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Nr. 373

 

Die Verräter von Oth

 

Magier auf dem Weg zur Macht

 

von Marianne Sydow

 

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Pthor, der Kontinent des Schreckens, hat sich auf Loors, dem Planeten der Brangeln, lange genug aufgehalten, um es Atlan zu ermöglichen, Spercos, des Tyrannen der Galaxis Wolcion, Gewaltherrschaft ein jähes Ende zu setzen und den unterdrückten Völkern die verlorene Freiheit wiederzugeben.

Inzwischen ist Pthor zu neuem Flug durch den Kosmos gestartet. Eingeleitet wurde der Start durch den »Ruf des Wächters«, der fast alle Lebewesen auf Pthor in tiefen Schlaf versinken ließ, und durch das Erscheinen des »schwarzen Kontrolleurs«.

Um zu verhindern, dass Pthor wieder der Kontrolle der mysteriösen Beherrscher der Schwarzen Galaxis anheimfällt, macht sich Atlan, der dank dem Goldenen Vlies nicht in Tiefschlaf verfallen ist, auf den Weg zur »Seele« von Pthor. Doch es gelingt Atlan nicht, auf die Steuerung Einfluss zu nehmen. Statt dessen wird der Arkonide auf die »Dimensionsschleppe«, den Ableger Pthors, verschlagen, der eine kleine Welt für sich bildet.

Während Atlan sich aus der Dimensionsschleppe den Weg zurück erkämpft und zur FESTUNG gelangt, wo er die Odinssöhne als Herren über Pthor ablöst, kommt es auch in der Großen Barriere von Oth, dem Reich der Magier, zu einer plötzlichen Machtverschiebung.

Der Weltenmagier wird gefangen gesetzt – es triumphieren DIE VERRÄTER VON OTH ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Gofruun und Heix – Copasalliors Abgesandte.

Atlan – Der Arkonide besucht das Land der Magier.

Copasallior – Der Weltenmagier und seine Gesinnungsfreunde werden unschädlich gemacht.

Jarsynthia und Wortz – Die beiden Magier melden Herrschaftsansprüche an.

1.

 

»Dorstellarain?«, fragte Atlan. »He, habt ihr Dorstellarain gesehen?«

Niemand antwortete. Die Clanocs zogen an Atlan vorbei, eine erschöpfte, von Entbehrungen gezeichnete Schar, die Mühe hatte, sich noch auf den Beinen zu halten. Die meisten besaßen nur noch das, was sie auf dem Leib trugen. Andere schleppten Bündel mit sich. Viele Männer hatten sich ihre Braster-Lenker um die Hüften geschlungen. Sie hatten noch keine Zeit gehabt, zu begreifen, dass sie diese Seile auf Pthor nicht würden gebrauchen können – wenigstens nicht für den gewohnten Zweck.

Der Arkonide starrte in den spärlich beleuchteten Gang.

Dort hinten, außer Sichtweite, befand sich der Zugang zu jenen Anlagen, in der die »Seele« Pthors ihren Sitz hatte. Und dort existierte auch noch immer La'Mghor, in einer seltsamen, verzweigten Lebensform. Beide waren unerreichbar, seitdem ein Energiefeld das ganze Gebiet gegen Eindringlinge abschirmte. Eine Art Tunnel hatte sich zwischen dem Transmitter und der Außenwelt befunden, solange die Verbindung zur Dimensionsschleppe noch bestand und die Clanocs in zahlreichen Gruppen und Grüppchen herübergekommen waren.

Der Transmitter arbeitete nicht mehr. Wenigstens musste Atlan das annehmen. Die Verbindung zur Dimensionsschleppe war abgerissen, und wahrscheinlich würde das ganze geisterhafte Gebilde sich von Pthor trennen.

Was geschah nach der Trennung mit der fremden Welt? Konnte sie ohne Pthor überhaupt existieren? Wenn ja, mussten nicht die unbekannten Herrscher der Schwarzen Galaxis Verdacht schöpfen und die Dimensionsschleppe zurückholen – wie sie es mit Pthor ja auch taten?

»Vielleicht sehen wir uns bald wieder, Dorstellarain«, murmelte der Arkonide nachdenklich.

