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Band 650-699 – Die Namenlose Zone/Alkordoom

 

Auf der unendlich fernen Erde schreibt man das Jahr 3808. Der Kampf gegen Anti-ES ist gewonnen, doch noch immer hat Atlan die Koordinaten nicht zurückerhalten, ohne die er die SOL nicht ihrer Bestimmung zuführen kann.

Sein weiterer Weg führt ihn in die Namenlose Zone, eine rätselhafte Lebenssphäre zwischen dem bekannten Universum und dem mysteriösen Lebensbereich der Herren hinter den Materiequellen. Dort lauert seit Jahrhunderten eine Gefahr, die die Grenzen zwischen den Dimensionen sprengen und in den Normalraum vordringen will. Atlan muss noch einmal eingreifen, um den Auftrag der Kosmokraten endlich zum Abschluss zu bringen ...

Zehn Jahre später wird Atlan von den Wesenheiten jenseits der Materiequellen erneut mit einer gefährlichen Mission betraut. Unvermittelt findet er sich in der Galaxis Alkordoom wieder. Dort, so erfährt er von seinen Auftraggebern, gibt es einen unbekannten Gegner, der sich »Der Erleuchtete« nennt. Er steht kurz davor, eine Waffe namens EVOLO zu vollenden – eine Waffe, die so machtvoll und todbringend ist, dass sich sogar die Kosmokraten vor ihr fürchten ...

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Nr. 650

 

Die Namenlose Zone

 

Der Weg der negativen Völker

 

von Peter Griese

 

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Die Verwirklichung von Atlans Ziel, in den Sektor Varnhagher-Ghynnst zu gelangen, um dort den Auftrag der Kosmokraten zu erfüllen, scheint außerhalb der Möglichkeiten des Arkoniden zu liegen. Denn ihm wurde die Grundlage zur Erfüllung seines Auftrags entzogen: das Wissen um die Koordinaten dieses Raumsektors.

Doch Atlan gibt nicht auf! Um sich die verlorenen Koordinaten wieder zu besorgen, scheut der Arkonide kein Risiko. Mit den Solanern folgt er einer Spur, die das Generationenschiff gegen Ende des Jahres 3807 Terrazeit schließlich nach Bars-2-Bars führt, in die aus zwei miteinander verschmolzenen Galaxien bestehende Sterneninsel.

Hier, in dieser Doppelgalaxis, kommt es auch Ende April 3808 zur entscheidenden Auseinandersetzung zwischen den Kräften des Positiven, hauptsächlich repräsentiert durch Atlan und die Solaner, und zwischen Anti-ES und seinen unfreiwilligen Helfern.

Dieser Entscheidungskampf geht überraschend aus. Die von den Kosmokraten veranlasste Verbannung von Anti-ES wird gegenstandslos, denn aus Wöbbeking und Anti-ES entsteht ein neues Superwesen, das hinfort auf der Seite des Positiven agieren wird.

Für Atlan ist damit die Jagd nach den Koordinaten noch längst nicht zu Ende. Er muss in DIE NAMENLOSE ZONE ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan – Der Arkonide dringt in die Namenlose Zone ein.

Chybrain – Atlans Gesprächspartner.

Frank Turvey – Gewaltherrscher der Ranter.

Der Merb-Tunk – Diktator der Merboler.

Mebbystar und Thele – Die ersten Emulatoren der Namenlosen Zone.

1.

 

»Es gibt Erfolge, über die man sich nicht so recht freuen kann«, sagte ich leise zu Tyari.

Meine Gefährtin saß mir gegenüber in einem bequemen Sessel. Durch die halb geöffnete Tür drangen leise Geräusche aus den anliegenden Wohnbereichen von SOL-City zu uns herein. Mit dem Auszug der mit KING abgewanderten Mitglieder meines Teams kehrten hier Veränderungen ein.

Die Frau, die nicht ohne Grund mir so ähnlich war, schwieg lange. Ihre Blicke wirkten beruhigend, zeigten sie doch, dass sie inneren Anteil an meinen Überlegungen nahm.

»Du hast die Koordinaten trotz der Lösung des Anti-ES-Problems nicht bekommen.« Sie nickte. »Das muss bitter sein, denn so entsteht der Anschein, dass deine ganzen Bemühungen letztlich keinen Sinn hatten.«

»Einen Sinn hatten sie bestimmt.« Ich stand auf und schloss die Tür. »Meine persönlichen Ziele können nicht stets mit dem in Einklang stehen, was die Mächte jenseits der Materiequellen wollen. Sie haben ihr Ziel erreicht. Die Gefahr, die einst von Anti-ES ausging, ist für immer gebannt.«

»Was auch dein Verdienst ist«, versuchte mich Tyari aus meiner nicht gerade begeisterten Stimmung zu reißen.

»Verdienst hin, Verdienst her.« Ich konnte meinen Unmut nicht verbergen, und ich wollte das auch nicht. »Auf den Verdienst kommt es gar nicht an. Und wenn dem so wäre, gebührt es allen Solanern von Breck bis zum letzten Mann. Das Problem liegt tiefer.«

»Ich weiß. Du suchst die verlorenen Koordinaten auch nur, weil es die Kosmokraten wollen. Dein ganzes Wirken erfolgt letztlich nur aufgrund von Gedanken, die sie dir eingegeben haben.«

»Das mag sein«, gab ich zu. »Ich empfinde sie aber als meinen eigenen Willen.«

»Für einen Außenstehenden ist das ein völlig belangloser Unterschied, für mich auch.«

Sie hatte Recht, sagte ich mir. Aber wie konnte ich jemand diesen Zwiespalt meiner Gefühle mitteilen? Wahrscheinlich gar nicht. Ich empfand mich nicht als Marionette – und doch war ich es irgendwie.

Nicht ich bestimmte, was geschah. Die unbekannten Mächte waren es. Zweifellos waren deren Ziele generell positiv. Von diesem Gesichtspunkt aus kam ich in keinen Gewissenskonflikt.

Auch diese Schlussfolgerung entbehrt einer gewissen Logik. Nun mischte sich auch noch mein Logiksektor in das Gespräch. Oder hast du vergessen, dass du schon vor Jahrhunderten für deine Aufgaben ausgewählt worden bist? Es ist sicher, dass ES dir deinen speziellen Zellschwingungsaktivator auf Geheiß der Kosmokraten aushändigte. Schon damals wurdest du für deine Lebensaufgabe konditioniert.

»Wenn alles von den Kosmokraten gelenkt wäre«, erklärte ich laut, »dann muss auch Chybrains Entstehung und seine Eigenwilligkeit einen Sinn haben, der mein Vorstellungsvermögen übersteigt.«

»Unwahrscheinlich«, kommentierte Tyari. »Aber nicht ganz auszuschließen.«

»Es ist doch ein Widerspruch. Einerseits geben sie mir ein Ziel, nennen es Varnhagher-Ghynnst, geben mir die Koordinaten und die Aufgabe mit der SOL in diesen Raumabschnitt zu gelangen. Und dann sabotieren sie dieses Vorhaben.«

»Nicht die Kosmokraten sabotieren es. Du bist etwas verwirrt. Es waren einfach negative Mächte, die sich dir in den Weg stellten. Und zweifellos umfasst dein Auftrag etwas mehr als den Komplex Varnhagher-Ghynnst. Du hast selbst gesagt, dass du das schon sehr früh erkannt hast.«

»Ist Chybrain denn negativ?«, brauste ich auf. Im gleichen Moment bereute ich die heftige Reaktion. »Schließlich ist er jetzt der Räuber der Koordinaten.«

»Es wird schon seinen Sinn haben«, meinte Tyari. Sie tastete zwei Heißgetränke aus dem Automaten und streckte mir einen Becher entgegen. Ich nahm ihn an und stellte ihn achtlos auf den Tisch.

