Alessandro Piperno
Die Verfolgung
Im Feuer der Erinnerungen
Aus dem Italienischen von Ulrich Hartmann
Fischer e-books
Mit Illustrationen von Werther Dell’Edera
Alessandro Piperno gehört zu den meistausgezeichneten Autoren seiner Generation. Für seinen Debütroman ›Mit bösen Absichten‹ erhielt er gleich zwei bedeutende Preise, den Premio Viareggio und den Premio Campiello. Für ›Die Verfolgung‹ wurde er in Frankreich mit dem Prix du meilleur livre étranger ausgezeichnet und für ›Inseparabili‹ erhielt er 2012 den Premio Strega, die höchste literarische Auszeichnung Italiens.
Alessandro Piperno wurde 1972 in Rom geboren, wo er auch heute lebt.
Weitere Informationen, auch zu E-Book-Ausgaben, finden Sie bei www.fischerverlage.de
Erschienen bei FISCHER E-Books
Die italienische Originalausgabe erschien 2010
unter dem Titel »Persecuzione. Il fuoco amico dei ricordi«
bei Mondadori Editore, Milano
© Arnoldo Mondadori Editore S.p. A., Milano 2010
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2013
Coverabbildung: John Early / Corbis
Covergestaltung: hißmann, heilmann, hamburg
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-401621-4
Für Simona
Schweigst du aus Scham
oder aus Bestürzung?
BOETHIUS, Der Trost der Philosophie
Es war der 13. Juli 1986, als der peinliche Wunsch, nie auf die Welt gekommen zu sein, von Leo Pontecorvo Besitz ergriff.
Einen Augenblick zuvor hatte sich Filippo, sein Erstgeborener, dem kleinlichsten kindlichen Gejammer hingegeben und dagegen protestiert, wie wenig Pommes frites ihm seine Mutter auf den Teller geladen hatte, verglichen damit, wie unglaublich großzügig sie seinem kleinen Bruder gegenüber gewesen war. Und dann, einen Moment später, unterstellt der Sprecher der 20-Uhr-Nachrichten vor einem beträchtlichen Anteil der Nation dem hier anwesenden Leo Pontecorvo, unanständige Briefe mit der Freundin seines dreizehnjährigen Zweitgeborenen gewechselt zu haben.
Gemeint ist ebenjener Samuel, auf dessen Teller der knusprig-goldene Schatz nie verzehrt werden sollte. Vermutlich war er noch unschlüssig, wie seine plötzliche Fernsehberühmtheit von seinen Freunden eingeordnet würde: in die Abteilung lustiger Klatsch oder in die bisher noch leere Abteilung allerpeinlichste Pleite, die einem Jungen seiner verwöhnt herumhängenden Clique je passiert war.
Es hat keinen Sinn, sich vorzumachen, sein zartes Alter hätte es Samuel verwehrt zu ahnen, was für die anderen sofort klar gewesen war: Jemand im Fernsehen suggerierte, dass der Vater sein Mädchen gevögelt hatte. Und wenn ich »Mädchen« sage, meine ich ein Gör von zwölfeinhalb Jahren mit orangefarbenem Haar und einem mit Sommersprossen übersäten spitzen Gesichtchen. Doch wenn ich »vögeln« sage, meine ich vögeln. Und somit eine außerordentliche, äußerst schwerwiegende, zu brutale Sache, um sie einfach so wegzustecken. Selbst für eine Frau und zwei Söhne, die sich schon seit einer Weile fragten, ob dieser Ehemann und Vater wirklich der untadelige Bürger sei, auf den sie immer so selbstverständlich stolz gewesen waren.
Der Ausdruck »schon seit einer Weile« spielt auf seine ersten Probleme mit dem Gesetz an, die den schändlichen Stempel des Verdachts auf die exemplarische Karriere eines der rührigsten und erfolgreichsten Kinderonkologen des Landes gedrückt hatten; eines jener Chefärzte, der sich, wenn ihn die alte Krankenschwester ihrer neu eingestellten Kollegin beschrieb, Bemerkungen verdiente wie: »Ein feiner Mensch! Niemals vergisst er, ›danke‹, ›bitte‹ oder ›gern geschehen‹ zu sagen … und dann sieht er auch noch gut aus!« Und in den stickigen Wartezimmern des Hospitals Santa Cristina, wo die Mütter der kranken Kinder bange Empfindungen darüber austauschten, in was für einen Albtraum sich die Kindheit ihrer Kleinen verwandelt hatte, konnte man nicht selten solche Dialoge hören: »Er ist immer für einen da. Man kann ihn jederzeit anrufen. Auch nachts …«
»Ich finde, er macht einem Mut. Ist immer guter Dinge, positiv.«
»Und außerdem kann er mit Kindern umgehen …«
Während das Klingeln des Telefons einer bis vor ein paar Sekunden unvorstellbaren Schande etwas Rhythmisch-hitzig-Frenetisches zu geben begann, spürte Leo, auf dem Höhepunkt der Verwirrung, dass diese Mahlzeit die letzte war, die seine Lieben ihm zugestehen würden. Dann dachte er an die vielen tausend anderen Dinge, die ihm von diesem Moment an verwehrt sein würden. Und vielleicht war es, um nicht in sich zusammenzufallen, um nicht unter der Last von Panik und Sentimentalität niederzusinken, um nicht vor seinen Söhnen und seiner Frau wie ein kleines Kind in Tränen auszubrechen, dass er sich in einen überheblichen und hasserfüllten Gedanken flüchtete.
Zum Schluss hatte sie es geschafft: Dem Mädchen, das sein Sohn vor ungefähr einem Jahr ins Haus gebracht hatte und das Rachel und er – das offenste und harmonischste Paar in ihren Kreisen – ohne Geschichten aufgenommen hatten, diesem Mädchen war es gelungen, ihr Leben zu zerstören. Sein Leben und das der drei Menschen, die er am meisten liebte.
So muss es also enden?, war der Gedanke, bei dem Leo sich ertappte, während er sich immer mehr mit dem nicht zu verdrängenden Wunsch herumschlug, nie existiert zu haben. Falsche Frage, alter Freund. Was für einen Sinn hat es, vom Ende zu reden, wenn wir erst am Anfang sind?
All dies geschah zu einer passenden Stunde.
Zu der Stunde, in der das Olgiata-Viertel – ein vornehmer, in viele Hektar Wald eingebetteter Wohnbezirk mit Villen und immer blühenden Gärten allüberall, begrenzt von massiven Mauern – sich plötzlich leerte. So wie ein Strand bei Sonnenuntergang.
Es war dann, als wäre man in einem riesigen Vergnügungspark ein paar Minuten nach der Schließung gefangen. Die Spuren der während des Tages verschwendeten sportlichen Energie waren überall verstreut: der Adidas-Lederball in der Hecke eingeklemmt, das bis zur Erschöpfung gefahrene Skateboard umgekippt auf dem Pflasterweg, das orange Plastikschwimmbrett auf der ölig schimmernden Oberfläche des Swimmingpools treibend, ein Paar Tennisschläger, besprengt von Spritzern einer Bewässerungsanlage, die hinterrücks mit einem Klicken losgelegt hatte.