Bald, das hieß, wenn diese Reise ihr nunmehr vorbestimmtes Ende fand. Sie würden keine Freude an ihrem Wiedersehen haben. Nicht in der Schwarzen Galaxis. Atlans Kenntnisse über dieses ferne Ziel waren denkbar dürftig. Er wusste nur eines: Die Schwarze Galaxis war eine Konzentration aller negativen Kräfte. Er wünschte, er hätte mehr Zeit, sich auf die Zukunft vorzubereiten, aber er selbst hatte schließlich mitgeholfen, das gefälschte Steuerelement nach Pthor zu bringen. Die »Seele« und La'Mghor waren machtlos, es schien, als könne nichts und niemand den Dimensionsfahrstuhl noch einmal irgendwo zum Stillstand bringen, bevor man die Schwarze Galaxis erreichte.

Und nun war Dorstellarain verloren.

Atlan machte sich nichts vor. Wenn der Clanoc noch lebte, so würde er zu den ersten gehören, die man über die Vorfälle dieser letzten Reise befragte. Und was dann mit Dorstellarain geschah, konnte man sich selbst bei einem totalen Mangel an Phantasie ausmalen.

Der Schutzschirm hatte sich geschlossen, der Weg zum Transmitter war versperrt. Auch vorher hatte Atlan nicht mehr bis dorthin vordringen können. Er hatte es versucht. Nicht einmal das Goldene Vlies vermochte ihn zu schützen. Der Weg war nur nach einer Seite begehbar gewesen. Es schien, als hätte das geheimnisvolle Steuerelement mit Absicht die Clanocs entkommen lassen.

Der Arkonide wandte sich um und holte die Flüchtlinge bald ein. Er sah jeden einzelnen an. Er sah ein paar bekannte Gesichter. Aber niemand wusste anscheinend, warum ausgerechnet Dorstellarain zurückgeblieben war. Atlan, der die Clanocs ein wenig zu kennen glaubte, nahm an, dass sein hünenhafter Kampfgenosse sich für die anderen geopfert hatte. Das schien ihm die plausibelste Erklärung für das beharrliche Schweigen der anderen zu sein. Sie hätten freiwillig niemals gestanden, dass sie nur durch den Mut eines einzelnen hatten fliehen können. Ihre Mentalität verbot ihnen einen solchen Schritt.

Deprimiert ließ er die Clanocs hinter sich. Er hatte schon zu viel Zeit hier unten verloren. Oben wartete Arbeit.

Als er die Oberfläche erreichte, hatte sich dort nichts geändert. Auf Pthor herrschten weder Tag noch Nacht. Trostloses Dämmerlicht löschte alle Farben aus und verzerrte die Entfernungen. Ein stetes Rauschen, wie von einem weit entfernten Wasserfall, begleitete Pthor auf seiner Fahrt durch Zeit und Raum. Nebelfelder trieben über das Land und lagerten zwischen den Pyramiden der FESTUNG. Atlan ging langsam auf uralten Wegen zwischen Sträuchern und Hecken hindurch. Von der Blütenpracht der FESTUNG sah man jetzt nichts, und die herrlichen, alten Bäume schienen sich unter dem schweren, grauen Himmel zu ducken.

»Unsere ersten Parlamentarier kehren zurück«, sagte Razamon, der Berserker, und trat Atlan in den Weg. »Willst du hören, was sie zu berichten haben?«

»Mach's kurz«, bat Atlan niedergeschlagen.

»Es scheint«, murmelte Razamon, »als hätten unsere Pthorer sich mittlerweile daran gewöhnt, Herrschaftsansprüche zu akzeptieren. Es gibt nirgends Widerstand.«

Der Arkonide lachte bitter auf. »Das ist mir klar. Hast du noch mehr Neuigkeiten?«

Der Berserker sah den Unsterblichen nachdenklich an.

»Was ist mit Dorstellarain?«, fragte er. »Er hat es nicht geschafft, nicht wahr?«

Atlan schwieg und schritt schneller aus. Er wollte nicht über Dorstellarain reden. Wenigstens nicht jetzt. Der Clanoc war mehr als nur ein guter Kampfgefährte gewesen.

»Die einzigen, die sich überhaupt nicht melden, sind die Magier von Oth«, sagte Razamon nach einiger Zeit.

