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Nr. 41

 

Der große Schlag

 

Perry Rhodan greift ein – und ein Akone verrechnet sich

 

von H. G. Francis

 

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Auf Terra, den Welten des Solaren Imperiums und den Stützpunkten der USO schreibt man Ende November des Jahres 2408 Standardzeit.

Die Auseinandersetzung zwischen der USO, der von Lordadmiral Atlan geleiteten galaktischen Ordnungsmacht, und der Condos Vasac, dem galaktischen Verbrechersyndikat, nähert sich ihrem Höhepunkt, und das Dunkel, das die mysteriösen Beherrscher der CV-Lenkzentrale bisher umgeben hatte, beginnt sich immer mehr zu lichten.

Seit der Gefangennahme des ersten Grossarts und der Entdeckung des Hospitalplaneten Baraloth ist der Gegner längst nicht mehr anonym. Und ein weiterer Zufluchtsort der Grossarts, der von der USO ausgehoben wird, enthält einen wichtigen Hinweis auf den bislang unbekannten Standort der Condos Vasac-Zentrale.

Auch Perry Rhodans Solare Abwehr entdeckt eine heiße Spur, und die Flotte des Imperiums wird umgehend in Marsch gesetzt.

Atlan und Rhodan arbeiten zusammen. Sie holen aus zum GROSSEN SCHLAG ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan – Lordadmiral und Chef der USO.

Perry Rhodan – Der Großadministrator greift ein Sonnensystem an.

Der Tschanor-Gos – Ein Meister der Intrige.

Ronald Tekener und Sinclair M. Kennon – Spezialisten der USO.

Solgo Arlan – Ein »großer« Mann von Siga.

Suila von Skopar – Eine Frau nimmt Rache.

»Den Edlen kann man nicht in Kleinigkeiten erkennen, sondern er muss mit Großem betraut werden.

Der geringe Mensch kann nicht mit Großem betraut werden, aber er lässt sich an Kleinigkeiten erkennen.«

Konfuzius

 

1.

 

Aynola von Kaarthu hob den Kopf und blickte den Akonen an. Sie lächelte. Langsam ging sie auf ihn zu und legte die Stirn an seine Wange.

»Bei einem Mann wie dir kann man nie sicher sein, ob er die Wahrheit sagt oder nicht«, erklärte sie. Ihre Hände legten sich um seinen Nacken. »Doch du hast recht. Wir wollen Privates streng aus allem anderen heraushalten.«

Er küsste sie dicht unter den Augen, schob sie ein wenig zurück und sagte: »Gut – aber jetzt sollten wir unsere Privatstunde wirklich beenden.«

Sie lächelte, doch ihre Augen sahen traurig aus.

»So schnell schon?«, fragte sie.

»Der Transformsynchronisator kann nicht warten«, entgegnete er. »Es muss also sein.«

»Nun gut«, stimmte sie zu. Ihr Lächeln verstärkte sich. »Werden wir also wieder zu erbitterten Gegnern.«

»Das, Aynola, muss nicht sein.«

»Du wirst mich nie überzeugen können.«

Sie schüttelte den Kopf, ging bis zum Fenster, blieb dort stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihre ganze Haltung verriet innere Ablehnung. Jetzt spannten sich die Muskeln ihres Nackens und ihrer Wangen wieder. Sie ließen das Gesicht schmal und hart erscheinen. Auch der etwas schwärmerische Glanz in ihren Augen war verschwunden. Aynola von Kaarthu bot das Bild einer zu allem entschlossenen Kämpferin.

Der Akone streckte den Arm aus.

»Komm, lass uns nach draußen gehen«, bat er.

Sie nickte und kam zu ihm. Er führte sie über einen mit weichen Fasern ausgelegten Gang in einen Park. Vor dem Ausgang blieben sie stehen. Aynola von Kaarthu lächelte. Er hatte seine Hand auf ihre Schultern gelegt und spürte jetzt, wie sich ihre Muskeln verhärteten. Ein Kiesweg führte unter den Bäumen hindurch zu einem Kuppelbau.

Das blaue Licht der Bäume veränderte das Licht der Sonne und schuf Reflexe auf der Metallhaut des Gebäudes, die bei jeder Bewegung der Blätter ihre Farbe änderten. Von den Bergen her kam ein lauer Wind. Er roch süßlich, aber nicht unangenehm.

Die Akonin sog die Luft durch die Nase ein.

