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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

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Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 1804

 

Kampf ums Überleben

 

Ein Planet steht vor dem Untergang – ein Volk wartet auf seinen Gott

 

von Arndt Ellmer

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

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Mit dieser Entwicklung konnte niemand rechnen: In direkter Nachbarschaft der Erde ist eine fremde Kultur aufgetaucht – und zwar auf Trokan, dem »zweiten Mars«, der in einer spektakulären Aktion gegen den Roten Planeten ausgetauscht worden war.

Dabei ist die Situation im Jahr 1288 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – das entspricht dem Jahr 4875 alter Zeit – angespannt genug. In der Menschheitsgalaxis haben die Arkoniden alte imperiale Träume wiederbelebt und das Kristallimperium etabliert. Seit Jahrzehnten beäugen sich die Machtblöcke der Arkoniden, der Liga Freier Terraner und des in sich zerstrittenen Forums Raglund voller Misstrauen.

Perry Rhodan ist einer der wenigen, von denen sich Milliarden Intelligenzwesen in der Galaxis einen Ausweg aus der Krise erhoffen. Mit seinen unsterblichen Freunden hat sich der Terraner aus der Politik zurückgezogen und das geheimnisvolle Projekt Camelot aufgebaut.

Die neue Zivilisation in direkter Nachbarschaft zur Erde, die sich im Schutze eines Zeitrafferfeldes entwickelte, muss recht schnell mit Schwierigkeiten rechnen, die ihre Existenz grundlegend gefährden. Es beginnt ein KAMPF UMS ÜBERLEBEN …

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Myles Kantor – Der Wissenschaftler erlebt den Todeskampf eines Planeten.

Cistolo Khan – Der LFT-Kommissar wirkt erstmals in seiner Laufbahn überfordert.

Perry Rhodan – Der unsterbliche Terraner landet auf Trokan.

Donder Pereira – Eine Terranerin im Einsatz für eine Welt.

Gobert Grifaan – Chefarzt einer Sektion auf Mimas.

1.

 

»Gleich trifft Myles Kantor ein«, meldete die diensthabende Funkerin. »Soll ich ihn zu dir rüberlegen, Gobert?«

Der Chefarzt der Tradha-Zwölf-Sektion auf Mimas runzelte die Stirn und nickte dann.

»Tu das, Cylona. Vielleicht kann ich ihn auf andere Gedanken bringen.«

Dass das ein Trugschluss war, wusste er selbst am besten. Myles Kantor zählte zu den Persönlichkeiten, die in Sachen innerer Ausgeglichenheit die meisten ihrer Mitmenschen in die Tasche steckten.

»In Ordnung«, sagte Cylona Pavelsson.

Gobert Grifaan drehte den Sessel zur Seite und musterte den in die Wand seines Büros integrierten Transmitterbogen. Das Hochenergiefeld innerhalb des rot markierten Bereichs baute sich auf, und wenige Augenblicke später erschien die Gestalt des terranischen Chefwissenschaftlers.

Grifaan erhob sich und versuchte, sich locker und beschwingt zu geben. In Wahrheit sah es in seinem Innern anders aus. Kantor kam regelmäßig hierher, und es gab für ihn nur ein einziges Ziel. Seine Frau. Alles andere auf Mimas interessierte ihn nicht.

Gobert streckte die Arme aus und ging Myles entgegen. Die beiden Männer begrüßten sich stumm.

»Ich komme unmittelbar von Trokan«, sagte Myles Kantor mit leiser Stimme. »Eigentlich habe ich keine Zeit, denn wir sind noch immer mit der Untersuchung des Kummerog-Tempels beschäftigt. Bitte versteh, wenn ich mich nicht länger aufhalte als nötig.«

»Natürlich, natürlich.«

Gobert ließ die Tür auffahren und trat in den Korridor hinaus. Von seinem Büro bis zur Quarantäne-Station mochten es knapp dreißig Meter sein. Ausgemessen hatte er es noch nie. Myles folgte ihm dicht auf den Fersen. Vor der mehrfach versiegelten Tür hielt der Chefarzt an, er zauderte einen Augenblick.

Willst du sie wirklich sehen?, schrien seine Gedanken. Wozu? Aber er unterdrückte den Impuls und schwieg. Nichts davon würde jemals über seine Lippen kommen. In Wirklichkeit, das wusste Gobert genau, war er selbst es, der den Anblick der Frau in ihrem Überlebenstank nicht ertragen konnte.

Er gab den Kode ein und trat zur Seite. Die Tür glitt in die Wand. Wie immer hatte Myles Kantor es eilig, die Desinfektionsschleuse zu durchqueren. Ungeduldig ließ er die Prozedur über sich ergehen.

