So nutzen Sie dieses Buch

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Beispiele und Muster

Hier finden Sie hilfreiche Beispiele und Musterschreiben.

Definitionen

Hier werden Begriffe kurz und prägnant erläutert.

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Die Merkkästen enthalten Empfehlungen und hilfreiche Tipps.

Auf den Punkt gebracht

Am Ende jedes Kapitels finden Sie eine kurze Zusammenfassung des behandelten Themas.

7Vorwort

Der Sinn und Zweck des Pflichtteils liegt darin sicherzustellen, dass die nächsten Angehörigen eines Verstorbenen im Erbfall nicht völlig leer ausgehen. Der Erblasser kann testamentarisch oder erbvertraglich bestimmen, dass seine gesetzlichen Erben nichts vom Erbe erhalten sollen. Die Möglichkeiten des Erblassers sind aber nicht nur auf eine Enterbung beschränkt. Er kann auch bereits zu seinen Lebzeiten sein Vermögen an ihm liebe Menschen verschenken und so an ihm unliebsamen Personen vorbeischleusen. In diesen Fällen garantiert das Gesetz den Pflichtteilsberechtigten eine gewisse Mindestteilhabe am Nachlass.

Das Pflichtteilsrecht naher Angehöriger des Erblassers war gerade in den letzten Jahren immer wieder heftig umstritten. Vor dem Hintergrund geänderter gesellschaftlicher Verhältnisse und einer fortschreitenden Auflösung der Kernfamilie wurde gar in Erwägung gezogen, die Pflichtteilsquoten erheblich zu reduzieren.

Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts am 1.1.2010 hat der Gesetzgeber allerdings die Bedeutung des Pflichtteilsrechts als verfassungsrechtlich geschützte Mindestteilhabe am Nachlass gestärkt.

Argumente für und gegen das Pflichtteilsrecht gibt es viele: Im Zeitalter der Patchwork-Familien und der damit einhergehenden Gefahr der fortschreitenden Entfremdung der engsten Verwandten voneinander scheint es zwar immer weniger hinnehmbar, dass Personen, die möglicherweise seit Jahren den Kontakt zum Verstorbenen verloren haben 8oder diesen überhaupt noch nie hatten, zwingend am Nachlass teilhaben sollen. Für das Pflichtteilsrecht spricht aber, dass die Familie immer noch eine wichtige Säule unserer Gesellschaft ist und auch in Zukunft bleiben soll.

München, im Juli 2013

Julia Roglmeier

9Überblick und Definitionen

Einem juristischen Laien sind die Unterschiede zwischen Erbe und Pflichtteil nicht ohne Weiteres verständlich.

Erbfolge

Vereinfacht ausgedrückt bedeutet Erbfolge, dass eine Person Rechtsnachfolger des Verstorbenen wird, in alle seine Rechtspositionen eintritt und so quasi in dessen Fußstapfen tritt. Ein Erbe wird entweder durch eine Verfügung von Todes wegen – einen Erbvertrag oder ein Testament – vom Erblasser selbst bestimmt oder aber er tritt, wenn der Erblasser keine Regelung getroffen hat, kraft gesetzlicher Erbfolge an seine Stelle.

Pflichtteil

Einen Pflichtteilsanspruch erhalten in der Regel solche Personen, die zwar nach dem Gesetz erbberechtigt wären, aber nicht zur Erbfolge gelangen – sei es, weil der Erblasser sie in seiner letztwilligen Verfügung ausgeschlossen hat oder aber weil sie die Erbschaft ausgeschlagen haben und ihnen ausnahmsweise ein Pflichtteil zusteht.

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Der Pflichtteilsanspruch setzt grundsätzlich voraus, dass ein gesetzlicher Erbe enterbt worden ist. In manchen Fällen kann auch die Ausschlagung eines Erbteils zu einem Pflichtteilsanspruch führen.

10Der Pflichtteilsanspruch ist ein sog. schuldrechtlicher Anspruch gegen den Nachlass. Der Anspruch ist dabei auf Zahlung in Geld gerichtet. Ein Anspruch auf konkrete Nachlassgegenstände steht dem Pflichtteilsberechtigten über den Pflichtteilsanspruch hingegen nicht zu.

