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Der BLITZ-Verlag trauert um

Vanessa Busse

(*1.10.1980 †5.10.2017)

Vanessa war eine hochkreative Autorin.

Wir vermissen sie sehr und danken ihr für die außerordentlich hervorragende Mitarbeit.

Im Anschluss stellen wir ein Gedicht von ihr vor.


So kann das Leben sein

ich will sein, so wie ich bin

der Tag hat seinen Sinn

ich will nichts mehr überlegen

und das Meer unter mir posiert

ich spüre, mein Herz vibriert

ich spring kopfüber rein ins Leben

und ich lehn mich zurück

federleicht, voller Glück

es ist so wie Fliegen ohne Flügel

so kann das Leben sein

wie tausend Sternen Feuer

ein bisschen Abenteuer

ein Schuss Risiko

so fühlt sich Leben an

ganz losgelöst verrückt sein

bis Wunder Wahrheit werden

irgendwann

und dann Vollgas in den Himmel

Arm in Arm

wenn du dein Herz nach außen trägt

und weißt, dass du was bewegst

komm mit

wir setzen rote Segel

in den Adern Adrenalin

im Kopf tausend Sinfonien

spiel fair

und sonst gibt‘s keine Regeln

und ich lehn mich zurück

federleicht voll mit Glück

es ist wie Fliegen ohne Flügel

stell für dich

die Uhr auf Sonnenzeit

gehe ins Licht

die Hoffnung wird dich tragen

du musst es einfach

wagen

Achim Mehnert
DIE TRAGÖDIE VON GIJ



In dieser Reihe bisher erschienen

5001 Christian Montillon Aufbruch

5002 Oliver Müller Sprung ins Ungewisse

5003 Vanessa Busse Dunkle Energie

5004 Vanessa Busse Angriff aus dem Nichts

5005 Oliver Müller Gefangene der Doppelsonne

5006 Achim Mehnert Das Vermächtnis der Moraner

5007 Rainer Schorm Jedermanns Feind

5008 H. W. Stein & Oliver Müller Die Sklavenwelt

5009 Achim Mehnert Todesdrohung Schwarzer Raumer

5010 Vanessa Busse Entscheidung Risiko

5011 Ben B. Black Zegastos Kinder

5012 Michael Edelbrock Fremde Seelen

5013 Achim Mehnert Böser Zwilling

5014 Achim Mehnert Sternentod

5015 Achim Mehnert Das Ende der Promet

5016 Achim Mehnert Tötet Harry T. Orell!

5017 Achim Mehnert Das galaktische Archiv

5018 H. W. Stein Der Tod und das Leben

5019 Achim Mehnert Die Delegation

5020 Achim Mehnert Das Attentat

5021 Achim Mehnert Flucht aus der Terrorstadt

5022 Achim Mehnert Die Tragödie von Gij



Achim Mehnert


Die Tragödie von Gij



RAUMSCHIFF PROMET
Band 22





Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!
Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung
ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.
Infos unter: 
www.BLITZ-Verlag.de

© 2019 BLITZ-Verlag
Redaktion: Jörg Kaegelmann
Exposé: Gerd Lange
Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati
Logo: Mark Freier
Satz: Harald Gehlen
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-95719-582-1

Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!



Prolog


Terra, China, Region Gansu, nahe der Stadt Tianshui, 746 n. Chr.

Die blinde Xiu Tuòbá starb, als Su Xho sechzehn Jahre alt wurde. Das Mädchen hatte die alte Frau so sehr geliebt wie einst seine leiblichen Eltern Lining und Zheng Zheng. Su Xho war untröstlich und weinte den ganzen Tag. Sie vergrub den Kopf in den Händen und wollte weder von der Welt noch von den Menschen etwas wissen. Das galt sogar für Dar Elak, den sie längst als Ersatzvater akzeptiert hatte. Daher versuchte er erst gar nicht, sie zu trösten. Es wäre vergebliche Liebesmüh gewesen. Außerdem nahm der Moraner an, dass es das Beste war, wenn Su Xho ihren Gefühlen freien Lauf ließ. Auch ihm selbst tat der Verlust der alten Frau leid, die sich, ebenso wie Dar Elak, von Anfang an aufopferungsvoll um die damals vierjährige Su Xho gekümmert hatte.