»Der Wind treibt die Duftstoffe der Bararanken zu uns herüber«, sagte sie. »Die Eingeborenen behaupten, er schaffe ein Reizklima, das den Mordlüsternen zur Tat verleite.«

Der Mann neben ihr lachte. Er zog die junge Frau fest an sich.

»Ich hoffe, Aynola, du hast nicht vor, mich zu ermorden?«

»Gestern hätte ich es noch tun können. Heute nicht mehr.«

Sie blickte ihm in die Augen und errötete leicht. Rasch wandte sie sich von ihm ab, löste sich von ihm und ging einige Schritte weiter. Sie sah zu den Bergen hinauf, die schroff bis zu viertausend Meter Höhe aufstiegen. Die nahezu senkrechten Südwände warfen die Sonnenstrahlen auf die Siedlung zurück und erzeugten schon jetzt sommerliche Temperaturen.

»Wir werden bald baden können«, sagte Aynola von Kaarthu.

Der Akone entgegnete nichts auf diese Worte. Er blickte zu den Männern und Robotern hinüber, die sich im Park verteilt hatten. Überall standen sie unter den Bäumen oder neben den Büschen. Alle waren bewaffnet, und jeder von ihnen war bereit, sofort zu schießen.

»Du hast eine beachtliche Streitmacht zu unserem Rendezvous mitgebracht«, sagte er spöttisch. Ein Lächeln glitt über sein asketisches Gesicht.

Aynola von Kaarthu kehrte zu ihm zurück. Sie nickte. Langsam hob sie den Arm und zeigte dann auf mehrere Männer, Frauen und Roboter, die sich überall in unmittelbarer Nähe des Hauses befanden. Schließlich senkte sie die Hand und richtete sie auf die Gürtelschnalle des Akonen.

»Ich kann mich allerdings kaum mit dir vergleichen, Tschanor-Gos«, entgegnete sie. »Um ehrlich zu sein, ich war eigentlich überrascht, dass wir nicht auch im Haus noch von einigen deiner Männer überwacht worden sind.«

»Das wäre nicht notwendig gewesen, Aynola. Man sagt dir nach, dass du gnadenlos töten kannst, wenn du es für richtig hältst. Um Befehlshaber unserer Streitkräfte zu werden, musstest du erst einmal einige hundert Gegner und Mitbewerber beseitigen. Man sagt aber auch von dir, dass du noch niemals einen Mann im Schlafzimmer getötet hast.«

»Ich hätte es mir denken können. Ein Mann wie du ist niemals unvorsichtig.«

»Er darf es nicht sein – wenn er lange genug leben will.« Der Akone lächelte begütigend. Er legte den Arm um die Taille seiner schönen Begleiterin und führte sie über den Kiesweg. »Aber wem erzähle ich das. Dein Selbsterhaltungs- und Verteidigungssystem gilt schließlich als unüberwindlich. Man bezeichnet es als das vollkommenste System.«

Sie schüttelte den Kopf.

»Übertreibe nicht. Meine Sicherheitsmaßnahmen können sich mit denen des Tschanor-Gos überhaupt nicht vergleichen.«

Bevor sie das Gebäude erreichten, gingen einige Männer hinein. Einer von ihnen kam heraus und gab dem Akonen ein Zeichen. Zusammen gingen sie hinein. Sie kamen in eine Halle, in der zahlreiche Wissenschaftler arbeiteten. Das Summen einiger Maschinen zwang sie, etwas lauter als bisher zu sprechen.

Aynola blieb vor einer Maschine stehen.

»Ich gebe zu, dass sich vieles seit gestern geändert hat«, sagte sie. »Meine Meinung über die BIRASTAC-TAN ist jedoch unverändert geblieben. Du wirst mich auch nicht von meiner Ansicht abbringen können.«

Erst jetzt folgten einige Sicherheitsposten der Akonin. Sie blieben beim Eingang stehen.

»Dann muss ich meine Argumente noch einmal wiederholen, Aynola. Ich werde dir auch noch eine Kleinigkeit mehr verraten.«

Sie zuckte mit den Schultern. Ihr Gesicht verriet Aufmerksamkeit, ließ jedoch zugleich auch Ablehnung erkennen. Sie wollte sich den Überlegungen des Akonen offensichtlich nicht beugen.

»Ich darf daran erinnern, dass die BIRASTAC-TAN unter dem Kommando meines Freundes Dyzka von Trokhu stand.«

»Das sagtest du schon.«

»Dyzka von Trokhu war ein Tortmon.«

Ihre Augen weiteten sich. Überrascht blickte sie ihn an.

