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Nr. 546

 

Offensive der Ebenbilder

 

Die SOL am Scheideweg

 

von Arndt Ellmer

 

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Seit Dezember des Jahres 3586, als die SOL unter dem Kommando der Solgeborenen auf große Fahrt ging und mit unbekanntem Ziel in den Tiefen des Sternenmeeres verschwand, sind mehr als zweihundert Jahre vergangen, und niemand hat in der Zwischenzeit etwas vom Verbleib des Generationenschiffs gehört.

Schließlich ist es jedoch soweit – und ein Mann kommt wieder in Kontakt mit dem verschollenen Schiff. Dieser Mann ist Atlan. Die Kosmokraten entlassen ihn, damit er sich um die SOL kümmert und sie einer neuen Bestimmung zuführt.

Jetzt schreibt man an Bord des Schiffes den Anfang des Jahres 3792, und der Arkonide hat trotz seines relativ kurzen Wirkens auf der SOL bereits den Anstoß zu entscheidenden positiven Veränderungen im Leben der Solaner gegeben – ganz davon abgesehen, dass er gleich nach seinem Erscheinen die SOL vor der Vernichtung rettete.

Während Atlan sich gegenwärtig mit der abgekoppelten SZ-2 in Flatterfeld aufhält, wo er sich mit den Dienern der unbekannten Macht auseinandersetzt, die für die planetenvernichtenden Nickelraubzüge verantwortlich sind, bekommt Chart Deccon auf der Rest-SOL mehr und mehr die Folgen seiner mit den Alphas eingegangenen Verbindungen zu spüren. Lähmendes Entsetzen macht sich an Bord des Schiffes breit, denn es kommt zur OFFENSIVE DER EBENBILDER ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Chart Deccon – Der High Sideryt flieht.

Order-1 bis Order-10 – Die Ebenbilder beginnen ihre Offensive.

Die Troiliten – Eine unheimliche Macht wird aktiviert.

Hage Nockemann – Der Galakto-Genetiker ist ratlos.

Teddy – Ein Extra auf der Jagd.

Prolog

 

»Chart, küss mich. Küss mich zum letzten Mal!«

Die dünne Stimme Tineidbha Daraws sank zu einem Flüstern herab, und ein Zittern durchlief ihren Körper.

»Chart, schnell!«

Mit steinernem Gesicht stand Chart Deccon am Todeslager des High Sideryt. Mit dunklen, tiefliegenden Augen musterte er den mit einem leichten Tuch bedeckten Körper der abgemagerten Frau.

Er sah, dass es zu spät war. Tineidbha erstarrte in einem letzten Aufbäumen. Dann sank ihr Körper auf die weiche Unterlage zurück.

Chart Deccon senkte den massigen Kopf, dass das fleischige Kinn sich an der Brust zu einem Wulst aufstaute. Er seufzte.

Tineidbha Daraw hatte ihn geliebt. Die alte Frau hatte einen Narren an dem jungen Solaner gefressen. Er hatte in seinem Amt als Magnide eine Krise der SOLAG erfolgreich gemeistert. Das hatte ihn in ihren Augen zusätzlich aufgewertet.

Deccon sah wieder auf. Einen letzten, langen Blick warf er auf die Tote, dann schritt er langsam hinaus. Es war ihm manchmal schwergefallen, die Liebe dieser Frau zu erwidern. Er hatte es getan, weil er schnell erkannt hatte, dass sie ihm den Weg ebnen würde, den Weg nach ganz oben. War es nun endlich soweit?

Deccon verließ die Klause des High Sideryt und schritt den Korridor entlang bis zum Eingang der Hauptzentrale. Er betätigte den Öffner und trat ein.

Da standen sie, die übrigen Brüder und Schwestern der ersten Wertigkeit. Ihre Augen waren auf seine Gestalt gerichtet, sie schienen mehr zu wissen als er selbst.

Gallatan Herts verzog geringschätzig den Mund. Der kleine, verwachsene Magnide mit dem Spitznamen »Rumpelstilzchen« verhehlte nicht, dass ihm die bevorstehende Entscheidung missfiel. Gleichzeitig aber trat er zurück und machte Deccon Platz.

