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Nr. 78

 

Die Revolte des Chanbruders

 

Ein Revolutionär hofft auf die USO – und Kennon spielt ein verwegenes Spiel

 

von H. G. Francis

 

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Auf Terra, den Welten des Solaren Imperiums und den Stützpunkten der United Stars Organisation schreibt man Anfang Dezember des Jahres 2841.

Dieses 29. Jahrhundert ist eine Zeit, in der die solare Menschheit oder die Menschheit von den Welten der ersten Siedlungswelle wieder nach den Sternen greift und sich weiter im All ausbreitet. Es ist eine Zeit der großen Erfolge und großen Leistungen – es ist aber auch eine Zeit voller Gefahren und Überraschungen.

Mit einer solchen Überraschung werden die USO und ihre Staragenten Ronald Tekener und Sinclair M. Kennon konfrontiert. »Tek« und »Ken«, die bislang unangefochten unter ihrer Deckadresse als Leiter der UHB, der »Unabhängigen Hilfsinstitution für Bedrängte«, ihr eigenes kleines Sonnensystem regiert haben, bekommen es mit Verbrechern zu tun, die Tekener in seinem eigenen Herrschaftsbereich zum Gefangenen machen und entführen.

Jetzt sind der Aktivatorträger und sein Freund Kennon, der in der Maske eines relativ unbekannten USO-Captains arbeitet, Geiseln Corco Bennarys. Bennary, der Chef der gefürchteten Cardmanosch, will den amtierenden Chanmeister ausschalten, um selbst die Macht im Sternenreich der Tarey-Bruderschaft zu übernehmen.

Mit seinen Geiseln versucht er Lordadmiral Atlan zu erpressen, denn nur mit Hilfe der USO kann DIE REVOLTE DES CHANBRUDERS gelingen ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Corco Bennary und Nuru-Chure – Zwei Männer streben nach der Macht.

Goss Repalio – Sinclair M. Kennon in der Maske eines Captains der USO.

Ronald Tekener – Ein wohlbehüteter Gefangener.

Atlan – Der Lordadmiral verhandelt mit Verschwörern.

Ligdan, Yesugei und Bharotse – Drei Verräter unter Verrätern.

»Treue ist einer der Grundpfeiler unserer Existenz.«

Aus dem Buch der Chanmeister

 

1.

 

Der Mann trug ausschließlich schwarze Kleider. Nichts an ihm war hell. Auch der Bart, den er trug, brachte keine lebhafte Farbe in das asketische Gesicht. Er war grau und so dünn, dass er sich kaum von dem gelblichen Teint abhob.

Die beiden Frauen und der Offizier blickten ihm lange nach, als er sich von ihnen entfernte. Sie schwiegen. Die Worte, die sie vernommen hatten, klangen noch in ihren Ohren nach und beeindruckten sie immer mehr, je länger sie darüber nachdachten.

Der Schwarze verließ den Gang durch eine Zwischenschleuse. Er drehte sich um, als die Schotte hinter ihm zusammenglitten. Für einen kurzen Moment erschien ein Lächeln auf seinen Lippen. Er spürte, wie groß seine Macht über diese Menschen war, und er genoss dieses Gefühl.

Mit leichten Schritten trat er auf einen Gang hinaus, in dessen Wänden fluoreszierende Darstellungen fremder Welten in verfälschten Farben eingelassen waren. Er ging zehn Meter weit und blieb dann vor einem blaugefärbten Schott stehen. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass sich niemand in seiner Nähe befand, streckte er die Hand aus. Seine Finger durchstießen eine unsichtbare Strahlbrücke. Der Eingang öffnete sich vor ihm. Rasch trat er ein.