Natürlich konnte man auch auf den fanatischen Jogger in Fleeceshorts stoßen, das Handtuch über den Schultern wie Rocky Balboa, oder auf den jungen Vater, der außer Atem vom Supermarkt zurückkam – in einer Hand eine Packung Windeln, in der anderen die mit Kondomen.
Doch abgesehen von diesen Einzelgängern mit freiem Ausgang – diesen Ruhestörern der abendlichen Siesta –, hatten sich die anderen nahezu allesamt in ihre Häuser verkrochen: Villen mit inkonsequenter, eklektischer Architektur, manche schlicht, andere protzig (der mexikanische Stil verdrängte in letzter Zeit zunehmend die Mode der alpinen Chalets). Wenn man sie von außen sah, diese Häuser, konnte man sich die ausgebauten Kellergeschosse vorstellen, wo alles war, wie es sein sollte: der Kamin, die von grünem Schimmel angefressenen Fußbodenleisten, die gehäkelten Spitzendeckchen, die Stöße von Illustrierten, die Ahornholzkästen voller Lavendel, der wie eine Leiche im Leichenschauhaus rigoros mit einem Tuch abgedeckte Billardtisch, ein bauchiger Fernseher mit dem fangarmartig von ihm ausgehenden Kabelgewirr des Videorecorders und der Atari-Konsole. Man konnte ihn riechen, den heuchlerisch ländlichen Duft der Holzklötze, der Pinienzapfen, der gebündelten Zeitungen, nicht weniger vergilbt als die Tischtennisbälle, die sich im Dunkel versteckten, reglos auf der Hut wie Detektive.
Es war nur ein Augenblick. Ein Augenblick außerhalb der Galaxie. Ein Augenblick übernatürlicher Entspannung. Ein Augenblick, in dem die Epiphanie des Familiären, täglich in diesem vielleicht dreißig Kilometer vom Zentrum Roms entfernten Wohnbezirk zelebriert, ihren Höhepunkt erreichte. Ein wirklich rührender Moment, nach dem sich alles wieder in Bewegung setzen und verkümmern würde.
Noch ein paar Minuten, und die von den philippinischen Hausangestellten mit freiem sonntäglichen Ausgang wie Waisen zurückgelassenen Einwohner des Olgiata-Viertels würden erneut die Straßen überfluten, um mit ihren blitzsauberen Autos und ihrer unverschämten Vitalität die Parkplätze der Pizzerien in der Umgebung militärisch zu besetzen. Denn trotz des vom hartnäckigen Barbecue-Geruch in der Luft erweckten Gefühls der Sattheit hatten alle die Absicht, den Tag schön ausklingen zu lassen, indem sie Tomatenbruschetta und Erdbeeren mit Sahne in sich hineinstopften.
Doch einstweilen waren noch alle zu Hause. Die kleineren Jungen stritten mit der Mutter, weil sie kein Bad nehmen wollten; die etwas größeren mussten sich Vorwürfe anhören, weil sie seit einigen Monaten allzu viel Zeit im Bad verbrachten. Was die Eltern anging, so entspannten sich manche in Bermudashorts und T-Shirt mit einem Glas Chardonnay und verschlungenen Beinen am Rand des Swimmingpools. Manche konnten nicht aufhören, die Ohren ihres Labradors zu malträtieren. Manche taten sich schwer, ihre Partie Canasta aufzugeben. Manche bereiteten Häppchen mit Oliven und Cocktailwürstchen für die Gäste vor. Manche richteten den Koffer für lange Reisen. Manche die Kleider für den nächsten Tag … Alles war ein Versprechen, alles in einer romantischen Erwartung eingeschlossen. Unruhig war man nur, weil man fürchtete, es nicht zu schaffen, das kupferfarbene, warme Licht dieses besonderen Augenblicks bis zum Ende auszukosten. Des Augenblicks, der diesmal zufälligerweise damit zusammenfiel, dass auf den Fernsehschirmen, die auf denselben Kanal eingestellt waren (damals war die Senderauswahl begrenzt), das Foto von Leo erschien: grobkörnig und erbarmungslos, wie es da über der rechten Schulter des herausgeputzten Nachrichtensprechers schwebte.
Ein Foto, das für unseren Mann nicht vorteilhaft war. Ein Foto, von dem keiner der Zuschauer, die Leo Pontecorvo gut kannten, gesagt hätte, dass es ihm gerecht würde. Ein bisschen wie ein Passbild, ein bisschen wie das Fahndungsfoto eines Vorbestraften, erschien Leo darauf blass und erschöpft. Ohne die geringste Ähnlichkeit mit dem Mann, der im Alter von achtundvierzig Jahren jene glückliche Periode im Leben von Männern durchlief, in der die Natur eine perfekte, allerdings flüchtige Harmonie zwischen jugendlicher Energie und vollendeter Männlichkeit gefunden zu haben scheint. Wenn sich auch, nach einem halben Jahrhundert, in dem er zu viel gearbeitet hatte, die Wirbelsäule dieses schönen schlaksigen Mannes unter dem Gewicht von neunzig Kilo eines großen und auf seine Art eindrucksvollen Körpers zu krümmen begann, war sie doch noch aufrecht genug, Leos Statur kraftvoll und imposant emporragen zu lassen.
Außerhalb Italiens würde man die Schönheit seines Gesichts »italienisch« nennen. In Italien jedoch würde sie manch einer als »nahöstlich« bezeichnen. Lockiges Haar, ganz und gar ähnlich dem, wie es ein Komparse in einem Film über das Leben von Moses hätte tragen können. Eine olivenfarbene Haut, die im Kontakt mit dem Sonnenlicht sofort gebräunt aussah; langgeschnittene Augen, zwei edle grüne Glanzstücke; Ohren, die ebenso kräftig waren wie die Nase (beide zollten dem Judentum leidenschaftlichen Tribut); und diese Lippen – in diesen Lippen lag das ganze Geheimnis: sinnlich, ironisch, schmollend.
Dies also die ganze Schönheit, die jenes Foto nicht hatte wiedergeben können. (Ich habe Leo Pontecorvo gut genug gekannt, um sagen zu können, dass das Drama jenes Erscheinens im Fernsehen für ihn auch eine Tragödie der Eitelkeit war.)
Und doch, alles in allem, die ungetreue Darstellung hatte einen Sinn. Sie drückte eine Drohung aus. Einen Qualitätssprung in der Bestialität der Aggression, deren Opfer Leo seit einigen Wochen war. Und vor allem bedeutete sie etwas sehr Genaues und außerordentlich Beunruhigendes: Diesmal konnte und durfte Leo Pontecorvo sich keine Illusionen machen: Er musste die Hoffnung aufgeben, konnte keine Milde erwarten. Sie würden bis hierher kommen, um ihn aufzuspüren, vielleicht noch an diesem Abend. Mitten in einem strahlend heißen Sommer. Dies war der Sinn jenes Fotos. Dies war es, was jenes – jäh auf dem Bildschirm erschienene – Foto ihm versprach.
