt vereinigen; vielleicht würde ich sogar mitmachen und auf einen der beiden abspritzen. Ach was habe ich in letzter Zeit für schmutzige Gedanken von Männern? Ben rennen die Frauen sicher scharenweise hinterher. Aber mich geilt dieser Gedanke an nackte Männer immer wieder auf. Ich setze mich schnurstracks auf die Couch, ehe er noch meinen Ständer bemerkt. Diese Fantasien sind schrecklich, das weiß ich selbst, aber es überkommt mich einfach immer wieder. Ich kann es nicht ändern und schiebe es auf meinen erhöhten Hormonspiegel. Möchte wissen, von wem ich das geerbt habe.

Die Vogelscheuche, die eben aus dem vermeintlichen Schlafzimmer kommt, zerstört meine Illusion leider jäh. War wohl nichts mit anderen Männern oder leicht bekleideten Frauen. Dabei würde Ben jede bekommen. Der müsste nicht einmal mit dem Finger schnipsen und schon hätte er bei seiner Ausstrahlung an jeder Hand eine wunderbare Schönheit. Mir wird’s richtig warm. Das muss am frühsommerlichen Hochdruckgebiet liegen. Um seine Freundin kurz mit den Worten eines Mannes zu beschreiben, würde ich sagen, dass sie sehr eingebildet ist und so wenig Oberweite hat, dass es sich nicht lohnt, weiter darüber nachzudenken. Natürlich kommt es nicht nur darauf an, aber auf was hat Ben bei der bitte geschaut? Das Gesicht jedenfalls würde ich nicht einmal meinem Mülleimer zumuten. Was soll’s, sie verzieht sich glücklicherweise schleunigst.

„Durst?“

„Martini, geschüttelt, nicht gerührt.“

„Das ist Den, wie ich ihn kenne. Immer zu Späßen aufgelegt. Wirkst sehr beunruhigt! Aber mach langsam und lass es uns ruhig angehen.“

Ich erkläre ihm, dass ich hauptsächlich Probleme mit Wahrscheinlichkeitsaufgaben habe. Kaum zu glauben, als es sich herausstellt, dass Ben auch keine Ahnung davon hat. So relaxt habe ich mir meine erste Nachhilfestunde höchstens erträumt. Vielleicht kann ich diesem Tag doch noch etwas Positives abgewinnen.

„Ich werd mir die Aufgaben mal in Ruhe anschauen und dir dann die Lösungen aufschreiben und versuchen es zu erklären. Das kann ich mir jetzt nicht so mir nichts dir nichts aus dem Ärmel schütteln. Erzähl mir lieber mal, was du in den letzten zwei Jahren so getrieben hast.“

„Nichts Besonderes.“

„Na komm schon!“

„Na ja,... hab einigen Mädchen die Köpfe ganz schön verdreht und sie spätestens nach vier Wochen wieder zurück zu ihren Muttis geschickt. Ich glaube aber nicht, dass eine von ihnen größere Schäden davon getragen hat. Die geilen Tussis sind sich ihres tollen Aussehens durchaus bewusst und lassen das dementsprechend raushängen. Die finden meist schnell einen Neuen. Bin mit mir selbst ganz zufrieden und die Zeit mit diesen Girls hat mich darin nur bestätigt. So sieht’s aus.“

„Sicher. War richtig erstaunt als ich dich an Ostern wieder gesehen hab … Heute bist du aber mit Tomaten auf den Augen aus dem Haus gegangen.“

„Weswegen?“

„Schau dich doch mal an! Oder willst du mir weiß machen, dass dein niedliches Möchtegern-Ziegenbärtchen, bestehend aus sehr wenigen Stoppeln, beabsichtigt ist?“

„Was dagegen? Das muss erst wachsen. Lena mag das.“

„Lena, so heißt sie also.“

„Warte, ich hab ein Foto.“

„Sieht nett aus.“

„Um noch mal auf eben zurückzukommen, mir fällt ein, dass du auch mal so ein Bärtchen hattest.“

„Schon, aber ...“

„Aber? ... Du inspirierst mich.“

„Ich dich? Das solltest du sein lassen. Ich mag vielleicht in manchen Leuten Augen gut aussehen, aber ich bin bestimmt kein Vorbild, klar? Lass das nur nicht deine Eltern wissen, Kleiner, sonst gibt’s noch Ärger.“

„Überlass das besser meinem Urteilsvermögen, Alter. Geschadet können dir die Abenteuer mit deinen vielen Weibern nicht haben. Abgesehen von deiner jetzigen vielleicht. Die hat ja nicht mal richtige Möpse.“

„Hey, das war fies! Ich sag auch nichts über deine Lena.“

„Das kannst du bei ihrem Aussehen auch nicht. Sorry, aber Lenas Oberweite existiert nun mal, im Gegensatz zu der bei deinem Brustbein.“

„Na warte!“ Wir gehen aufeinander los wie in alten Zeiten. Früher war er stärker. Im null Komma nichts habe ich ihn in meiner Gewalt und liege auf ihm.