Zwölf Jahre waren inzwischen vergangen, seit die drei sich kennengelernt hatten. Dar Elak erinnerte sich noch heute so genau an den Tag der Katastrophe, als sei es gestern gewesen. Manchmal, so wie in diesem Augenblick der Trauer und der Stille, traten die Erinnerungen mit einer solchen Macht in sein Bewusstsein, dass er dachte, er würde alles noch einmal wahrhaftig durchleben.

Nach dem Kampf gegen den Schwarzen Raumer der Zyklops stürzte sein kleiner Flieger der Planetenober­fläche von Schedo entgegen. Dar Elak blieb nichts ­anderes übrig, als in einer Höhe von vierzehntausend Metern abzuspringen. Er überlebte und wurde Augenzeuge der von der Gravitationswelle des Schwarzen Raumers ausgelösten Katastrophe, die einen ganzen Landstrich verwüstete. Der auf Schedo gestrandete Moraner versprach der sterbenden Lining, sich um das kleine Mädchen zu kümmern, bis es als Frau selbst für sich sorgen konnte.

Nach einer zweitägigen Wanderung durch das verwüstete Land, immer auf der Suche nach Nahrung und einer Bleibe, stießen sie mitten im Wald irgendwo in Gansu auf die Hütte der alten Frau. Xiu Tuòbá lebte allein und hatte nichts dagegen, den Mann und das Findelkind bei sich aufzunehmen. Fortan pflegte Dar Elak die Alte und das kleine Mädchen. Sie lebten weitgehend von anderen Menschen zurückgezogen, damit das Aussehen des Moraners keine Aufmerksamkeit auf sich zog. Nur gelegentlich brachen sie in ein nahe gelegenes Dorf auf, um sich mit dem Lebensnotwendigen zu versorgen. Bei solchen Gelegenheiten verbarg Dar Elak sein Äußeres geschickt vor neugierigen Blicken, sodass niemand jemals Verdacht schöpfte.

Gemeinsam mit Xiu Tuòbá unterrichtete er das Mädchen. Die Jahre zogen ins Land, Su Xho wurde älter und klüger, und in manchen Momenten fühlte sich Dar Elak fast wie bei einer eigenen kleinen Familie auf Moran. Moran, die Heimat, die er niemals wiedersehen würde, so dachte er oft schwermütig.

Am Tag nach Xiu Tuòbás Tod begruben sie die Frau im Wald hinter der Hütte. Als Dar Elak Su Xho betrachtete, kam er zu der Erkenntnis, dass er kein Mädchen mehr vor sich hatte. Sie war zu einer ansehnlichen jungen Frau herangewachsen. Nicht mehr lange, dann brauchte sie ihn nicht mehr, sondern würde auf eigenen Füßen stehen können. Als sie nach der Beisetzung in der Hütte beim Essen beisammensaßen, hielt Dar Elak den Tag für gekommen, ihr die Wahrheit über seine Herkunft zu verraten.

„Ich muss dir etwas beichten“, begann er.

„Hat es mit deinen besonderen Augen und deinen silbernen Haaren zu tun?“, fragte Su Xho.