»Ist es an der Zeit?«, fragte der alte Nurmer.

Merkwürdigerweise schwiegen die anderen alle. Lediglich Homer Gerigk flüsterte halblaut vor sich hin, bis Deccon ihn mit einem Wink zum Schweigen brachte. In diesem Augenblick begriffen alle Magniden, dass das, was kommen würde, nur noch eine Formalität war.

»Sie ist tot. Wir haben keinen High Sideryt mehr«, erwiderte Deccon zurückhaltend. Seine Worte verbreiteten den Hauch des Todes in der Zentrale, den er aus der Klause mit herübergebracht hatte. Seine Gestalt straffte sich.

»Nurmer, bitte!«, winkte er und kreuzte die Arme vor der Brust.

Der älteste unter den Magniden trat an die Kontrollanlagen und berührte mit den Fingerspitzen eine Taste.

»Nurmer an SENECA«, sagte er langsam. »Der High Sideryt ist tot!«

»SENECA an Schiffsführung«, erklang die wohlmodulierte Stimme der Biopositronik auf. »Ich habe mich vom Tod Tineidbha Daraws überzeugt. Damit tritt die Nachfolge-Speicherung in Kraft.«

Wieder spürte Chart Deccon alle Augen auf sich ruhen, und für einen Moment bereiteten ihm die brennenden Blicke Unbehagen. Dann aber hatte der mächtige Mann sich wieder unter Kontrolle. Mit keiner Bewegung und keinem Wort ließ er erkennen, was er dachte und fühlte.

SENECA sagte: »Der High Sideryt ist tot. Es lebe der neue High Sideryt. Es ist Chart Deccon. Ende der Durchsage!«

Die Magniden traten ehrerbietig zurück. Sie warteten darauf, dass Deccon etwas sagte, dass er seine Zustimmung kundtat, seine Annahme des höchsten Amtes in der SOL erklärte.

Der neue High Sideryt holte tief Luft.

»Schafft die Leiche weg«, sagte er unbewegt. »Sie erhält ein offizielles Raumbegräbnis!«

Die Magniden starrten ihn an wie einen Geist. Ahnten sie etwas von der Energie, die in ihm steckte, mit der er sein Amt erfüllen würde? Langsam wandten sie sich ab und gingen ihrer Aufgabe nach.

Chart Deccon verfolgte sie mit seinen hellgrauen Augen, bis sie draußen waren. In ihm war ein unendliches Glücksgefühl. Er lachte befreit auf. Er war am Ziel, hatte die oberste Sprosse der gefährlichen Leiter erklommen. Chart Deccon, der High Sideryt.

Reglos blieb er mitten in der Zentrale stehen. Er wartete auf Nurmer, der ihm das Zepter seines Amtes brachte, den Kodegeber, mit dem der High Sideryt direkt mit SENECA in Verbindung treten konnte. Tineidbha Daraw hatte ihn noch im Tod umklammert gehalten. Ohne zu zögern, nahm er ihn entgegen. Freundlich lächelnd sah er zu, wie der alte Magnide sich entfernte. War Nurmer neidisch? Waren sie das nicht alle?

Deccon strich gedankenverloren über den Kodegeber. Sie waren es, wenn sie es auch nicht zugaben. Es machte ihm nichts aus. Sie würden sich an die Umstellung gewöhnen wie jedes Mal, wenn Magniden einen neuen High Sideryt erhielten.

Chart Deccon wandte den Kopf und blickte zum Datumsanzeiger hinüber. Es war der 4. Dezember 3788.

1.

 

Es war das Gesicht, das ihn erschreckte.

Deccon saß in seinem Thronsessel und stierte vor sich hin, umfangen von einer Aura der Lähmung.

Es war sein Gesicht!

Seine Gedanken wirbelten durcheinander. Nein, schrien sie, es ist unmöglich.

Bilder durchzogen das Innere des High Sideryt. Er sah eine bezaubernd schöne Frau vor sich. Sie trug ein rosafarbenes Kleid mit goldgelben Streifen, das locker um ihren Körper schwang. Es ließ die samtbraune Haut und das brünette, von dunklen Streifen durchzogene Haar besonders gut zur Geltung kommen. Die wohlgeformten, lieblichen Gesichtszüge und die schlanke, gut proportionierte Figur ließen die Frau wie eine Komposition erscheinen, wie sie vollkommener nicht sein konnte.