„Sag mal Den, was hältst du davon, wenn wir mal zusammen ins Fitnessstudio gehen? Deine Muskeln sind zwar gut in Schuss, aber von Nichts kommt Nichts.“

„Klaro, Zeit totschlagen wie damals. Gib mir Bescheid. Nur langsam sollte ich mich auf den Weg machen. Ich muss noch kurz bei Lena vorbeischauen. Ich hab’s ihr versprochen“, gebe ich ihm augenzwinkernd zurück.

„Das gilt aber! Okay? Bin ebenfalls verabredet. Mit meinem ‚Brustbein’. Wie kommst du eigentlich auf so einen Namen?“

„So nennen wir alle, deren Oberweite ein wenig zu klein geraten ist. Da deren Brustbein weiter vorsteht, als das, was man dort normalerweise vorzufinden erhofft, ergibt sich als logische Schlussfolgerung eben ‚Brustbein’. Kapiert?“

„Aha, ihr seid doch total crazy! Du kannst Menschen doch nicht auf ihr Äußeres reduzieren, werd erwachsen. Jetzt verstehe ich, was deine Oma früher immer gemeint hat, wenn sie sagte: ‚Diese jugendliche Sprache ist für mich ein Buch mit Sieben Siegeln!’ Soll ich dich nach Hause fahren?“

„Nur im Cabriolet! Ach so, vergiss bloß nicht meine Matheaufgaben zu machen!“

Ich steige aus Bens Auto aus und fühle mich besser, auch wenn ich noch nichts Produktives für die Schule geleistet habe. Bens Musikgeschmack hat sich in all den Jahren trotz seinen Auslandsaufenthalten nicht im Geringsten verändert. Whitney Houston forever! Mit dem Gesülze kann ich recht wenig anfangen. Meine Musikwelt dreht sich um Hiphop und Techno, Eminem und Special D. So wie es sich gehört. Eminem gehört sowieso zusammen mit Nick Lachey zu meiner Lieblingsfantasie. Die haben so geile Körper und zum Glück hat noch keiner gespannt, dass ich Poster von ihnen als eine Art Wichsvorlage benutze. Sich nur nasse Männer vorzustellen wird auf Dauer ja langweilig. Manchmal kombiniere ich das Nasse auch mit einem der beiden. Ein Blick auf die und schon geht beim Gedanken mit ihren Schwänzen zu spielen und an ihren Schultern zu lehnen bei mir die Post ab. Wissen darf das keiner.

Ich frage mich, wieso ich vorhin ausgerechnet bei unserer Balgerei einen Harten bekommen habe. Hoffentlich hat Ben das nicht gespürt, wie peinlich wäre das denn!

Die Zeit vergeht fix wie im Flug. Die großen Ferien beginnen und ich habe gerade noch so die Kurve gekriegt und das Klassenziel erreicht. Dank Bens Hilfe. Ohne seine Tipps zum Schummeln hätte ich in der letzten Klausur mit einhundertprozentiger Sicherheit keine vier geschrieben. Anspruchsvoll war sie gestaltet und bei einigen ist diese wichtige Klassenarbeit absolut in die Binsen gegangen. Endlich hatte ich das Glück mal wieder auf meiner Seite. Ich spüre, wie meine Glückssträhne beginnt.

Marseille

Wir, Mum und Dad, Jay, Lena und ich sitzen im Auto auf unserem Weg nach Frankreich. Wir werden Cora besuchen. Warum wir wohl nach Frankreich fahren? Das ist einfach zu erraten. Nur aus dem Grund, um mich zu quälen. Ich werde unseren gesamten Urlaub managen müssen. „Damit du dich in Franz verbessern kannst“, stänkerte Dad. Vielleicht verliebe ich mich ja während unseres Urlaubs endlich in Lena.

