Über Heinrich Heine und Jan-Christoph Hauschild

Heinrich Heine, geboren am 13. Dezember 1797 (Datum unsicher) in Düsseldorf, gestorben am 17. Februar 1856 in Paris. Schulzeit und kaufmännische Ausbildung in Düsseldorf, Frankfurt und Hamburg; anschließend Jurastudium in Bonn, Berlin und Göttingen. 1825 Promotion zum Dr. jur., 1831 Übersiedlung nach Paris. Seit 1841 verheiratet mit Augustine (genannt Mathilde) Mirat. Wichtige Publikationen: »Buch der Lieder« (1827), »Reisebilder« (4 Bde., 18261831), »Der Salon« (4 Bde., 18331840), »Ludwig Börne. Eine Denkschrift« (1840), »Neue Gedichte«, »Deutschland. Ein Wintermärchen« (1844), »Atta Troll. Ein Sommernachtstraum« (1847), »Romanzero« (1851), »Vermischte Schriften« (3 Bde., 1854), »Memoiren« (postum 1884).

 

Jan-Christoph Hauschild, geboren 1955 in Leinsweiler (Rheinland-Pfalz). Studium der Germanistik und Geschichte, 1984 Promotion, 19801986 Redakteur der historisch-kritischen Heine-Ausgabe, 19861992 Lehrbeauftragter am Germanistischen Seminar der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Heinrich-Heine-Institut der Landeshauptstadt Düsseldorf und freier Autor. Im Verlag Hoffmann und Campe sind u.a. von ihm erschienen: »Das Heine Liederbuch. Noten – Texte – Kommentare« (hrsg. zusammen mit Babette Dorn), 2005; »Georg Büchner. Verschwörung für die Gleichheit«, 2013.

Junge Leiden.

1817–1821.

Traumbilder.

I.

Mir träumte einst von wildem Liebesglühn,

Von hübschen Locken, Myrthen und Resede,

Von süßen Lippen und von bittrer Rede,

Von düstrer Lieder düstern Melodien.

Verblichen und verweht sind längst die Träume!

Verweht ist gar mein liebstes Traumgebild!

Geblieben ist mir nur, was glutenwild

Ich einst gegossen hab in weiche Reime.

Du bliebst, verwaistes Lied! Verweh jetzt auch,

Und such das Traumbild, das mir längst entschwunden,

Und grüß es mir, wenn du es aufgefunden –

Dem luft’gen Schatten send ich luft’gen Hauch.

II.

Ein Traum, gar seltsam schauerlich,

Ergötzte und erschreckte mich.

Noch schwebt mir vor manch grausig Bild,

Und in dem Herzen wogt es wild.

Das war ein Garten, wunderschön,

Da wollt ich lustig mich ergehn;

Viel schöne Blumen sahn mich an,

Ich hatte meine Freude dran.

Es zwitscherten die Vögelein

Viel muntre Liebesmelodei’n;

Die Sonne rot, von Gold umstrahlt,

Die Blumen lustig bunt bemalt.

Viel Balsamduft aus Kräutern rinnt,

Die Lüfte wehen lieb und lind;

Und Alles schimmert, Alles lacht,

Und zeigt mir freundlich seine Pracht.

Inmitten in dem Blumenland

Ein klarer Marmorbrunnen stand;

Da schaut ich eine schöne Maid,

Die emsig wusch ein weißes Kleid.

Die Wänglein süß, die Äuglein mild,

Ein blondgelocktes Heil’genbild;

Und wie ich schau, die Maid ich fand

So fremd und doch so wohlbekannt.

Die schöne Maid, die sputet sich,

Sie summt ein Lied gar wunderlich:

»Rinne, rinne, Wässerlein,

Wasche mir das Linnen rein.«

Ich ging und nahete mich ihr,

Und flüsterte: O sage mir,

Du wunderschöne, süße Maid,

Für wen ist dieses weiße Kleid?

Da sprach sie schnell: Sei bald bereit,

Ich wasche dir dein Totenkleid!

Und als sie dies gesprochen kaum,

Zerfloß das ganze Bild, wie Schaum. –

Und fortgezaubert stand ich bald

In einem düstern, wilden Wald.

Die Bäume ragten himmelan;

Ich stand erstaunt und sann und sann.