»Er war ein Tortmon?«

»Ja«, bestätigte er. »Dyzka von Trokhu gehörte nicht nur dem Energiekommando an, er war auch ein Geheimnisträger erster Klasse. Davon gibt es nur sehr wenige, Liebling.«

Sie presste die Lippen zusammen.

»Wir wollten Privates von Geschäftlichem trennen«, ermahnte sie ihn in mildem Tonfall.

Er nickte, fügte seinen Worten jedoch nichts mehr hinzu. Aynola von Kaarthu war unsicher geworden.

Endlich war es ihm gelungen, ihre unerträglich starre Haltung zu erschüttern. Sie schien wirklich erkannt zu haben, wie wichtig und bedeutend es sein konnte, dass die BIRASTAC-TAN ihr Ziel am Außenrand der Galaxis nicht erreicht hatte. Das Raumschiff war verschollen.

»Warum hast du mir das nicht schon früher gesagt?«

»Ich hielt es nicht für notwendig.«

»Meine Meinung wird sich dennoch nicht ändern.«

»Du kannst nicht an der Tatsache vorbeisehen, dass die BIRASTAC-TAN verschwunden ist. Warum gibst du nicht zu, dass umfangreiche Suchmaßnahmen gerechtfertigt sind?«

»Weil ich nicht an einen Totalverlust glaube. Es ist durchaus nicht ungewöhnlich, dass ein Schiff havariert und sich ein paar Tage lang nicht meldet.«

»Wenn ein Raumer wie die BIRASTAC-TAN unter dem Kommando eines Mannes wie Dyzka von Trokhu plötzlich nichts mehr von sich hören lässt, dann ist dieses Schweigen für mich wie ein Alarmsignal.«

»Dyzka von Trokhu wird wieder auftauchen, und dann wird sich zeigen, dass alle Aufregung umsonst war.«

»Ich brauche deine Zustimmung«, sagte der Akone. »Gib sie mir.«

Sie blickte ihn an und erschrak. Sekundenlang stand ihr ein Mann gegenüber, der eine gnadenlose Kälte ausstrahlte. Sie wusste, dass er sich nicht scheute, auch grausamste Mittel einzusetzen, wenn es darum ging, das gesteckte Ziel zu erreichen. Dennoch wich sie nicht zurück. Sie war davon überzeugt, dass sie richtig handelte.

»Wenn du recht hast«, entgegnete sie mit auffallend ruhiger Stimme, »wenn die BIRASTAC-TAN tatsächlich vernichtet worden ist, wobei wichtige Daten in die Hände unserer Gegner gefallen sind, dann dürfen wir nicht ein einziges Raumschiff aus diesem System herauslassen. Dann müssen wir damit rechnen, dass wir angegriffen werden.«

»Das ist vollkommen richtig«, gab der Akone zu. »Wenn es der USO gelingt, die verschlüsselten Bänder aufzuschließen, wird es hier früher oder später zu einem Kampf kommen.«

»Dann gibst du mir recht?«

»Natürlich nicht. Bevor wir uns hier blind auf eine Schlacht vorbereiten, müssen wir genau wissen, was geschehen ist. Deshalb muss ein Suchkommando ausgeschickt werden, das aufklärt, was passiert ist. Wir müssen absolute Gewissheit haben.«

Aynola von Kaarthu schüttelte den Kopf. Das braune Haar flog um ihre Schultern.

»Nur über meine Leiche«, entgegnete sie hart.

Erschrocken blickte sie den Akonen an. Er lächelte. Ihr Gesicht entspannte sich wieder.

»Das meinte ich natürlich nur im Scherz«, fügte sie hinzu.

Er legte den Arm um sie und zog sie an sich.

»Natürlich, Aynola«, sagte er lachend.

Er führte sie weiter in die Halle hinein. An leise summenden Maschinen vorbei kamen sie zu einem Gerät, das noch unvollkommen aussah. Zwanzig Wissenschaftler arbeiteten daran. Sie wechselten einige Mikroelemente aus und nahmen zugleich immer wieder elektronische Messungen vor.

»Warte«, bat er.

Aynola von Kaarthu blieb stehen. Ihre Leibwachen näherten sich langsam. Vor ihnen jedoch standen die Roboter und die Männer des Tschanor-Gos. Sie umgaben den Akonen wie ein Schutzwall, der von niemandem zu durchbrechen war.

Aynola von Kaarthu beobachtete die Wissenschaftler an dem Transformsynchronisator, während der Akone zu einem Computer ging und einige Daten abrief. Er nahm einen elektronischen Schreibstift auf und drehte ihn nachdenklich zwischen den Fingern. Er hob den Kopf und sah sich um.