Sie würden ihn mit Gewalt aus seiner familiären Gemütlichkeit verjagen, wie eine Maus aus ihrem Loch. Um ihn dem öffentlichen Ressentiment zum Fraß vorzuwerfen, so, wie er jetzt aussah: barfuß, in khakifarbenen Bermudas und einem zerknitterten blauen Hemd, katastrophal unbeholfen auf dem Hocker der eleganten Küche, die auf einen Garten hinausging, der, wie alles andere dort draußen, in heiligem Frieden das letzte, karamellfarbene Licht des Tages genoss.
Nein, sie würden sich nicht einschüchtern lassen von dem Haus, das er sich seinerzeit in den üppigen Schoß von Olgiata hatte bauen lassen – nach dem Bilde des menschlichen Wesens, als das er gern erscheinen wollte: nüchtern, modern, eklektisch, ironisch und vor allem transparent. Eher das Haus eines Designers als das einer Kapazität in der Medizin, ein Haus, durch dessen massive Glasfenster sich bei Tag und speziell am Abend, wenn die Lichter eingeschaltet waren, das bequeme Leben erkennen ließ, das man dort drinnen führte: eine Schamlosigkeit, bei der Rachel – eine Frau, die kulturell nicht darauf eingerichtet war, im Schaufenster zu leben – alles getan hatte, sie durch große Vorhänge zu beseitigen, deren Installation zu Anfang jedes Herbstes Anlass zu einer der klassischsten ehelichen Streitereien war.
Doch Leo war, als er beschlossen hatte, dort zu leben, an einem solchen Ort, in einem Haus dieser Art, auf Widerstände gestoßen, die um einiges mehr Autorität hatten, als jene, die seine junge und jedenfalls bis dahin treu ergebene Gattin ihm mit den Vorhängen entgegensetzte.
»Wenn du mich nur begleiten würdest … dann würde dir klarwerden, dass man sich an diesem Ort ungemein geschützt fühlt.«
Leo erinnerte sich daran, dass er zwanzig Jahre vor diesem schicksalsträchtigen Abend jene Worte zu seiner Mutter gesagt hatte, um ihr seine Absicht mitzuteilen, die Wohnung im Zentrum zu verkaufen, die sie ihm ebenso großzügig wie unbedacht überschrieben hatte, und eine Parzelle in Olgiata zu erwerben, um darauf »das richtige Haus für uns« zu bauen.
»Und wovor genau solltet ihr euch schützen?«
Leo hatte in der Stimme seiner Mutter einen feinen Unterton von Enttäuschung wahrgenommen, Ausdruck der wachsenden Unduldsamkeit gegenüber ihrem einzigen Sohn, dem bekhor, ihrem Erstgeborenen, der ihrer Meinung nach umso weniger auf sich achtzugeben verstand, je älter er wurde.
»Das ist doch nicht etwa die Idee deiner Frau?«, hatte sie die Sache noch verschärft. »Hat sie dir in den Kopf gesetzt, in der Steppe zu leben? Noch so eine ihrer Machenschaften, um dich auf Sicherheitsabstand von mir zu halten? Treibt sie ein zerstörerisches Spiel mit meinem Geld, meiner Geduld, meinen Gefühlen?«
»Hör auf, Mama. Es ist meine Idee. Halte Rachel da heraus.«
»Nur wenn du mir erklären kannst, was für eine Sorte Name ›Rachel‹ ist! Scheint direkt aus der Bibel zu kommen …«
War es möglich, dass er, dem es gelungen war, vor strengen Kommissionen zu bestehen und von ihnen als geeignet befunden zu werden, eine exponierte Stellung im Krankenhaus zu bekleiden; er, zu dessen Beruf es gehörte, gebrochenen, ungläubigen Eltern mitzuteilen, dass ihre kleinen Kinder verloren waren; er, der in der Lage war, fast gleichaltrige Studenten in Angst zu versetzen, und den viele schon damals als designierten Erben der akademischen Pfründe des mächtigen Professors Meyer betrachteten – dass er, eben dieser Er es noch immer nicht schaffte, seiner mehr als sechzig Jahre alten Mutter die Stirn zu bieten?
Wenn es ihm gelungen wäre, hätte er wohl nicht das Bedürfnis verspürt, ihr seine Pläne mit dem Haus mitzuteilen. Wenn die Wohnung im Zentrum ihm gehörte, wenn sie sie ihm überschrieben hatte, warum dann so eine große Sache daraus machen? Warum sie nicht verkaufen – und fertig? Warum wie ein kleiner Junge ihre Einwilligung suchen? Und warum dann, wenn er doch wusste, dass er sie nicht erhalten konnte, jetzt, da sie ihm diese Einwilligung tatsächlich verweigert hatte, wütend sein?
Die Fähigkeit dieser Frau, ihn zur Verzweiflung zu bringen. Das Talent, ihn in die Ecke zu treiben. Indem sie ihm das Gefühl gab, ein bockiger Sohn zu sein, was er im Grunde niemals war. Das Charisma seiner Mutter. Ihr Eigensinn. Ihre Neigung, sich einzumischen. Die unerschütterliche matronenhafte Überzeugung, auf der richtigen Seite zu stehen. Das alles gewürzt mit einem Sarkasmus, der sich in der letzten Zeit – seit ihr Sohn ihr nicht ohne Verlegenheit mitgeteilt hatte, dass Rachel Spizzichino sehr bald ihre Schwiegertochter sein werde – furchtbar verfeinert hatte.
So hatte er sich in dieser Geschichte mit dem Schutz und der Sicherheit verheddert.
Getrieben von seiner Mutter, die von ihm weiter Rechenschaft für seine eigentümliche Idee, »in der Steppe« leben zu wollen, verlangte, hatte Leo begonnen, irgendetwas Emphatisches über die Gefahren der heutigen Zeit zu nuscheln, diesen ganzen verdammten politischen Antagonismus, über den alten Traum, mitten im Grünen zu wohnen, darüber, wie er und seine junge Braut schon eine Verantwortung für die Kinder, die sie haben würden, empfanden, und darüber, dass ihr Verlangen, die Kleinen zu beschützen, bei dem Besuch in jenem mit Checkpoints, Wächtern, Einfriedungen, grünen Wiesen und Sportanlagen ausgestatteten Viertel geweckt worden sei.
»Wenn du bewaffnete Aufpasser und Drahtzäune suchst, dann kannst du doch genauso gut in Israel leben, wie diese exaltierte Cousine von dir!«
»Ein wahres Paradies auf Erden, Mama …«, fuhr Leo beharrlich fort und tat so, als hätte er die Bemerkung seiner Mutter nicht gehört.
Und je mehr Leo sprach, desto mehr nuschelte er, und je mehr er nuschelte, desto mehr sah er, wie sich der Spott seiner Mutter zu einem Gesichtsausdruck verdichtete, der jeden Moment ungeduldiger und angewiderter wurde. Ein Ausdruck voll hochmütigen Misstrauens, der in deutlichen und riesigen Buchstaben sagte:
Es gibt keinen Ort auf der Welt,
der irgendeinen Schutz garantieren kann,
weder dir noch irgendjemandem sonst!