»Alpha!«, flüsterte Deccon sehnsüchtig. Mit dem einen Wort verbanden sich für ihn Wochen innigsten Glücks. Die Wirkung dieser Frau war auf ihn so intensiv, so anhaltend, dass sich jede Faser seines Körpers und seines Geistes dagegen wehrte, die Realität anzuerkennen.

Das langsame Begreifen, es war ein Prozess, der schleppend vor sich ging, der jene, die die Verantwortung trugen, beinahe zur Raserei trieb. War es wirklich so schwer?

Deccon schluckte und versuchte krampfhaft, die neuen Erkenntnisse zu verarbeiten. Alpha gar nicht Alpha, sondern zehn!

In Bruchteilen einer Sekunde zog all das vor seinem geistigen Auge vorbei. Es war die Antwort seines Bewusstseins auf das, was seine Augen in diesem Moment sahen.

Es war sein Gesicht!

Chart Deccon hätte nicht sagen können, was er zuerst vernommen hatte. Das Öffnen der Tür oder das leise Lachen des Eintretenden. Fassungslos starrte er in das Gesicht, das dem seinen bis in die letzten Fleischfalten an den Augenwinkeln glich. Und dann hörte er seine Stimme, seine eigene Stimme.

Ich bin wirklich verrückt, dachte Deccon in panischer Angst. Sein Körper begann zu beben und die Lähmung zu überwinden, die den High Sideryt bisher in ihren Klauen gehalten hatte. Der große, mächtige Körper kam langsam aus dem Sessel hoch. Schwankend blieb er stehen.

»Wer bist du!«, krächzte er. »Was willst du?«

»Dich will ich!«, sagte der Doppelgänger nüchtern. »Du bist mir im Weg!«

Deccon sah Deccon an. Der Eindringling trug eine der üblichen hellen Bordkombinationen, wie es sie überall gab, seit die Robotfabriken einwandfrei arbeiteten. Es war das einzige, worin er sich von dem High Sideryt unterschied.

Der Unterschied der Farben ernüchterte Chart Deccon ein wenig. Verblüfft stellte er fest, dass er selbst wieder seine Kleidung aus den blau schimmernden Metallschuppen trug, die er im Umgang mit Alpha abgelegt hatte. Er hatte sie wieder angezogen, ohne sich dessen bewusst zu sein.

Realität! Das Wort setzte sich in seinem Gehirn fest und wollte nicht mehr weichen.

Erst jetzt erkannte Deccon, was vor sich ging. Aus weit aufgerissenen Augen verfolgte er, wie sein Doppelgänger zu ihm an den Thronsessel trat.

»Mein Sessel!«, forderte er und hob die rechte Hand.

Jetzt war es endgültig aus mit den Nerven des High Sideryt. Aufschreiend sprang er nach vorn und stieß die fleischgewordene Truggestalt zur Seite. In wenigen Sätzen hatte er den Ausgang erreicht. Er stieß mit den Ellenbogen gegen das kalte Material, trommelte mit den Fäusten dagegen, weil sich die Tür nicht schnell genug öffnete.

Endlich glitt sie zur Seite.

Der High Sideryt stürzte hinaus auf den Gang. Wie von Furien gehetzt eilte er davon, blindlings, ohne sich umzusehen oder ein Ziel zu haben. Nur weg von hier, von dieser Stätte des Grauens.

Von unsichtbarer Hand war alles weggewischt. Die Versuche, mit sich selbst ins reine zu kommen, die Worte der Magniden zu verdauen und die Sehnsucht zu bewältigen, die der Gedanke an Alpha nach wie vor auf ihn ausübte.

Chart Deccon war in diesen Minuten ein wimmerndes, zitterndes Bündel, das viel besser in den Armen seiner Mutter aufgehoben gewesen wäre, als in den nachtdüsteren Gängen und Korridoren des riesigen Schiffes, das annähernd hunderttausend Menschen durch das All trug.

