Fußnoten

Kleiner Ort in den nördlichen Hügeln von Kyōto (Anmerkung des Übersetzers)

Wörtl. »großes Schriftzeichen«. Jedes Jahr am 18. August wird im Norden von Kyōto ein Feuer in Form des Zeichens »dai« (groß) entzündet. Das Feuer, weit sichtbar am Hang des Nyoigadake, soll zum Ende des buddhistischen O-Bon-Festes die Seelen der Verstorbenen, die zu ihren Familien gekommen waren, verabschieden und ihnen die Heimkehr ins Jenseits erleichtern. (A.d.Ü.)

Ein gurkenähnliches bitteres Gemüse, das in tropischen Gegenden wie z.B. Okinawa wächst. Wird im Deutschen auch »Bittermelone« genannt. (A.d.Ü.)

Ōta bezieht sich auf den gleichnamigen Schrein, wo der Pfad beginnt bzw. endet. In dem Schrein wird die älteste japanische Göttin des Tanzes, Amenouzume, verehrt. (A.d.Ü.)

Hochprozentiger Schnaps aus Okinawa, der aus Hirse oder Reis hergestellt wird (A.d.Ü.)

Manga von Makoto Isshiki. Die Geschichte handelt von dem Lausbuben Ichiro Hanada, der durch einen Unfall am Kopf verletzt wird. Plötzlich beginnt er Geister und Gespenster zu sehen, die ihn hartnäckig um Erlösung bitten. Mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln kämpft er für sie, versucht, ihre Wünsche in Erfüllung gehen zu lassen. (A.d.Ü.)

Wörtl. »Ich kann es sehen!«. Manga-Essay von Mimika Itō, der sich um die Frage dreht, ob es tatsächlich Geister gibt. Hauptfigur ist ein kleines Mädchen. (A.d.Ü.)

Daifuku – wörtl. »Großes Glück«. Mochi ist eine Art Reiskuchen, wobei der gekochte Reis zu einem weichen, geschmeidigen Teig verarbeitet wird. Meistens ist dieser Teig mit süßem Bohnenmus gefüllt. Mochi werden aber auch salzig gegessen, z.B. mit Sojasauce und gerösteten Meeresalgenblättern oder als Suppeneinlage. (A.d.Ü.)

Luxuriöse Herberge im japanischen Stil (Ryokan), wobei Tradition und Moderne kunstvoll vereint sind. (A.d.Ü.)

Ein kleiner, sympathischer Buchladen, in dem es eine feine Auswahl von fast allem gibt: Neuerscheinungen, antiquarische Bücher, Magazine und Zeitschrif‌ten, Publikationen von Kleinstverlagen, CDs usw. Inzwischen ist der Laden umgezogen und heißt Hohohoza. (A.d.Ü.)

Wörtl. »Goldberg«, »Goldmine« (A.d.Ü.)

Viertel im Tōkyōter Stadtbezirk Setagaya (A.d.Ü.)

Name einer Kamelienart (A.d.Ü.)

Ein altes japanisches Kinderlied für den Winter. Ein bissiger Wind bläst, Kinder sind draußen unterwegs, am Wegrand blühen rote Kamelien. Als die Kinder ein Feuer sehen, rennen sie hin, um sich ihre eiskalten Hände zu wärmen. (A.d.Ü.)

Erfolgreiche Manga-Serie von Rumiko Takahashi, erschien in Japan von 1978 bis 1987. Protagonist ist der Oberschüler und Schürzenjäger Ataru, der auf Grund seiner Vorliebe für Mädchen dazu auserkoren wird, in einem Wettstreit mit der außerirdischen Prinzessin Lum um die Erde zu kämpfen. (A.d.Ü.)

Geb. 1929 in Matsumoto. Bekannte Avantgarde-Künstlerin und Schriftstellerin der Nachkriegszeit. Ihr Markenzeichen sind leuchtend farbige Punkte, weshalb sie auch »Prinzessin der Punkte« genannt wird. (A.d.Ü.)

Japanisches Bier aus Okinawa (A.d.Ü.)

Gerösteter grüner Tee (A.d.Ü.)