Und wenn Leo jetzt – nachdem der Fernsehjournalist seine schmutzige Bombe in die ordentliche Küche des Hauses Pontecorvo geworfen hatte und nun über die Brände sprach, von denen die mediterrane Macchia auf Sardinien zerstört wurde – geistesgegenwärtig genug gewesen wäre, an diese Diskussion mit seiner Mutter von vor zwanzig Jahren zurückzudenken, hätte er rückblickend vielleicht die stille und unangreifbare Art geschätzt, mit der diese Frau, die nun schon seit geraumer Zeit nicht mehr unter uns ist, versucht hatte, ihn zu warnen. Erst jetzt wäre Leo – mit einem Fuß im Graben und dem anderen auf gefährlich unsicherem Terrain – in der Lage zu verstehen, wie sehr seine Mutter recht gehabt hatte: Es gibt keinen Winkel im Universum, wo ein Mensch, dieses hochmütige und lächerliche Wesen, sich in Sicherheit wähnen kann.
Und nun klingelt das Telefon unerbittlich und macht keine Anstalten, damit aufzuhören. Da sind eine Menge Leute dort draußen, die mit den Pontecorvos darüber reden wollen, was mit den Pontecorvos passiert. Seltsam, denn das Einzige, worüber sich hier drinnen alle einig sind, ist der Wunsch, jede Kommunikation mit der Außenwelt abzubrechen, für alle Ewigkeit. Doch warum bloß, wenn alles in diesem weiten und hellen Raum, begrenzt von den großen Glaswänden, von der Hecke, die den Besitz der Pontecorvos beschreibt, und von der Einfriedung des Viertels, so ist, wo (und wie) es sein muss, wieso scheint der Rest des Planeten verrückt geworden zu sein?
Wenn es in Wirklichkeit etwas gibt, das seit einiger Zeit immer verrückter zu werden scheint, nun, dann ist es das Leben der Pontecorvos. Seit die von Leo gegründete Abteilung des Krankenhauses in einen Skandal mit Schmiergeldern, überhöhten Rechnungen, verkauften Bettenplätzen, zwecks Irreführung und in betrügerischer Absicht in Privatkliniken verlegten Patienten (alles Kinder und Jugendliche am Ende ihres Lebens) hineingezogen wurde, hat sich alles immer mehr verschlechtert und bei jeder Gelegenheit eine unvorhersehbar unheilvolle, stets schlimmere Wendung genommen. Irgendwann ist sogar unterstellt worden, Leos Universitätskarriere sei in seinen Sympathien für Craxi begründet (oder, um genau zu sein, in Bettino Craxis Sympathien für ihn). Dann ist ein Assistent aufgetaucht, seinerzeit wegen Nachlässigkeit aus der Universität entfernt, der ihn aus Rache beschuldigt hat, ihm zu einem Wucherzins Geld geliehen zu haben.
Und doch, all jene schweren Anschuldigungen, die seine Karriere gefährden, scheinen neben dieser letzten Schändlichkeit so geringfügig. Vielleicht weil es nichts Schlimmeres gibt als Leo, der den Cyrano de Bergerac mit einer Zwölfjährigen spielt. Diese ekelhaften Briefe! Gespickt mit meine Kleine und mein Liebes, Anreden, mit denen sich normalerweise Erwachsene an gleichaltrige und einverständliche Partner wenden, die hier jedoch, eben weil sie zur kindlichen Empfängerin und ihrem Alter passen, widerlich erscheinen. Die langen, peinlichen Auszüge aus diesen Scheißbriefen, die bald die seriösen Seiten der wichtigsten Tageszeitungen füllen werden.
Wie es scheint, Leo, hast du die einzige Tabuverletzung begangen, die die Menschen nicht verzeihen. Eine Zwölfjährige, großer Gott. Eine Zwölfjährige begehren. Die zwölfjährige Freundin deines Sohnes verführen. Es geht dabei nicht einmal um Sex. Du weißt sehr gut, dass sich heutzutage niemand für einen Fick ruiniert. Im Gegenteil, allenfalls steht ein Fick sehr oft am Anfang von großen Vermögen. Das Schlimme ist das Alter der mutmaßlich Entjungferten. Das macht den ganzen Unterschied aus.
An diesem Punkt wird es keine deiner Eigenschaften als ruhiger und kultivierter Mann mehr geben, die im Lichte des Verbrechens, das man dir vorwirft, nicht als Schuld oder erschwerender Umstand betrachtet wird. Alles, was du bisher an Gutem getan hast, ist von jetzt an als Absonderlichkeit eines Perversen anzusehen. Denn niemand dort draußen wird sich fragen, ob die Anklage plausibel ist. Im Gegenteil, sie werden sich dafür entscheiden, diese Geschichte gerade wegen ihrer Implausibilität zu glauben. So funktioniert das bei uns. Und eben weil die Leute am liebsten das Schlimmste glauben, wird alles Schlechte, das man über einen Menschen sagt (vor allem, wenn dieser eine recht glückliche Hand beim Monopoly des Lebens gehabt hat), sofort für bare Münze genommen. Auf diese Weise nimmt der Klatsch mörderische Formen an. Und die Kapillaren des sozialen Organismus blähen sich auf, bis sie fast platzen.
Aber wie könntest du andererseits auch von der Welt verlangen, das zu akzeptieren, was keiner der drei Menschen, die mit dir wie betäubt im Augenblick in der Küche sind, dir je wird verzeihen können?
Das mühevolle Atmen Samuels. Ein synkopisches Keuchen, das Leo einen leichten Schrecken einjagt, wie ihn eine Turbulenz bei einem Passagier erzeugt, der Flugangst hat. Leo denkt daran, was er diesem Jungen angetan hat. Die ganze Nation, die von morgen an darüber klatschen wird, dass dein Vater deine Freundin gevögelt hat. Das gehört zu den Dingen, von denen du dich nicht erholst.
Der Schwebezustand, der in diesen langen Augenblicken in der Küche herrscht, wird vom Gluckern der Espressokanne zerrissen, die darauf brennt, den Anwesenden mitzuteilen, dass der Kaffee bis zum letzten Tropfen hochgekommen ist und dass sie, falls sich nicht irgendjemand entschließen sollte, die Flamme zuzudrehen, sich nicht mehr zurückhalten könne und in die Luft fliegen werde.
»Mama, warum machen wir die Flamme nicht aus? He, Mama, warum machen wir nicht aus? Sollen wir nicht besser ausmachen, Mama?«
Das ist Filippos Stimme. Auf abstoßende Art quengelig. Kindlicher als der Junge, zu dem sie gehört. Leo möchte nur, dass Rachel ihn zum Schweigen bringt. Und das tut Rachel, steht auf wie ein Roboter und dreht den Schalter am Herd zu. Rachel. Großer Gott, Rachel. Erst jetzt erinnert Leo sich an sie. Erst jetzt versucht er sich vorzustellen, was ihr durch den Kopf schwirren mag. Und genau in diesem Augenblick stürzt das Flugzeug ab.