Gut, es war durch das Zusammenspiel aller Beteiligten gelungen, die negative Superintelligenz Anti-ES zu etwas Neuem zu verwandeln, das keine Bedrohung mehr darstellte. KING, wie sich diese umgewandelte Macht nun nannte, hatte sich darüber hinaus freiwillig für eine uns unbekannte Aufgabe anwerben lassen, die sicher zum Vorteil aller positiven Strömungen war. Er hatte ohne Zögern der Bitte Folge geleistet, die ihm der geheimnisvolle Parzelle übermittelt hatte.

Ich wusste nicht, wer oder was Parzelle war, aber das spielte keine Rolle. Jedoch verglich ich ihn mit Wesen wie Laire oder Samkar, also solchen, die den Kosmokraten sehr nahe standen. Etwas Konkretes war von diesen nur selten zu erfahren gewesen. Wenn sich dieser kleine Hominide als »Gesandten Termentiers« bezeichnete, so konnte das viel bedeuten. Es konnte auch heißen, dass Termentier der Name eines Kosmokraten war.

Eine gewagte Folgerung, der ich mich nicht vorbehaltlos anschließe, protestierte der Extrasinn. Du nimmst automatisch an, dass die Kosmokraten Einzelwesen sind wie du oder jemand anders. Einen Beweis dafür besitzt du aber nicht.

Ich verzichtete auf eine Entgegnung und hing weiter meinen Gedanken nach.

Das Erreichte war nicht nur wegen der noch immer verlorenen Koordinaten von Varnhagher-Ghynnst unbefriedigend. Die Zahl der Opfer – nicht nur aus dem Kreis der Solaner – war einfach zu groß. Es wollte mir nicht in den Sinn, dass dies alles nur geschehen war, um die Umwandlung von Anti-ES in KING zu bewerkstelligen. Zählten die einzelnen intelligenten Wesen in den Augen der Kosmokraten so wenig?

Du nimmst also an, höhnte der Extrasinn, dass die Kosmokraten Augen besitzen?

Es gab auch ein logisches Argument, überlegte ich weiter, dass nicht alles stimmen konnte. Die Qualen, die die Solaner erleiden mussten, die Verluste, die Ängste und Nöte und alles, was sich an Begleiterscheinungen ergeben hatte, bewirkten, dass ich den Auftrag der Kosmokraten vielleicht doch nicht erfüllen konnte. Der »Sieg« über Anti-ES hatte wenig Freude und Begeisterung ausgelöst. Eher sprach man in den Fluren und Kantinen davon, dass seit meinem Erscheinen auf der SOL diese von einer Gefahr in die andere gestolpert war. Es war zwar letztlich gelungen, das Generationenschiff vor dem Untergang zu bewahren. Die Wunden, die geschlagen worden waren, vernarbten jedoch nicht so schnell.

Anders war es da mit der Erinnerung an die vergangenen Zeiten der SOLAG-Diktatur. Diese Geschehnisse wusste man natürlich noch, aber sie waren nicht mehr von Bedeutung. Über sie sprach kaum noch jemand. Es erfüllte mich daher mit Sorge, dass ein aufkeimender Unwille festzustellen war, der sich eigentlich gegen meine Person richtete.

Ich zweifelte nicht daran, dass ich auf heftigen Widerstand stoßen würde, wenn ich die Solaner aufforderte, mit der SOL in die Namenlose Zone zu fliegen, um dort nach Chybrain oder den Koordinaten von Varnhagher-Ghynnst zu suchen. Das Feuer, das die Kosmokraten in mir entfacht hatten, loderte mit unverminderter Stärke weiter. Der Teil davon, der auf die Solaner übergesprungen war, war nun jedoch am Erlöschen. Ich wusste nicht, wie ich die Begeisterung erneut wecken konnte. Ich war mir nicht einmal darüber im Klaren, ob ich das überhaupt versuchen sollte.

Es gab einen Weg in die Namenlose Zone. Der Junk-Nabel war die einzige Übergangsstelle aus dem normalen Universum in diesen doch weitgehend unbekannten Sektor. Die Untersuchungen der letzten 36 Stunden hatten bestätigt, was Chybrain uns hatte wissen lassen. Der Nabel war hinreichend stabil. Genau gesagt, würde er für mindestens 100 Tage aktiv bleiben. Mir war also eine Frist gesetzt. Und diese Zeitspanne war so kurz, dass es mir kaum gelingen würde, die Solaner dazu zu motivieren, mit ihrem Heimatschiff durch den drei Kilometer durchmessenden Nabel in einen unbekannten Raum zu fliegen.

Immerhin kümmerten sich die Spezialisten der SOL weiterhin intensiv um das äußere Geschehen. Ich wurde mit allen Informationen versorgt, was vor allem daran lag, dass ich den High Sideryt Breckcrown Hayes auf meiner Seite hatte. Breck war nicht nur loyal. Er glaubte auf seine Weise an eine Zukunft seines Volkes. Insbesondere lag ihm am Herzen, dass die Solaner eine Aufgabe hatten. Die Vergangenheit hatte bewiesen, dass das Fehlen einer Konfrontation zum inneren Verfall führte.

Auf dem Tisch neben dem achtlos abgestellten Getränk lag ein Stoß Folien der neuesten Ortungsergebnisse. Ich hatte sie überflogen, und so wusste ich, was sich draußen tat.

Die übergreifenden Intelligenzen von Bars und Farynt, Tyar und Prezzar, waren wieder in ihren Sterneninseln aufgefangen. Sie hatten ihre alte Kraft nach der schier endlosen Gefangenschaft in dem Stern Junk wiedergewonnen. Deutlich zeigte sich das an der Eigenbewegung der Doppelgalaxis Bars-2-Bars.

Bars und Farynt begannen sich zu trennen. Jede Sterneninsel driftete mit zunehmender Geschwindigkeit von der anderen weg. Sicher würde es noch Jahre dauern, bis sich dies allen verdeutlichte. Den genauen Messungen der solanischen Spezialisten tat sich diese Erkenntnis aber schon jetzt kund.

Auch das war ein Erfolg unseres Handelns, sagte ich mir. Ungezählte Völker sahen wieder eine friedliche Zukunft auf sich zukommen. Die Stagnation der Völker von Bars und Farynt war beendet. Die Kämpfe untereinander waren erloschen. Ich dachte an meine frühere Idee, Friedenszellen zu erzeugen, und empfand etwas Freude.

Eigentlich stimmte alles, abgesehen von der Verfassung meiner Solaner und der undurchschaubaren Eigenwilligkeit Chybrains, der sich mit den Koordinaten in die Namenlose Zone abgesetzt hatte.

Chybrain zwang mich dadurch, entweder mit der SOL oder mit ein paar Beibooten seiner Spur zu folgen. Für die Solaner bedeutete das neue Gefahren, neue Ängste und neue Verluste. Viele von ihnen würden sich dagegen mit allen Mitteln wehren.

Meine Lage war also nicht rosig. Die Freude über den glücklichen Ausgang der Auseinandersetzungen mit Anti-ES war durch ein paar Wermutstropfen getrübt.