Doch horch! welch dumpfer Widerhall!

Wie ferner Äxtenschläge Schall.

Ich eil durch Busch und Wildnis fort,

Und komm an einen freien Ort.

Inmitten in dem grünen Raum,

Da stand ein großer Eichenbaum;

Und sieh! mein Mägdlein wundersam

Haut mit dem Beil den Eichenstamm.

Und Schlag auf Schlag, und sonder Weil,

Summt sie ein Lied und schwingt das Beil:

»Eisen blink, Eisen blank,

Zimmre hurtig Eichenschrank.«

Ich ging und nahete mich ihr,

Und flüsterte: O sage mir,

Du wundersüßes Mägdelein,

Wem zimmerst du den Eichenschrein?

Da sprach sie schnell: Die Zeit ist karg,

Ich zimmre deinen Totensarg!

Und als sie dies gesprochen kaum,

Zerfloß des ganze Bild, wie Schaum. –

Es lag so bleich, es lag so weit

Ringsum nur kahle, kahle Heid;

Ich wußte nicht wie mir geschah,

Und heimlich schaudernd stand ich da.

Doch als ich endlich fürder schweif,

Gewahr ich einen weißen Streif;

Ich eilt drauf zu, und eilt und stand,

Und sieh! die schöne Maid ich fand.

Auf weiter Heid die weiße Maid

Grub tief die Erd mit Grabescheit.

Kaum wagt ich noch sie anzuschau’n,

Sie war so schön und doch ein Grau’n.

Die schöne Maid, die sputet sich,

Sie summt ein Lied gar wunderlich:

»Spaten, Spaten, scharf und breit,

Schaufle Grube tief und weit.«

Ich ging und nahete mich ihr

Und flüsterte: O sage mir,

Du wunderschöne, süße Maid,

Was diese Grube hier bedeut’t?

Da sprach sie schnell: Sei still, ich hab

Geschaufelt dir ein kühles Grab.

Und als so sprach die schöne Maid,

Da öffnet sich die Grube weit;

Und als ich in die Grube schaut,

Ein kalter Schauer mich durchgraut;

Und in die dunkle Grabesnacht

Stürzt ich hinein, – und bin erwacht.

III.

Im nächt’gen Traum hab ich mich selbst geschaut,

In schwarzem Galafrack und seidner Weste,

Manschetten an der Hand, als ging’s zum Feste,

Und vor mir stand mein Liebchen, süß und traut.

Ich beugte mich und sagte: »Sind Sie Braut?

Ei! ei! so gratulier ich, meine Beste!«

Doch fast die Kehle mir zusammenpreßte

Der langgezog’ne, vornehm kalte Laut.

Und bitt’re Tränen plötzlich sich ergossen

Aus Liebchens Augen, und in Tränenwogen

Ist mir das holde Bildnis fast zerflossen.

O süße Augen, fromme Liebessterne,

Obschon ihr mir im Wachen oft gelogen,

Und auch im Traum, glaub ich euch dennoch gerne!

IV.

Im Traum sah ich ein Männchen klein und putzig,

Das ging auf Stelzen, Schritte ellenweit,

Trug weiße Wäsche und ein feines Kleid,

Inwendig aber war es grob und schmutzig.

Inwendig war es jämmerlich, nichtsnutzig,

Jedoch von außen voller Würdigkeit;

Von der Courage sprach es lang und breit,

Und tat sogar recht trutzig und recht stutzig.

»Und weißt du, wer das ist? Komm her und schau!«

So sprach der Traumgott, und er zeigt mir schlau

Die Bilderflut in eines Spiegels Rahmen.

Vor einem Altar stand das Männchen da,

Mein Lieb daneben, Beide sprachen: Ja!

Und tausend Teufel riefen lachend: Amen!

V.

Was treibt und tobt mein tolles Blut?

Was flammt mein Herz in wilder Glut?

Es kocht mein Blut und schäumt und gärt,

Und grimme Glut mein Herz verzehrt.

Das Blut ist toll, und gärt und schäumt,

Weil ich den bösen Traum geträumt:

Es kam der finstre Sohn der Nacht,

Und hat mich keuchend fortgebracht.

Er bracht mich in ein helles Haus,

Wo Harfenklang und Saus und Braus,

Und Fackelglanz und Kerzenschein;

Ich kam zum Saal, ich trat hinein.