Der Syntron gab den Weg frei, und sie verließen die Schleuse und betraten die sterile Halle. An den Wänden summten leise Aggregate. Die Automaten projizierten ein Holo-Display über den Tank, auf dem der Chefarzt alle Daten über die Frau ablas.

Kallia Nedrun war gesund wie jeder andere Mensch. Ihre Körperwerte wiesen keinerlei Abweichungen vom Normalzustand auf. Und dennoch war sie nicht bei Bewusstsein. Seit sechsundsiebzig Jahren lag sie im Koma, seit jenem Zeitpunkt, als sie von einem der Spindelwesen schwer verletzt worden war. Ihre körperlichen Schäden hatte die Medizin innerhalb weniger Monate behoben. Eigentlich stand ihrem Erwachen nichts im Wege.

Aber da war etwas. Etwas, das kein Arzt und kein Psychologe erklären konnte. Es passte zu ihrer geheimnisvollen Herkunft ebenso wie zu dem fast zufällig entdeckten Zinkfinger und der Tatsache, dass sie früher im Zustand starker Erregung immer wieder in einer unbekannten Sprache geredet hatte. Diese Zeit lag lange zurück.

Seit etwa sechsundsiebzig Jahren schwieg Kallia und bewegte sich auch nicht. Ihre Hirnströme wiesen ein reduziertes, aber normales Spektrum auf.

Ein lebendiger Leichnam, das war es, was Gobert Grifaan immer wieder durch den Sinn ging.

Und er konnte nichts dagegen tun, obwohl ihm alle Mittel dieser Welt gegeben waren, selbst aussichtslose Fälle zu bewältigen.

Damals, als Myles Kantor schweren Herzens Abschied von seiner Frau genommen hatte, um mit der zweiten BASIS-Expedition zur Großen Leere aufzubrechen, hatte er Kallia seiner Mutter anvertraut. Enza Mansoor war längst tot, im Jahr 1219 NGZ bei einem Laborunfall ums Leben gekommen. Nach der Rückkehr der BASIS in die Milchstraße war Myles Kantor als erstes zu ihrer Urne geeilt, um diese zu bergen und danach im kleinen Vorgarten des Bungalows am Goshun-See zu vergraben. Dass Kallia noch lebte, half ihm in all den Jahrzehnten über den Verlust der Mutter hinweg.

Kallia selbst aber …

Gobert Grifaan blieb stehen und starrte auf das Display, um nicht in den Antigravtank sehen zu müssen. Medosonden hingen über Kallia. Sie stellten die Versorgung mit Nährstoffen und Flüssigkeit sicher und hielten den Körper in einem optimalen Zustand. Kallia fehlte nichts – außer ihrem Bewusstsein.

Myles trat wie immer dicht an den Tank heran. Langsam glitt seine Hand durch das Antigravfeld, das seine Frau umfing. Seine Fingerspitzen berührten ihre Stirn, ihre Nase, die Wangen und schließlich den Mund.

Gobert Grifaan schloss die Augen. Er wollte es nicht mit ansehen. Es ging einfach nicht. Seine Knie fühlten sich butterweich an und schlotterten. Als sei es seine eigene Frau und nicht die Kantors.

»Meine liebe Kallia«, flüsterte Myles. »Ich bin bei dir. Wenn du es spürst, dann ist es gut. Ich weiß, du kannst mir kein Zeichen geben.«

Langsam zog er die Hand zurück, schritt langsam um den Tank herum und blickte dann den Chefarzt an.

»Danke, Gobert. Bis später.«

Ohne sich noch einmal umzusehen, ging er hinaus. Grifaan hatte Mühe, ihm zu folgen. In der Schleuse mieden sie den Blickkontakt, und Myles suchte sofort das Büro und den Transmitter auf. Das Feld stand noch, und der Syntron teilte ihm mit, dass die Verbindung mit Trokan und der PAPERMOON in Ordnung war.

Myles winkte kurz und trat in das Abstrahlfeld. Sekunden später löste sich sein Körper auf. Das Feld erlosch.

Gobert Grifaan klammerte sich an die Lehne seines Sessels.

»Ich könnte es nicht«, stöhnte er. »Nicht nach so langer Zeit.«

Schon das Zusehen fiel ihm schwer. In der Nähe Kallias hielt er es kaum aus.

Und doch brachte er es nicht fertig, sich nach einem anderen Job umzusehen. Myles Kantor zuliebe harrte Gobert Grifaan auf seinem Posten aus.

2.