Es war eigentlich gleichgültig, was ich als nächstes unternahm. Von irgendwoher würde es Widerspruch geben, und mein angekratztes Image bei den Solanern würde dadurch nur noch mehr ramponiert werden.

»Immerhin bist du mir geblieben.« Ich lächelte Tyari an und dachte dabei an die Freunde, die ich verloren hatte, an Twoxl, Kik, Sanny, Asgard und Argan, und ihr Verlust ließ sich verschmerzen. Sie besaßen eine Zukunft. Mit den Solanern, die bei den Kämpfen ums Leben gekommen waren, sah das gänzlich anders aus.

Auf einer anderen Information berichtete die Schiffsführung vom Fortschritt der Reparaturarbeiten. Die SOL war bei den letzten Auseinandersetzungen mehrmals arg gebeutelt worden. Die Wartungstrupps hatten für mehrere Tage oder gar Wochen Arbeit. Da sich die entstandenen Schäden aber ausnahmslos beheben lassen würden, bestand kein Grund zur Besorgnis.

Ich hatte immer noch einen bitteren Geschmack auf der Zunge, wenn ich an die teilweise unbegreiflichen Kämpfe dachte, die Anti-ES, Wöbbeking, Chybrain, die Penetranz, Tyar und Prezzar nicht zuletzt die SOL und ich sich geliefert hatten. Auch in mir kam keine wirkliche Freude auf, und so konnte ich die Solaner sogar verstehen, die schlicht und einfach die Nase voll hatten.

»Ich gehe zu Hayes«, teilte ich Tyari mit.

»Neue Pläne schmieden?«

»Vielleicht«, wich ich aus. »Kommst du mit?«

Sie nickte und erhob sich. Ticker, der adlerähnliche Riesenvogel vom Arsenalplaneten, der uns ein treuer Verbündeter geworden war, zog nur kurz seinen Kopf aus den Federn. Wahrscheinlich wollte er mir damit zeigen, dass er meine Absicht erkannt hatte, es aber vorzog, Tyari und mich nicht zu begleiten.

Es war ruhig in der SOL, wenn man von den Geräuschen absah, die die Reparaturteams verursachten. Das Hantelschiff stand außerhalb der Planetenbahn von Junk III. Weit und breit zeigte sich keine Bewegung im Weltraum.

Wir gingen die wenigen Meter zu Fuß zur Hauptzentrale. Breckcrown Hayes begrüßte uns lächelnd am Eingang.

»Großer Hausputz«, feixte er, und die Narben in seinem Gesicht bildeten verwirrende Muster. »Zutritt verboten. Gallatan hat sogar mich hinauskomplimentiert.«

»Es ist egal, an welchem Ort wir reden«, sagte ich.

»Du verfolgst ein bestimmtes Ziel mit deinem Besuch«, folgerte Hayes sogleich. Er kannte mich inzwischen so gut, dass ich ihm nichts vormachen konnte. »Welches?«

»Was gibt es an Neuigkeiten?« Ich versuchte es mit einer Ablenkung.

»Wenn du unsere Berichte gelesen hast, weißt du fast alles. Zu ergänzen wäre noch, dass wir die Bewegung des Nabels nun genau vermessen haben. Er läuft in etwa 121 Tagen einmal um Junk. Seine Position nähert sich spiralförmig immer mehr dem Zentralgestirn. In etwa 100 Tagen wird der Nabel in die Schichten von Junk eindringen und dann unpassierbar werden oder sich auflösen. Die Versorgungsstationen befinden sich im Innern der drei Junk-Planeten. Ich sehe davon ab, sie zu erkunden, denn ich verspreche mir nichts davon. Die Technik ist uns zu fremd. Sicher gibt es Schutzmaßnahmen. Unsere Leute würden unnötig in Gefahr geraten.«

Ich zuckte mit den Schultern, denn nach meinen Erlebnissen in der Sonne Junk sehnte ich mich auch nicht mehr danach, diese fremdartigen und sicher nicht ungefährlichen Orte zu betreten.

»Und sonst?«, fragte ich.

»Die SOL passt bequem durch den Nabel.« Breckcrown Hayes seufzte. »Aber das Problem liegt woanders. Meine Solaner haben mir deutlich zu verstehen gegeben, dass sie das nicht wollen. Mir liegen über ein Dutzend Petitionen vor, obwohl noch niemand verlauten ließ, dass die SOL in die Namenlose Zone fliegen würde. Verstehst du mich?«

»Nur zu gut«, gab ich zu. »Die Stimmung an Bord ist weit entfernt von einer Begeisterung. Anti-ES war den Solanern zu fremd. Die Hilfsmittel und -völker, die es einsetzte, waren noch erfassbar. Dass dieses Wesen praktisch verschwunden ist, geht nicht so leicht in die Gehirne der Menschen.«

»Du machst es mir leicht, Atlan. Ich sehe im Augenblick keinen Weg, um dich zu unterstützen. Es ist gut, dass du das einsiehst.«

»Du weißt, dass ich von meinem Plan nicht abweichen werde?«

»Welchem Plan?«

»Die Wiedergewinnung der Koordinaten von Varnhagher-Ghynnst.«

Breckcrown Hayes wartete mit einer Antwort, bis ein paar Solaner, die vorbeigingen, außer Hörweite waren. Er war sichtlich darauf bedacht, keine Unruhe zu schüren.

»Das sehe ich ein«, erklärte er dann. »Doch was hast du konkret ins Auge gefasst?«

»Ich fliege mit der MJAILAM und mit denen, die mich freiwillig begleiten wollen.«

»MJAILAM? Mir ist kein Schiff dieses Namens bekannt.«

»Noch nicht.« Ich lächelte. »Ich werde noch heute den Kreuzer CHYBRAIN umtaufen. Er soll MJAILAM heißen, in Erinnerung an Prezzars Geschöpf, das uns viel geschadet und noch mehr geholfen hat. Dagegen hast du sicher nichts einzuwenden, oder?«

»Einzuwenden habe ich nichts. Das Schiff gehört ja dir. Ich frage mich, wie diese Aktion auf die Solaner wirken wird.«

»Ich habe mich umgehört«, meldete Tyari sich zu Wort. Mit dieser Formulierung umschrieb sie elegant, dass sie in den Gedanken der Menschen geschnüffelt hatte. »Die Reaktion ist vorhersehbar. Viele Solaner identifizieren Atlan und seine engsten Helfer mit den Gefahren, die sie durchstehen mussten. Wenn Atlan also geht, auch wenn es nur vorübergehend ist, werden diese Solaner aufatmen.«

Hayes sah mich gespannt an. Er konnte sich denken, dass mir Tyaris Worte nicht gefielen.

Ich beschloss, ihn von allen Seelenqualen zu befreien.