Das war ein lustig Hochzeitfest;

Zu Tafel saßen froh die Gäst.

Und wie ich nach dem Brautpaar schaut, –

O Weh! mein Liebchen war die Braut.

Das war mein Lieb, und wundersam,

Ein fremder Mann war Bräutigam;

Dicht hinterm Ehrenstuhl der Braut,

Da blieb ich stehn, gab keinen Laut.

Es rauscht Musik, – gar still stand ich;

Der Freudenlärm betrübte mich.

Die Braut, sie blickt so hochbeglückt,

Der Bräut’gam ihre Hände drückt.

Der Bräut’gam füllt den Becher sein,

Und trinkt daraus, und reicht gar fein

Der Braut ihn hin; sie lächelt Dank, –

O Weh! mein rotes Blut sie trank.

Die Braut ein hübsches Äpflein nahm,

Und reicht es hin dem Bräutigam.

Der nahm sein Messer, schnitt hinein, –

O Weh! das war das Herze mein.

Sie äugeln süß, sie äugeln lang,

Der Bräut’gam kühn die Braut umschlang,

Und küßt sie auf die Wangen rot, –

O Weh! mich küßt der kalte Tod.

Wie Blei lag meine Zung im Mund,

Daß ich kein Wörtlein sprechen kunt.

Da rauscht es auf, der Tanz begann;

Das schmucke Brautpaar tanzt voran.

Und wie ich stand so leichenstumm,

Die Tänzer schweben flink herum; –

Ein leises Wort der Bräut’gam spricht,

Die Braut wird rot, doch zürnt sie nicht. – –

VI.

Im süßen Traum, bei stiller Nacht,

Da kam zu mir, mit Zaubermacht,

Mit Zaubermacht, die Liebste mein,

Sie kam zu mir ins Kämmerlein.

Ich schau sie an, das holde Bild!

Ich schau sie an, sie lächelt mild,

Und lächelt bis das Herz mir schwoll,

Und stürmisch kühn das Wort entquoll:

»Nimm hin, nimm alles was ich hab,

Mein Liebstes tret ich gern dir ab,

Dürft ich dafür dein Buhle sein,

Von Mitternacht bis Hahnenschrei’n.«

Da staunt mich an gar seltsamlich,

So lieb, so weh, und inniglich,

Und sprach zu mir die schöne Maid:

O, gib mir deine Seligkeit!

»Mein Leben süß, mein junges Blut,

Gäb ich, mit Freud und wohlgemut,

Für dich, o Mädchen, engelgleich, –

Doch nimmermehr das Himmelreich.«

Wohl braust hervor mein rasches Wort,

Doch blühet schöner immerfort,

Und immer spricht die schöne Maid:

O, gib mir deine Seligkeit!

Dumpf dröhnt dies Wort mir ins Gehör,

Und schleudert mir ein Glutenmeer

Wohl in der Seele tiefsten Raum;

Ich atme schwer, ich atme kaum. –

Das waren weiße Engelein,

Umglänzt von goldnem Glorienschein;

Nun aber stürmte wild herauf

Ein gräulich schwarzer Koboldhauf.

Die rangen mit den Engelein,

Und drängten fort die Engelein;

Und endlich auch die schwarze Schar

In Nebelduft zerronnen war. –

Ich aber wollt in Lust vergehn,

Ich hielt im Arm mein Liebchen schön;

Sie schmiegt sich an mich wie ein Reh,

Doch weint sie auch mit bitterm Weh.

Feins Liebchen weint; ich weiß warum,

Und küß ihr Rosenmündlein stumm. –

»O still, feins Lieb, die Tränenflut,

Ergib dich meiner Liebesglut.«

»Ergib dich meiner Liebesglut –«

Da plötzlich starrt zu Eis mein Blut;

Laut bebet auf der Erde Grund,

Und öffnet gähnend sich ein Schlund.

Und aus dem schwarzen Schlunde steigt

Die schwarze Schar; – feins Lieb erbleicht!

Aus meinen Armen schwand feins Lieb;

Ich ganz alleine stehen blieb.

Da tanzt im Kreise, wunderbar,

Um mich herum, die schwarze Schar,

Und drängt heran, erfaßt mich bald,

Und gellend Hohngelächter schallt.