Wörtl. »Tempel des Silbernen Pavillons«. Erbaut im 15. Jahrhundert, gehört die Tempelanlage mit dem Garten aus der Edo-Zeit zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten Kyōtos. (A.d.Ü.)

Einer Legende zufolge soll der im Schrein verehrte Gott des Donners auf dem nahe gelegenen Berg Kōyama herniedergekommen sein. Die berühmten Sandkegel (jap. »tatezuna« – stehender Sand) sind heilige Darstellungen dieses Berges. (A.d.Ü.)

Beliebtes Ausgeh- und Vergnügungsviertel in Kyōto. Die von Kneipen, Bars und Kirschbäumen gesäumte Straße führt an dem kanalartigen Takase-Flüsschen entlang. (A.d.Ü.)

Wörtl. »Gesetz«, »Lehre«, womit natürlich die Lehre Buddhas gemeint ist. Zum Ende der O-Bon-Zeit werden an fünf Berghängen rund um Kyōto Abschiedsfeuer entfacht. Das Hō-Zeichen befindet sich am Berg Matsugasaki, auch Daikokuten genannt. (A.d.Ü.)

Wenn du auf der Bay Bridge … stammt aus Yanagis Lied Yuigon (»Letzte Worte«). Mit der »Bay Bridge« ist die Hängebrücke in der Bucht von Yokohama gemeint. (A.d.Ü.)

Die Brücke in Kyōto befindet sich fast an derselben Stelle, wo Sayo mit Yōichi über die Steinplatten im Fluss von einem Ufer zum andern gehüpft ist. (A.d.Ü.)

Das in mundgroße Stücke geschnittene Hühnerfleisch wird süßsauer mariniert, frittiert und mit Sauce tartare serviert. Eine Spezialität von Miyazaki. (A.d.Ü.)

Der Schrein liegt spektakulär an einer Steilküste in der Nähe von Miyazaki und soll der Überlieferung nach Ehe, Schwangerschaft und Geburt positiv beeinflussen. Am Fuß der Klippe befindet sich ein schildkrötenförmiger Felsen. Die Legende besagt, dass für jeden Glücksstein, der in der Mulde landet, ein Wunsch in Erfüllung geht. (A.d.Ü.)

Getrockneter Riementang. In der japanischen Küche unentbehrlich für die Zubereitung von Dashi-Brühe. Sie bildet die Grundlage für viele Suppen (z.B. Misoshiru) und Eintopfgerichte. (A.d.Ü.)

Der berühmte Song von Yoshito Machida (Musik) und Tokiko Iwatani (Text) stammt aus der Anime-Serie Takarajima (»Schatzinsel«), die 197879 im japanischen Fernsehen lief. (A.d.Ü.)

Lover Lover Lover

 

I asked my father

I said, Father change my name

The one I’m using now it’s covered up

With fear and f‌ilth and cowardice and shame

 

Yes and lover, lover, lover, lover, lover, lover, lover come back to me

Yes and lover, lover, lover, lover, lover, lover, lover come back to me

 

He said, I locked you in this body

I meant it as a kind of trial

You can use it for a weapon

Or to make some woman smile

 

Yes and lover, lover, lover, lover, lover, lover, lover come back to me

Yes and lover, lover, lover, lover, lover, lover, lover come back to me

 

Then let me start again, I cried

Please let me start again

I want a face that’s fair this time

I want a spirit that is calm

 

Yes and lover, lover, lover, lover, lover, lover, lover come back to me

Yes and lover, lover, lover, lover, lover, lover, lover come back to me

 

I never never turned aside, he said

I never walked away

It was you who built the temple

It was you who covered up my face

 

Yes and lover, lover, lover, lover, lover, lover, lover come back to me

Yes and lover, lover, lover, lover, lover, lover, lover come back to me

 

And may the spirit of this song

May it rise up pure and free

May it be a shield for you

A shield against the enemy

 

Yes and lover, lover, lover, lover, lover, lover, lover come back to me

Yes and lover, lover, lover, lover, lover, lover, lover come back to me

 

Yes and lover, lover, lover, lover, lover, lover, lover come back to me

Yes and lover, lover, lover, lover, lover, lover, lover come back to me

Leonard Cohen – Songs From The Road

Als ich die Eisenstange bemerkte, wie sie da in meinem Bauch steckte, dachte ich: Verdammt, das sieht nicht gut aus … Ich werde sterben.