 

Der Gleiterkonvoi mit den Messsonden hielt nach Westen und folgte der Qualmspur drunten in der Ebene. Ein mit Herreach völlig überladener Zug quälte sich in Richtung Moond. Die Passagiere hingen teilweise außen an den Wagen oder lagerten auf den Dächern. Ab und zu fiel einer entkräftet hinab und blieb neben den Gleisen liegen.

»Khan an Konvoi«, sagte der LFT-Kommissar. »Die Reichweite unserer Zugstrahlen ist von hier aus zu klein zum Eingreifen. Vier Fahrzeuge bleiben auf Kurs. Die anderen folgen mit zur Eisenbahn. Wir versuchen zu retten, was zu retten ist.«

Sie schwenkten ab und beschleunigten. In der Nähe der Gleise schleuste Cistolo Khan mehrere Roboter aus, die sich um die Herabgefallenen kümmerten. Sie konnten nur noch den Tod der gestürzten Herreach feststellen. Ihre Artgenossen in und auf dem Zug kümmerten sich nicht um sie.

Der LFT-Kommissar seufzte und schlug sich mit der Faust gegen den Oberschenkel.

»Die Gestürzten weisen keine lebensgefährlichen Verletzungen auf«, knurrte er. »Sie könnten noch leben. Aber sie resignieren einfach und sterben.«

Was hätte er darum gegeben, in jedem Einzelfall zu helfen und solche Vorfälle zu vermeiden! Es war aussichtslos. Er hätte jedem Herreach einen Aufpasser zur Seite stellen müssen, und das war bei einem Volk von hundertfünfundvierzig Millionen Individuen unmöglich. Die damit in Zusammenhang stehenden logistischen Probleme ließen sich in so kurzer Zeit nicht lösen.

»Bis an ihr Ziel benötigt die Bahn noch mindestens zwei Stunden«, schätzte Bruno Drenderbaum. Neben dem breitschultrigen Cistolo Khan wirkte der Assistent und Freund des LFT-Kommissars reichlich unterernährt und schwächlich. »Die Stadt kann den Flüchtlingsstrom nicht bewältigen. Große Teile von Moond sind durch das Beben zerstört oder in Mitleidenschaft gezogen worden.«

Cistolo Khan schüttelte den Kopf, als wolle er ein Insekt loswerden. Seine Hände krampften sich um die Armlehnen des Pilotensitzes.

»Sie reagieren völlig widersinnig«, murmelte er. »Ich hätte erwartet, dass sie die Stadt verlassen und sich über das Land verteilen. Es ist aber genau umgekehrt.«

»Ihre Mentalität ist schuld daran.« Drenderbaum beugte sich nach rechts, um mehr von der Ebene drunten zu erhaschen. »Sie denken nur an die Gegenwart und machen sich keine Gedanken über die Zukunft. Na ja, fast keine. Den von Schimbaa verwüsteten Tempel allerdings haben sie gestürmt, als gäbe es dort Gold zu holen.«

Die Blicke der beiden Männer kreuzten sich. Khan ließ die Armlehnen los und hantierte an den Sensoren der Ortung.

»Eintausendfünfhundert Kilometer östlich von hier findet das nächste Beben statt«, stieß er hervor. »Das ist im Bereich der Herreach-Stadt Hovver.«

Entschlossen aktivierte er das Funkgerät.

»Cistolo Khan an alle«, sagte er. »Sofort Einsatzbereitschaft aller Raumeinheiten herstellen! Die zweiundvierzig Forschungsschiffe entsenden Beiboote zum Kummerog-Tempel. Die dreitausend Einheiten der Wachflotte nähern sich der Planetenoberfläche auf fünf Kilometer und bereiten sich auf einen Feldeinsatz großen Maßstabes vor.«

Die Bestätigung der Koordination traf ein. Gleichzeitig erwachte überall in der terranischen Flotte der Nahbereichsfunk zu regem Leben.

»Was ist los, Khan?«, traf eine Anfrage ein. »Wozu diese Nervosität?«

»Schau dir die Messergebnisse an, Wallerten«, antwortete der LFT-Kommissar. Er kannte die über dreitausend Kommandanten der Schiffe rund um Trokan nicht nur alle persönlich. Er erkannte sie auch an der Stimme. »Wir haben noch drei Stunden bis zum Sonnenuntergang auf dieser Seite des Planeten. Dann kühlt sich die Oberflächenkruste erneut ab. Sind die Roboteinheiten endlich auf ihren Positionen?«

»Das dauert noch«, meldete Prett Boemer aus der PAPERMOON. »Mehrere Einheiten sind von Störungen ihrer Antigravsysteme betroffen.«

»Das liegt sicherlich an lokalen Schwankungen im Schwerefeld Trokans.« Khan stöhnte leise. »Wir verlieren Zeit, die wir vermutlich nie mehr einholen können.«

Er trug den Robotern auf, in der Nähe des Zuges zu bleiben und mit Traktorstrahlen dafür zu sorgen, dass keine Herreach mehr in den Tod stürzten. Dann änderten die Gleiter den Kurs und steuerten ihre ursprünglichen Ziele an.