»Thalia ist fest davon überzeugt, dass wir gerade bei ihnen Unterstützung finden«, überlegte der Arkonide, der dankbar war, dass der Berserker auf ein anderes Thema auswich. »Sie ist von einigen Magiern offenbar sehr beeindruckt.«

»Ich weiß«, Razamon lachte. »Besonders von dem, der sich als Stimmenmagier bezeichnet.«

»Du wirst es mir nicht glauben wollen«, sagte Atlan ärgerlich, »aber diesen Burschen möchte ich selbst sehr gerne kennen lernen.«

»Dem steht nichts im Wege. Warum nimmst du dir nicht einen Zugor und fliegst hin? Thalia wird dich sicher gerne begleiten und dir den Weg zeigen.«

»Diese Art von Witzen steht dir nicht«, bemerkte der Arkonide trocken. »Abgesehen davon vergisst du den ›Steuermann‹. Wer weiß, wie er reagiert, wenn Thalia, die wiedererweckte Freundin seiner Einsamkeit, ihn im Stich lässt. Trotzdem – es ist keine schlechte Idee. Wenn die Magier nicht zu uns kommen ...«

»Es scheint fast, als könnten sie es gar nicht«, unterbrach Razamon den Arkoniden. »Die Dellos, die in die Große Barriere vordringen sollten, mussten umkehren. Sie spürten eine beginnende Lähmung.«

»Du meinst, es gibt auch dort einen Ableger des VONTHARA?«

»Man wird nicht ausgerechnet die Magier verschont haben. Wer weiß, sie haben vielleicht daran herumgebastelt, so dass ihr VONTHARA länger als alle anderen arbeitet.«

Atlan dachte darüber nach. Schließlich schüttelte er den Kopf.

»Ich verstehe davon nichts. Magie – das Wort alleine ist mir schon verdächtig. Wir werden Beobachtungsposten einrichten müssen. Sobald die Magier munter werden, kümmere ich mich darum. Thalia glaubt, sie könnten sogar Pthor steuern, wenn sie es nur ernsthaft versuchten.«

Razamon lachte.

»Du machst Fortschritte«, stellte er fest. »Noch vor kurzem hast du die Magier für Taschenspieler und Scharlatane übelster Art gehalten.«

»Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob sie das nicht in Wirklichkeit auch sind«, murmelte der Arkonide zweifelnd.

Der Berserker lächelte heimlich. Er glaubte den Arkoniden zu durchschauen: Atlan wollte kommenden Enttäuschungen vorbeugen. Auch wenn er heimlich auf die Hilfe der Magier hoffte, würde er es nicht zugeben.

Sie erreichten ein Gebäude im inneren Festungsring. Vorübergehend, bis sie der Loyalität des »Steuermanns« sicher sein konnten, hatten sie sich außerhalb der Pyramiden-Schiffe eingerichtet. Der »Stumme« sah ihnen von der Tür aus entgegen. Razamon nickte ihm zu. Der »Stumme« wandte sich ab und schritt voran bis in einen gemütlich eingerichteten Raum. Hier waren sie unter sich, und ein paar Dellos sorgten unauffällig dafür, dass neugierige Besucher und die Abgesandten verschiedenster Völker nicht zu ihnen vordrangen. Sie hatten sich vergewissert, dass es an diesem Ort auch keine Überwachungsgeräte gab, mit denen man sie hätte belauschen können.

Atlan wurde sich schmerzlich der Tatsache bewusst, dass er – immerhin nach Odins Willen der neue König von Atlantis-Pthor – eine erschreckend kleine Gruppe von zuverlässigen Freunden um sich gesammelt hatte.

Da war Thalia, die vor einem offenen Kamin saß und gedankenverloren in die Flammen starrte. Neben ihr stand Kolphyr, der Forscher aus dem Volk der Bera, wie eine geheimnisvolle Statue neben einem Tisch und musterte eine altertümlich anmutende Landkarte. Der »Stumme« trat neben ihn. Razamon hinkte zu einem Sessel und setzte sich so, dass er die Tür im Auge behalten konnte.

Und das war es dann auch schon.

Daran bist du selbst schuld, bemerkte der Extrasinn kalt. Grizzard und Pama hast du gehen lassen, obwohl du ihre Hilfe hättest brauchen können. Und wo sind die anderen geblieben? Denke nur an Koy, den Trommler! Oder die Söhne Odins ...