Trotzdem wäre ich jetzt lieber bei Ben. Der fährt mit seiner ollen Schnalle zum Surfen nach Dänemark. Wunderbar. Er hat mir versprochen, dass er im nächsten Jahr mit mir auch dorthin gehen wird. Daraus wird wohl eher nichts. Das habe ich so im Gefühl. Denn in zehn Tagen, wenn wir aus Frankreich zurückkommen, wird er seinen Junggesellenabend feiern, um unnötigerweise Bianka, seine holde Maid, zu heiraten.

Diese blöde Schlampe hat sich doch tatsächlich von Ben schwängern lassen. Der einzig positive Aspekt an der ganzen Sache ist, dass ihr Busen so allmählich zu wachsen beginnt. Ben hat ja Recht, man sollte Leute nicht immer auf Äußerlichkeiten reduzieren, aber die Clique lebt es mir doch ständig so vor.

Ich schaue Lena an. Ihre Augen bewegen sich im Schlaf. Es ist ein Wohlgenuss ihr makellos geformtes Gesicht zu betrachten. Ihre Lippen sind kirschrot, sie atmet leise, ihre Härchen über der Stirn schweben unterdessen auf und ab, wie ein Blatt im Wind. Sie sollte Schauspielerin werden. Zeit für mich, um weiter zu träumen: Von einem Urlaub, der nicht in Frankreich stattfindet, sondern bei Ben. Halbnackt am Strand. Wenigstens in meiner Fantasie. 

 

Die ersten drei Tage sind Stress pur. Cora und Dad haben uns ein Hammerprogramm zusammengestellt, das es in sich hat. Ohne jegliche Hinsicht auf unsere Interessen versteht sich.

Lena und ich brauchen dringend ‘ne Pause von diesem Kulturschock. Dass ausgerechnet Cora diejenige sein würde, die uns aus unserer misslichen Lage befreit, darauf hätte ich als letztes gewettet. Besonders, da sie uns das ganze Übel eingebrockt hat. Rettung in letzter Sekunde – auf ihre Kosten. Heute Früh eröffnete sie Mum und Dad nach ihrem Au-pair-Jahr in Marseille bleiben zu wollen. Ich glaube, dass ein junger Mann dahinter steckt, aber das ist mir im Grunde genommen egal. Geht mich auch noch nichts an. Cora wird mich bei Gelegenheit schon in ihren tiefsinnigen Plan einweihen. Solange muss ich eben warten. Ich bin ja keine Tante aus der Boulevardpresse, die alles sofort wissen muss.

Meine Eltern sind schockiert. Mum ist besonders betroffen. Das eine Jahr hat sie noch eingesehen, aber jetzt befürchtet sie, dass Cora unter Umständen sogar für immer in Frankreich bleiben könnte. Beide wollen immer all ihre Schäfchen um sich haben. Es ist Cora klar, dass sie es lieber gesehen hätten, wenn sie zu Hause oder in der näheren Umgebung ihr Studium ablegen würde. Ich weiß gar nicht, was die alle haben. Ich kann es einfach nicht verstehen, wie man nicht einsehen kann, dass die eigenen Kinder einmal auf sich selbst gestellt sein wollen. Auf eigenen Beinen stehen, ohne dass jeder seinen Senf dazugibt.

Lena möchte zum Strand. Da rennt sie bei mir offene Türen ein. Wird Zeit, dass mein Astral-Sixpack in Ansätzen mal ein bisschen Farbe abbekommt. Wir fliehen vor den Diskussionen meiner Familie. Würde jedoch viel lieber surfen, aber das werde ich Lena nicht antun. Ich kann sie nicht mutterseelenallein hier zurücklassen, während ich meinen Spaß habe.

Mich beschäftigen die letzten Wochen. Eines Abends war Lena bei mir. Es war ein Samstagabend und ich hatte sturmfrei. Sie meinte, sie hätte Lust mit mir zu schlafen. Ich das Verlangen überhaupt nicht danach. Mark erklärte mich für verrückt. Ich verstehe es ja selbst nicht. Irgendwie fühle ich mich weder dazu bereit, noch habe ich das Bedürfnis so schnell als nur möglich meine Unschuld zu verlieren. Da dachte ich immer, Mädchen brauchen ‘ne Weile. Ausnahmsweise liegt es dieses Mal daran, dass sich der Junge überrumpelt fühlt.