Leo spürt, dass er sie hasst, wie er noch nie etwas gehasst hat. Er gibt ihr die Schuld an allem: hier zu sein und nicht genug hier zu sein, nichts zu tun, aber auch, alles zu tun, zu schweigen, zu atmen, ein so köstliches Abendessen auf den Tisch gebracht zu haben, den Fernseher ausgerechnet auf diesen bestimmten Sender eingestellt zu haben, gewohnheitsmäßig zehnmal am Tag Fernsehnachrichten zu schauen, nicht aufzustehen und ans Telefon zu gehen, zwei Kinder geboren zu haben, deren Anwesenheit sich jetzt, für ihn, als unerträglich herausstellt, Filippo nicht zum Schweigen zu bringen, dem katatonischen Samuel nicht zu Hilfe zu eilen …
Sie ist es gewesen, die den Jungen die Idee in den Kopf gesetzt hat, er sei ein großer Mann. Wie kann dieser wie ein Gott angebetete Mensch zugeben, dass er zerbrechlich ist? Wie kann er das Einzige tun, was er tun möchte: in Schluchzen ausbrechen? Wie kann er sich rechtfertigen, indem er Zuflucht bei banalen Entschuldigungen sucht und sich als Opfer eines gigantischen Missverständnisses darstellt?
Denn es handelt sich doch um ein Missverständnis, oder? Leo weiß es nicht mehr. Im Augenblick ist er verwirrt. Aber ja, es würde reichen, einen Blick in die fraglichen Briefe zu werfen – die er Camilla geschrieben und ihr geschickt hat (es stimmt, er kann es nicht leugnen) –, um zu begreifen, dass sie das Gegenteil dessen sind, was sie scheinen. Nein, mein Kleiner, dein Vater hat deine Freundin nicht gefickt. Allenfalls ist dein Papilein von ihr gefickt worden!
Genauso wie es genügen würde, ein Auge auf die Beschuldigungen zu werfen, um festzustellen, dass sie weniger das Ergebnis von Unehrlichkeit als das Resultat einer Mischung aus Naivität und Unverantwortlichkeit sind. Wenigstens dies muss Rachel notgedrungen wissen. Sie kennt die Leichtfertigkeit ihres Mannes. Ein Leben lang beklagt sie sich schon darüber, oft auch auf nette Art. Und dann doch so, dass Filippo und Samuel nicht einmal im Traum darauf kommen konnten. Siehst du? Es ist ihre Schuld. Alles Rachels Schuld.
Was tut Leo? Das, was er am besten kann: den anderen die Schuld geben. Es ihnen in die Schuhe schieben. Im Grunde handelt es sich um die gleiche (revidierte und verbesserte) Technik, die er viele Jahre zuvor anwandte, um sich gegen die Vorhaltungen seiner Mutter zu verteidigen.
Wenn Signora Pontecorvo wütend wurde, bestand die einzige Reaktion des kleinen Leo darin, gekränkt zu sein. Ein beleidigtes Gesicht aufzusetzen. Bis die Mutter, zermürbt vom erpresserischen Verhalten ihres kleinen Lieblings, schließlich nachgab und in einem versöhnlichen Lächeln dahinschmolz. »Ach, Schatz, es ist doch alles gut. Wollen wir nicht Frieden schließen, was meinst du?«
Erst dann bewies unser Stratege Großmut und akzeptierte die Entschuldigungen seiner Mutter. Nun ja, Leo hat es so eingerichtet, dass dieses Theater auch ein Eheklassiker wurde.
Gewiss fragten sich viele, wie ein Mann mit dem Charme und der Herkunft eines Leo Pontecorvo dieses arme jüdische Mädchen hatte heiraten können. Ihre Zurückhaltung konnte mit Apathie verwechselt und ihr Wunsch, sich unsichtbar zu machen, für Fadheit gehalten werden. Manch einer mochte sich fragen, wie dieser attraktive, stattliche Mann, romantisch wie ein slawischer Pianist (widerspenstiges Haar und schlanke Finger), ein Klinikarzt, dem der weiße Kittel so gut steht wie manchen Dirigenten der Frack, die kleine, gerade einmal hübsche Rachel Spizzichino hatte heiraten können.
Von außen betrachtet ist ihre Beziehung so unausgeglichen … und ihre Erinnerungen (ihre Leben!) sprechen so unterschiedliche Sprachen. Leo erinnert sich sentimental an eine vornehme Wohnung mit hohen Kassettendecken, vollgestopft mit schweren Möbeln mit Einlegearbeiten wie Mausoleen und ausgerüstet mit Haushaltsgeräten, die sich damals fast niemand leisten konnte.
Was Rachel angeht, so strömt das Schlafzimmer mit dem Fenster auf eine enge Gasse im alten Ghetto, in dem sie die ersten fünfundzwanzig bienenfleißigen Jahre ihres Lebens verbracht hat, obwohl nun beinahe ein Vierteljahrhundert vergangen ist, noch immer (sogar in der Erinnerung) den Geruch von gekochtem und wieder aufgewärmtem Gemüse aus, das für sie so unverdaulich war (umso mehr noch in der Erinnerung).
Und doch ist all dies, was sie damals trennte, genau das, was sie heute eint. Denn hier liegt das Geheimnis einer gelungenen Ehe und eines trotz allem glücklichen Paares: nicht aufhören, von der Fremdartigkeit des anderen verzaubert zu sein.
Und wer könnte außerdem vermuten, dass zwischen diesen beiden die Dinge nicht so sind, wie sie scheinen? Und dass Leo so sehr das Urteil seiner Frau fürchtet und gleichzeitig – sowohl praktisch wie psychologisch – derart abhängig von ihr ist, dass er mit ihr die emotionale Zwanghaftigkeit neu aufgelegt hat, die so viele Jahre die Beziehung mit seiner hypochondrischen und überfürsorglichen Mutter regelte? Niemand da draußen könnte glauben, dass diese neue Signora Pontecorvo in Leos Leben eine gar nicht so unähnliche Funktion erfüllt wie zu ihrer Zeit die alte Signora Pontecorvo. Dass die neue Signora Pontecorvo von der alten Signora Pontecorvo (die ihr gegenüber tatsächlich in einem Maße feindselig war, wie nur gewisse jüdische Schwiegermütter es sein können) eine Art von Beziehung geerbt hat, die auf Erpressung beruht, ins Werk gesetzt von einem talentierten und kapriziös-labilen kleinen Jungen.
So dass, wenn Rachel auf ihren Mann ärgerlich ist, dieser nichts Besseres zu tun hat, als seinerseits ärgerlich zu werden, und einen Flunsch zieht, was nun von Jahr zu Jahr ein bisschen lächerlicher wird, bis sie, entnervt von der miesepetrigen Dickköpfigkeit Leos, die sich ewig hinziehen kann, auch wochenlang, den Streit mit einem Scherz, einer Zärtlichkeit, einer entzückenden diplomatischen Geste beendet – wie etwa, dass sie ihm einen Riegel weiße Schokolade anbietet, auf die er so versessen ist. Die Frau beweist also Stärke, indem sie sich nachgiebig zeigt, während der Mann Schwäche verrät, indem er seinem Flunsch treu bleibt und ihr die Initiative (die nur ein kleines Kind nicht demütigend finden kann) zur Versöhnung überlässt.
