Hannes Krakolinig

Die Herzkönigin

Der dritte Ecuadorkrimi

Zu diesem Buch

Ein Meerschweinchenzüchter findet auf einem pflanzenüberwachsenen Abhang eine Leiche, die nur auf Grund einer aufwändigen Tätowierung auf dem Rücken identifiziert werden kann. Comisario Lema nimmt sich des Falles an und die ersten Spuren führen schon bald ins Drogen- und Rotlichtmilieu. Doch als er einen Verdächtigen im Visier hat, mischt sich plötzlich die Politik in Form des herrischen Polizeipräsidenten und des Landeshauptmannes ein und versucht alles Mögliche, um ihn vom Fall wegzulotsen.

Dritter Ecuadorkrimi um Comisario Lema.

Der Autor

Hannes Krakolinig, geboren im August 1978 in Klagenfurt, lebt seit 2005 in Ecuador, wo er Individualtouren quer durchs Land für Touristen aus aller Welt anbietet und die Kichwaindianer im Amazonasteil des Landes mit verschiedensten Sozialprojekten unterstützt.

In seiner abenteuerlichen Laufbahn hat er 20 verschiedene Berufe in über 30 Ländern ausgeübt und dabei mehrere Sprachen erlernt.

Bei mymorawa außerdem lieferbar:

Gualingas Grenzen (2017), Al Centro (2017),

Der Schweinegringo (2018), Tzantza (2018),

Der Küstenkannibale (2019)

`If there's no meaning in it,' said the King, `that saves a world of trouble, you know, as we needn't try to find any.

They’re dreadfully fond of beheading people here: the great wonder is, that there’s any one left alive!

Lewis Carroll, Alice’s Adventures in Wonderland

UNO

Es war Montag und noch früher Vormittag kurz vor neun, als Sixto Tiglla im Graben des Stadtteils Ongota Futter für seine Meerschweinchen sammelte und hierbei eine Leiche fand.

Tiglla, so wie seine ganze Familie, stammte ursprünglich aus der Bergstadt Ambato und war vor zwei Jahren mit seinem Bruder, der ein Bekleidungsgeschäft in Tena eröffnete, und seiner Mutter in die Hauptstadt der Dschungelprovinz Napo gezogen. Da nur mit gefälschter Markenkleidung und billigen Jeans nicht genug zu verdienen war, begann Sixto Meerschweinchen zu züchten und diese gegrillt am Markt zu verkaufen. Da sich Tena in den letzten Jahren immer mehr mit Serranos aus Ambato und Riobamba füllte, die dieses typische Gericht der Bergregion schätzen, wurden die Cuys zu einem guten Geschäft und was mit einer Holzlattenkiste voll Stroh und zehn Schweindln begonnen hatte, wandelte sich schnell in einen kleinen Stall mit mehr als hundert Tieren. Damit sie sich entsprechend vermehrten und schön fett wurden, mussten sie natürlich ordentlich gefüttert werden, am besten mit Quinoa, Tomaten, Sellerie und Karotten. Doch Gemüse kostete Geld und da Tiglla am Wochenende seinen gesamten Wochenverdienst mit Bier und Nutten durchgebracht hatte, musste er nun anderes Futter für seine Nager auftreiben. Die Ernährung der Meerschweinchen war nicht weiters kompliziert, denn die Viecher fraßen hauptsächlich Grünzeug und mit Vorliebe Bananenblätter, die Blüten der Retama – von der er auch gleich einen Buschen für seine Mutter mitnehmen wollte, damit sie sich einen Nierentee aufkochen konnte - und Zuckerrohrblätter. Auch die fleischigen, dicken Blätter der Agave verspeisten die kleinen braunorangebefellten Nagetiere gern und so zog sich Tiglla seine schmutzigen schwarzen Gummistiefel an, packte seine Machete, die er zuvor am Wetzstein geschärft hatte, und machte sich mit seinem blauen, abgewetzten “Adibas”-Rucksack und vier großen, leeren Kartoffelsäcken zu einem wild bewachsenen Abhang am Stadtrand auf. Dort angekommen stieg er schnell die ersten paar Meter runter ins Gestrüpp. Konzentriert und mit gekonnten, schon tausendmal vollführten Armbewegungen, ließ er seine Machete wenige Millimeter über den Boden fliegen, säuberte den bewachsenen Hang und warf die erbeuteten Kräuter in den am Gürtel seiner Hose festgebundenen Sack.

Die Sonne stand bereits hoch am Himmel und saurer Schweiß rann ihm von der Stirn in die Augen, was ihn kurz ein verschwommenes Bild seiner Umgebung sehen ließ. Nichtsdestotrotz schwang er flott weiter und schnell waren drei Säcke bis obenhin vollgestopft. Tiglla arbeitete schnell, denn er wollte so bald wie möglich zu seinen Cuys zurück, doch plötzlich musste er seine Arbeit abrupt unterbrechen, da sein Messer bei einem eleganten Schwung durch die hohen Gräser und Büsche plötzlich auf einen harten Widerstand ratschte.

Wieder einmal so ein verdammter, vor sich hin faulender Müllsack, dachte er sich, und gab dem noch von den Gräsern verdeckten Gegenstand mit seinem gummibeschuhten rechten Fuß einen festen Tritt, was darin resultierte, dass ein Schwarm dicker, schwarzer Fliegen sich beleidigt surrend in die Luft erhob und Tiglla ein süßlich-fauliger Gestank wie ein Nest sich windender Giftschlangen in die Nase kroch.

Der Gegenstand, der sich beim Landen des Tritts eigenartig fleischig-weich anfühlte, gab kaum nach, aber doch gerade mal so viel, dass ein violetter Fetzen Stoff durch die Gräser schimmerte, und die Frage, was sich innerhalb dieses Fetzen verbergen würde, verursachte ihm ein kurzes, außerordentlich trockenes Schlucken.

Tief durchatmend fasste er all seinen Mut zusammen, hackte vorsichtig die Büsche zu Boden und vor ihm am Boden präsentierte sich die Leiche einer am Bauch liegenden, in rosa und lila gekleideten, Frau.

Angewidert machte er einen ungeschickten Satz rückwärts, rutschte aus, landete mit seinem Hintern ungeschickt am Boden und wäre dann um ein Meerschweinchenhaar fast den Hang hinuntergestürzt. Hastig stemmte er sich mit seinen beiden Armen vom Boden auf und rannte so rasch, wie ihn seine Gummistiefel trugen, den Hang hinauf, um in der nächsten tienda die Polizei zu alarmieren.

In seiner Eile hatte Sixto Tiglla nicht einmal erkannt, dass die Leiche gar keine Frau war, sondern ein Mann, aber das konnte ja passieren. Die Kritik, dass ihm aber nicht aufgefallen war, dass dem Toten Kopf und Hände fehlten, musste er sich aber schon gefallen lassen.