»Sie hat nicht die ganze Wahrheit gesagt, Breck«, behauptete ich ruhig. »Es wird auch viele Solaner geben, die sich wünschen, dass ich nicht mehr aus der Namenlosen Zone zurückkehre. Es sind schließlich normale Menschen, und denen habe ich schon verdammt viel zugemutet. Die SOL braucht nun eine Phase der Konsolidierung. Die Solaner müssen wieder zu sich und ihren täglichen Sorgen finden. Dann werden sie die Vergangenheit mit anderen Augen sehen.«

»So könnte es sein«, meinte Breckcrown matt. »Wann willst du starten?«

»Ich habe keine Zeit zu verlieren. Wenn es geht, bin ich noch heute in der Namenlosen Zone. Lass die Solaner wissen, dass ich es nicht nur wegen der Koordinaten oder wegen Chybrain mache. Es geht auch um Bjo Breiskoll und die Verschollenen der Korvette FARTULOON. Vielleicht weckt diese Erklärung wieder etwas Verständnis für mich.«

»Schau lieber zu, Atlan, dass du eine komplette Mannschaft zusammentrommelst.« Hayes schlug mir freundschaftlich auf die Schulter. »Lass mich wissen, wann du starten willst. Ich werde auf alle Fälle mit der SOL hier im Junk-System warten.«

»Komm Tyari.« Ich nahm sie bei der Hand und ging.

2.

 

War der Junk-Nabel aus der Sicht des normalen Universums optisch nicht erkennbar, wohl aber – nach anfänglichen Schwierigkeiten – durch Energiemessungen genau bestimmbar, so präsentierte er sich uns aus der Namenlosen Zone heraus doch sehr anders. Zwar besaß er auch hier einen Durchmesser von ziemlich genau drei Kilometern, doch präsentierte er sich unseren Blicken als ein deutlich erkennbarer diffuser Ring, der in schwachem Licht strahlte. Die hyperenergetischen Komponenten, die uns allein ein Auffinden im Junk-System erlaubten, waren hier auch ganz anders. Die typischen Spitzenwerte des Strahlungsspektrums lagen in ganz anderen Bereichen.

Daraus ließ sich folgern, dass in der Namenlosen Zone eben alles ganz anders war als im Normaluniversum.

Vor etwa zehn Minuten hatte ich mit der MJAILAM den Übergang passiert. Damit war jede Verbindungsmöglichkeit zur SOL abgerissen. Selbst telepathische Sendungen wurden vollkommen verschluckt. Tyari, die ja eine ausgezeichnete Telepathin war, versicherte mir, dass sie absolut nichts von der anderen Seite wahrnahm. Sie unterstrich dies durch die Aussage, dass sie nicht einmal das Normaluniversum spüre. Auf die solanische Besatzung der MJAILAM wirkte das nicht gerade aufbauend.

»Der Nabel hat seine Stabilität bewiesen«, griff ich sofort beruhigend ein. »Wir können jederzeit zur SOL zurückkehren.«

»Das will ich auch hoffen«, meldete sich Samgo Artz, der für Uster Brick die MJAILAM steuerte. Dessen Zwillingsbruder war ja mit der FARTULOON verschollen, und Hayes hatte darauf bestanden, dass Uster als bester Pilot auf der SOL geblieben war, wo es ja keine Cara Doz mehr gab. Ich hatte nicht auf meine Rechte gepocht, denn das wäre unsinnig gewesen. Ich konnte zufrieden damit sein, dass die alte Stammbesatzung des Kreuzers sich bereit erklärt hatte, diese erste Erkundung der Namenlosen Zone durchzuführen.

Etwas peinlich berührt hatten mich auch die Reaktionen auf die Umbenennung der MT-1. Das war die offizielle Bezeichnung des Kreuzers, mit dem ich mich in der Namenlosen Zone befand. Es hatte nämlich fast keine Reaktion unter den Solanern gegeben. Chybrain als Wesen war ihnen ganz offensichtlich so fremd wie Mjailam. Ich musste einsehen, dass die Dinge und Personen, die mir nahestanden, für die Menschen der SOL in der augenblicklichen Lage nichts aussagten.

MT-1 war nun die favorisierte Bezeichnung für den Kreuzer. Von Mjailam oder Chybrain wollte man wenig wissen.

Offiziell war sowohl die MJAILAM als auch die Korvette FARTULOON mein Schiff. Beide waren mehr als eine Schenkung der SOL-Führung gewesen, denn ihre Positroniken waren die einzigen des Generationenschiffs, die bis in das letzte Bit unabhängig von SENECA waren. Sie waren so eigenständig, dass sie für die Mammutinpotronik der SOL gar nicht existierten. Ich betrachtete das als einen Vorteil, aber den eingefleischten Solanern ebenso wie SENECA schien diese Tatsache manchmal ein Dorn im Auge zu sein.

Mit unguten Gefühlen dachte ich an die FARTULOON. Sie war verschollen und von vielen bereits abgeschrieben. Wir wussten nur, dass die Korvette durch einen der damaligen Nabel von Bars-2-Bars aus unserem Universum entfernt worden war. Mit ihr waren vier Dutzend Solaner und Bjo Breiskoll, Vorlan Brick, Federspiel und Insider aus meinem Team verschwunden. Ich glaubte auch jetzt noch nicht an ihren Tod, wenngleich sich viele Solaner mit diesem Schicksal abgefunden zu haben schienen.

Diese erste Erkundung der Namenlosen Zone beinhaltete auch das Ziel, nach der FARTULOON zu forschen. Ich sehnte mich nach einem Erfolg, was in Anbetracht der jüngsten Ereignisse um die Probleme, die uns Anti-ES bereitet hatte, eigentlich ein Witz war.

Du hast ein schlechtes Gewissen gegenüber den Solanern, meldete sich mein Extrasinn. Das ist vielleicht lobenswert nach deinen Maßstäben. Für die Verwirklichung deiner Ziele ist es aber gefährlich, denn deine Emotionen können dich zu Fehlverhalten verleiten.

»Halt den Mund!«, antwortete ich in meinen Gedanken hart, wobei ich mir der Unlogik durchaus bewusst war. Der Extrasinn besaß nur Gedanken, aber nichts, was mit körperlichen Organen vergleichbar war. Er war ein Teil meines Ichs. Immerhin musste ich aber einräumen, dass seine Äußerungen nicht einer gewissen Berechtigung entbehrten. Oder anders gesagt, er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen.

Immerhin habe ich mit Born Chybrain gezeugt!, hielt er mir vor.

Ich zog es vor, nichts direkt zu beantworten.

Die Probleme blieben. Sie hießen Chybrain. Und sie hießen »Misskredit bei den Solanern«, wachsender Misskredit!

Die größten Aktivitäten herrschten beim Ortungspersonal. Dort wurde die Namenlose Zone systematisch mit allen Messmitteln untersucht. Samgo Artz hielt die MJAILAM dafür in einer konstanten Position, und es war typisch für den Solaner, dass er sich bemühte, in der unmittelbaren Nähe des Nabels zu bleiben. Seine Augen ruhten unverwandt auf dem Bildschirm über seiner Konsole, der den diffusen Ring widerspiegelte.

Ich blickte über die Köpfe der Solaner hinweg zum Ortungssektor, der auf der rechten Seite der Zentrale untergebracht war. Die Schirme zeigten nichts.

Es war das gleiche Nichts, das ich durch die Reinkarnationserlebnisse kannte. Auf den ersten Blick war die Namenlose Zone leer. Sie war so leer, dass es unheimlich war. Erinnerungen an das Sternenuniversum wurden in mir wach. Auch dort hatten viele Solaner seelische Qualen erlitten, weil ihnen etwas von der gewohnten Umgebung gefehlt hatte.

Ich sah das Signal der Hyperfunksender und wusste, dass hier die vorbereiteten Signale ausgestrahlt wurden, mit denen wir eine Spur der FARTULOON zu finden hofften.