Die Bombe in den Nachrichten war zudem nur die letzte einer Reihe von Krisen – wenn auch diejenige, die sich als irreversibel und definitiv herausstellen sollte –, welche die vergangenen Wochen geprägt hatten. Wegen dieser hübschen Ansammlung von Beschuldigungen hatte Leo begonnen, an Schlaflosigkeit zu leiden, und Rachel, bei ihm zu wachen wie eine gute Mutter. So hatte ihr Leben angefangen, sich zu verändern.
Noch an jenem Abend, kurz bevor sie den Fernseher einschalteten, hatte Rachel einem Streit ein Ende gemacht, der in der Nacht davor begonnen hatte, nachdem Flavio und Rita Albertazzi – mit denen sie schon seit ewigen Zeiten befreundet waren – das Haus Pontecorvo verlassen hatten.
Es war nicht das erste Mal, dass etwas offiziell Angenehmes wie ein Abendessen mit den Albertazzis, Rachel und Leo Anlass zu einem Streit bot. Doch diesmal war die Auseinandersetzung so unangenehm gewesen und hatte einen solchen Nachgeschmack von Bitterkeit und Feindseligkeit hinterlassen, dass Rachel das Bedürfnis verspürte, das Kriegsbeil früher als gewöhnlich zu begraben.
»Ich habe in der Küche eine Kleinigkeit aufgewärmt. Magst du nicht etwas essen?«, hatte sie ihren Mann gefragt, nachdem sie zu ihm hinunter in sein Arbeitszimmer im Souterrain gestiegen war, wo er den Sonntag mit dem Hören von alten Ray-Charles-Platten verbracht hatte. Leo hatte viel Zeit darauf verwendet, seinen Arbeitsraum und Rückzugsort mit all diesen Platten auszustaffieren. Die Glanzstücke der Sammlung waren ebenjene LPs (auch die seltensten und nahezu unauffindbaren) von Ray Charles, für den Leo eine Art mystischer Dankbarkeit empfand. Und sei es nur, weil es schon immer die einzige Stimme war, die ihn zu trösten vermochte, wenn er sich deprimiert fühlte oder wenn die Dinge nicht liefen, wie sie sollten.
»Jetzt nicht, ich habe keinen Hunger«, hatte Leo geantwortet und die Stereoanlage ein klein wenig leiser gedreht.
Und da hatte diese unscheinbare Frau ihn mit einer Sinnlichkeit, die man ihr nicht zugetraut hätte, zärtlich und leidenschaftlich von hinten umarmt und angefangen zu lachen und ihn aufzuziehen.
»Ach komm, Pontecorvo, hab dich nicht so. Zwei Kinder reichen mir, und die sitzen schon oben bei Tisch.«
Wenn sie allein waren, nannte sie ihn beim Nachnamen, wie man das in der Schule unter Klassenkameraden tut. Oder auch »Professor«, in Erinnerung an die Zeit, als er ihr Dozent an der Universität gewesen war. Insgesamt entzückend liebevolle Anreden, die für diesen hochsentimentalen Mann unwiderstehlich waren, genauso wie der Kosename »Bärchen«, mit dem ihn einst seine Mutter bedachte.
Die warme Stimme Rachels bedeutete, dass ihre Liebe für ihn in diesem Moment die heuchlerische Form des Mitleids angenommen hatte. Und wer weiß, warum so etwas, das ihn zumindest hätte beleidigen müssen, die Macht hatte, ihn augenblicklich aufzuheitern.
»Ja, sicher, ich komme, ich schicke den guten alten Ray in die Heia und komme«, hatte er gesagt, ganz erfüllt von diesem süßen Gefühl, das sich nur einstellt, wenn du dem, der dir eben verziehen hat, verzeihst.
Dieser Schlagabtausch fand ungefähr eine Dreiviertelstunde vor der Stunde X statt. Weder Rachel noch Leo konnten wissen, dass es die letzte versöhnliche Geste zwischen einem Mann und einer Frau sein würde, die viele Jahre zuvor die Autorität zweier so unterschiedlicher Familien herausgefordert hatten. Die Montecchi und Capuleti ihrer Generation!
Denn ja, Leo und Rachel hatten Hindernisse und Misstrauen aller Art überwunden, um ihren allseits bekämpften Traum von einer Ehe zu verwirklichen, die mit der Zeit, dem Erwerb dieses schönen Hauses, der Geburt der Kinder, seinen beruflichen Erfolgen und ihrer untadeligen Haushaltsführung immer strahlender und beispielhafter geworden war. Und sie konnten auch nicht wissen, dass der Streit, den Rachel soeben beigelegt hatte, für immer ihre Geschichte von Auseinandersetzungen und Versöhnungen (die geheime Archäologie jeder Ehe) zu Ende brachte (und zu einem guten Ende). Und noch weniger konnten sie sich vorstellen, als sie sich auf den Weg in die Küche machten und dabei liebevoll schubsten wie zwei Soldaten auf Urlaub, dass das Essen, zu dem sie sich hinsetzten, das sie aber nicht zu Ende bringen würden, ihre letzte gemeinsame Mahlzeit sein sollte, und das Gespräch, das sie begannen, das letzte ihres gemeinsamen Lebens.
Noch ein paar Minuten, und alles würde zerstört sein. Und obwohl Rachel schon an jenem Tag beschlossen hatte, mit niemandem über das Vorgefallene zu sprechen – indem sie die Geschichte ihrer Ehe in dem mentalen Abstellraum für Verdrängung und Vergessen verstaute –, würde sie sich sehr oft nach dem Tod ihres Mannes in Traumgesprächen, wenn es ihr nicht gelänge, die Proteste jenes fernen Gespenstes in Schach zu halten, fragen, ob nicht zufällig alles am Abend davor angefangen habe, beim Essen mit den Albertazzis, ob sie nicht dort die ersten schmutzigen Spritzer jenes schlammigen Seebebens, das alles fortreißen sollte, erreicht hatten. Und ob die Albertazzis nicht auf irgendeine Weise in dieses Unheil verwickelt waren.
Es konnte kein Zufall sein, dass Rachel ausgerechnet an jenem Tag zu der Entscheidung gekommen war, die sie nach Leos Tod noch einmal bekräftigte, dass sie nie mehr auf die Anrufe Ritas reagieren würde, und auch nicht auf die emphatischen Briefe Flavios, die voller überflüssiger und verspäteter Hilfs- und Freundschaftsangebote waren. Es war, als hätte Rachel das Bedürfnis, ihnen die Schuld an dem zu geben, was geschehen war. Nachdem sie so lange Pflichten und Verantwortlichkeiten einer Ehe, die nur stotternd funktionierte (wie jede glückliche Ehe), auf ihren Schultern getragen hatte, ging Rachel nun, nach dem erbärmlichen Ende dieser Ehe, zum Gegenangriff über, indem sie jenes so emblematische Freundespaar ihres Mannes, das sie im Grunde nie hatte ausstehen können, wenn nicht unbedingt als die Schuldigen, so doch zumindest als die lästigsten Zeugen des grotesken Ereignisses identifizierte, das ihr Leben als angenehm residierende, tüchtige Hausherrin in einer schönen Villa in Olgiata in eine veritable Schlacht ums Überleben verwandelt hatte.
Zwei Zeugen, genau das waren sie.
Rita, die zuerst alles getan hatte, damit ihr Mann definitiv mit Leo, diesem Perversen, brach, und sich dann, nach dessen Tod, als treueste und entschiedenste Bewahrerin seines Andenkens anbot.
Und Flavio, der sich von der Nervensäge, die er geheiratet hatte, überwältigen ließ.
Zwei Zeugen, die beseitigt werden mussten, zusammen mit allen belastenden Beweisen und allen Motiven eines Verbrechens, mit dem sie nichts mehr zu tun haben wollte. Und mit dem sie sich erst viele Jahre später auseinandersetzen musste (gewissen Dingen entkommt man nicht). Aber das ist eine andere Geschichte.
Flavio Albertazzi war Leos Banknachbar während der gesamten fünf Jahre im Gymnasium gewesen. Und er hatte schnell gelernt, dass die beste Art, sich des durch den Wohlstand, in dem seine Klassenkameraden schwammen, ausgelösten Unterlegenheitsgefühls zu erwehren, war, ihnen ohne Scheu ins Gesicht zu schleudern, dass er arm war. Ein aufdringliches Verhalten, das, mochte es ihn damals noch aus mehr als einer Verlegenheit gerettet haben, nun, da er, dank Durchsetzungsvermögen, Opferbereitschaft und immenser intellektueller Fähigkeiten einen bedeutenden Platz in der Gesellschaft errungen hatte, wodurch sein Bankkonto gut gefüllt und sein sozialer Aufstieg beispielhaft geworden war, sich zu einer ziemlich unerträglichen Angewohnheit entwickelt hatte. Jedenfalls in Rachels Augen, die mit der Einstellung groß geworden war, dass es immer besser sei, die eigene Lage (wie auch immer sie beschaffen sein möge) zu verbergen, als sie zur Schau zu stellen.
Als Flavio zum ersten Mal in die Klasse gekommen war, hatte er kurze Hosen getragen, so dass Leo, der einen blauen Anzug mit Faltenhosen und Aufschlägen trug, sich berechtigt fühlte zu fragen: »Warum läufst du noch in kurzen Hosen herum?«, worauf er als Antwort eine Art rhetorische Frage erhielt, mit der die Kontroverse für immer beendet wurde: »Warum kümmerst du dich nicht um deinen Scheiß?«
Von diesem Wortwechsel, zu dem es Anfang der fünfziger Jahre gekommen war, hatten die beiden Freunde in den folgenden Jahrzehnten immer wieder mit großem Vergnügen erzählt. Eine Geschichte, die bei Rachel einige Fragen über ihren Mann aufwarf: Warum gefiel ihm eine dumme Anekdote so gut, die zeigte, was für ein unerträglicher kleiner Snob er damals gewesen war, dem sein Freund so gekonnt den Kopf zurechtgerückt hatte? Dies war für Rachel nur eines der vielen Rätsel dieser Freundschaft ihres Mannes, die sie, wie viele Frauen ihrer Generation, schließlich ertragen hatte.
Kann es sein, dass Rachel etwas sah, das Leo nicht sah? Dass Flavio trotz all der Zeit, die vergangen war, ihn immer noch wie ein bescheuertes Muttersöhnchen behandelte? Da war etwas an der Naivität ihres Mannes, das sie gereizt machte. Eine Gereiztheit, die dadurch verstärkt wurde, dass sich Leo gegen jeden Augenschein als der abgebrühteste und desillusionierteste Mensch des ganzen Universums betrachtete. Während er seiner Frau der unschuldigste schien.
Es muss gesagt werden, dass es für Flavio seinerzeit leicht gewesen war, sich von den guten Manieren seines Freundes verführen zu lassen. Das erste Mal, als er seine klobigen, staubbedeckten Schuhe auf das knarrende Parkett der Wohnung Pontecorvo gesetzt hatte, hatte er glauben wollen, dass die Faszination, die sein Freund bei ihm auslöste, nichts mit dem Marmor, der Holztäfelung, den prächtigen Wandbehängen dieser Wohnung zu tun hatte, sondern mit den Büchern, die im Regal am Eingang dicht an dicht standen. In diesem kulturellen Schatz hatte die Eloquenz, die Leo frühzeitig unter Beweis gestellt hatte, die sprachliche Gewandtheit, um die Flavio ihn so sehr beneidete, ihren Ursprung, und sicher nicht darin, dass er in einer Welt gelebt hatte, wo die Funktionalität eines Möbels einen annehmbaren Kompromiss mit zwei so unmoralischen Dingen wie Schönheit und Eleganz zu finden hatte.
Nach so vielen Jahren empfand Flavio es noch immer als persönlichen Sieg, dass Leo den Arztberuf durch eine Karriere als Wissenschaftler und Akademiker ergänzen wollte, die von diesem gutaussehenden, privilegierten und unabhängigen jungen Mann nicht zu erwarten gewesen war.
»Unglaublich, dass du dich von all dem, was du hattest, nicht hast verderben lassen«, pflegte er mit Befriedigung zu ihm zu sagen, »und das auch noch in Zeiten, als niemand etwas hatte.« Und Leo ließ sich die Genugtuung eines Mannes anmerken, der im Grunde nie versucht hat, etwas anderes zu sein als das, was er dann geworden ist.
Seinerseits hatte Leo mit ebensolcher Befriedigung den Weg verfolgt, auf dem es Flavio, dem sechsten und letzten Kind einer Arbeiterfamilie, gelungen war, sich seinen Platz an der Sonne zu erobern. Nachdem er einen Hochschulabschluss als einer der ersten Datenverarbeitungsingenieure (wie es damals hieß) in Italien gemacht hatte, war er nun Geschäftsführer einer der innovativsten Firmen, die komplexe Programme für Olivetti erstellte.
Obwohl Flavio eine nicht weniger leidenschaftliche Bewunderung für den wissenschaftlichen Fortschritt bekundete als Leo, war er zu Leos Missvergnügen der Meinung, dass sich die italienische Gesellschaft jener Jahre in vollkommener Regression befinde. Wohlstand. Vulgarität. Mangelndes Engagement. (Das Fernsehen, Gott, wie sehr er das Fernsehen hasste!) Das waren die Schlagworte, die Flavio im Übermaß gebrauchte und die ihm den Anstoß für lange Diskussionen mit Leo boten. Etwas anderes, das Flavio hasste, war die Fußballweltmeisterschaft, die Italien ein paar Jahre zuvor in Spanien gewonnen hatte. Als die Deutschen in einem triumphalen Finale im Santiago Bernabéu in Madrid geschlagen worden waren. Flavio maß diesem sportlichen Ereignis eine symbolische Kraft zu, die ebenso enorm wie schädlich war.
»Es hat den Leuten vorgemacht, das Wichtigste sei zu gewinnen. Es hat bei den Menschen einen Wettbewerbs- und Siegeskult entwickelt. Es hat uns alle ein bisschen zu Amerikanern gemacht. Zu sehen, wie ein Präsident der Republik, ein Sozialist, einer, der tatsächlich in der Resistenza war, der sein Leben riskiert hat, um den Nazismus zu besiegen, diesen geschmacklosen Pokal hochhebt, das Goldene Vlies … Wohl kaum ein würdevolles Schauspiel. Es wundert mich nicht, dass das Finale von Madrid eines der meistgesehenen Ereignisse in der Geschichte des italienischen Fernsehens gewesen ist. Tout se tient, wie du siehst!«
Und so fand sich Leo, der sowohl Fußballfan wie auch ein begeisterter Anhänger der Modernisierung des Landes war, in der Rolle dessen wieder, der leidenschaftlich die Helden von Madrid und die Berechtigung des Fernsehens verteidigte. (Wie konnte er wissen, wie das Fernsehen es ihm vergelten sollte.)