Cistolo Khan beschleunigte mit Höchstwerten. Automatisch bildete sich um die Außenhülle ein Prallfeld, das eine überstarke Erhitzung des Gleiters durch Luftreibung verhinderte. Das Fahrzeug raste nach Norden und stieg in die dünne Lufthülle Trokans hinauf. Nach tausend Kilometern ging es in steilen Sinkflug über und bremste dicht über der Oberfläche ab.

»Position Delta-Zwo-Acht-Fünf ist nun erreicht«, meldete der Syntron.

»Ladeklappe vier öffnen und die Messeinheit ausschleusen!«, ordnete Khan an. Er erhob sich und schloss den Helm seines SERUNS.

Die beiden Männer verließen den Gleiter und betraten die weite Steppenlandschaft des Planeten, der noch vor wenigen Jahrzehnten zur Minusseite des Universums gehört und innerhalb von sechsundsechzig Jahren eine beschleunigte Evolution durchgemacht hatte.

Dieser Begriff umschrieb allerdings nur ungenau das, was sich tatsächlich abgespielt hatte: Auf Trokan war die Zeit 3,7millionenmal schneller vergangen als im Rest des Solsystems. Der Planet hatte sich in ein Zeitrafferfeld gehüllt, das ohne Auswirkungen auf die äußere Umgebung geblieben war. Zweihundertfünfzig Millionen Relativ-Jahre waren vergangen.

In dieser Zeit verlor Trokan seine negative Strangeness und entwickelte sich zu einem Leben tragenden Planeten. Die Herreach entstanden, ein Volk von humanoiden Wesen. Unter den temporalen Verwirbelungen der Atmosphäre bildeten sich ihre Zivilisation und ihr Weltbild aus. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Prozess der Evolution aufhörte und es zu einer Wiederangleichung an Zeit und Raum des Solsystems kam.

Nach dem Verschwinden der Verwirbelungen in Trokans Atmosphäre mehrten sich inzwischen die Anzeichen, dass durch das Eintreten von Tag und Nacht sowie die damit verbundenen Temperaturunterschiede jetzt Auswirkungen nach innen eintraten.

Und das nicht zu knapp.

Cistolo Khan betreute die Messeinheit persönlich. Über den Pikosyn seines SERUNS kommunizierte er mit ihr. Während er auf die Ergebnisse wartete, trat er unruhig von einem Fuß auf den anderen und starrte in das magere, von Nachtfrösten gebräunte Gras.

»Die Oberflächenspannungen der Planetenkruste nehmen exponential zu«, meldete der Pikosyn. »Es besteht höchste Gefahr.«

Khan war kein Wissenschaftler, und die Tragweite der Meldung brach wie eine riesige Woge über ihn herein. Alle seine Befürchtungen erschienen ihm unbedeutend im Vergleich mit der Wahrheit.

»Khan an NATHAN«, sagte er. »Du verfügst über alle Messwerte aus den Schiffen. Kannst du uns eine erste Hochrechnung anbieten? Wie viel Zeit bleibt uns?«

»Hallo, Cistolo!«, kam die Hyperfunk-Antwort von Luna. »Zeit wofür?«

»Um Trokan zu retten.«

»Vier Monate ungefähr.«

Das hörte sich nach viel an, war aber verdammt wenig.

»Ich brauche einen Einsatzplan, und das so schnell wie möglich.«

»Einverstanden. Die Vorbereitungen sind bereits getroffen. Ich mache mich an die Arbeit.«

»Danke. Wir versuchen inzwischen zu retten, was zu retten ist.«

Die beiden Männer kehrten in den Gleiter zurück. Der LFT-Kommissar ließ sich in seinen Sessel fallen, schloss die Augen und atmete tief durch. Dann richtete er sich entschlossen auf.

»An die Arbeit, Bruno!«

Drenderbaum seufzte nur.

»Wo sollen wir anfangen?« Er deutete auf die Anzeigen der Ortung. Auf Trokan bildeten sich inzwischen Dutzende von Gefahrenherden.

Cistolo Khan gab keine Antwort.

 

*