Der Moraner lächelte. „Du bist sehr klug. Daher wirst du auch verstehen, was ich dir nun erzähle.“ Er berichtete von der Bedrohung durch die Schwarzen Raumer und wie er mit seinen Kameraden gegen eins dieser fliegenden Ungeheuer gekämpft hatte, das Schedo heimsuchte. Wie sie mit zehn Y-förmigen Einmannraumern gegen den überlegenen Gegner antraten und es ihm gelang, diesen durch einen Wirkungstreffer ins Facettenauge kampfunfähig zu schießen. Wie das feindliche Schiff daraufhin die Flucht ergriff. Wie er, Dar Elak, nach dem Ausfall des Manövriertriebwerks seines kleinen Raumfahrzeugs einen Notausstieg in vierzehn Kilometern Höhe bewerkstelligt hatte.

„Die Schäden und Zerstörungen, die die Gravitationskanone der Zyklops an der Planetenoberfläche anrichtete, hast du als Vierjährige mitbekommen. Erinnerst du dich noch an den verheerenden Sturm, der über das Land fegte? Der Bäume entwurzelte, Häuser mit sich riss und den Boden aufwühlte?“

„Ja, ich erinnere mich daran.“ Su Xhos Lippen bebten. „Schedo, ist das dein Name für die Erde?“

„Es ist der Name, den mein Volk, die Moraner, für die Erde benutzt.“

„Ich verstehe.“ Su Xho starrte vor sich hin. Natürlich fiel es ihr schwer, all das zu glauben, aber sie war eine aufgeschlossene junge Frau. Ganz allmählich begriff sie die Geschichte.

„Ich möchte dir etwas zeigen“, sagte Dar Elak.

„Was denn?“

Der Moraner begab sich zu einer in der Raumecke stehenden Truhe, die er seit Jahren nicht geöffnet hatte. „Hast du dich nie gefragt, was ich darin aufbewahre?“

„Nein“, antwortete Su Xho eine Spur zu hastig. Sie lächelte verlegen. „Doch, habe ich.“

Der Moraner hob den Deckel der Truhe an. Sie war nicht verschlossen, aber weder Xiu Tuòbá noch das Mädchen wären jemals auf die Idee gekommen, in seinen Sachen zu wühlen. Er nahm ein Kleidungsstück heraus, das er seit Jahren nicht in Händen gehalten hatte, und reichte es Su.

Neugierig nahm sie es entgegen. „Was ist das?“

„Mein Raumanzug. Der Anzug, den ich trug, als ich gegen den Schwarzen Raumer kämpfte.“

„Wirklich?“

„Ja.“

„Wieso hast du ihn nie zuvor herausgenommen?“

„Ich hatte ihn vergessen.“ Dar Elak zuckte mit den Schultern. „Vielleicht wollte ich auch nur nicht in Wehmut versinken.“

Ehrfürchtig legte Su Xho den Raumanzug auf den Tisch und entfaltete ihn. Sie betrachtete ihn lange, musterte Einzelheiten und prägte sich diese ein. „Was ist das da?“

„Ein Sender“, erklärte der Moraner. „Eine Vorrichtung, mit der man einen Notruf absenden kann.“

„Du meinst, du kannst damit andere deines Volkes herbeirufen? Sie könnten kommen und dich abholen, um dich nach Hause zu bringen?“

„Ja, schon möglich.“

„Warum hast du es nie getan?“

„Weil ich deiner Mutter etwas versprochen habe.“ Das Gespräch begann, Dar Elak peinlich zu werden. Er hätte nicht davon anfangen sollen. Er legte den Anzug zusammen und verstaute ihn wieder in der Truhe. „Für mich gibt es keine Rückkehr nach Hause. Meine Heimat ist jetzt Schedo.“


*


Lar-System, 12.367 Lichtjahre von der Erde entfernt, 07.12.2090


„Herzlich willkommen auf Fünf!“, imitierte Gus Yonker die Begrüßungsformel eines Touristenführers. „Genießen Sie das Wetter und fühlen Sie sich wie zu Hause.“

Der dichte Regen, der auf das Gebirge des fünften Planeten der Sonne Lar niederging, entzog die uralte Sendestation der Erbauer der optischen Beobachtung. Die Sturzflut verwischte die sichtbare Grenze zwischen dem schmutzig grauen Felsgestein und der in Vergessenheit geratenen Einrichtung, dem einzigen Gebäude auf der Planetenoberfläche von Fünf. Wie ein unermüd­licher Trommelwirbel prasselte der Regen auf das Dach des N-Bootes. Der Sturm zog und zerrte an dem kleinen Raumflugkörper wie an einem lästigen Insekt. Das Außenmikrofon übertrug unbändiges Heulen.

„Wirklich ein schöner Willkommensgruß, Gus“, spöttelte Peet Orell. Er musste seine ganze fliegerische Routine aufbringen, um dem Unwetter zu trotzen, das die Berggrate umtobte. „Und so zutreffend“, meinte Gus.

„Wir hätten bis nach dem Wolkenbruch warten sollen“, fand Junici Borul.

„Das kann noch Tage dauern“, widersprach ihr Gefährte Arn. „Gestern Abend hat es schon genauso geschüttet wie jetzt. Unseren Messungen zufolge kann ein Sturm auf Fünf mehrere Wochen andauern. So lange wollen wir nicht hierbleiben.“

Nein, das wollte keiner von ihnen. Nicht, nachdem sie einen ausgestorbenen dritten Planeten vorgefunden und den Freitod des letzten Soba miterlebt hatten. Jetzt lag eine achtstündige Ruhephase hinter der Besatzung der Promet II. Die Raumjacht der HTO schwebte in einem geostationären Orbit über dem Kastenbau, jener Funk­station, von der das als Hyperfunkfeuer bezeichnete Signal stammte, das die Promet in diesen Raumsektor gelockt hatte. Inzwischen wussten die Raumfahrer, dass es sich dabei um nichts anderes als eine Quarantäne­warnung handelte.

„Die Station liegt genau unter uns“, stellte Arn fest. „Noch zweihundert Meter.“

Auf halber Strecke erfasste ein heftiger Windstoß das N-Boot und drohte es gegen die Felsen zu schmettern. Geistesgegenwärtig steuerte Peet gegen. Er drosselte die Geschwindigkeit des kleinen Raumfahrzeugs. Mittlerweile konnte er die Antenne und das tarnende Gittergeflecht auf dem Dach des Bauwerks mit bloßem Auge erkennen. Man sah der Anlage ihr Alter von geschätzten eineinhalb Jahrtausenden nicht an. Die Böen mühten sich vergeblich an der Antenne ab, deren Hyperfunksignale sogar bis ins Solsystem gelangten.

Zwischen den Felsen flaute der Wind ab, aber das schaurige Heulen drang unvermindert an die Ohren der Freunde. Peet, der wie seine Begleiter einen Raumanzug trug, flog eine ebene Fläche am Südende der Station an. Sie hatte offenbar einst als Landeplattform gedient. Sanft setzte das N-Boot auf, das sonore Summen des Antriebs erstarb.

„Helme schließen!“

Zwar handelte es sich bei dem fünften Planeten um eine Sauerstoffwelt, aber Peet wollte kein Risiko eingehen. Vielleicht war das Virus, das die Erbauer dahin­gerafft hatte, auch auf Fünf freigesetzt worden. In dem Fall würden sie das Beiboot später dekontaminieren müssen. Arn, Junici und Gus befolgten den Befehl des Kommandanten. Sie ließen die Helme im Halssaum ihrer Anzüge einrasten und nahmen die mitgeführten Ausrüstungsgegenstände an sich. Auch Kombistrahler gehörten dazu. Niemand konnte voraussehen, was sie im Inneren der Station erwartete.

Als Peet das Ausstiegsschott öffnete, blies den Freunden kräftiger Wind entgegen, der sie jedoch nicht von den Beinen zu fegen vermochte. In der engen Gebirgsnische hatte er längst nicht mehr die Kraft wie der Sturm weiter oben. Allerdings herrschte weiter starker Regen.

„Bei der geringsten Auffälligkeit melde dich über Funk, mein Sternenmädchen“, mahnte Arn seine Gefährtin über Helmfunk.

„Versprochen, mein Sternenheld.“ Die Moranerin mit dem für ihr Volk typischen Silberhaar und den schockgrünen Augen lächelte und wischte mit der Hand über die Helmscheibe, über die sich bereits ein Sturzbach ergoss. „Aber ich glaube nicht, dass mir hier draußen jemand begegnet. Wer geht bei diesem Wetter schon freiwillig vor die Tür?“

„Ich kenne sogar vier Verrückte, die das tun“, versetzte Yonker trocken. „Aber ich nenne keine Namen.“


*


Arn klopfte mit seiner behandschuhten Linken gegen die hoch aufragende Stationswand, an der das Regenwasser in Strömen hinunterlief. „Sieht aus wie graues Fels­gestein, ist aber eindeutig Metall.“

Die Männer gelangten an ein verschlossenes Schott, das breit und hoch genug war, um auch als Hangartor für kleinere Flugmaschinen zu dienen. Ein N-Boot oder einen irdischen Gleiter hätte es problemlos aufnehmen können. Rechts neben dem Rahmen war eine Platte in das unbekannte Metall eingelassen.

Gus unterzog sie einer kurzen Untersuchung. „Keine Energie“, bedauerte er. „Und das Schott dürfte ein paar Tonnen wiegen. Wir müssen uns nach einem anderen Eingang umsehen.“

„Wir könnten versuchen, eine Öffnung zu schweißen.“ Arn klopfte auf den Strahler, der am Funktionsgürtel seines Raumanzugs hing.

Peet war nicht wohl bei der Vorstellung. „Besser nicht“, lehnte er den Vorschlag seines moranischen Freundes ab. „Wer weiß, was wir damit auslösen? Es könnte Abwehreinrichtungen geben, die sogar nach der langen Zeit noch aktiv sind. Suchen wir einen anderen Weg.“

„Und wenn wir keinen finden?“

Der Mann mit dem Aussehen eines Wikingers blieb die Antwort schuldig. Da im Osten zerklüftete Felsen die Station begrenzten, wandte er sich dem westlichen Ausläufer zu. Nach fünfzig Metern erfuhr die Wand eine Biegung, der die Freunde folgten. Sie brauchten nicht weit zu gehen, bis sie vor einer meterbreiten Nische standen, die sich als Personenschott entpuppte. Zwar war auch sie mit einer längst inaktiven Kontaktplatte versehen, es gab aber zusätzlich eine mechanische Öffnungsvorrichtung. Yonker griff nach dem Handrad und machte sich daran zu schaffen. Zunächst widerstand es seinen Bemühungen. Erst als Peet den Funker nach Kräften unterstützte, löste es sich mit einem Ruck aus seinem Ruhezustand. Gus drehte weiter, bis das Schott nach innen aufschwang. Vor den Männern lag Schwärze, in der rote und grüne Kontroll­lämpchen glühten.

„Es gibt also noch Energie in der Station“, schloss Arn.

Wie zur Bestätigung seiner Worte flammte vor den Raumfahrern Licht auf. Sie standen am Rand einer weiten Halle, die sich über eine Breite von hundert Metern erstreckte und mindestens doppelt so lang war.

„Nehmen wir die Einladung an“, forderte Peet seine Begleiter auf.

Mit tropfenden Raumanzügen betraten sie die Halle. Die Helme ließen sie weiterhin geschlossen. Ein mög­liches Virus konnte auch im Inneren der alten Station noch aktiv sein.