Was mich nicht weniger beunruhigte, war der Rost an der Stange. Verrückt. Sollte es in einer solchen Situation nicht vollkommen egal sein, ob die Stange rostig war oder glänzte wie Edelstahl?

Ein hef‌tiger Widerwille packte mich. Wie gebannt starrte ich auf das rostige Ding.

Damals war ich achtundzwanzig und lebte in dem Gefühl, noch eine Ewigkeit vor mir zu haben. Aus dem Nichts wurde ich mit der elementaren Lebenswirklichkeit konfrontiert, dass der Tod tatsächlich unser ständiger Begleiter ist. Ah, da ist er also!, dachte ich ungläubig.

Irgendwann war die Stange dann zwar weg, doch ich spürte sie noch lange Zeit in mir.

Der Unfall geschah auf dem Heimweg zum Wohnatelier meines Freundes Yōichi, er saß am Steuer. Yōichi lebte im Kamigamo-Viertel von Kyōto, ich in Tōkyō, Hunderte Kilometer weit entfernt.

Es war Spätsommer. In Kurama1 hatten wir uns ein heißes Quellenbad gegönnt, waren dann nach Kibune gefahren, um uns im Schatten von üppig-feuchtem Grün ein wenig abzukühlen, und von da aus zurück nach Kyōto. Bis sich die herrlich weite Flusslandschaft des Kamo vor uns ausbreiten würde, war es nur noch ein kleines Stück.

Den kanadischen Sänger und Songwriter Leonard Cohen bewunderte Yōichi über alles. Er liebte seine Musik und hörte sie oft. Auch damals im Auto erklang Cohens tiefe, wundervolle Stimme – eine Liveaufnahme von Lover Lover Lover.

Wie schon tausend Mal zuvor, ganz alltäglich, selbstverständlich.

Wir ließen uns gegenseitig viel Freiheit, und wir genossen das beide sehr. Es war mir selbst ein Rätsel, wie ein solcher Raum an Freiheit zwischen Mann und Frau überhaupt möglich war. Ganz langsam, behutsam, mit viel Liebe und Geduld wuchs er heran. Es fühlte sich an wie ein Souf‌f‌lé oder wie ein frisches, noch warmes Brötchen.

Plötzlich sahen wir ein Auto direkt auf uns zukommen. Der Fahrer musste eingenickt sein. Yōichi versuchte auszuweichen. Vergeblich. Ein hef‌tiger Aufprall, unser Auto schoss über die Uferböschung und überschlug sich.

Mein Kopf schlug irgendwo auf, Blut spritzte in die Augen, färbte alles rot. Und dann spürte ich auf einmal die Stange, die sich in meinen Bauch gebohrt hatte. Yōichi hatte sich gleich mehrere davon für eine Kunstinstallation besorgt.

Ist Yōichi okay? Oder sterben wir jetzt beide? Was für eine Dummheit, mit Eisenstangen im Auto herumzufahren …

Was mir zuallerletzt durch den Kopf ging, verdichtete sich zu einem unglaublich intensiven Gefühl.

Leonard Cohens tiefe, süße Stimme klang noch immer in meinem Ohr. Reflexartig begann ich still zu beten.

»Wenn es sein muss, muss es eben sein. Ich bin bereit zu sterben, wenn nur Yōichi heil davonkommt. Sollte mir noch ein bisschen Leben vergönnt sein, dann schenke ich es ihm. In meiner Zeit auf Erden habe ich so vieles gesehen und erlebt; wunderschöne Landschaften, unvergessliche Momente. Ich hatte stets ein Dach über dem Kopf, war gesegnet mit guten Eltern und guter Gesundheit, habe jeden Tag viel gelacht und viel gegessen. Für all das bedanke ich mich und hoffe inständig, dass Yōichi weiterlebt.«

Keine Sekunde lang wollte ich lieber selbst gerettet werden. Das überraschte mich und hat mir lange sehr geholfen, ja mich am Ende vielleicht sogar am Leben erhalten.

Ich hoffte nur für ihn, so wie Eltern für ihre Kinder hoffen.

Dieses Gefühl, das mich wie ein weiches, warmes Licht umhüllte, werde ich nie vergessen.