Der Pflichtteilsberechtigte tritt nicht in die Fußstapfen des Erblassers. Er darf lediglich seine Mindestbeteiligung am Nachlass nach bestimmten gesetzlichen Vorgaben errechnen und dann von dem/den Erben Zahlung verlangen.

Zwar kann der Erblasser frei bestimmen, welche Personen seine Erben und damit seine Rechtsnachfolger sein sollen. Übergeht er dabei allerdings pflichtteilsberechtigte Verwandte oder den Ehegatten/eingetragenen Lebenspartner, so gehen diese Personen – anders als viele Laien denken – nicht völlig leer aus. Ihnen wird durch das Pflichtteilsrecht ein bestimmter Mindestwert am Nachlass garantiert.

Ein ganz praktisches Problem stellt es für den Pflichtteilsberechtigten häufig dar, in Erfahrung zu bringen, ob der Erbfall überhaupt eingetreten ist. Verstirbt ein Mensch, so sind die per Testament oder per Erbvertrag als Erben benannten Personen gegenüber dem Nachlassgericht verpflichtet, Angaben über die persönlichen Verhältnisse des Erblassers zu machen. Das Nachlassgericht informiert dann alle enterbten Personen über den Erbfall und die Enterbung. Auf diese Weise wird der Pflichtteilsberechtigte in die Lage versetzt, gegenüber dem oder den Erben seine Ansprüche geltend zu machen.

Zwar muss der Erbe seine Angaben über die ihm bekannten verwandtschaftlichen Verhältnisse des Erblassers gegenüber dem Nachlassgericht an Eides statt versichern. Vor 11der widerrechtlichen Angabe falscher Auskünfte schützt dies jedoch nicht. In diesen Fällen kann das Nachlassgericht den Pflichtteilsberechtigten schlichtweg nicht über die ihm zustehenden Rechte informieren. Bei Kenntnis des Erbfalls kann allerdings eine entsprechende Anfrage an das zuständige Nachlassgericht (das ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte) Abhilfe schaffen.

Muster: Schreiben an das Amtsgericht – Nachlassgericht – wegen Auskunft über einen Todesfall

An das

Amtsgericht

– Nachlassgericht –

(…)

Betr.: Nachlass des verstorbenen (…), verst. am (…) in (…), zuletzt wohnhaft (…)

Sehr geehrte Damen und Herren,

am (…) verstarb (…). Eine Sterbeurkunde liegt diesem Schreiben in der Anlage bei.

Ausweislich der in der Anlage beigefügten Geburtsurkunde bin ich ein nichtehelicher Abkömmling des Erblassers.

Ich bitte um Mitteilung, ob der Erblasser eine letztwillige Verfügung von Todes wegen hinterlassen hat und ob ein Nachlassverfahren, und wenn ja, unter welchem Aktenzeichen, anhängig ist.

Als weitere Abkömmlinge des Erblassers sind mir bekannt:

(…).

Mit freundlichen Grüßen (…)

12Was umfasst der Pflichtteilsanspruch?

Wie bereits erwähnt, ist der Pflichtteilsanspruch ein Zahlungsanspruch in Geld. Ein Anspruch auf konkrete Nachlassgegenstände besteht nicht. Vielmehr stehen die konkreten Nachlasswerte, also das Geldvermögen, alle Immobilien und Firmenbeteiligungen sowie sonstige persönliche Gegenstände des Erblassers den Erben zu.

Der Pflichtteil ist keine Beteiligung am Nachlass, sondern nur ein Geldanspruch in Höhe der wertmäßigen Mindestbeteiligung am Nachlass. Gleichwohl ist es für den oder die Erben nicht selten schwierig, den in Geld auszuzahlenden Pflichtteil zu begleichen.