An den Wänden reihten sich riesige Maschinen, die sich zudem an mehreren Stellen aus dem Hallenboden erhoben, wie Geschwüre in die Höhe wucherten und sich mit der Decke vereinigten. Rohre und Leitungen verbanden die einzelnen Konglomerate miteinander. An einigen Maschinenzeilen verrieten die Kontrollleuchten energetische Aktivität. Peet legte den Kopf in den Nacken. Das künstliche Licht sickerte aus verborgenen Quellen, die nur noch partiell Funktionstüchtigkeit aufwiesen. Verschiedene Bereiche der Halle lagen im Zwielicht.

„Ganz schön marode“, kommentierte Yonker den Anblick. „Einige Maschinen sind ausgefallen, andere verrichten ihre Tätigkeit noch.“

„Genauso wie auf Drei.“ Für einen Moment glaubte Peet, zwischen den Maschinen eine Bewegung zu ­erkennen, doch als er die Stelle in Augenschein nahm, entdeckte er nichts Auffälliges. „Vielleicht werden die Hyperfunk­signale deshalb nur noch sporadisch ausgestrahlt.“

„Wegen eines Schadens an der Funkanlage?“, fragte Yonker.

Peet nickte. „Hältst du das für möglich, Gus?“

„Durchaus, ja.“

„Und all die anderen Aggregate hier? Wofür hältst du die?“

„Ich habe nicht die geringste Ahnung“, gestand der Funker.

Das ging Arn nicht anders. Der Mann aus dem Kyl-­System nahm verschiedene Messungen vor, während sie langsam weiterschritten. Wie Gebirge erhoben sich die Maschinenblöcke, Artefakte aus einer längst vergangenen Zeit, das Vermächtnis eines ausgestorbenen Volkes. Peet bedauerte Khuurs Freitod. Sicher hätte der Soba ihnen noch eine Menge mehr über die damaligen Ereignisse erzählen können.

„Ich frage mich, wo die Erbauer die eigentliche Funkanlage versteckt haben“, sagte Yonker ungeduldig. Er hätte die Anlage gern unter die Lupe genommen.

Erneut glaubte Peet, aus dem Augenwinkel eine Bewegung zu erhaschen. Als er herumfuhr, erspähte er einen kugelförmigen Flugroboter, der sich mit mäßiger Geschwindigkeit an der Maschinenphalanx entlang­bewegte. Vorsichtig, ohne hektische Bewegungen, machte er seine Begleiter auf den Roboter aufmerksam. Die fliegende Metallkugel kam exakt auf sie zu.


*


Ein wenig erinnerte die Felsenlandschaft Junici an das Paily-Massiv auf Moran. In der dort untergebrachten Bunkeranlage hatten die letzten 2500 Moraner nach der Zerstörung ihrer Heimatwelt durch die Schwarzen ­Raumer überlebt, bevor sie schließlich nach Suuk umgesiedelt waren. Allerdings konnte sich Junici nicht daran erinnern, auf dem Kontinent Low jemals einen solchen Wolkenbruch erlebt zu haben. Die geschlossene Wolken­decke hing tief und dräuend über dem Felsenkessel, in dem sich die Station der Erbauer befand. Trotz des Sturms in den höheren Lagen schienen sich die Wolken nicht von der Stelle zu bewegen. Junici nahm an, dass sie einer Täuschung erlag.

Nach höheren Pflanzen hielt sie vergeblich Ausschau. Bei solchen Wassermassen hätte man mit üppiger Vege­tation rechnen können, doch hier oben gedieh kaum etwas. Kein Wunder bei dem kargen Gestein, auf dem hier und da Moos Fuß fasste. Am Rand der Lande­plattform entdeckte die Moranerin zudem einige Flechten. Talwärts sah es vielleicht anders aus, grüner, doch sie war weniger an der Flora dieser Welt interessiert, als vielmehr an Verunreinigungen der Atmosphäre. Nach Khuurs Bericht schloss Junici eine Verseuchung dieser Welt nicht aus.

Sie entnahm eine Moosprobe und ein wenig des Erdreichs, auf welchem das Moos wuchs, und fütterte ihr tragbares Analysegerät damit.


*