Eine auffallend hübsche Akonin kam durch die Eingangstür. Sie trug ein grünes Band im Haar. Ihr Gesicht war oval. Die Augen standen etwas schräge. Eine enggeschnittene Kombination aus einem grünen Vlies hob ihre Figur sehr vorteilhaft hervor. An der Hüfte trug sie einen kleinen Energiestrahler.

Aynola von Kaarthu wartete, bis ihre Assistentin und Beraterin zu ihr gekommen war. Ruhig hörte sie zu, was sie ihr zu sagen hatte. Die Nachricht schien nicht sehr bedeutend zu sein. Sie dankte ihr und entließ sie mit einer freundlichen Geste.

»Ach, Aynola«, rief der Akone. »Würdest du bitte zu mir kommen?«

Seine Stimme klang ruhig und angenehm. Das hätte die schöne Frau eigentlich warnen sollen. Aynola von Kaarthu hatte ihren scharfen Blick jedoch verloren. Sie lächelte, und ihre Augen leuchteten auf. In den letzten Stunden hatte sich die Frau vollständig verändert. Sie war jetzt nicht mehr der eiskalt handelnde Automat, der nichts als die eigenen Interessen und die der Organisation kannte. Die vielen Kämpfe mit ihren Rivalen innerhalb der Condos Vasac hatten keine Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen. Aynola von Kaarthu sah noch immer aus wie eine warmherzige, ungewöhnlich intelligente Frau. Wer sie nicht kannte, hätte sie zweifellos für eine Wissenschaftlerin von hohen Graden gehalten.

Sie strich sich das Haar in den Nacken und ging auf den Akonen zu. Dabei näherte sie sich einer Kupferleiste, die in den Boden eingelassen worden war und zwei Maschinen miteinander verband. Sie hatte nur Augen für den Akonen, der lächelnd auf sie wartete.

Einer der Wissenschaftler wandte sich um.

»Nein«, schrie er, »nicht durchgehen!«

Aynola von Kaarthu erschrak. Sie wollte ihren Fuß zurückziehen, aber es war schon zu spät. Mit einem ohrenbetäubenden Krach schlug ein Blitz aus der Decke auf sie herab.

Sie starrte den Akonen an. Er lächelte noch immer und sah zu, wie sie starb. Aber das erfasste sie schon nicht mehr.

Seine Hand schlug gegen den Knopf an der Gürtelschnalle. Plötzlich hüllte ihn ein Schutzschirm ein. Seine Leibwächter und die Roboter richteten ihre Waffen auf die Männer und Frauen der Sicherheitstruppe von Aynola von Kaarthu.

Die Assistentin, die mittlerweile die Ausgangsschotte erreicht hatte, fuhr mit einem Schrei herum. Sie riss ihre Energiewaffe aus dem Halfter, aber sie schoss nicht. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie auf das, was von Aynola von Kaarthu übriggeblieben war.

Der Tschanor-Gos stand neben der Leiche. Niemand konnte ihm ansehen, was er empfand. Sein Gesicht war maskenhaft unbewegt.

Die Assistentin ging langsam auf den Akonen zu. Tränen liefen über ihr Gesicht. Sie schob die Waffe in das Halfter zurück. Ihre Lippen zuckten.

»Das war kein Unfall«, behauptete sie.

Der Akone wandte sich ab und ging hinaus. Niemand wagte auf ihn zu schießen. Ein Angriff wäre ohnehin sinnlos gewesen. Der Schutzschirm hätte jeden Energiestrahl wirkungslos abgleiten lassen.

 

*

 

»Tschanor-Gos?«, fragte Atlan. Er blickte Gregori Susgow an, doch der Positroniker zuckte nur mit den Achseln.

»Wir können diesen Begriff noch nicht entschlüsseln«, entgegnete er. »Es sieht so aus, als wären wir nach elftägiger Arbeit in einer Sackgasse gelandet. Wir kommen nicht weiter.«

Ein Sergeant betrat die Hauptleitzentrale der IMPERATOR. Als er Atlan bemerkte, eilte er auf ihn zu. Er grüßte nervös.

»Ich habe eine Meldung zu machen, Sir«, sagte er überhastet. »Bei uns ist die Hölle los, Verzeihung, Sir, ich meinte ...«

Atlan lächelte. Mit einer Handbewegung unterbrach er den Sergeanten.