*

Es ist schon oft beschrieben worden, und so ging es auch mir: Für eine Weile befand ich mich in einer unendlich weiten, bezaubernden Welt, umfangen von einem strahlenden Weiß.

Wohin ich auch schaute – überall glitzerte und funkelte es, ich fühlte mich so wohl und so leicht, dass ich am liebsten immerfort vor mich hin geträllert hätte.

Mir schien es, als dauere dieser Zustand mehrere Monate; in Wirklichkeit waren es wohl nur einige Augenblicke oder Tage.

Ich erinnere mich, dass mein geliebter verstorbener Hund während der ganzen Zeit an meiner Seite war. Mein Gesicht in sein warmes Fell kuscheln zu können machte mich glücklich.

Du bist also tot. Aber sein warmes Fell schützt dich, gibt dir Geborgenheit. Und der Himmel ist so schön! Du kannst dich nicht beklagen, redete ich mir gut zu, mach dir keine unnötigen Gedanken.

Ich legte mich hin, schloss die Augen und wollte nichts anderes als meinen Hund riechen. Ein Geruch, viel süßer und verlockender als Drogen oder Alkohol. Ich kostete jeden einzelnen Moment aus und wünschte mir, es möge kein Ende nehmen. Die rosa Haut, die flauschige Wärme … Hier hat mein treuer Kleiner also gelebt, dachte ich erleichtert und voller Dankbarkeit.

Als der Hund starb, hätte ich nicht so traurig sein dürfen, weil die Trauer hierherweht und das Himmelreich verdunkelt. Nein, das war nicht nötig! Wir hatten eine schöne Zeit miteinander verbracht, waren jeden Tag spazieren gegangen und hatten viel Spaß gehabt. Das reichte doch aus, was wollte ich mehr?

Yōichi soll über meinen Tod nicht traurig sein, wünschte ich mir tief im Herzen, und auch Vater und Mutter nicht. Aber der Gedanke fühlte sich nicht etwa frisch und lebendig an, sondern eigenartig klar, wie etwas, das ganz in sich selbst ruht.

Der Himmel erstrahlte wie eine Aurora oder wie ein Regenbogen in geradezu mystisch anmutenden Farben.

Das Leben leuchtete still. Es erinnerte mich an die Stimmung in der Morgen- oder Abenddämmerung. Wenn ein sanf‌ter Wind durch die Bäume strich, war es, als würden Wolken von flimmerndem Flaum in die Luft gepustet, und die Muster wechselten unaufhörlich, als blicke man durch ein Kaleidoskop. Ich konnte mich nicht sattsehen. Wie bezaubernd das alles ist!, dachte ich ein ums andere Mal.

Da tauchte völlig überraschend Opa auf.

Ich sah, wie sein Motorrad von den Bergen her mir entgegenrollte. Träume ich? Kann es wirklich sein, dass ich meinen verstorbenen lieben Opa wiedersehe?

Als hätte ich mich nie gefragt, ob ich nun tot war oder nicht, ob es mich allein getroffen hatte oder nicht, fühlte ich in meiner Brust ein Entzücken wie im siebten Himmel.

»Steig auf!« Opa deutete auf den hinteren Sitz der Harley.

»Ohne Helm lieber nicht, und abgesehen davon ist mir das Mitfahren nicht mehr so geheuer«, sagte ich zögernd, aber Opa grinste nur schelmisch.

»Wenn wir zurückkommen, fährst du jeden Tag zehn Mal Achterbahn, okay?«

So blieb mir nichts anderes übrig, als wie befohlen aufzusitzen. »Ich komme wieder, warte auf mich, ja?«, sagte ich zu meinem Hund, knuddelte ihn und atmete seinen Geruch tief ein. Als ich mich endlich an Opas Rücken schmiegte, nahm ich einen anderen altvertrauten Geruch wahr. Von Gefühlen überwältigt, fing ich an zu weinen.

»Dass du lebst … Wahnsinn!«, sagte ich mit Freudentränen in den Augen.