Chart Deccon taumelte. Er wusste, dass etwas Furchtbares geschehen sein musste, und eine Ahnung stieg in ihm auf, die ihm fast das Bewusstsein raubte. Wer war der andere Deccon?

Der High Sideryt floh. In panischer Angst verließ er den Mittelteil der SOL und wechselte in die SZ-1 über.

Stundenlang war er unterwegs. Nur langsam hellte sich sein Verstand auf, konnte er wieder einen klaren Gedanken fassen. Atemlos erreichte er eine Gegend, in der er sich auskannte. Gehetzt blickte er sich um.

War ihm sein Ebenbild gefolgt?

Chart Deccon verharrte in einer Nische neben einem Interkom und raffte seine Gedanken zusammen. Er musste ein Versteck finden.

Er lauschte angestrengt. Niemand kam hinter ihm her, es war auch unwahrscheinlich.

Nein, dachte Deccon ergrimmt, wahrscheinlich hat er bereits meinen Platz eingenommen und gibt den Magniden Befehle.

 

*

 

»Ich weiß keinen Weg!«, schrillte Gallatan Herts und sah seine Amtskollegen herausfordernd an.

Ohne Ausnahme wirkten die Magniden blass und verunsichert. Die Berichte des Galakto-Genetikers Hage Nockemann hatten ihnen letzte Klarheit über die Lage verschafft.

»Eines steht fest«, klang die Stimme Ursula Growns auf. »In der Klause neben der Zentrale sitzt ein falscher Deccon. Die Kratzspuren, die Nockemann dem Duplikat beigebracht hat, beweisen es eindeutig. Nur, wie sollen wir es beweisen? Vor allem, wo ist der echte Chart Deccon jetzt?«

Der High Sideryt war spurlos verschwunden. Er hatte ihnen keine Nachricht hinterlassen und sich auch nicht gemeldet. Es sah nach einer überstürzten Flucht aus.

»Wenn zehn Kopien in der SOL unterwegs sind, können sie ein Durcheinander anrichten, gegen das wir machtlos sind«, nickte jetzt auch Arjana Joester. Sie deutete auf Kolsch.

»Wajsto hat angedeutet, dass er eine Idee hat«, fuhr die Magnidin fort. »Willst du nicht ...?«

»Sie nützt jetzt auch nichts mehr«, brummte er. »Wenn wir die Solaner aufrufen, nach den Kopien des echten Deccon Ausschau zu halten, gibt es ein Chaos, wie es sich niemand wünschen kann. Und es lässt sich der richtige doch nicht herausfinden. Seht euch nur die Gestalt in der Klause an. Auf irgendeine Weise hat sie sich Deccons Kästchen angeeignet, das dieser immer um den Hals trug. Oder es handelt sich um eine Fälschung.«

»Also sind uns die Hände gebunden«, seufzte Nurmer unglücklich. »Wer hätte das damals gedacht, als Deccon sein Amt antrat, dass er eines Tages von seinem eigenen Ebenbild vertrieben würde.«

»Wir können nur eines tun«, stellte Curie van Herling nüchtern fest. »Wir müssen uns an die Anweisungen des Doppelgängers halten und uns in keiner Weise anmerken lassen, dass wir nicht an seine Identität glauben. Auf diese Weise müsste es uns gelingen, näher an ihn heranzukommen. Vielleicht gibt er sich eines Tages eine Blöße, und wir haben den endgültigen Beweis für Nockemanns Ausführungen.«

Die Brüder und Schwestern der ersten Wertigkeit hatten sich nicht getraut, die Zusammenkunft in der Hauptzentrale abzuhalten. Sie waren in einen verlassenen Raum in der Nähe von Nurmers Kabine ausgewichen, von dem sie wussten, dass er nicht überwacht wurde. Hier fühlten sie sich vor den Nachstellungen des falschen Deccon einigermaßen sicher.

Die Magniden waren ratlos. Anfangs hatten sie versucht, konsequente Entscheidungen in Bezug auf die zehn Frauen zu treffen. Sie hatten versucht, Chart aus seinem Wachtraum der Glückseligkeit zu reißen, es war ihnen nicht gelungen. Im Gegenteil, der High Sideryt hatte sie verdächtigt, für das Verschwinden von Alpha verantwortlich zu sein. Sie hatten ihn vom Gegenteil überzeugen müssen, und so war wertvolle Zeit verlorengegangen. Als sie die Wahrheit herausgefunden hatten und Deccon nachdenklich wurde, war es zu spät gewesen.