An einem runden Tisch saßen zwei Männer. Sie spielten mit schlanken Stäbchen aus einem rötlichen Material, das von einem Tier dieser Welt stammte. Man traf es im hohen Norden von Birachy-Chan, in den endlosen Eiswüsten, in denen kaum ein Mensch lebte. Jetzt fielen die Stäbchen klirrend auf den Tisch. Die beiden Männer erhoben sich. Einer von ihnen trug eine Offiziersuniform. Der andere war mit einer grauen Kombination bekleidet. Zusammen mit einem Sonnensymbol auf seiner Brust wies sie ihn als Astrophysiker aus.

»Wir haben Sie erwartet!«, sagte er.

Der Schwarze lächelte unmerklich. Er nickte.

»Natürlich haben Sie das«, erwiderte er ironisch.

»Haben Sie etwas erfahren?«, fragte der Offizier.

Wiederum nickte der Ankömmling. Er setzte sich in den noch freien, dritten Sessel und legte die Hände auf den Tisch.

»Die Entscheidung ist gefallen«, erklärte er, nachdem die beiden anderen ebenfalls Platz genommen hatten. »Bennary ist fest entschlossen, den Chanmeister zu ermorden, sobald er nach Torschomo IV kommt.«

»Das ist unfassbar«, entgegnete der Physiker. »Eine derartige Ungeheuerlichkeit hätte ich ihm nicht zugetraut.«

»Wir müssen es verhindern«, sagte der Offizier. »Das Beste wird sein, ihn so schnell wie möglich zu informieren.«

Der Schwarze lächelte hintergründig.

»Glauben Sie wirklich, mein lieber Freund, dass der Chanmeister Ihren Worten vertrauen wird? Vergessen Sie nicht, Corco Bennary ist nicht nur der Chef der Cardmanosch, er ist auch einer der acht Chanbrüder und darüber hinaus der Freund und Berater des Chanmeisters. Er steht ihm sehr nahe. Wenn Sie jetzt behaupten, dass dieser Mann ihn ermorden will, dann wird der Chanmeister Ihrer Meldung kaum Beachtung schenken.«

»Vermutlich haben Sie recht«, stimmte der Offizier zu. Ratsuchend blickte er den Physiker an. »Aber was können wir denn tun?«

»Es gibt nur einen Weg!«, erklärte der Schwarze. »Wir müssen den Plan Bennarys so frühzeitig und wirksam durchkreuzen, dass ein Mordanschlag auf den Chanmeister sinnlos wird.«

»Dann müssten Sie ihn schon selbst töten.«

»Das dürfen wir nicht – und wahrscheinlich könnten wir es auch gar nicht, Bennary ist zu gut abgeschirmt. Selbst wenn es uns gelänge, ihn zu töten, hätten wir nichts gewonnen, denn wir hätten keine Beweise gegen ihn. Der Chanmeister würde sich an uns rächen, weil er annehmen müsste, dass wir seinen engsten Vertrauten aus anderen Motiven ausgelöscht haben.«

Der Mann in den schwarzen Kleidern fuhr mit der Hand über den Tisch, als wolle er alle Einwände gegen seine Überlegungen ausräumen.

»Wir müssen den Hebel dort ansetzen, wo nach meinen Recherchen die schwache Stelle des Planes ist. Bennary kann seine Revolte nur dann durchführen, wenn es ihm gelingt, die Flotte der USO für seine Interessen einzuspannen. Darauf zielt sein Plan ab. Er will die Flotte des Chanmeisters auf Torschomo IV binden und mit Hilfe der USO die Macht übernehmen. Die USO unterstützt ihn jedoch nur, weil es ihm gelungen ist, ihren wichtigsten Spezialisten in die Hand zu bekommen.«

»Sie meinen Roland Tekener? Sind Sie sicher, dass er ein USO-Spezialist ist?«

»Für mich gibt es keinen Zweifel mehr.«

»Jetzt verstehe ich«, sagte der Physiker. »Wenn wir Tekener töten, hat Bennary nichts mehr in der Hand, womit er die USO erpressen kann. Ohne die Macht der USO kann er sich jedoch keine Revolte gegen den Chanmeister leisten.«

»Wie kommen wir an Tekener heran? Haben Sie einen Plan?«

Der Schwarze nickte.