»Komm!« Tyari griff mir unter den Arm und zog mich hinüber zu den beiden Auswerteplätzen der Ortung. Ich folgte ihr willig, denn das half mir, meine innere Unsicherheit zu verbergen.

Die Solaner waren von einer sichtlichen Unruhe befallen, denn die Ortungsschirme waren praktisch leer. Lediglich ein paar winzige verschwommene Punkte und Flächen zeichneten sich bei der größten Auflösung ab. Die Echos waren so ungenau, dass eine Entfernungsbestimmung nur bedingt möglich war. Aus einem Umkreis von 500.000 Lichtjahren gab es nicht einmal diese unklaren Signale.

»Leere! Gähnende Leere«, stellte Hage Nockemann fest, der der Cheforterin über die Schultern blickte. »Eigentlich ein idealer Ort, um Blödel loszuwerden. Hier könnte er keine Dummheiten anstellen.«

Da die ehemalige Laborpositronik vor Empörung schwieg, kam auch keine Stimmung unter den Solanern auf. Nockemanns humorvoll gemeinte Bemerkung verpuffte in Anbetracht der Trostlosigkeit.

Ich schob mich an die Seite des Wissenschaftlers.

»Ihr dürft euch durch die negativen Ortungsergebnisse nicht bluffen lassen«, erklärte ich. »Dass wir nichts aufnehmen können, heißt noch lange nicht, dass da nichts ist. Ich habe im Prezzar-Mydonium gesehen, dass es hier zumindest einige Sterne und Planeten gibt. Unsere Ortungstechnik versagt. Das ist alles.«

Blödel räusperte sich und fuhr dabei einen Teleskoparm aus. »Man gestatte mir, dass ich höflichst einen Widerspruch zur Anmeldung bringe.«

»Drück dich nicht so geschwollen aus, Blechmann!«, zürnte Nockemann und funkelte Blödel wütend an.

»Ignorant«, entgegnete der Roboter mit übertriebener Höflichkeit. »In der Namenlosen Zone ist alles anders, also passe ich mein Verhalten auch anderen Gesetzen an.«

»Die du selbst in deinen faulenden Plasmasträngen und in den verrotteten Positronenadern erfunden hast! Ich überlegte mir ernsthaft, ob ich dich nicht über Bord werfen sollte.«

»Die Namenlose Zone würde mich vielleicht nicht empfangen«, antwortete Blödel ungerührt. »Ich weiß nämlich nicht, ob dies wirklich diese geheimnisvolle Zone ist. Das wollte ich sagen.«

Bevor Nockemann weitere Schimpftiraden vom Stapel lassen konnte, riss ich das Gespräch wieder an mich.

»Blödel hat nicht ganz Unrecht«, räumte ich ein. »Dennoch bin ich mir ganz sicher, dass dies die Namenlose Zone ist. Ich spüre es. Schließlich habe ich hier rund dreizehn Jahre verbracht. Im Übrigen pflichtet mir mein Extrasinn in diesem Punkt bei.«

»Hier ist etwas«, meldete sich die Solanerin Irmela Lott von ihrem Ortungsplatz. »Ich übertrage es auf den Hauptschirm.«

Ein Planetoid wurde sichtbar. Er war weniger als ein Lichtjahr von uns entfernt. Es blieb rätselhaft, wieso er sich bislang der Ortung hatte entziehen können.

Ich betrachtete das Objekt.

Du erkennst diesen Ort wieder?, fragte mich der Logiksektor.

Da ich mir meiner Sache nicht sicher war, gab ich die Anweisung an Samgo Artz, die MJAILAM näher an den kleinen Körper zu manövrieren.

»Ungern«, maulte der Solaner. »Ich fühle mich wohler, wenn ich den Ring des Nabels sehe. Dort ist der Weg zurück.«

Ich musste meine aufkeimende Wut unterdrücken, denn es fiel mir sehr schwer, die Bedenken des Solaners zu verstehen.

»Du bist freiwillig mitgekommen, Samgo. Also musst du auch meinen Anweisungen folgen.«

»Das tu ich ja.« Der Pilot legte seine Hände auf das Steuerpult. »Aber dass mir die Sache nicht gefällt, darf ich ja wohl sagen. Oder?«

Da sich die MJAILAM auf dem befohlenen Kurs in Bewegung setzte, ersparte ich mir eine Antwort.

Tyari überprüfte unterdessen die Hyperfunkstation. Sie kam zu mir und erklärte leise:

»Sie haben mit den Antennen jeden Winkel abgestrichen. Es gibt keine Spur von der FARTULOON.«

»Auch das besagt nichts«, antwortete ich trotzig.

Für die kurze Linearetappe in die Nähe des georteten Objektes brauchten wir keine fünf Minuten. Die eingefleischten Solaner in der Zentrale verhielten sich ruhig und gefasst. Da alle Ortungsplätze und Funkempfänger doppelt besetzt waren, gab es auch genug zu tun. Was fehlte, waren nur brauchbare Ergebnisse.

Dann erblickte ich auf dem Hauptbildschirm den Planetoiden. Es gab keinen Zweifel. Das war der Brocken, auf dem ich eine Anzahl von Jahren in Gefangenschaft von Anti-ES verbracht hatte. Da Wöbbeking mir nicht lückenlos alles aus meiner vergessenen Vergangenheit berichtet hatte, wusste ich nicht, wie lange ich in dieser Öde verbracht hatte. Vielleicht war das ganz gut so, denn ich konnte mir vorstellen, dass mein Verstand das nicht ausgehalten hätte.

Der Himmelskörper war tot und leer, wie die Messungen eindeutig zeigten. Ein ungutes Gefühl beschlich mich dennoch bei diesem Anblick. Fast war es, als ob ich mich an diesen Teil meiner Vergangenheit nun wirklich erinnerte.

Tyari zog mich von dem Bildschirm weg.

»Du hast ja Schweiß auf der Stirn!«, flüsterte sie mir zu. »Ist es so schlimm?«

Ich schüttelte den Kopf und wunderte mich, dass sie alles so schnell durchschaut hatte. Schließlich hatte ich mit keinem Wort erwähnt, was an Gefühlen in mir tobte.

»Das Kapitel ›Anti-ES‹ ist für immer geschlossen«, versuchte sie mich abzulenken. »Darüber musst du dir im Klaren sein.«

»Bin ich.« Wir gingen hinüber zu den Funkern. »Das Kapitel mit den Koordinaten ist es jedoch nicht.«

Ich überprüfte selbst die Funkempfänger. In allen Bereichen des Hyper- und Normalfunks gab es kein einziges Signal. Die Namenlose Zone wirkte so tot, dass sogar mich ein leises Grauen beschlich.

Es gab daher auch keinen Widerspruch von meiner Seite, als Samgo selbständig den Rückflug zum Junk-Nabel programmierte und die MJAILAM sich erneut in Bewegung setzte. Der Planetoid blieb hinter uns zurück, und ich wünschte mir, ihn nie wieder sehen zu müssen.

Ein sichtliches Aufatmen kam aus den Reihen der Solaner, als das schwache Leuchten der Übergangsstelle wieder auf dem Bildschirm erschien. Ich reagierte nicht auf die freudigen Rufe.

»Zurück zur SOL!«, rief Artz.

Er hätte mich eigentlich fragen müssen, denn immerhin war ich der Kommandant. Dass ich schwieg, lag an meiner Niedergeschlagenheit. Dieser kurze Ausflug in die Namenlose Zone hatte keine wesentlichen Erkenntnisse gebracht. Als positiv konnte ich nur registrieren, dass es offensichtlich unproblematisch und ungefährlich war, den Nabel zu passieren. Aber selbst das würde die Solaner wohl kaum interessieren.