Ich weiß!, dachte Atlan ärgerlich. Um Koy tut es mir leid. Sobald ich etwas Zeit habe, werde ich versuchen, ihn aufzustöbern. Aber die Söhne Odins waren eher eine Last, das musst du zugeben.

Der Extrasinn gab keine Antwort. Der Arkonide widmete sich seufzend der Landkarte. Kolphyr hatte die Markierungen auf den neuesten Stand gebracht.

Da waren die Städte von Pthor. Jede hatte ihr Schicksal, und die letzte Zeit hatte die ohnehin bestehenden Probleme noch verschärft. In Panyxan litten die Guurpel nach wie vor unter dem Mangel an Wasser und artgerechter Nahrung. In Orxeya waren nicht einmal die geschäftstüchtigen Händler in der Lage, die Güter und Waren zu beschaffen und weiterzutransportieren, mit denen sich unter den herrschenden Bedingungen wertvolle Quorks verdienen ließen. Am schlimmsten aber hatte es Moondrag getroffen, die vielleicht stolzeste Stadt des Landes.

Schnelle Hilfe für Pthor ...

Das Schlimmste war, dass Atlan genau wusste, was zu geschehen hatte.

Die Händler von Orxeya mussten ihre Yassels mit Nahrungsmitteln beladen, statt mit den wenigen Luxusgütern, von denen sie sich Gewinn versprachen. Und sie durften Früchte und Fleisch dann nicht an die Reichen zu hohen Preisen verkaufen.

Wenn er den Händlern das sagte, würden sie ihn auslachen.

Die Kelotten in Aghmonth konnten synthetische Nahrung herstellen. Aber das lag anscheinend unter ihrer Würde. Die Technos von Zbahn, Zbohr und Donkmoon konnten diese künstlichen Lebensmittel mit Zugors transportieren und zur Verteilung bringen – nur standen die Technos auf dem Standpunkt, dass sie erstens keine Transportarbeiter waren, und dass zweitens die anderen Völker tributpflichtig waren und somit materielle Unterstützung nicht erwarten durften.

Die Valjaren bauten mehr Gemüse an, als sie selbst verbrauchten. Sie lieferten bereitwillig – wie es der Tradition entsprach – alle Überschüsse in die FESTUNG. An die Leute aus Moondrag verkauften sie so gut wie nichts. Die Piraten auf dem Xamyhr und dem Regenfluss kannten geheime, schnelle Wege in allen Teilen des Landes. Aber die stellten ihre Kenntnisse nicht in den Dienst der Notleidenden. Im Gegenteil: Dellos, die in den letzten Tagen von ihren Erkundungsflügen zurückgekehrt waren, wussten zu berichten, dass die Piraten mit Vorliebe halbverhungerte Einsiedler und ganze Pariagruppen erschlugen, um an die letzte Habe der Unglücklichen zu gelangen.

König von Atlantis!

Atlan lächelte bitter, als ihm wieder einmal bewusst wurde, wie wenig ein Titel bedeuten konnte.

»Wir werden uns den Magiern widmen«, sagte er. »Wenn sie nur die Hälfte von dem leisten können, was wir uns erhoffen, dann ist schon viel gewonnen. Ich brauche alle Informationen, die es über die Bewohner der Großen Barriere von Oth gibt.«

»Gut gesprochen, Lordadmiral«, murmelte Razamon. »Nur – wir sind nicht auf Terra. Es gibt kein Archiv mit der Aufschrift ›Magier‹. Wir werden nichts finden als Sagen und Vermutungen.«

»Warten wir es ab«, empfahl Atlan ausdruckslos.

Er war fest entschlossen, sich die Fäden des Handelns nicht wieder so leicht aus den Händen nehmen zu lassen. Keine tollkühnen Flüge in ungewisse Abenteuer hinein, kein blindes Vertrauen in jenes Glück, das einen nur zu schnell im Stich ließ. Von jetzt an wollte er den Problemen mit den Mitteln der Vernunft und der Logik zu Leibe rücken. Das galt sogar für die Magier – oder besonders für sie. Wenn er diesem Land helfen wollte, durfte er sich nicht länger seinen seltsamen Gesetzen und Traditionen unterwerfen.

Du wirst dich wundern!, versprach der Extrasinn spöttisch.