»Vor wenigen Minuten habe ich erfahren, dass Tekener an Bord kommen wird. Er soll mit diesem Schiff nach Torschomo IV fliegen. Die Flotte des Admo-Chans wird uns dorthin begleiten und soll Bennary den Rücken stärken. Der Schlag gegen den Chanmeister steht also unmittelbar bevor, denn Bennary scheint erfahren zu haben, dass er nach Torschomo IV kommen wird.«

»Jetzt verstehe ich Ihre Eile«, erklärte der Physiker. »Wir müssen Tekener erschießen, bevor er an Bord ist.«

»Ich habe mir alles genau überlegt«, erwiderte der Schwarze. »Auf dem Weg hierher ist Tekener am wenigsten beschützt. Wir werden es zwar nicht leicht haben, ihn auszulöschen, aber wir müssen nur entschlossen handeln. Sind wir uns einig?«

Die beiden anderen Männer hoben zustimmend ihre Hände.

 

*

 

»Das ist das Gerät«, erklärte der Astrophysiker. »Ich muss hier bleiben und die elektronische Abstimmung vornehmen. Gehen Sie bitte hinaus und bringen Sie es im Gelände an. Alles weitere erledige ich dann von hier aus. Einverstanden?«

Der Offizier neigte den Kopf. Er lächelte.

»Ich habe den Auftrag erhalten, zum Palast zu fliegen und einige Papiere zu bringen. Bei dieser Gelegenheit kann ich leicht ein paar Minuten verschwinden.«

Er nahm den flachen Kasten entgegen, den der Physiker ihm gab, und verbarg ihn unter seinem weiten, gefütterten Umhang. Dann verließ er das elektronische Labor und eilte zu einem Hangar. Offiziere und Mannschaften achteten nicht auf ihn, als er einen Gleiter bestieg und das Schiff verließ. Alles verlief so unauffällig, wie die Verschwörer es erwartet hatten.

Die CHURO-ALTAI blieb schnell hinter ihm zurück. Der Prallgleiter raste über das savannenartige Land. Ein Beobachter in der Zentrale, der verschlafen seinen Dienst versah, stellte fest, dass er sich genau auf dem Kurs zur Hauptstadt Puyk befand. Er bemerkte nicht, dass der Offizier mit wesentlich höherer Geschwindigkeit flog, als üblich war.

In etwa zwölf Kilometern Entfernung vom Flaggschiff der Flotte des Admo-Chans wurde der Boden felsig und unübersichtlich. Hier landete der Offizier, legte den Kasten auf einen großen Stein und öffnete ihn. Mit wenigen Griffen steckte er eine Strahlschusswaffe zusammen und befestigte sie auf einer Antigravplatte, die kaum größer war als seine Hand. Danach drückte er zwei Knöpfe an dem Gerät und zog sich zurück. Als er drei Meter weit gegangen war, schwebte die Waffe leicht in die Höhe und drehte sich langsam um sich selbst. Der Offizier blieb stehen. Seine Augen verengten sich, als er in das flammende Abstrahlfeld des Projektors blickte.

Für einen kurzen Moment glaubte er, seine Mitverschwörer wollten ihre Spuren verwischen und ihn vernichten. Dann drehte sich der Strahler weiter und glitt lautlos davon. Er verschwand hinter einigen mannshohen Steinen.

Mit großen Schritten kehrte der Mann zu seinem Gleiter zurück. Er war froh, seinen Flug zur Hauptstadt fortzusetzen.

 

*

 

Sinclair Marout Kennon blickte in den Spiegel und überprüfte seine Maske, die es ihm ermöglichte, die Rolle von Captain Goss Repalio zu spielen. Sie war so in Ordnung, wie bisher alle Masken, die er getragen hatte. Die biologisch lebende Masse, die seinen Robotkörper überzog, sah überzeugend aus. Sie war praktisch nicht von menschlichem Fleisch zu unterscheiden.