Flavio erhob, im Gegensatz zu Leo, nicht die Stimme. Er erschöpfte einen mit der Ruhe, mit der ganzen Zeit, die er sich nahm, um seine Argumentationen zu Ende zu führen, bis sie rund waren wie sein zufriedenes Gesicht. Den marxistischen Prinzipien treu, war er allem gegenüber misstrauisch und richtete eine Menge rhetorischer Fragen an seinen Gesprächspartner.
Doch auch er hatte einen schwachen Punkt.
Rita, seine Frau, die Flavio mehr liebte als die Mathematik und seine von äußerlichem Pragmatismus und inhaltlichem Utopismus geprägten politischen Ideen. Eine große, kantige, lockenköpfige Frau, immer am Rande eines Nervenzusammenbruchs, deren grausame Magerkeit in einem so starken Missverhältnis zu ihrer unstillbaren Esslust stand. Die schmalen Zigaretten, die sie immer in der Hand hielt, passten ästhetisch zu den knochigen, spitzen Fingern. Manchmal, wenn man sie im Gegenlicht sah, hätte man meinen können, es handele sich um ein rauchendes Skelett. Andere Male, im erbarmungslosen Neonlicht der Küche der Pontecorvos, mochte sie einem wie eine von Toulouse-Lautrec gemalte Puffmutter vorkommen.
Flavio zu heiraten war für Rita eine der gelungensten Gemeinheiten gewesen, die sie ihren steinreichen Eltern ins Gesicht schleudern konnte. Obwohl sie seit langer Zeit keine Verbindung mehr zu ihrer Familie hatte – einer Dynastie, die durch die Umwandlung riesigen Landbesitzes vor den Toren Roms in Bauland eine Unmenge Geld gemacht hatte –, schien Rita von diesen Baulöwen die Überheblichkeit und einen unerträglichen Mangel an Takt geerbt und gelernt zu haben. Ihre irritierenden Argumentationen, ganz anders als die ihres Mannes, verdankten sich vor allem Vorurteilen und grausam zerrütteten Nerven. Es ist die Möse, dachte Leo manchmal. Es ist die Möse, das launischste Organ, das Mutter Natur geschaffen hat, das sie sprechen lässt.
Die Empörung Ritas über Ungleichheit war ein Vorwand, um in einem schrillen Ton voller Überheblichkeit enorm unerfreuliche Dinge zu sagen. Für sie gab es keine Grenze, vielleicht weil sie, um die Familie, aus der sie stammte, zu bekämpfen, die Kontrolle hatte verlieren müssen oder vielleicht weil ihre Familie ihr durch ihr Beispiel beigebracht hatte, maßlos zu sein. Zu ihrer Zeit hatte sie ohne großen Gewinn ein Philologiestudium betrieben. Und noch immer prahlte sie ungestraft damit, gegen einen Professor protestiert zu haben – einen verstaubten dünkelhaften Lehrstuhlinhaber –, der den Studenten Montale als Lehrstoff zugemutet hatte: diesen bürgerlichen, dekadenten, reaktionären Dichter!
Rita erinnerte sich mit Bitterkeit an diese Geschichten, Zeichen eines Grolls, der sie schließlich aufgefressen hatte.
Rachel, weniger in soziologischen Kategorien denkend als der Erzähler dieser Geschichte, war sich sicher, dass der große verborgene Schmerz, der Ritas knochigen Körper schüttelte, allein aus der Enttäuschung rührte, dass sie keine Kinder hatte.
»Wenn sie Kinder hätte«, sagte sie manchmal zu ihrem Mann, »würde sie sich gar nicht an diese dummen kleinen Geschichten erinnern.«
Ja, Kinder. Kinder. Zumindest für Rachel erklärten sie alles. Ebendies war der Grund, warum Rachel es so einrichtete, dass Filippo und Samuel, wenn die Albertazzis zum Abendessen zu ihnen kamen, sie nicht einmal begrüßten und schon gar nicht erwähnt wurden. Sie wollte Rita nicht wehtun, und sie wollte auch nicht erleben, wie ihre angebliche Freundin ihren Schmerz bewältigte, indem sie feindselige Kommentare über die leichte Fettleibigkeit Filippos oder die effeminierte Leidenschaft Samuels für Musicals machte. Es war, als tue Rachel alles, um ihr Mitleid mit dieser Frau zu beweisen. Es war das Mitleid, mit dem sie versuchte, die Gereiztheit in Schach zu halten, die Rita mit allem, was sie tat, bei ihr auslöste. Und die Art, wie sie für ihre bösen Gedanken büßte.
Es war für Rachel schwierig gewesen, sich an diese Leute zu gewöhnen, nachdem Leo um sie herum verbrannte Erde geschaffen hatte. Sie war von deren kulturellem Snobismus nicht weniger schockiert gewesen als von ihrem politischen Extremismus. Rachels Vater, Signor Spizzichino, war zu beschäftigt gewesen, sich im Leben zu behaupten, um politische Ideen zu entwickeln. Für ihn sagte die Religion so gut wie alles darüber, was man wissen muss, was gut und was nicht gut ist. Und Rachel war in dem Glauben erzogen worden, dass jeder, der zu viel über gewisse abstrakte Ideen sprach, als Narr betrachtet werden müsse. Das Wort »Kommunist« wurde im Hause Spizzichino kaum mehr toleriert als das Wort »Faschist«, und überhaupt nur, weil die Kommunisten, zumindest in Italien, die Juden nicht verfolgt hatten (oder jedenfalls nach Wissen der Spizzichinos nicht) und weil sie nicht die Unverfrorenheit gehabt hatten, sich mit Hitler zu verbünden.
Misstrauen hegte Rachel allen Freunden ihres Mannes gegenüber, aber Rita gegenüber besonders. Bei dieser Frau gab es zu viele haarsträubende Ungereimtheiten, um ein einfaches und aufrichtiges Wesen wie Rachel nicht zu reizen. Und oft ärgerte sie sich auch über Leo wegen seiner Nachsicht, wegen seiner Unfähigkeit, sich über gewisse offensichtliche Widersprüche im Charakter und im Verhalten der Freundin zu empören.
Rachel erinnerte sich daran, wie Rita einmal einen Aufstand in einem Restaurant gemacht hatte, weil jemand sich erlaubt hatte, einen Hund mitzubringen. Rita ertrug, jedenfalls damals, keine Hunde. Oder besser gesagt: Sie hatte Angst vor ihnen. Und deshalb hatte sie eine derartige Szene aufgeführt: Es sei eine Schande, wie könne man nur? Und der Respekt? Wo bleibe der? … Es war alles sehr unerfreulich gewesen, einschließlich der nicht weniger heftigen Reaktion des Hundehalters.