Und immer enger wird der Kreis,

Und immer summt die Schauerweis:

Du gabest hin die Seligkeit,

Gehörst uns nun in Ewigkeit!

VII.

Nun hast du das Kaufgeld, nun zögerst du doch?

Blutfinstrer Teufel, was zögerst du noch?

Schon sitze ich harrend im Kämmerlein traut,

Und Mitternacht naht schon, – es fehlt nur die Braut.

Viel schauernde Lüftchen vom Kirchhofe wehn; –

Ihr Lüftchen! habt ihr mein Bräutchen gesehn?

Viel blasse Larven gestalten sich da,

Umknixen mich grinsend, und nicken: O ja!

Pack aus, was bringst du für Botschafterei,

Du schwarzer Schlingel in Feuerlivrei?

»Die gnädige Herrschaft meldet sich an,

Gleich kommt sie gefahren im Drachengespann.«

Du lieb grau Männchen, was ist dein Begehr?

Mein toter Magister, was treibt dich her?

Er schaut mich mit schweigend trübseligem Blick,

Und schüttelt das Haupt, und wandelt zurück.

Was winselt und wedelt der zott’ge Gesell?

Was glimmert schwarz Katers Auge so hell?

Was heulen die Weiber mit fliegendem Haar?

Was lullt mir Frau Amme mein Wiegenlied gar?

Frau Amme bleib heut mit dem Singsang zu Haus,

Das Eiapopeia ist lange schon aus;

Ich fei’re ja heute mein Hochzeitsfest, –

Da schau mal, dort kommen schon zierliche Gäst.

Da schau mal! Ihr Herren, das nenn ich galant!

Ihr tragt, statt der Hüte, die Köpf in der Hand!

Ihr Zappelbein-Leutchen im Galgen-Ornat,

Der Wind ist still, was kommt ihr so spat?

Da kommt auch alt Besenstielmütterchen schon, –

Ach segne mich, Mütterchen, bin ja dein Sohn.

Da zittert der Mund im weißen Gesicht:

»In Ewigkeit Amen!« das Mütterchen spricht.

Zwölf winddürre Musiker schlendern herein;

Blind Fidelweib holpert wohl hintendrein.

Da schleppt der Hanswurst, in buntscheckiger Jack’,

Den Totengräber huckepack.

Es tanzen zwölf Klosterjungfrauen herein;

Die schielende Kupplerin führet den Reih’n.

Zwölf lüsterne Pfäfflein springen herbei

Und pfeifen ein Schandlied als Litanei.

Herr Trödler, o schrei dir nicht blau das Gesicht,

Im Fegfeuer nützt mir dein Pelzröckel nicht;

Dort heizet man gratis jahraus, jahrein,

Statt mit Holz, mit Fürsten- und Bettlergebein.

Die Blumenmädchen sind bucklicht und krumm,

Und purzeln kopfüber im Zimmer herum.

Ihr Eulengesichter mit Heuschreckenbein,

Hei! laßt mir das Rippengeklapper nur sein!

Die sämtliche Höll ist los fürwahr,

Und lärmet und schwärmet in wachsender Schar.

Sogar der Verdammnis-Walzer erschallt, –

Still, still! nun kommt mein feins Liebchen auch bald.

Gesindel sei still, oder trolle dich fort!

Ich höre kaum selber mein leibliches Wort, –

Ei, rasselt nicht eben ein Wagen vor?

Frau Köchin! wo bist du? schnell öffne das Tor.

Willkommen, feins Liebchen, wie geht’s dir, mein Schatz?

Willkommen Herr Pastor, ach nehmen Sie Platz!

Herr Pastor mit Pferdefuß und Schwanz,

Ich bin Eu’r Ehrwürden Diensteigener ganz!

Lieb Bräutchen, was stehst du so stumm und bleich?

Der Herr Pastor schreitet zur Trauung sogleich;

Wohl zahl ich ihm teure, blutteure Gebühr,

Doch dich zu besitzen gilt’s Kinderspiel mir.

Knie nieder, süß Bräutchen, knie hin mir zur Seit! –

Da kniet sie, da sinkt sie, – o selige Freud! –

Sie sinkt mir ans Herz, an die schwellende Brust,

Ich halt sie umschlungen mit schauernder Lust.