Kennon kämmte sich das schwarze Haar bis in den Nacken zurück. Es legte sich in leichten Wellen eng an den Kopf. Er lächelte und entblößte dabei die strahlend weißen Zähne. Das Gesicht sah weichlich aus und ließ auf einen nachgiebigen, vorsichtigen Charakter schließen. Gerade das täuschte. Sein Gegner Corco Bennary wusste längst, dass Captain Goss Repalio ein Mann von unerbittlicher Härte und Entschlossenheit war, der sich glänzend unter Kontrolle hatte.

Der Türsummer schlug an. Als Kennon sich umdrehte, öffnete sich die Tür.

»Danke«, entgegnete der Captain. »Sind Sie berechtigt, mir zu sagen, was mit Tekener geschieht?«

»Er ist bereits zur CHURO-ALTAI unterwegs.«

»Ich komme sofort«, sagte Repalio.

Die Tür schloss sich. Kennon fühlte eine ungeheure Erregung in sich aufsteigen. Jetzt spitzten sich die Ereignisse zu. Der Aufbruchbefehl konnte nur bedeuten, dass Corco Bennary und sein Mitverschwörer Nuru-Chure sich entschlossen hatten, zur letzten Phase ihres großen Planes überzugehen. Zugleich erfüllte sich damit Kennons Wunsch, die Hauptwelt des Tyk-Ambazor-Systems so schnell wie möglich zu verlassen. Er musste den Freund endlich aus den Händen Bennarys befreien, wenn er den Anschlag gegen den regierenden Chanmeister noch durchkreuzen wollte. Es wurde Zeit, dem Chef der Cardmanosch die Initiative aufzuzwingen.

Kennon streifte sich ein Hemd über und legte sich einen Umhang um die Schultern. Dann verließ er die Räume, in denen er sich in den letzten Stunden aufgehalten hatte.

Überall im Palast des amtierenden Admo-Chans von Birachy-Chan herrschte Aufbruchsstimmung. Der Robotmensch beobachtete zahlreiche Bedienstete, die bereitstehende Gleiter mit Gepäck beluden.

Ein Offizier trat auf ihn zu. »Captain«, sagte er. »Ich habe den Auftrag, Sie zur CHURO-ALTAI zu bringen.«

Er führte ihn zu einem Prallgleiter, der in der Nähe parkte. Als Repalio neben ihm Platz genommen hatte, startete er sofort. In schneller Fahrt flogen sie aus der Stadt hinaus. Sie konnten das Raumschiff schon bald sehen. Es ragte mit der oberen Hälfte bis in die Wolken hinein.

Kennon suchte das Land vor ihnen mit den Augen ab. Er verstellte das Linsensystem seiner Augen bis auf eine extreme Brennweite. So gelang es ihm, einige Gleiter ins Blickfeld zu bekommen, die weit vor ihnen auf das Flaggschiff zuflogen. Plötzlich sah er es mehrfach aufblitzen. Einige Sekundenbruchteile verstrichen, bevor es ihm gelang, das Fahrzeug zu entdecken, bei dem die Schüsse gefallen waren.

»Da vorn ist geschossen worden«, rief der Offizier neben ihm. Erregt schaltete er die Kommunikationsgeräte ein und meldete seine Beobachtung. Zugleich beschleunigte er scharf. Kennon hörte aus den Lautsprechern die Stimmen mehrerer Männer.

Maßlose Angst überfiel ihn, als der Name Tekener genannt wurde. Der Gleiter raste mit Höchstgeschwindigkeit über das Land und bewegte sich dabei so unruhig, dass es dem Robotmenschen nicht mehr gelang, mit Hilfe seiner Speziallinsen mehr zu erkennen als der Offizier neben ihm.

Dann kam jene Botschaft durch, vor der er sich gefürchtet hatte:

»Tekener ist tot.«

Die beiden Männer blickten sich an. Der Offizier schüttelte den Kopf.