»Wir führen noch eine Ortungsreihe durch«, entschied ich. Es sollte eine diplomatische Willensäußerung sein, aber ich war mir nicht sicher, ob Leute wie Samgo Artz richtig darauf reagierten. »Danach kehren wir zur SOL zurück.«

Ich sah ein paar schiefe Gesichter, hörte aber keinen Widerspruch.

»Staubkorn geortet«, lachte ein Solaner und deutete auf einen winzigen Reflex. Er kam sich dabei wohl komisch vor. »Durchmesser etwa drei Zentimeter. Da sowieso da draußen nichts anderes ist, führe ich eine Entfernungsbestimmung durch. Einverstanden?«

Niemand hielt es für erforderlich, dem Mann zu antworten. Und so machte er sich an die Routinearbeit, wobei er noch immer leise lachte.

»Entfernung 482 Kilometer«, trompetete er dann, als habe er etwas Besonderes entdeckt und geleistet. »Jetzt noch 371 Kilometer. Hoppla!«

Er beendete sein Gekicher und winkte mir zu. »Das Ding kommt schnell näher, Atlan. Und es hält genau auf die MT-1 zu.«

Ich stellte erst einmal fest, dass der Mann ganz bewusst den Namen MJAILAM für den Kreuzer vermied und statt dessen die offizielle Schiffsbezeichnung benutzte. Das war absolut unüblich. Ich wertete es als einen leisen Protest gegen alles, was von mir ausging.

»500 Kilometer zur Seite ausweichen!«, rief ich Artz zu, obwohl ich das Staubkorn nicht ernst nahm. Ich wollte dem Orter nur zeigen, dass er sich unnötig aufspielte. Jeder winzige Brocken im Leerraum besaß normalerweise eine hohe Eigengeschwindigkeit relativ zu einem ruhenden Ort, wie ihn die MJAILAM darstellte. Dieser lächerlich kleine Gesteinsbrocken dort draußen – um nichts anderes konnte es sich handeln – war in Anbetracht dieser Erfahrungswerte sogar noch ausgesprochen langsam.

Samgo Artz führte das Kommando sofort aus.

»Objekt wird langsamer«, rief der Ortungsspezialist. »Entfernung noch 144 Kilometer. Aber ...«, er stockte und hantierte wild an seinen Bedienungselementen herum, »... es hat seine Richtung geändert. Es hält wieder auf uns zu!«

Da hast du es!, orakelte der Extrasinn für meine Begriffe reichlich unklar.

Ich betrachtete das Echo auf dem Schirm nun aber selbst. Es war so klein, dass man nichts erkennen konnte.

»Energieemissionen?«, wollte ich wissen.

»Keine!«, kam es gleichzeitig aus mehreren Mündern. Alles drehte sich plötzlich um ein Staubkorn.

Ein Staubkorn beachtlicher Größe, bemerkte der Logiksektor. Es war wieder einmal typisch für ihn, dass er sich in dieser Situation auch gegen mich stellte. Es war ein Glück, dass nur ich diese innere Stimme hören konnte.

»Schirme auf 80 Prozent!«, ordnete ich an, um die aufgebrachten Solaner zu besänftigen. Sie kamen mir wie eine Schar Küken vor, die ihre Henne verloren hatten.

»Entfernung zwölf Kilometer.«

»Geschwindigkeit sinkt.«

Die Mitteilungen überstürzten sich förmlich. Ich empfand es noch immer als albern, sich um dieses verirrte Bröckchen Materie zu kümmern. Vielleicht zog die Energiestruktur des Junk-Nabels es in unsere Nähe oder die Masse der MJAILAM.

Falsch! Unlogisch!, erklärte der Extrasinn bissig. Dann müsste seine Geschwindigkeit doch zunehmen.

»Schutzschirme stehen.«

»Geschwindigkeit des Objekts nimmt ab. Sie wird genau null sein, wenn die MT-1 erreicht ist.«

Samgo Artz räusperte sich. »Ich warte auf den Befehl für ein Ausweichmanöver. Am besten sollten wir direkt durch den Nabel verschwinden, um dieser Höllenmaschine zu entkommen.«

Sie haben selbst vor diesem winzigen Ding Angst!, durchzuckte es mich.

Ich ordnete einen kurzen Flug an und betrachtete dabei das kleine Ortungsecho. Es schwenkte sofort in unsere Richtung und holte die verlorene Entfernung durch eine ruckartige Beschleunigung wieder auf.

Es wird Zeit, dass du merkst, dass dort wirklich etwas gezielt versucht, zu uns zu gelangen.

Ich sah ein, dass ich mich geirrt hatte.

»Alle Triebwerke stopp!« Meine Stimme klang einen Ton zu rau und auch etwas nervös. »Ich will mir ansehen, was das ist.«

Keine zwei Minuten später war das Objekt heran. Es verzögerte und bewegte sich durch den HÜ- und den Paratronschirm, als wären diese gar nicht vorhanden. In der Zentrale brüllte alles durcheinander. Nur Blödel, Nockemann und Tyari verhielten sich ruhig.

Dann kam das Ding durch eine Wand direkt in die Zentrale und hielt mitten unter uns an. Es war etwa so groß wie ein Hühnerei, und es leuchtete in den uns allen zur Genüge bekannten Farben der Jenseitsmaterie. Auf seiner Oberfläche war ein hauchdünnes Muster von sechseckigen Figuren zu erkennen.

Ein Chybrain im Kleinformat, stellte der Extrasinn sehr treffend fest.

»Unsinn!«, tönte es aus dem Ding mit einer Stimme, als spräche ein junger Solaner, der gerade im Stimmbruch war. Es handelte sich aber eindeutig um die Stimme Chybrains. »Mich gibt es nicht im Kleinformat.«

Die Solaner staunten, aber ich erkannte, dass dieses Miniei sogar die Gedanken meines Logiksektors erfassen konnte.

»Ich kann nicht selbst zu euch kommen, weil ich an anderen Orten der Namenlosen Zone intensiv mit Beobachtungen beschäftigt bin. Daher habe ich euch mein Relais geschickt. So können wir zumindest miteinander sprechen.«

»Es ist Chybrain«, stellte Blödel fest. Dann rief er:

»Hallo, alte Wursthaut! Oder soll ich besser sagen, hallo, alte Eierschale? Nett von dir, dich mal wieder zu melden.«

Das kleine Ei reagierte nicht darauf. Ich konnte mir auch noch keinen Reim auf sein Erscheinen machen. Dass Chybrain selbst in die Namenlose Zone entwichen war, war allen bekannt. Seine Ziele waren schon undeutlicher. Für mich zählte nur eins, und das sprach ich auch aus.

»Du besitzt die Koordinaten von Varnhagher-Ghynnst, Chybrain! Es ist an der Zeit, dass du sie herausrückst.«

Das kleine Ei lachte und bewegte sich hin und her.

»Ich weiß, dass ich dich erpresse, Atlan«, erklärte es. »Ich habe die Koordinaten. Und die Hohen Mächte wünschen sich, dass ich sie dir gebe. Genau das werde ich aber nicht tun, denn erst muss ich meine Ziele verwirklichen.«

»Du stellst dich gegen die Kosmokraten?«, fragte ich zurück.