Die Goldlockenwellen umspielen uns beid;

An mein Herze pocht das Herze der Maid.

Sie pochen wohl beide vor Lust und vor Weh,

Und schweben hinauf in die Himmelshöh.

Die Herzlein schwimmen im Freudensee,

Dort oben in Gottes heil’ger Höh;

Doch auf den Häuptern, wie Grausen und Brand,

Da hat die Hölle gelegt die Hand.

Das ist der finstre Sohn der Nacht,

Der hier den segnenden Priester macht;

Er murmelt die Formel aus blutigem Buch,

Sein Beten ist Lästern, sein Segnen ist Fluch.

Und es sauset und zischet und heulet toll,

Wie Wogengebrause, wie Donnergeroll; –

Da blitzet auf einmal ein bläuliches Licht, –

»In Ewigkeit Amen!« das Mütterchen spricht.

VIII.

Ich kam von meiner Herrin Haus,

Und wandelt in Wahnsinn und Mitternachtsgraus.

Und wie ich am Kirchhof vorübergehn will,

Da winken die Gräber ernst und still.

Da winkt’s von des Spielmanns Leichenstein;

Das war der flimmernde Mondesschein.

Da lispelt’s: Lieb Bruder, ich komme gleich!

Da steigt’s aus dem Grabe nebelbleich.

Der Spielmann war’s, der entstiegen jetzt,

Und hoch auf den Leichenstein sich setzt.

In die Saiten der Zither greift er schnell,

Und singt dabei recht hohl und grell:

Ei! kennt Ihr noch das alte Lied,

Das einst so wild die Brust durchglüht,

Ihr Saiten dumpf und trübe?

Die Engel, die nennen es Himmelsfreud,

Die Teufel, die nennen es Höllenleid,

Die Menschen, die nennen es: Liebe!

Kaum tönte des letzten Wortes Schall,

Da taten sich auf die Gräber all;

Viel Luftgestalten dringen hervor,

Umschweben den Spielmann und schrillen im Chor:

Liebe! Liebe! deine Macht

Hat uns hier zu Bett gebracht,

Und die Augen zugemacht, –

Ei, was rufst du in der Nacht?

So heult es verworren und schwirret und krächzt,

Und wimmert und greinet und girret und ächzt;

Und der tolle Schwarm den Spielmann umschweift,

Und der Spielmann wild in die Saiten greift:

Bravo! bravo! immer toll!

Seid willkommen!

Habt vernommen Daß mein Zauberwort erscholl!

Liegt man doch jahraus, jahrein,

Mäuschenstill im Kämmerlein;

Laßt uns heute lustig sein!

Mit Vergunst, –

Seht erst zu, sind wir allein? –

Narren waren wir im Leben,

Und mit toller Wut ergeben Einer tollen Liebesbrunst.

Kurzweil kann uns heut nicht fehlen,

Jeder soll hier treu erzählen,

Was ihn weiland hergebracht,

Wie gehetzt,

Wie zerfetzt

Ihn die tolle Liebesjagd.

Da hüpft aus dem Kreise, so leicht wie der Wind,

Ein mageres Wesen, das summend beginnt:

Ich war ein Schneidergeselle,

Mit Nadel und mit Scher;

Ich war so flink und schnelle

Mit Nadel und mit Scher;

Da kam die Meisterstochter

Mit Nadel und mit Scher;

Und hat mir ins Herz gestochen

Mit Nadel und mit Scher.

Da lachten die Geister im lustigen Chor;

Ein Zweiter trat still und ernst hervor:

Den Rinaldo Rinaldini,

Schinderhanno, Orlandini,

Und besonders Carlo Moor

Nahm ich mir als Muster vor.

Auch verliebt – mit Ehr zu melden –

Hab ich mich, wie jene Helden,

Und das schönste Frauenbild

Spukte mir im Kopfe wild.

Und ich seufzte auch und girrte;

Und wenn Liebe mich verwirrte,

Steckt ich meine Finger rasch

In des reichen Nachbars Tasch.

Doch der Gassenvogt mir grollte,

Daß ich Sehnsuchtstränen wollte

Trocknen mit dem Taschentuch,

Das mein Nachbar bei sich trug.