»Das glaube ich nicht«, sagte er.

Goss Repalio hielt es kaum noch auf seinem Platz aus. Nur noch mühsam beherrschte er sich. Am liebsten wäre er aus dem Gleiter gesprungen, weil es ihm so vorkam, als näherten sie sich der Stelle viel zu langsam, an der das Attentat verübt worden war. Wenigstens dreißig Gleiter waren dort gelandet. Etwa einhundert Menschen liefen scheinbar planlos durcheinander.

Endlich landete der Gleiter mit dem Robotmenschen an Bord. Repalio sprang sofort hinaus. Er rannte auf die brennenden Trümmer des Fluggeräts zu, in dem Ronald Tekener transportiert worden war.

Auf einem der Sitze befanden sich die Überreste eines Menschen, der bis zur Unkenntlichkeit verbrannt war.

»Wo ist Tekener?«, fragte der Robotmensch einen der Offiziere, die neben ihm standen.

Der Mann blickte ihn ausdruckslos an. Er deutete auf die CHURO-ALTAI.

»Sie haben ihn hinüber gebracht.«

»Ist er wirklich – tot?«

Der Offizier schüttelte den Kopf.

»Nein – aber so gut wie tot. Ich glaube nicht, dass sie ihn noch retten können. Von dort drüben wurde mit einer elektronisch gesteuerten Automatwaffe auf ihn geschossen. Er wurde unterhalb der linken Hüfte und an der Schulter getroffen, bevor wir die Waffe zerstören konnten. Corco Bennary, der bei ihm war, ist unverletzt geblieben.«

Er blickte Repalio kopfschüttelnd an.

»Das scheint Sie aber ganz, schön mitgenommen zu haben!«, sagte er.

Der Captain antwortete nicht. Er drehte sich um und kehrte zu seinem Gleiter zurück. Als er den Offizier, der ihn begleitet hatte, nicht sah, startete er das Gerät und flog allein weiter.

In schneller Fahrt näherte er sich der CHURO-ALTAI. Er landete in einer der höher gelegenen Hangarschleusen, obwohl er damit heftige Proteste des zuständigen Deckoffiziers auslöste. Ohne auf die Schimpfkanonade zu achten, eilte er auf einen der Ausgänge zu. Hier stellte sich ihm ein Sergeant in den Weg.

»Bevor Sie das Deck verlassen, müssen Sie sich schon mit dem Offizier auseinandersetzen«, sagte der Mann. Er war etwa so groß wie Repalio, hatte aber ein beträchtlich höheres Gewicht.

»Muss ich das?«, fragte Captain. Er ergriff den Mann, hob ihn mühelos hoch und stellte ihn zur Seite. Die Schotte öffneten sich. Der Robotmensch eilte hindurch und lief zum nächsten Antigravschacht.

Minuten später drängte er sich durch eine dicht stehende Gruppe von Menschen im medizinischen Trakt des Schiffes. Man machte ihm Platz, sobald man ihn erkannte.

Dann sah er Ronald Tekener.

Der Kopf mit dem narbigen Gesicht war nahezu unverletzt geblieben. Der übrige Körper sah grauenhaft entstellt aus. Tekener war völlig unbekleidet. Man hatte ihm lediglich den Zellaktivator gelassen, vermutlich, weil die Mediziner von ihm eine Unterstützung ihrer Therapie erwarteten.

Goss Repalio beherrschte sich mit geradezu unmenschlicher Kraft. Das Gehirn in dem Robotkörper drohte in Panik zu verfallen. Der einzige Mensch, der ihn wirklich verstand, lag im Sterben!

»Du weißt noch nicht einmal, ob es Tek wirklich ist«, sagte er zu sich selbst. »Es kann ebenso gut das Double sein! Vergiss es nicht. Du darfst jetzt nichts tun, was dich verraten würde.«

Wie aus unendlicher Ferne hörte er die Stimme von Corco Bennary.