Ich fürchte aber jetzt ist es so weit. Irgendwann muss ich ja mal Sex haben. Jeder aus der Clique ist schon entjungfert, nur ich nicht. Zärtlichkeiten beschränken sich bei mir und Mädchen bisher auf Kuscheln und Knutschen vor anderen. Mir reicht das. Ich würde viel lieber mal mit ‘nem Jungen so richtig in die Offensive gehen. Aber wie soll ich wissen, welcher dazu bereit wäre, mir sein sabberndes Ding anzuvertrauen?

Ich kann machen was ich will, ich krieg beim Rummachen mit Lena kaum einen hoch. So ein halb hartes Ding reicht nicht, um ihr die Unschuld zu nehmen. Bevor wir uns bei meinen Eltern zum „Spaziergang“ verabschieden, stecke ich ein Gummi in meine Tasche. Für alle Fälle. Lena schnappt sich eine Decke und auf geht’s! Ihre weibliche Intuition scheint ihr eine gewisse Vorahnung zu vermitteln.

Ich lege meinen Arm um sie. Vom Meer weht eine leichte Brise landeinwärts. Wir setzen uns in den Sand. Der ist sogar noch richtig warm. Ich spiele mit den Sandkörnern und lasse sie durch meine Hände rieseln. Die Sonne geht langsam im Meer baden. Farbenfroh und romantisch. Wie aus dem Nichts zaubert Lena eine Flasche Freixent hervor. Was für ein Mädchen! Wie hat sie das nur angestellt, ohne dass ich etwas davon bemerkt habe? Wir lassen den Korken knallen und verstecken uns hinter den Dünen. Das leckere Gesöff ist im null Komma nichts vernichtet. Ich spüre schon, wie schnell mir der Sekt den Kopf hochsteigt. Wir müssen den in Rekordtempo runtergeleert haben.

Kein Mensch ist da. Wir liegen im Sand. Jetzt muss es einfach passieren. Die Dämmerung schreitet immer schneller voran. Sie flüstert leise so was wie „Ich will dich jetzt“. Die See wird ruhiger und die Möwen leiser. Vielleicht verleiht mir das die Lockerheit und die Erholung, die man nur im Urlaub haben kann. Bekanntlich gibt es ein Haufen Leute, die ihre Unschuld unter diesen Umständen verloren haben.

„Oh mein Gott.“ Kurz erschrecke ich. Was ist los? Ich begreife. Es muss ihr gefallen. Ich denke an Eminem, was mir gute Laune und einen Ständer verschafft. Sie zieht mir leicht und locker das Gummi über, als hätte sie das schon hundertmal gemacht. Ich hab keine Ahnung. Woher weiß sie, was sie tun muss? Bald ist nur noch der Mond der einzige Zeuge unserer Vereinigung.

Es geht alles glatt und ich mache nicht schlapp. Erleichterung durchfährt mich bis in meine Haarspitzen. Unwissend wie mir geschieht, bewege ich mich immer schneller und denke an meine Orgasmen beim Masturbieren. Ich kann nicht mehr damit aufhören! Und es passiert schon. Fertig. Schluss. Aus. Ende.

Soll es das etwa gewesen sein? Plötzlich fühle ich mich wieder schlecht. Das waren nicht einmal fünf Minuten. Mir hat es gereicht. Wie man sieht. Aber ihr? Das kommt davon, wenn man nicht mit dem Herzen bei der Sache ist. Außerdem hab ich Sand im Hintern, in den Haaren und im Mund. Mein Gott, Sex am Strand ist doch wahrlich nicht das Gelbe vom Ei. Lena küsst mich. Was heißt das? Danke für die Mühe, der Bringer bist du nicht!? Hoffentlich tratscht sie das nicht weiter. Eng schmiegt sie sich an mich, ich spüre den Schweiß auf ihrem Körper und fühle mich fast sogar ein wenig angewidert. Eminem würde ich gern mal den Schweiß von der Brust lecken. Sie schläft ein. Na toll, genau das brauche ich jetzt für mein angekratztes Ego! Es ging alles so wahnsinnig schnell. Sollte man an meiner Stelle nicht happy sein, abdrehen und die ganze Welt umarmen wollen? Tut mir Leid, so ist es nicht im Geringsten. Was wenn sie es ihren Freundinnen erzählt? Und das dann die Runde an der ganzen Schule macht? Was mache ich hier nur mit ihr? Ich bin so falsch.