»So ist es«, antwortete er ungerührt. »Sayo, normalerweise geht man mit dem geliebten Tier, das auf einen wartet, über die Regenbogenbrücke ins Himmelreich. Noch nie davon gehört? Dann guck doch mal im Internet … Du lungerst schon viel zu lange hier am Fuß des Regenbogens herum. Na ja, so hab ich dich wenigstens finden können.«

»Ich mag halt Tiere lieber als Menschen«, sagte ich entschuldigend und schnupperte an Opas kühler Lederjacke, die sich auch so vertraut anfühlte.

»Geh in die Welt zurück, und lebe dein Leben, bevor du wiederkommst. Dein Freund ist schon da rübergegangen, keine Chance, ihn noch mal zu sehen. Musst dich damit abfinden. Hauptsache, du lebst jetzt einfach mal weiter. Ohne nach dem Sinn zu fragen. Halte dich an deine Eltern, sie sind wichtig. ’ne Weile lang wird es ganz schön hart sein. Nicht sofort, sondern nach und nach merkst du, wie es immer schlimmer wird, du hast keine Kraft, und manchmal weißt du vor Verzweiflung nicht mehr, wie es weitergehen soll. Dann denk an diese Landschaft hier, bewahre die Erinnerung daran in deinem Herzen. Sie wird dich tragen und beschützen.«

Rätselhaft, was Opa da erzählte. Gedankenverloren hörte ich zu und wurde immer trauriger. An diesem Ort zeigten sich die Gefühle aber nicht so deutlich; alles war wie in einen traumhaften Schleier gehüllt.

Die unendlich lange, von den Bergen her kommende Straße schlängelte sich bis zum Fluss hinunter.

Es wehte ein sanf‌ter, zärtlicher Wind, wie ich es in Hawaii erlebt hatte, und über mir leuchtete der in tausend Rosa- und Rottönen gefärbte, Himmel.

Wie schön das hier ist, dachte ich wieder, ganz und gar gefangen von dem Zauberreich. Was ich fühlte, was ich sah – alles war so wohltuend, und ich hoffte, es würde kein Ende nehmen. Eine entrückte, still dahindämmernde Welt.

Als Opa starb, war ich in der sechsten Klasse der Grundschule gewesen.

Jeden Tag weinte und weinte ich, die Stimme heiser, die Augen so geschwollen, dass ich manchmal nicht zur Schule gehen konnte. Dann kam der Klassenlehrer zu mir nach Hause, oder meine Klassenkameraden nahmen mich bei der Hand und begleiteten mich zur Schule.

Mein Opa mit seiner coolen Lederjacke … Er war Bildhauer gewesen, und man hatte sich auf ihn immer verlassen können. Die Kinder liebten es, ihn in seinem Atelier zu besuchen und dort zu spielen. Oma schenkte ihnen Süßigkeiten, Opa ließ sie ungeniert an seinen Skulpturen herumfummeln, und manchmal durf‌ten sie sogar ein wenig mithelfen oder sich etwas kaufen gehen. Alle waren gerne bei Oma und Opa.

Wenn ich mal bockig oder betrübt war, fuhr Opa mit mir auf seinem Motorrad in die Nachbarstadt. Dort gab es ein großes öffentliches Badehaus. Die Stadt war nicht weit von Tōkyō entfernt, aber man hatte fast das Gefühl, irgendwo auf dem Land zu sich. Wenn wir uns dann in das prickelnd heiße Freiluftbecken setzten, rundherum Flecken von Grün, heiterte sich meine Stimmung bald auf; es fühlte sich wohltuender an als eine abgelegene heiße Quelle tief in den Bergen. Einmal fuhren wir sogar bis nach Hakone. Von der langen Fahrt taten mir Beine und Po weh, aber es war ein großartiges, unvergessliches Erlebnis.

Auch als Opa bettlägerig wurde, änderte sich nichts an unserer Beziehung. Ich hing sehr an ihm, und bis zum Schluss wusste er genau, wer ich war. Wenn was ist, denk einfach an deinen Opa, sagte er immer wieder zu mir, bevor er starb.

Dass Leben und Tod im selben Raum beieinander wohnen, dass nur ein Haar sie voneinander trennt – daran hatte ich nie gedacht, damals.

An Opas Rücken geschmiegt, gingen mir all diese Gedanken durch den Kopf, und irgendwann verlor ich das Bewusstsein.