Der High Sideryt selbst hatte sich ihnen in den Weg gelegt. Er war der eigentliche Verantwortliche für den jetzigen Zustand.

»Deccon ist die große Unbekannte in unserer Rechnung«, sagte Wajsto Kolsch. »Wir müssen annehmen, dass er sich in der Gewalt seiner Ebenbilder befindet, falls er überhaupt noch lebt.«

»Was ist, wenn er nicht mehr lebt?«, schrillte Herts.

»Dann wird sein Nachfolger das Amt antreten. Erinnert euch an das letzte Mal. SENECA wird es nicht entgehen, wenn Chart stirbt oder getötet wird.«

»Wir können also wirklich gar nichts tun«, nickte Ursula Grown. »Kehren wir in die Zentrale zurück!«

»Wer informiert Bit, die ihren Dienst versieht?«, fragte Nurmer.

»Ich werde das übernehmen«, erklärte Gallatan Herts.

 

*

 

Deccon zog den Strahler und hechtete sich durch die Tür, die sich nach drei Sekunden zu schließen begann. Im aufflammenden Licht sah der High Sideryt sich um.

Die Ausweichzentrale in der oberen Hälfte der SZ-1 war unbesetzt. Nicht einmal Roboter konnte der Bruder ohne Wertigkeit ausmachen.

Chart Deccon setzte sich in Bewegung und durchstreifte den als Rundraum angelegten Saal. Alle Anlagen waren stillgelegt. Die AZ wurde nur im Gefahrenfall benutzt, wenn die SOL-Zelle nicht mehr von der eigentlichen Zentrale aus gesteuert werden konnte. Die Positronik der Ausweichzentrale war direkt mit der Hauptpositronik gekoppelt.

Der Saal war leer. Der High Sideryt atmete auf. Seine Aufmerksamkeit ließ augenblicklich nach, und er setzte sich erschöpft in einen der Sessel vor den Kontrollen und schloss die Augen. Die Flucht hatte ihn alle Kraft gekostet.

Der 85-jährige, schwere Mann hustete hart. Auf seinem kahlen Kopf hatte sich ein Meer aus Schweißperlen gebildet, das jetzt langsam abkühlte und den Hünen mit seinen dicken Fleischwülsten und Muskelpaketen frösteln ließ. Er sehnte sich nach einer heißen Dusche, aber die konnte er sich im Augenblick nicht leisten.

Wenn es nur das wäre, dachte Deccon. Ich würde viel dafür geben, wenn einer kommen würde, um mir zu sagen, dass es ein Albtraum ist, den ich erlebe.

Es war kein Traum, und die Erinnerung an die Erlebnisse der letzten Tage und Wochen war so frisch, dass das Unterbewusstsein sie unmöglich verarbeitet haben konnte.

Deccon warf einen flüchtigen Blick auf sein Armband, das ihm Datum und Uhrzeit zeigte. Das Datum erschreckte ihn.

»Unmöglich!«, stammelte er. »Es kann doch nicht sein, dass so viel Zeit vergangen ist!«

Deccon kam es so vor, als habe er unendlich viel Zeit verloren, und er wusste nicht einmal zu sagen, wo und wofür er sie vertan hatte.

Alpha!

Schmerzhaft und sehnsüchtig zugleich dachte er an die Frau. Nein, es waren zehn Frauen!

»Ich muss Gewissheit haben«, stöhnte er.

Wieder keimte die Ahnung des Ungeheuerlichen in ihm auf, er spürte, dass sein innerer Widerstand gegen die Erkenntnis immer mehr erlahmte, und schrieb es seiner Erschöpfung zu.

Du leidest unter Entzugserscheinungen!, redete er sich ein und ahnte nicht, wie Recht er damit hatte. Man hatte ihm seine Alpha entzogen und gab ihm keine Gelegenheit, sie wiederzusehen, sie alle wiederzusehen.