»Nein, Atlan. Sie stellen sich gegen mich. Alles, was von ihnen je spürbar wurde, richtet sich gegen meinen Anspruch auf eine Anerkennung meiner Existenz. Das will ich ändern.«

»Große Worte! Auch Anti-ES scheiterte letztlich an den Plänen der Kosmokraten.«

»Weil diese mit Anti-ES eine bestimmte Absicht verfolgten. Mit mir verfolgen sie keine!« Chybrains letzte Worte aus dem Relais-Ei klangen verbittert. Ich entgegnete nichts.

»Die Solaner, die zurück zur SOL wollen«, fuhr das Relais fort, »müssen sich noch etwas gedulden. Ich will euch eine Geschichte erzählen. Wenn ihr mir nicht freiwillig zuhören wollt, wird mein Relais euren Antrieb zerstören. Ich spaße nicht! Ihr hört euch diese Geschichte an, auch wenn sie unvollständig ist. Wöbbeking konnte es vielleicht perfekter als ich, aber dafür könnt ihr alle unmittelbar teilhaben. Natürlich erzähle ich diese Geschichte nicht ohne Grund. Und natürlich ist sie insbesondere für Atlan von großer Bedeutung. Der Grund für diese Story ist der gleiche, weswegen ich KINGS Ruf – oder Parzelles Auftrag – nicht gefolgt bin.«

Ein Seufzer kam aus dem Ei.

»Ich will endlich von den Hohen Mächten anerkannt werden und nicht länger als Bastard oder unerlaubtes Produkt gelten!«

3.

 

Der Hauptbildschirm der Zentrale, auf dem der Junk-Nabel übergroß dargestellt wurde, verfärbte sich, als das Chybrain-Relais auf ihn zusteuerte. Ich bemerkte sofort, dass das Ei einen Einfluss auf die Darstellung nahm. Die Ränder der nun schwarzen Fläche faserten in hellgrünen und blassroten Tönen aus. In der Mitte wogte ein tiefes Schwarz, aus dem sich allmählich eine weiße Spirale herausschälte, eine Galaxis.

Das Bild wurde deutlicher. Noch bevor die Konturen scharf waren, sprach mein fotografisches Gedächtnis an. Ich kannte diese Sterneninsel von unzähligen Bildern, obwohl ich nie in ihr gewesen war.

Die Galaxis wurde auf Terra Triangulum oder M 33 genannt. Außer der Andromedagalaxis stand sie der heimatlichen Milchstraße mit einer Entfernung von etwa 2,5 Millionen Lichtjahren am nächsten. Zweifellos gehörte Triangulum auch zum Einflussbereich oder zur Mächtigkeitsballung von ES. Allein das weckte mein Staunen und mein Interesse, denn wir befanden uns (abgesehen von der entfernungsmäßig nicht zuzuordnenden Namenlosen Zone) mit der SOL über eine Milliarde Lichtjahre von der Erde entfernt.

»Du hast es richtig erkannt, Atlan«, ließ uns Chybrain über seinen Ableger hören. »Das ist Triangulum. Hier beginnt die unvollständige Geschichte. Ich werde zur Untermalung ihres Inhalts ein wenig von eurem Bildschirm Gebrauch machen. Ihr braucht ihn im Augenblick ohnehin nicht. Der Nabel ist noch stabil, und eine Gefahr droht euch auch nicht. Das sei auch zur Beruhigung der Solaner erwähnt, denen vor Angst die Knie schlottern, nur weil sie das Leben nicht sehen, das die Namenlose Zone erfüllt.«

Das kleine Ei glitt in die Mitte des Raumes, so dass jeder deutlich seine Stimme hören konnte.

»Die Geschichte beginnt in der Vergangenheit, etwa vor 35.000 Jahren, also zu einer Zeit, zu der es noch keine Namenlose Zone gab ...«

 

*

 

Baunatan sprang erregt auf, als der Summer ertönte. Dass jemand ihn noch so kurz vor der Landung auf Ranterburg sprechen wollte, verhieß nichts Gutes. Er zog seine Kombination glatt und drückte dann den Steuersensor.

Er befürchtete, dass das Biest sich gemeldet hatte und schon jetzt Informationen verlangte. Dabei würde die Auswertung aller Daten, die er während des zweijährigen Fluges des Forschungsschiffs gesammelt hatte, noch viele Tage und Nächte beanspruchen.

Es war der Kommandant des Forschungsschiffs. Baunatan kannte seinen Namen nicht, denn der Kommandant führte sein Schiff in der üblichen Selbstherrlichkeit. Es war ausgeschlossen, dass er den Bordmitgliedern seinen Namen nannte.

»Das nächste Mal öffnest du sofort!«, schnauzte ihn der Kommandant an. Dann traf dessen Faust Baunatan mitten auf die Nase.

Der rantische Historiker torkelte zurück und suchte Halt. Aber der Kommandant war mit schnellen Schritten heran und versetzte ihm einen weiteren Schlag. Baunatan stürzte zu Boden.

»Steh auf, du Wicht!«

Der Ranter wischte sich das Blut aus dem Gesicht und erhob sich eilig. Er fragte sich, warum der Kommandant das Schott nicht selbst geöffnet hatte, denn er allein konnte jeden Raum und jede Zelle des Schiffes von außer her betreten. Aber Baunatan wagte es nicht, diese Frage zu stellen. Der Kommandant war der unumschränkte Herr des Schiffes. Wenn sie aber erst auf Ranterburg gelandet waren, würde er von seinem Einsatzleiter eher noch härter behandelt werden, als es hier gegenüber dem Wissenschaftler der Fall war.

Baunatan hoffte insgeheim, dass der Kommandant persönlich dem Biest Bericht erstatten musste. Dabei würde er nicht nur mit ein paar blauen Flecken und einer blutenden Nase davonkommen. Aber diese Gedanken waren nur ein schwacher Trost.

»Ich höre, Kommandant!«, sagte der Historiker und nahm eine stramme Haltung an.

»Es wurde auch langsam Zeit.« Der Kommandant packte ihn mit der Hand am Overall und zog ihn hoch. Für Sekunden verlor Baunatan den Boden unter den Füßen. »Ich weiß nur wenig Gutes über dich, Baunatan. Du nennst dich Historiker. In meinen Augen ist das eine nutzlose Tätigkeit. Von deinen drei Assistenten hat sogar einer diese Expedition überlebt. Allein das zeigt, dass du nichts taugst.«

»Es war der Wille des Biests«, stammelte der Historiker, »dass ich diese Forschung durchführte.«

»Hier an Bord bin ich das Biest!« Mit der freien Hand versetzte der Kommandant Baunatan einen erneuten Schlag. »Merk dir das! Du redest nur, wenn du gefragt wirst.«

Der Mann schwieg. Daraufhin lockerte der Kommandant den Griff.

»Das Biest hat sich über Funk gemeldet.« Der rantische Kommandant wirkte nun ruhiger. »Es will sofort nach unserer Landung auf Ranterburg drei Berichte hören. Deinen, meinen und den von Syttrac III. Du weißt, was das bedeutet?«

Syttrac III war der Biologe an Bord. Er hatte ein paar Merboler und andere Fremdwesen seziert, die ihnen in die Hände gefallen waren. Baunatan hatte sich nie um ihn gekümmert, und so wusste er auch fast nichts über ihn. Sie alle hatten ihre speziellen Aufträge gehabt, und nur der Kommandant, der auch zugleich Expeditionsleiter war, kannte alle Missionen.