Und nach frommer Häschersitte

Nahm man still mich in die Mitte,

Und das Zuchthaus, heilig groß,

Schloß mir auf den Mutterschoß.

Schwelgend süß in Liebessinnen,

Saß ich dort beim Wollespinnen,

Bis Rinaldos Schatten kam

Und die Seele mit sich nahm.

Da lachten die Geister im lustigen Chor;

Geschminkt und geputzt trat ein Dritter hervor:

Ich war ein König der Bretter,

Und spielte das Liebhaberfach,

Ich brüllte manch wildes: Ihr Götter!

Maria war immer so schön!

Sie wollte mich nimmer verstehn. –

»Maria, du Heilige!« rief,

Und stach mich ein bißchen zu tief.

Im weißen Flausch trat ein Vierter hervor:

Vom Katheder schwatzte herab der Professor,

Doch hätt mir’s behagt noch tausendmal besser

Die Blume der Blumen, mein Lebenslicht!

Vom dürren Philister, dem reichen Wicht.

Und mischte mir Teufelskraut in den Wein,

Der sprach: Fiduzit, ich heiße Freund Hein!

Einen Strick um den Hals trat ein Fünfter hervor:

Mit dem Töchterchen sein und dem Edelgestein.

Mir mundet weit besser dein Töchterlein.

Und der Graf besold’te viel Dienertroß.

Ich stieg getrost auf die Leitersproß.

An Liebchens Fensterlein klettr’ ich getrost,

»Fein sachte, mein Bübchen, muß auch dabei sein,

Und jauchzend umringt mich die Dienerschar.

Ich wollte nur stehlen mein trautes Lieb!«

Da machte man hurtig die Stricke parat;

Am hellen Galgen fand sie mich.

Mit blutigem Haupt trat ein Sechster hervor:

Ich schlich umher, die Büchs im Arm.

Der Rabe rief: Kopf – ab! Kopf – ab!

Ich brächt es meinem Lieb nach Haus!

Späht rings umher mein Jägeraug.

Was koset dort? was schnäbelt fein?

Ich schleich herbei, – den Hahn gespannt, –

Ein fremder Mann umarmt sie traut, –

Da lag der fremde Mann im Blut.

Ich selbst dabei als Hauptperson –

Der Rabe rief: Kopf – ab! Kopf – ab!

Da trat der Spielmann selber hervor:

Das schöne Lied ist aus;

Dann gehen die Lieder nach Haus!

Und die bleiche Schar im Kreise schwebt.

Da stürzten die Geister sich heulend ins Grab.

IX.

Verscheucht war Gram und Leid;

Die allerschönste Maid.

Und heimlich wunderbar;

Gar seltsam wallt ihr Haar.

Die marmorblasse Maid,

Die marmorblasse Maid.

Mein Herz, und brennet heiß!

Die ist so kalt wie Eis.

Die ist wie Eis so kalt;

Der Liebe Allgewalt.

»Mir blüht kein Rot auf Mund und Wang,

Doch sträube dich nicht schaudernd bang,

Und tat mir fast ein Leid;

Die marmorblasse Maid.

Da hab ich viel blasse Leichen

Beschworen mit Wortesmacht;

Die wollen nun nicht mehr weichen

Zurück in die alte Nacht.

Das zähmende Sprüchlein vom Meister

Vergaß ich vor Schauer und Graus;

Nun ziehn die eig’nen Geister

Mich selber ins neblichte Haus.

Laßt ab, ihr finstern Dämonen!

Laßt ab, und drängt mich nicht!

Noch manche Freude mag wohnen

Hier oben im Rosenlicht.

Ich muß ja immer streben

Nach der Blume wunderhold; –

Was bedeutet mein ganzes Leben,

Wenn ich sie nicht lieben sollt?

Ich möcht sie nur einmal umfangen,

Und pressen ans glühende Herz!

Nur einmal auf Lippen und Wangen

Küssen den seligsten Schmerz.

Nur einmal aus ihrem Munde

Möcht ich hören ein liebendes Wort, –

Alsdann wollt ich folgen zur Stunde

Euch, Geister, zum finsteren Ort.

Die Geister haben’s vernommen,

Und nicken schauerlich.

Feins Liebchen, nun bin ich gekommen;

Feins Liebchen, liebst du mich?