So?

Nicht die Bewohner von Pthor haben diese Gesetze geschaffen, sondern die unbekannten Erbauer dieses Landes. Und gegen die bist du völlig machtlos.

Danke, dass du mich daran erinnerst, dachte Atlan sarkastisch. Ich hätte es sonst sicher vergessen.

2.

 

In der Großen Barriere von Oth herrschte trügerischer Friede. Alles ringsumher schlief. Kein Tier, kein Magier war imstande, sich von der Stelle zu rühren. Wären nicht der Wind und die Wolken gewesen, die zwischen den Gipfeln der Berge dahertrieben, so hätte man meinen können, die Zeit wäre in diesem Land stehen geblieben.

Obwohl die Bewohner der magischen Bezirke nicht mehr imstande waren, ihre persönlichen Sperren aufrechtzuerhalten, blieben die normalen Grenzen zum Glück bestehen. Die Magier hätten sonst wohl keine Chance gehabt, diese Tage der Lähmung zu überleben. Denn die meisten lebten schon seit so langer Zeit in eigenen Welten, dass sie an die natürlichen Umweltbedingungen gar nicht mehr gewöhnt waren. So gab es Täler, die von Eis und Schnee starrten, während keine zwei Kilometer weiter tropische Wälder die steilen Felsen überzogen und im wiederum nächsten Revier trockenes Wüstenklima herrschte.

Normalerweise störten sich die Magier überhaupt nicht daran, wie heiß oder kalt ihre Nachbarn es liebten, denn die Bewohner von Oth waren zum größten Teil echte Einsiedler. Wenn es sich aber als nötig erwies, den einen oder anderen Mitmagier zu besuchen, so traf man sich besser auf den neutralen Straßen oder an den Rastplätzen entlang dieser Wege. Kein Magier wäre auf die Idee gekommen, einfach schnurstracks geradeaus zu marschieren, über die Grenzen hinweg, denn so etwas war lebensgefährlich.

Gofruun und Heix wussten das. Trotzdem steckten sie bis zum Hals in Schwierigkeiten.

Es hatte damit angefangen, dass im Tal der Schneeblume ein Ableger des VONTHARA erwachte und sein betäubendes Geheul fabrizierte. Die Magier fielen prompt in einen Zustand er Erstarrung. Nur Gofruun und Heix blieben wach, aber vorerst ahnten sie nichts davon, wie ungewöhnlich das war. Sie lebten still und friedlich in ihren Höhlen nahe dem Crallion und gingen dort ihren gewohnten Beschäftigungen nach. In der Praxis sah das so aus, dass Gofruun unermüdlich das dort lebende magische Plasma pflegte, wofür das teppichähnliche Gespinst sich mit der Absonderung von wohlschmeckenden Nektarknollen revanchierte. Heix kümmerte sich nicht um das Plasma. Ihn interessierten einzig und allein die Nektarknollen. Er war Meister in der fragwürdigen Kunst, möglichst viele von den Dingern innerhalb kürzester Frist in sich hineinzustopfen. Gofruun hätte den Dicken längst aus seiner Höhle geworfen, wäre es ihm nur möglich gewesen, in Abwesenheit des anderen das Plasma zu erzeugen. Außerdem waren beide miteinander verwandt. Heix war Gofruuns Alterenkel. Keiner der beiden konnte genau sagen, was für eine Art von Verwandtschaft sich hinter dieser Bezeichnung verbarg.

Inzwischen wünschten sich beide, sie wären in den Höhlen geblieben. Aber als der Boden zu vibrieren begann, dass die Höhlenwände nur so krachten, wurde es ihnen unheimlich, und sie krochen ans Licht.

Da sahen sie die Bescherung. Die anderen schliefen tief und fest, kein einziger Magier war fähig, sein Eigentum zu verteidigen – und mit dieser Erkenntnis begann das ganze Übel. Denn Gofruun und Heix trugen ihr Bekenntnis zu Recht und Ordnung bestenfalls auf den Lippen, gewiss nicht in den Herzen. Ihnen bot sich die Illusion von Genuss ohne Reue, und sie griffen zu. Aber was sie auch stahlen, es brachte ihnen nur Unglück ein, und bei einem Beutezug liefen sie zu allem Überfluss dem Budella über den Weg.