In Fällen, in denen zum Nachlass nicht ausreichend Bargeld gehört, kann es notwendig werden, Nachlassgegenstände zu veräußern. Besonders schwierig gestalten sich Nachlässe, die ein Unternehmen oder Immobilienvermögen zum Inhalt haben. Hier kann es im Extremfall zu einer für den Erben in persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht nur schwer hinzunehmenden Zerschlagung von Vermögenswerten kommen.

Auf den Punkt gebracht

Wird ein gesetzlicher Erbe enterbt, so steht ihm in der Regel ein Pflichtteil zu.

Der Pflichtteil ist ein Anspruch in Geld. Ein Anspruch auf konkrete Nachlassgegenstände besteht nicht.

Auch Schenkungen können Pflichtteilsansprüche auslösen.

13Wer erhält den Pflichtteil?

Nicht jedem Verwandten, der vom Erblasser von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen wurde, steht auch tatsächlich ein Pflichtteilsanspruch zu. Von Gesetzes wegen sind lediglich

pflichtteilsberechtigt.

Nur den nächsten Angehörigen des Erblassers steht daher ein Pflichtteilsrecht zu, wobei innerhalb der Angehörigen auch eine bestimmte Reihenfolge beachtet werden muss. Sind nämlich Abkömmlinge vorhanden (Kinder, Enkel, Urenkel) und wären diese grundsätzlich gesetzliche Erben geworden, so haben die Eltern des Erblassers kein Pflichtteilsrecht. Anders verhält es sich mit dem Ehegatten oder dem Lebenspartner einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft: Er ist auch bei Vorhandensein von Abkömmlingen pflichtteilsberechtigt.

Andere Verwandte – wie beispielsweise die Geschwister des Erblassers, seine Neffen und Nichten und auch Großeltern – sind generell nicht pflichtteilsberechtigt.

14Abkömmlinge

Das deutsche Erbrecht unterteilt die gesetzlichen Erben in Ordnungen:

1. Ordnung

2. Ordnung

3. Ordnung

4. Ordnung

Abkömmlinge, also Kinder, Enkel, Urenkel etc.

Eltern und deren Abkömmlinge (Geschwister, Neffen, Nichten etc.)

Großeltern und deren Abkömmlinge

Urgroßeltern und deren Abkömmlinge

Eine niedrigere Ordnung geht dabei einer höheren Erbordnung vor. Innerhalb der Ordnungen gilt das sog. Repräsentationsprinzip. Das bedeutet z. B. für die 1. Ordnung, dass ein zum Todeszeitpunkt lebender direkter Abkömmling alle anderen durch ihn mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge von der Erbfolge ausschließt. Pro „Stamm“ kann es nur einen Erbberechtigten geben.

Beispiel: Repräsentationsprinzip

Erblasser E hinterlässt einen Sohn S und zwei Enkelkinder A und B (Söhne von S). Gesetzliche Erben nach E werden nicht etwa S, A und B, sondern S alleine. Er schließt seine beiden Söhne wegen des Repräsentationsprinzips von der Erbfolge aus.

Auch der Ehegatte/eingetragene Lebenspartner hat ein gesetzliches Erbrecht. Die Erbquote ist davon abhängig, in welchem Güterstand die Eheleute miteinander verheiratet waren.

15Nicht alle gesetzlichen Erben haben ein Pflichtteilsrecht. Hier ist zu differenzieren:

Zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen zählen zunächst die Abkömmlinge des Erblassers. Die Abkömmlinge des Erblassers gehören zu den Erben der ersten Ordnung. Hierunter fallen alle Verwandten in gerader absteigender Linie, also

Ist der Erblasser die Mutter oder (Ur-)Großmutter, so kann das Verwandtschaftsverhältnis relativ klar und eindeutig durch die Geburt bestimmt werden. Ist der Erblasser der Vater oder (Ur-)Großvater, ist die Zuordnung mitunter schwieriger. In pflichtteilsrechtlicher Hinsicht gilt derjenige Mann als Vater des Kindes, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist. Sofern der Mann die Vaterschaft für ein außerhalb seiner Ehe geborenes Kind anerkannt hat oder die Vaterschaft rechtskräftig festgestellt ist, gilt auch dieses Kind als Abkömmling in pflichtteilsrechtlicher Hinsicht.