 

Der Tag des Abschieds naht. Meine Eltern sind zu nichts mehr zu gebrauchen. Es scheint als wird es ihnen Schritt für Schritt bewusster, dass ihre Kinder nicht ewig bei ihnen bleiben werden.

Mum weint. Sie ist für gewöhnlich sehr nahe am Wasser gebaut. Cora versucht vergeblich sie zu trösten.

„Mummy, beruhige dich! Ich weiß doch nicht einmal, ob ich das alles überhaupt durchhalte. Vielleicht komme ich schneller als euch allen lieb ist zurück nach Nordend. Ich liebe dich doch!“

Nachdem sich alle einigermaßen beruhigt und von Cora verabschiedet haben, geht’s los. Frankfurt, wir kommen! Glücklicherweise haben wir ‘ne Klimaanlage in unserem noblen Familienvan. Der Mensch, der das erfunden hat, dem würde ich auch gerne ein Bier ausgeben. Wobei, wenn ich es mir recht überlege, ist der entweder schon tot oder hat so viel Kohle damit gescheffelt, dass er sich eine eigene Bierbrauerei leisten kann. Lena hört sich Songs von US5 und Banaroo an. Das muss ich mir bestimmt nicht geben. In punkto Musik werden wir wohl nie auf einen gemeinsamen Nenner kommen. Wobei dieser Richie von US5 ja ein sehr heißes Eisen ist, das man bestimmt gut vernaschen kann. Wenn mir der Blitz den ins Bett donnern würde, würd ich ihn sicher nicht von der Bettkante stoßen. Ich ziehe mir lieber Tracks wie „Like Toy Soliders“ oder „Someone To Love“ rein. Aber so hat eben jeder seine Eigenheiten. Wie Ben mit Whitney Houston.

Ben! Irgendwie muss ich ununterbrochen an ihn denken. Ich bin eifersüchtig. Eifersüchtig auf seine Schnalle. In absehbarer Zeit wird er immer weniger Zeit für mich haben. Ben geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Ich muss immerzu daran denken, wie wir vor Marseille im Freibad waren. Ich bewundere seinen Body. Es tut gut, ihn sich vorzustellen. Plötzlich habe ich ‘ne Latte. Aber bin ich noch ganz bei Trost?! Was geht?? Ich kann mich doch nicht so einfach an meinem Onkel aufgeilen.

Wahrscheinlich hat mein Kopf zu viel Sonne abbekommen! Ja, das wird’s wohl sein! Das muss es sein. Es lässt sich einfach nicht abstellen; ich kann machen, was ich will. Wahrscheinlich habe ich nur den Kontakt zu ihm vermisst. Besonders schön waren die Abende vor unserer Abfahrt, unten an der Ecke beim Chinesen, wo wir über alte Zeiten philosophiert haben.  Das muss einfach der Grund sein! Der Alltag wird uns alle noch schneller einholen als uns lieb sein kann.

Junggesellenabend

Endlich wieder in den eigenen vier Wänden schlafen. Es ist schon kurz vor 19:00 Uhr als wir heimkommen. Ich schaffe es gerade noch rechtzeitig, mich ausgehfertig zu machen und Lena nach Hause zu begleiten. Herzlich wird sie von ihrer Mutter begrüßt. Da bin ich erst mal fehl am Platz. Ist mir ganz recht. Schließlich bin ich mit Ben verabredet. Er, seine Kumpels Zoltan, Mike, Alessandro und meine Wenigkeit wollen heute Abend den ultimativen Junggesellenabend für Ben abstarten. Im kleinen Kreis. Das ist gemütlicher und man kann besser um die Häuser ziehen, sämtliche Kneipen abchecken und sich abdichten. Ich hoffe, die Dinge dann etwas abgeklärter betrachten zu können. Zuallererst brauche ich ‘ne Kippe. Unbedingt. Es ist ein Kreuz mit der Sucht, aber ich komme leider nicht davon los. Auch so ‘ne Dummheit, mit der ich, um cool zu sein, angefangen habe. Glücklicherweise sehen es meine Eltern nicht mehr so eng, wenn ich rauche. Früher haben sie es nicht gern gesehen, aber das war mir egal. Das haben sie gemerkt und versuchen es jetzt auf die weiche Tour. Vor ihnen rauche ich trotz allem äußerst ungern, deshalb muss ich die ersten Stunden seit Langem ohne sie in vollen Zügen genießen.