»Ich habe dich etwas gefragt, Baunatan!« Wieder zuckte die Faust in die Höhe.

Baunatan wich dem drohenden Schlag aus und antwortete schnell:

»Ich werde einen sachlichen Bericht über meine Aufgabe abgeben und dabei erwähnen, dass du uns mit der erforderlichen Härte und Konsequenz geführt hast. Immerhin hast du fast zwei Dutzend unserer Leute wegen ihres Versagens eigenhändig getötet. Das Biest wird das zu würdigen wissen.«

»Nichts anderes erwarte ich von dir, Baunatan. Ich weiß, dass du deine Untersuchungen noch nicht abgeschlossen hast, aber das ist dein Problem. Nun hast du keine Zeit mehr dafür. In wenigen Stunden stehst du vor Frank Turvey. Dann helfen dir keine Ausreden. Der Herrscher ist nicht so nachgiebig und weich wie ich.«

»Ich habe noch ein paar Stunden Zeit für die Auswertung«, wagte Baunatan zu erwähnen. »Ich werde sie nutzen, zu deiner Zufriedenheit.«

»Das hoffe ich.« Der Kommandant lachte ironisch. »Aber du wirst die Zeit so nutzen, wie ich es will. Ich habe noch einige Vorbereitungen vor der Ankunft auf Ranterburg zu treffen, denn ich will nicht so unvorbereitet vor Frank Turvey, das Biest, treten, wie du es tun musst. Daher wirst du nun zu Syttrac III gehen und ihn entsprechend einweisen. Damit hast du genug zu tun.«

Der Kommandant wartete keine Erwiderung ab. Er drehte sich um und verließ Baunatans Kabine.

Der Historiker war wieder allein.

Er reinigte sein blutverschmiertes Gesicht und sagte sich, dass er wieder einmal Glück gehabt hatte. Er stellte für den Kommandanten ein nicht unerhebliches Risiko dar. Seine Arbeit war in den Augen des Kommandanten nutzlos. Das allein war es aber nicht. Es war bekannt, dass Baunatan keine großen Fortschritte bei seiner Arbeit gemacht hatte. Daher war damit zu rechnen, dass das Biest mit seinem Bericht nicht zufrieden sein würde. Dieser Ärger konnte sich leicht auf den Expeditionsleiter übertragen und dessen Kopf kosten.

Für den Kommandanten wäre es vielleicht die einfachste Lösung gewesen, wenn er Baunatan wegen Unfähigkeit beseitigt hätte. Nicht einmal Frank Turvey hätte ihm das verübelt.

Der Historiker wusste, dass sein Leben an einem seidenen Faden hing. Er musste sich beeilen, um Syttrac III zu finden, von dem er nicht einmal wusste, in welchem Sektor des Forschungsschiffs er zu suchen war. Jedes weitere Versagen konnte den Kommandanten so reizen, dass er seine bislang gezeigte Geduld und Großzügigkeit doch noch über Bord warf und ihn, Baunatan, gleich hinterher.

Seine restliche Zeit, um die gesammelten Fakten auszuwerten, war verloren. Der Ranter hätte sich das denken können, dass der Kommandant ihn schikanieren würde. Es hätte auch jeder beliebige andere Syttrac III informieren können, jemand, dem die Zeit nicht auf den Nägeln brannte.

»Noch lebe ich«, tröstete sich Baunatan halblaut und grinste sein gereinigtes Gesicht im Spiegel an. »Und wenn ich das Biest überlebe, werde ich dir auf Ranterburg eins auswischen, an dem du den Rest deines kümmerlichen Lebens zu knabbern hast, du Kommandant XY! Zu feige, um seinen Namen zu nennen! Ha!«

Er traf eine Nahrungsdienerin auf dem Korridor, der in Richtung Schiffsmitte führte. Die junge Ranterin schien seine Wut aus dem Gesicht abgelesen zu haben, denn sie wich Baunatan in einem Bogen aus.

Blitzschnell war der Historiker an ihrer Seite. Als die Ranterin zur Flucht ansetzte, stolperte sie über sein ausgestrecktes Bein. Der Länge nach fiel sie zu Boden. Bevor sie wieder auf den Beinen war, riss Baunatan sie hoch und presste sie gegen die Wand.

»Du musst es gewesen sein«, herrschte er die Frau an, »die Pjetrep das Gift ins Essen gemischt hat. Gestehe!«

Die Nahrungsdienerin bebte am ganzen Leib. Es hatte nie jemand an Bord gegeben, der den Namen Pjetrep getragen hatte, aber darauf kam es Baunatan gar nicht an. Er wollte sich die Frau nur gefügig machen, um die erforderlichen Auskünfte zu bekommen.

»Ich bin schon voller Wunden«, klagte die Nahrungsdienerin und zeigte ihre offenen Handflächen vor. Über dem linken Unterarm klebte ein notdürftiger Verband, der blutgetränkt war. »Verletze mich nicht noch mehr. Ich gebe dir meine Ration bis zur Landung auf Ranterburg.«

»Ich will deine Ration nicht!« Baunatan stieß die Frau von sich. Sie fiel auf den Boden und blickte mit angsterfüllten Augen zu ihm hoch. »Aber ich schone deine Gesundheit, wenn du mir eine Frage beantwortest.«

»Du bist keiner aus dem Kreis der Kommandantenclique«, antwortete die Ranterin und setzte erneut zur Flucht an. Dem alten Historiker war sie sicher an Schnelligkeit überlegen, nicht jedoch an Körperkraft. »Dir darf ich keine Auskunft geben. Das weißt du. Ich kenne dich, Historiker Baunatan.«

»Du wirst mich jetzt erst kennen lernen, freche Wanze!« Baunatan setzte einen Fuß auf die Frau. »Ich will wissen, wo ich Syttrac III, den Biologen, finde. Entweder du antwortest, oder ich zerquetsche dich.«

»Was willst du von Syttrac?«, presste die Nahrungsdienerin hervor. »Er ist dir doch gleichgeordnet, dieses Vieh!«

Baunatan erkannte, dass die Ranterin auf den Biologen nicht gut zu sprechen war. Das wollte er ausnutzen.

»Er hat mir einen besonderen Gefallen getan.« Er betonte die Worte so, dass sie wie triefender Hohn klangen. Die Dienerin musste das verstehen. Dazu nahm er den Fuß weg und half ihr sogar wieder auf die Beine. »Und das muss ich ihm ein bisschen heimzahlen. Es könnte sein, dass er dabei ein paar Körperteile verliert.«

»Deck a-19, linke Seite«, flüsterte die Ranterin. »An seiner Tür klebt ein Symbol. Eine Nadel durchbohrt ein Auge.«

Baunatan gab die Frau frei, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Er ging den Korridor entlang zur nächsten Gravotreppe, um zu Deck a-19 zu gelangen.

Der Kommandant, dem an Bord alle Mittel zur Verfügung standen, würde ihn auch jetzt noch überwachen. Darin war er sich sicher. Die Art, wie er sich gegenüber der unbedeutenden Nahrungsdienerin durchgesetzt hatte, würde ihm nur zum Vorteil gereichen.

Unterwegs legte er sich in seinen Gedanken zurecht, was er dem Biest sagen würde. Es würde ihm schon gelingen, wieder einmal den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Sollten der Kommandant und Syttrac III verrecken.