»Was regen Sie sich so auf, Repalio?«, fragte der Chef der Cardmanosch. »So ungeheuer wichtig ist er ja nun auch wieder nicht.«

Der Robotmensch spürte, dass er die Panikimpulse unter Kontrolle bekam.

»Wichtig?«, fragte der Captain. Er konnte schon wieder lächeln. »Bennary – Sie wissen nicht, was Sie da gesagt haben. Niemand könnte wichtiger sein als Tekener. Ohne ihn können Sie Ihre Pläne begraben.«

»Warten wir es doch ab, Repalio«, entgegnete der hochgewachsene Mann. Die kristallblauen Augen leuchteten eigenartig. »Wenn Sie mich besser kennen würden, dann wüssten Sie, dass ich niemals nur mit einem Trumpf spiele.«

Der Verletzte wurde in ein Regenerationsbad geschoben, das zunächst für eine vollständige Entgiftung des Körpers sorgen würde. Der Kreislauf wurde an eine künstliche Niere angeschlossen. Die Leber erhielt ein mechanisches Zusatzorgan zur Entlastung. Für den thermischen Ausgleich und die Versorgung mit den notwendigen Blutflüssigkeiten sorgte das Bad. Über angeschlossene Kanülen beschickten die Ärzte Tekener mit Medikamenten, die den Schock bekämpften. Für diese Manipulationen waren lediglich einige Handgriffe notwendig. Die Mediziner hatten alles schon vorbereitet.

»Wir haben noch einige Tage Zeit, bis wir unser Ziel erreicht haben«, fuhr Bennary fort. Er blickte auf sein Chronometer und begrüßte dann Nuru-Chure, den Admo-Chan, der mit unbewegtem Gesicht hinzukam. »Nach meinen Informationen bleiben uns noch zehn Tage. In dieser Zeit wird es sich entscheiden, ob die Ärzte Tekener retten können oder nicht. Wenn nicht – nun, dann müssen wir uns etwas einfallen lassen.«

Er blickte auf Nuru-Chure hinab, der zwischen ihnen stand. Obwohl der Diktator etwa dreißig Zentimeter kleiner war als die beiden Männer, wirkte er nicht klein. Sein Hängeschnurrbart, der bis weit auf die Brust herabreichte, verdeckte seinen Mund vollkommen. Dennoch konnte der Robotmensch erkennen, dass er lächelte. Es war ein eigenartiger, schwer durchschaubarer Ausdruck innerer Sicherheit und Überlegenheit.

Natürlich – Bennary und Nuru-Chure ahnten nicht, dass er über die Existenz des Doubles informiert war. Er dachte nicht daran, sein Wissen zu offenbaren, auch wenn für ihn bis jetzt noch unklar war, ob Tekener oder das Double das Opfer des Anschlags geworden war.

Wussten Bennary und Nuru-Chure, wer der Verletzte war? Zeigte der Chanbruder sich so wenig erregt, weil Matur Penetschky im Regenerationsbad lag und nicht Tekener? Oder gab er sich nur gelassen, während er tatsächlich fieberhaft nach einem Ausweg aus der plötzlich so verfahrenen Situation suchte?

»Ich bedaure diesen Zwischenfall!«, erklärte der Admo-Chan mit zornerfüllter Stimme. »Es wird nicht lange dauern, bis wir den Attentäter und die Gruppe, die hinter ihm steht, gestellt haben.«

Corco Bennary überging die Bemerkung. Er blickte erneut auf sein Chronometer, winkte ab und entfernte sich einige Schritte. Dann drehte er sich um und sagte zu Repalio: »Lassen Sie sich Ihr Quartier zeigen. Wir starten bald. Ich erwarte Sie in einer Stunde zu einem kleinen Essen in meinen Räumen.«

Der Captain neigte dankend den Kopf. Er blieb stehen, während der Admo-Chan Bennary nacheilte.