»Wer sind Sie überhaupt? Ihre Uniform lässt leider keine eindeutigen Schlüsse zu.«

Betroffen blickte der Mann an sich herunter. Er zerrte an den Aufschlägen seiner Jacke.

»Ich habe versehentlich die falsche Jacke angezogen, Sir«, sagte er mit schwankender Stimme. »Es geht aber auch alles drunter und drüber.«

»Wer sind Sie?«, fragte Atlan. Seine Stimme war eine Nuance kühler geworden. Der Sergeant schlug die Hacken zusammen und grüßte erneut.

»Lucius Lucius, Sir. Ich bin im Versorgungsbereich tätig und für die Verwaltung der Verpflegungsbestände zuständig.«

»Aha – das ist ja schon mal etwas.«

»Sir – die Bestände wurden geplündert«, erklärte Lucius. Er verzog das Gesicht, um Atlan zu zeigen, wie erschüttert er über diese Tatsache war.

»Darf ich fragen, weshalb Sie mit dieser Bagatelle ausgerechnet zu mir kommen?«

Lucius Lucius schluckte krampfhaft.

»Niemand scheint die Tragweite der Ereignisse zu begreifen, Sir. Man hat mich nirgendwo ernst genommen.«

Ronald Tekener, der unbemerkt in die Hauptzentrale gekommen war und diese Worte gehört hatte, lachte leise. Lucius Lucius drehte sich zu ihm um. Er errötete heftig.

»Sir«, sagte er lautstark. »Das ist jetzt schon das dritte Fresstival, dass die Ertruser veranstalten. Wenn das so weitergeht, müssen wir bald irgendwo landen, um unsere Bestände aufzufüllen.«

Atlan räusperte sich. Sinclair Marout Kennon, der Tekener gefolgt war, lachte, als er das verblüffte Gesicht des Arkoniden sah.

»Bitte, was veranstalten die Ertruser?«, fragte Atlan.

»Ein Fresstival«, erklärte Lucius Lucius.

»So. Und was ist darunter zu verstehen?«

»Die Ertruser sitzen zusammen und fressen um die Wette. Sie haben einen beachtlichen Preis für den Mann ausgesetzt, der am meisten essen kann. Das wäre ja nicht weiter schlimm, Sir, wenn es das erste und einzige Fresstival wäre. Die Ertruser veranstalten jedoch schon das dritte Turnier dieser Art. Das hält keine Küche aus.«

Tekener und Kennon, die noch immer die Masken trugen, die sie wie Akonen aussehen ließen, blickten sich lächelnd an. Lucius Lucius war am Rande seiner Fassung angelangt.

»Wer hat denn dieses Turnier, wie Sie es bezeichnen, veranstaltet?«, erkundigte sich Kennon. Zu seiner Maske gehörten rote Haare und ein breites, brutal wirkendes Kinn.

»Der Bulle«, antwortete Lucius Lucius. »Das macht ja alles noch viel schlimmer. Er stachelt die Ertruser an und spielt sie gegenseitig aus. Er zieht sie auf und verhöhnt sie, so dass sie immer noch mehr fressen.«

»Das geht natürlich nicht«, sagte Atlan. Er hatte sichtlich Mühe, ernst zu bleiben. »Wir müssen unbedingt etwas tun, um die Ertruser in ihre Schranken zu verweisen.«

Lucius Lucius grinste plötzlich.

»Wir müssten einen Gegenkandidaten aufstellen, Sir, der noch mehr fressen – hm, Verzeihung – essen kann als die Ertruser«, schlug er vor. Dann jedoch verzog er bekümmert das Gesicht. »Leider gibt es so einen Kandidaten nicht. Beim Essen sind die Umweltangepassten einfach nicht zu schlagen.«

»Der Bulle ist für die Veranstaltung verantwortlich?«, fragte Kennon.

Lucius Lucius nickte.

»Macht er auch mit?«

Der Sergeant schüttelte grinsend den Kopf.

»Nein, Sir, natürlich nicht.«

 

*

 

Der Mann, den sie den »Bullen« nannten, hob die altertümliche Donnerbüchse gegen die Decke und feuerte sie ab. Eine Rauchwolke schoss aus der Mündung. Sie war wesentlich auffälliger als der Knall, der die Ertruser kaum beeindrucken konnte.

Solgo Arlan, der Bulle, sprang von seinem Podest und schrie in das Mikrophon: »Soeben ist Ritchie Mont in Führung gegangen. Seine Leistung bis jetzt: 37,5 Kilogramm!«