Zu beachten ist, dass Pflichtteilsansprüche entfernterer Verwandter wie auch Erbansprüche stets ausgeschlossen sind, wenn zum Zeitpunkt des Erbfalls nähere Abkömmlinge vorhanden sind (Repräsentationsprinzip).

16Weitere Beispiele für das Repräsentationsprinzip

Lebt beim Erbfall der Sohn des Erblassers, steht dessen Kindern (den Enkelkindern des Erblassers) kein Pflichtteilsanspruch zu.

Lebt zum Zeitpunkt des Erbfalls nur noch einer von zwei Söhnen des Erblassers, hat der verstorbene Sohn aber Enkelkinder hinterlassen, so gelten als pflichtteilsberechtigte Personen (neben dem Ehegatten des Erblassers) der lebende Sohn und die Kinder des verstorbenen Sohnes (Enkelkinder des Erblassers).

Bei Adoptivkindern ist zum einen danach zu unterscheiden, ob es sich um eine sog. Minderjährigenadoption oder um eine Volljährigenadoption handelt. Zum anderen spielt das Jahr der Adoption eine entscheidende Rolle. Die Unterschiede bestehen hauptsächlich darin, ob die verwandtschaftlichen Verhältnisse zur Ursprungsfamilie erhalten bleiben, ob sie zur Adoptivfamilie neu entstehen und wie die jeweiligen Verwandten der beiden Familien in erb- und pflichtteilsrechtlicher Hinsicht zum adoptierten Kind stehen.

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Seit Inkrafttreten des KindRG am 1.4.1998 sind nichteheliche Kinder den ehelichen gleichgestellt.

17(Mögliche) Pflichtteilsansprüche des adoptierten Kindes zeigt folgende Übersicht:

Recht des adoptierten Kindes auf den Pflichtteil gegenüber

vor dem 1.1.1977 minder-/ volljährig

nach dem 1.1.1977 minderjährig

nach dem 1.1.1977 volljährig

leiblichen Eltern

(+)

(-)
außer bei Halbwaisenadoption

(+)
Ausnahmen möglich

Verwandten der leiblichen Eltern

(+)

(-)
außer bei Verwandtenadoption

(+)
Ausnahmen möglich

Adoptiveltern

(+)
Ausnahmen möglich

(+)

(+)

Verwandten der Adoptiveltern

(-)

(+)

(-)
Ausnahmen möglich

Eine Übersicht zu (möglichen) Pflichtteilsansprüchen Dritter gegenüber dem adoptierten Kind finden Sie auf der nächsten Seite.

18Recht Dritter auf den Pflichtteil gegenüber dem adoptierten Kind

vor dem 1.1.1977 minder-/volljähriges Kind

nach dem 1.1.1977 minderjähriges Kind

nach dem 1.1.1977 volljähriges Kind

leibliche Eltern

(+)

(-)

(+)

Verwandte der leiblichen Eltern

(+)

(-) außer bei Verwandten und Halbwaisenadoption

(+)

Adoptiveltern

(-)

(+)

(+)

Verwandte der Adoptiveltern

(-)

(+)

(-)

Ehe- und eingetragener Lebenspartner

Ist der Ehepartner bzw. der eingetragene Lebenspartner einer gleichgeschlechtlichen Beziehung von der Erbfolge ausgeschlossen, so muss zunächst der Güterstand (Zugewinngemeinschaft, Gütergemeinschaft oder Gütertrennung), in dem er mit dem Erblasser verheiratet war, für die Berechnung seiner Pflichtteilsquote festgestellt werden.

Der Güterstand der Zugewinngemeinschaft liegt automatisch dann vor, wenn die Eheleute vertraglich (Ehevertrag) keine andere Regelungen getroffen haben. Dies wurde vom Gesetzgeber als „Normalfall“ geregelt.

Der Güterstand hat Einfluss auf die gesetzliche Erbquote und damit auch auf die Pflichtteilsquote.

19Die Pflichtteilsquote des Ehegatten umfasst stets die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils.

Der des Ehegatten: