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Hunter Allen, legendärer Coach und Mitentwickler der TrainingsPeaks’-WKO+-Software

„Nachdem ich mit Dr. Coggan „Training and Racing with a Power Meter“ geschrieben hatte, nutzten Spitzentrainer die darin enthaltenen Infomationen und wurden Weltexperten. Die Autoren dieses Buches sind solche Experten. Sie nutzten die Gesetze der Natur, um Leistungen im Lauf- und Radsport zu beschreiben und zu berechnen. Die im Buch enthaltenen Konzepte werden dem Leser dabei helfen, seine eigene Leistung zu verbessern.“

Asker Jeukendrup, (Sport)ernährungswissenschaftler, Professor für Sportwissenschaften

„Eines der besten Bücher über Ausdauerleistung, die ich je gelesen habe, mit einer datenbasierten analytischen Herangehensweise. Die vielen praktischen Beispiele erleichtern dem Leser das Verständnis und ermöglichen es ihm, die Informationen zur Verbesserung seiner eigenen Leistung zu nutzen. Der Durchbruch von Leistungsmessern wird kritisch analysiert, einschließlich ihrer Möglichkeiten zur Verbesserung von Radfahrökonomie und -leistung.“

Maria Hopman, Professor für integrative Physiologie, Radboud Universität Nimwegen

„Mir gefällt die quantitative Herangehensweise an die Physik und Physiologie des Radfahrens in diesem Buch. Sie ist meines Erachtens wichtig, um sportliche Leistungen zu verstehen und zu verbessern. Ich denke, dass dieses Buch eine Hilfe für Trainer und Radsportler darstellt, da es Theorie und Praxis auf sehr verständliche Weise miteinander verbindet.“

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit haben wir uns entschlossen, durchgängig die männliche (neutrale) Anredeform zu nutzen, die selbstverständlich die weibliche mit einschließt.

Das vorliegende Buch wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Weder die Autoren noch der Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch vorgestellten Informationen resultieren, Haftung übernehmen.

HANS VAN DIJK I RON VAN MEGEN I GUIDO VROEMEN

aus dem Englischen übersetzt von SILKE SCHMIDT

DAS GEHEIMNIS DES
RADFAHRENS

TRAININGSDATEN NUTZEN - TOPLEISTUNGEN ERZIELEN

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Informationen zur niederländischen Ausgabe:
Titel: Het Geheim van Wielrennen
Autoren: Hans van Dijk, Ron van Megen und Guido Vroemen
ISBN: 978-90-821069-4-7
Verlag: NedRUN publisher
Druckdatum: Juni 2015

Der Übersetzung ins Deutsche liegt die englische Version

Das Geheimnis des Radfahrens

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie das Recht der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form – durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren – ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, gespeichert, vervielfältigt oder verbreitet werden.

© 2017 by Meyer & Meyer Verlag, Aachen

image Member of the World Sport Publishers’ Association (WSPA)

eISBN 978-3-8403-3658-4

Inhalt

Warum dieses Buch?

Teil I Die Grundlagen des Radfahrens

1Radfahren ist gesund!

2Radfahren macht Spaß!

3Sportphysiologie

4Trainingsprinzipien

5Trainingspläne

6Sporternährung

Teil II Die Physik des Radfahrens

7Energie

8Leistung

9Leistungsvoraussetzungen für verschiedene Sportarten I

10Leistungsvoraussetzungen für verschiedene Sportarten II

11Das Radfahrmodell

12Die Radfahrformel und die Standardbedingungen

Teil III Die Leistung des menschlichen Motors

13Der Zusammenhang zwischen Leistung und Belastungsdauer

14Die Grenzen menschlicher Leistungsfähigkeit

15Die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max)

16Die Funktionsleistungsschwelle (FTP)

17Der Zusammenhang zwischen FTP and VO2max

Teil IV Wie schnell kann man Radfahren?

18Weltklasse-Radrennfahrer und Hobbyradsportler

19Die Leistung der Frauen

20Der Einfluss der funktionellen Schwellenleistung (FTP)

21Der Einfluss von Belastungsdauer und Streckenlänge

22Der Einfluss des Alters

23Der Leistungsindex

24Der Einfluss des Körpergewichts

25BMI, Körperfettanteil und Wettkampfgewicht

26Wie man Körperfett verliert und fit wird

27Der Einfluss des Fahrradgewichts

28Der Einfluss des Trainings

29Der Einfluss der Herzschlagfrequenz

30Warum sollte ich mit einem Leistungsmesser trainieren?

31Trainingsoptimierung mit Leistungsmessern

32Wie lässt sich die FTP mit einem Leistungsmesser bestimmen?

33Wie analysiere ich die Daten meines Leistungsmessers?

34Der Power-Profile-Test

35Labortests

36Die Tritteffizienz

37Der Einfluss von Höhentraining

38Der Einfluss des Ermüdungswiderstands

39Der Einfluss des Rollwiderstands

40Der Geschwindigkeitsweltrekord

41Der Einfluss des Luftwiderstandskoeffizienten

42Der Einfluss des Luftdrucks

43Der Einfluss der Temperatur

44Der Einfluss der Höhe

45Der Stundenweltrekord

46Der Einfluss von Sitzposition und Fahrraddesign

47Der Einfluss des Windschattens

48Der Einfluss des Winds

49Der Einfluss des Steigungswiderstands

50Wie schnell kann man einen Berg hochfahren?

51Der Anstieg nach Alpe d’Huez

52Wie schnell kann man einen Berg runterfahren?

53Der Einfluss des mechanischen Widerstands

54Übersetzung, Trittfrequenz und Tretkurbellänge

55Kurven, die Bahn und der Prolog

56Antritte und der Schlussspurt

57Der Einfluss von Temposchwankungen

58Energiezufuhr vor und während des Rennens

59Der Einfluss von Hitze

60Der Einfluss von Regen, Wind und Kälte

61Welche Leistungen können wir in anderen Sportarten erzielen?

62Die maximale Leistung von Sprintern und Ultraradfahrern

Teil V Radfahrmythen

63Ernährung, Nahrungsergänzungsmittel und Rote-Bete-Saft

64Vitamin-D-Mangel

65Nicht zu viele Pillen!

66Der Einfluss von Doping

Literaturverzeichnis

Silke Schmidt – Die Übersetzerin dieses Buchs

Bildnachweis

WARUM DIESES BUCH?

In der Theorie gibt es keinen Unterschied zwischen Theorie und Praxis. In der Praxis schon!

Der Erfolg unserer Bücher auf dem niederländischen Markt

Unsere vorigen, auf Niederländisch erschienenen Bücher1,2,3 waren in niederländischen und belgischen Läufer- und Radfahrerkreisen sofort ein Erfolg. Offensichtlich teilen Tausende von Läufern und Radfahrern unsere Leidenschaft, das Leistungsvermögen unseres „menschlichen Motors“ zu verstehen, zu messen und zu optimieren und unsere erreichbare sportliche Leistung zu berechnen und vorherzusagen. Mehr als 10.000 Exemplare unserer Bücher wurden auf dem relativ kleinen niederländischen Markt bereits verkauft. Wir erhalten bergeweise begeisterte Reaktionen von Lesern, die unseren quantitativen Ansatz „eine Offenbarung unter den Sportbüchern“ nennen. Die Wettkampf-Prognose-Rechner auf unseren Webseiten www.thesecretofrunning.com und www.thesecretofcycling.com werden von vielen Tausend Läufern und Radfahrern benutzt, die Freude daran haben, auszurechnen, wie sie ihre Leistung optimieren können.

Wie wird man fitter und schneller?

Die Autoren dieses Buchs teilen ihre Leidenschaft für den Laufsport und die Wissenschaft. Nachdem Hans van Dijk 2011 mit 57 Jahren als Professor an der TU Delft emeritiert wurde, widmete er sich noch einmal mit voller Energie dem Laufsport und der damit verbundenen Wissenschaft. Er wollte herausfinden, ob er auch in seinem Alter noch fitter und schneller werden kann. Hans war seit 1980 ein engagierter Läufer, doch wie in der unten stehenden Grafik zu erkennen ist, hatten sich seine Laufzeiten über die Jahre hinweg langsam verschlechtert. Natürlich wird der altersbedingte Leistungsabfall unsere Leser nicht überraschen, die Tatsache, dass Hans nach 2011 erheblich schneller wurde, dagegen schon. Seit 2013 gelang es ihm sogar, mehrfacher niederländischer Meister (Altersklasse M 60) zu werden. Die Gründe für diese erstaunliche Verbesserung sind Thema dieses Buchs. Der Leser erhält Einsichten in die Faktoren, die seine eigene Leistung bestimmen, und erfährt, wie er fitter und schneller werden kann.

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Ein quantitativer Ansatz zur Verbesserung der Radfahrleistung

Da wir beide Wissenschaftler und Ingenieure sind, waren wir mit den traditionellen Radsport- und Laufbüchern, die meist auf den Erfahrungen von Sportlern und Trainern basieren, nicht zufrieden. Sie beschreiben die leistungsbestimmenden Faktoren nur qualitativ. Wir waren an Zahlen und Formeln interessiert, die es uns ermöglichen, die Leistung exakt zu bestimmen. Außerdem wollten wir eine klare Trennung zwischen wissenschaftlichen Beweisen und der Meinung von Sportlern und Trainern. Deshalb haben wir wissenschaftlich fundierte Modelle für alle die Lauf- und Radfahrleistung bestimmenden Faktoren entwickelt und sie an Messdaten überprüft.

Radfahren und Wissenschaft: Die Gesetze der Physik und der Physiologie

Wir haben ein neues und vollständiges Radfahrmodell entwickelt, das auf den Gesetzen der Physik und der Physiologie beruht. Mit unten abgebildetem Modell lässt sich die Fahrzeit genau berechnen.

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Das Modell beruht darauf, dass Muskulatur und Herz-Kreislauf-System zusammen den „menschlichen Motor“ bilden. Dieser hat ein bestimmtes Leistungsvermögen, das traditionell durch die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) oder besser die maximale Leistung P (in Watt) charakterisiert wird. Natürlich hängt die Leistung P von Talent, Training, Belastungsdauer oder Streckenlänge, Höhe, Tapering und anderen Faktoren ab.

Im Gleichgewicht wird die Leistung P des menschlichen Motors genutzt, um den Rollwiderstand Pr, den Luftwiderstand Pa, den Steigungswiderstand Pc und den mechanischen Widerstand Pm zu überwinden. Folglich können wir Fahrtgeschwindigkeit und -zeit berechnen, wenn die Wettkampfbedingungen (Streckenlänge, Straßenprofil, Wind, Temperatur, Steigungen, Höhe etc.) bekannt sind.

Wir halten unser Radfahrmodell für einen wesentlichen Fortschritt, da es auf den Gesetzen der Physik und der Physiologie beruht. Das gilt vor allem für unser Modell der menschlichen Physiologie. Anhand der Biochemie der vier Energiesysteme der menschlichen Muskulatur gelang es uns, die absoluten Grenzen menschlicher Leistung als Funktion der Belastungsdauer zu berechnen (s. Abb. auf Seite 11).

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Unsere Berechnungen zeigen, dass die absolute Grenze menschlicher Leistung mit den aktuellen Weltklasseleistungen im Radsport und in anderen Sportarten, darunter der Laufsport, genau übereinstimmt.

Eine Theorie für (fast) alles: Wie man seine Wettkampfzeit berechnen und verbessern kann

Wir haben noch nie einen Radsportler getroffen, der nicht schneller werden wollte. Außerdem möchten die meisten wissen, welche Faktoren ihre Fahrleistung beeinflussen. Deshalb haben wir sie im vorliegenden Buch systematisch analysiert. In 66 Kapiteln findet der Leser Antworten auf Fragen wie diese:

»Wie groß ist die Leistung des eigenen menschlichen Motors?

»Wie schnell kann man mit seinem menschlichen Motor Rad fahren (in der Ebene und bei Steigungen)?

»Wie viel langsamer wird man mit zunehmendem Alter?

»Wie viel schneller wird man durch den Verlust von Körperfett?

»Wie viel schneller wird man durch Training?

»Wie lässt sich das Training optimieren?

»Wie viel Zeit lässt sich durch eine perfekte Sitzposition gewinnen?

»Wie viel Zeit lässt sich durch ein Aero-Rennrad gewinnen?

»Wie viel Zeit lässt sich durch ein Lightweight-Rennrad gewinnen?

»Wie viel Zeit lässt sich durch bessere Kugellager und Getriebeübersetzung gewinnen?

»Wie viel Zeit lässt sich durch Hochleistungsschläuche gewinnen?

»Wie viel Zeit verliert man durch Wind?

»Wie viel langsamer fährt man bergauf, wie viel schneller bergab?

»Wie benutzt man Leistungsmesser?

»Wie lässt sich die Tritteffizienz verbessern?

»Wo liegt die absolute Grenze beim Stundenweltrekord?

»Wo liegt die absolute Grenze für einen sauberen Rekord beim Anstieg nach Alpe d’Huez?

»Welchen Einfluss hat der Luftdruck auf die Wettkampfzeit?

»Welchen Einfluss hat die Temperatur auf die Wettkampfzeit?

»Welchen Einfluss haben Höhe und Höhentraining?

»Wie viel Zeit gewinnt man durch Windschattenfahren?

»Welchen Einfluss haben Ernährung und Carbolaoding?

Wer sind die Autoren?

Hans van Dijk ist Läufer und Wissenschaftler mit Leib und Seele. Nach seiner Emeritierung als Professor für Wasserwirtschaft an der TU Delft widmete er sich sportwissenschaftlichen Fragestellungen. Er entwickelte neue Konzepte und Modelle für Ausdauersportarten, insbesondere für den Lauf- und Radsport, und schrieb Bücher und Beiträge darüber. Zu seiner Freude führte seine Forschungsarbeit auch zu einer eindrucksvollen Verbesserung seiner eigenen Wettkampfzeiten im Alter von 60 Jahren. Hans hat auch die Wettkampfrechner für den Lauf- und Radsport entwickelt, mit denen der Leser seine eigene Leistung analysieren und berechnen kann.

Ron van Megen ist ebenfalls ein begeisterter Läufer, Ingenieur sowie selbstständiger Unternehmer. Seit mehr als 30 Jahren ist er Hans’ Freund und Laufpartner. Er liebt es, seine Wettkampfergebnisse quantitativ zu bestimmen und alle neuen Technologien für den Laufsport zu nutzen, zum Beispiel Laufleistungsmesser. Natürlich möchte auch er seine Laufleistungen verbessern, und so war er hocherfreut, als er sie mit 55 Jahren um 20 % steigern konnte. Ron ist für die Produktion des Buchs verantwortlich, viele der Fotos stammen von ihm.

Guido Vroemen ist Radrennfahrer, Triathlet und Sportmediziner. Für das niederländische Team Roompot-Nederlandse Loterij arbeitet er als Mannschaftsarzt, Trainer und Coach, zudem berät er Radprofis, Ironman®-Triathleten sowie den niederländischen Triathlonverband. Darüber hinaus ist er Eigentümer eines sportmedizinischen Leistungszentrums. Sein Fachgebiet ist die Belastungsphysiologie. Außerdem ist er Experte in der Analyse mit Leistungsmessern.

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Hans van Dijk (rechts), Ron van Megen (links) und Guido Vroemen (Mitte), die Autoren dieses Buchs

Webseite und Rechner

Die Autoren unterhalten die Webseite www.thesecretofcycling.com. Dort findet der Nutzer viele Artikel, Kolumnen, Presseberichte, Fragen von Lesern, unsere Antworten darauf sowie unsere Rechner, mit denen sich die von vielen Variablen abhängige Wettkampfzeit berechnen lässt. Die Autoren begrüßen Reaktionen von Lesern weltweit. Wir hoffen, dass sie Gefallen an den Rechnern finden und uns über ihre Erfahrungen damit berichten.

Hans van Dijk, Ron van Megen und Guido Vroemen

Leusden, Niederlande, September 2016

TEIL I

DIE GRUNDLAGEN DES RADFAHRENS

1 RADFAHREN IST GESUND!

Ich habe zwei Ärzte, mein linkes und mein rechtes Bein. George M. Treveyan

Eine niederländische Zeitschrift fasste die Vorteile des Radfahrens einmal unter der Überschrift Wundermittel in Reichweite! zusammen. Tägliche Bewegung, zum Beispiel Radfahren, ist tatsächlich ein Wundermittel.

Eine tägliche Fahrt mit dem Rad hat unglaublich positive Auswirkungen auf die körperliche und geistige Gesundheit. Umgekehrt stellt Bewegungsmangel das allergrößte Gesundheitsrisiko in westlichen Gesellschaften dar, mehr noch als das Rauchen. Ein Artikel in The Lancet vom Juli 20124 kam zu dem Schluss, dass momentan eine von 10 Personen an Bewegungsmangel stirbt. Weltweit sind das jährlich 5,3 Millionen gegenüber 5,1 Millionen Rauchertoten.

Mens sana in corpore sano

Die Bedeutung körperlicher Fitness ist eine uralte Weisheit. Schon die alten Römer wussten, dass mens sana in corpore sano weilt, das heißt ein gesunder Geist in einem gesunden Körper. Gerade Radfahren trägt auf vielfältige Weise zur Verbesserung von Gesundheit und Fitness bei:

1.Tägliches Training hat einen direkten positiven Effekt auf die körperliche Fitness. Allmählich verändert sich der Körper zu dem eines Athleten.

2.Die Lebensweise wird automatisch gesünder, indem man auf seine Ernährung achtet, keinen oder wenig Alkohol trinkt und nicht raucht.

3.Die Blutwerte sowie andere Gesundheitsparameter verbessern sich.

4.Das Immunsystem wird gestärkt, das Krankheitsrisiko sinkt.

Radfahren hat auch einen positiven Effekt auf die geistige Gesundheit, wie Millionen Radsportler jeden Tag erfahren. Näheres dazu im nächsten Kapitel.

Sportmediziner und Trainer wissen um das enorme Vermögen des menschlichen Körpers, sich Trainingsreizen anzupassen. Durch tägliches Training können wir ihm schrittweise mehr Leistung bei weniger Anstrengung abverlangen. Sowohl die konditionellen Fähigkeiten (Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit, Beweglichkeit) als auch koordinative Aspekte sind trainierbar.

Der positive Einfluss von Training auf die körperliche Fitness:

1.Die Sauerstoffkapazität des Herz-Lungen-Systems verbessert sich signifikant.

2.Die Herzschlagfrequenz sinkt unter Belastung wie in Ruhe.

3.Das Herz wird gestärkt und arbeitet effizienter.

4.Der Blutdruck sinkt, und die Blutgefäße werden elastischer.

5.Die Lungen werden gestärkt und arbeiten effizienter.

6.Die Muskulatur wird gestärkt (insbesondere von Herz, Lunge und Beinen).

7.Die Knochen werden gestärkt.

8.Die Gelenke werden beweglicher und elastischer.

9.Die Energieproduktion der Muskulatur wird effizienter.

10.Der Körper verliert Masse.

Wir haben zwar keine wissenschaftlichen Artikel gefunden, die sich damit befassen, warum Radsportler automatisch ihren Lebensstil ändern. Es scheint jedoch eine Korrelation zu geben. So haben wir noch nie einen ernst zu nehmenden Radrennfahrer getroffen, der raucht. Außerdem ändern fast alle ihre Ess- und Trinkgewohnheiten nach einiger Zeit. Sie entwickeln ein größeres Körperbewusstsein und erkennen, dass sich Kondition und Leistung durch gesunde Ernährung verbessern. Du bist, was du isst.

Ließen sich die positiven Auswirkungen des Radfahrens in eine Pille stecken, könnte man ein Vermögen damit verdienen!

Die positiven Auswirkungen des Radfahrens sind enorm. Wir werden fitter, und unser Körper wird athletischer. Außerdem beeinflusst die sportliche Aktivität allerlei körperliche Prozesse, in deren Folge sich Blutwerte und andere Gesundheitsparameter verbessern (siehe unten stehender Kasten).

Der positive Einfluss von Training auf verschiedene Gesundheitsparameter:

1.Die Cholesterinwerte verbessern sich (Abnahme von LDL, Zunahme von HDL).

2.Der Insulinspiegel sinkt.

3.Die Blutzuckerwerte sinken.

4.Die Knochendichte erhöht sich.

5.Der Körperfettanteil sinkt merklich.

6.Das Blutplasmavolumen steigt.

7.Die Hämoglobin- und Myoglobinwerte steigen.

8.Die Pufferkapazität des Bluts steigt.

9.Das Immunsystem arbeitet effektiver.

10.Die Hormonwerte im Gehirn verbessern sich (weniger Adrenalin, mehr Serotonin).

11.Die Muskelenzyme arbeiten effizienter.

12.Die Harnsäure im Blut nimmt ab.

Vorbeugen ist besser als heilen

Regelmäßige Bewegung schützt vor Krankheiten. Kein Wunder, dass angesichts dieser Tatsache manche Krankenversicherungen Sportlern bereits einen Rabatt anbieten. In den Niederlanden und in Deutschland beteiligen sich einige Krankenkassen am Mitgliedsbeitrag für Vereine und Sportschulen. Radfahren wird auch zur Therapie bei körperlichen wie psychischen Erkrankungen eingesetzt.

Training senkt das Risiko für:

1.Herz-Kreislauf-Erkrankungen,

2.Diabetes,

3.Osteoporose,

4.Schlaganfall,

5.verschiedene Krebsarten (Darm, Gebärmutter, Brust),

6.verschiedene Lungenkrankheiten (Bronchitis, Lungenemphysem, Asthma),

7.Depressionen, Angstzustände und Stress,

8.rheumatische Arthritis,

9.Mukoviszidose,

10.altersbedingte Probleme und

11.Gicht.

Natürlich darf Radfahren nicht als Allheilmittel gesehen werden. Wir stellen jedoch an uns selbst und anderen fest, dass regelmäßiges Training die Lebensqualität enorm verbessert. Wir hoffen, dass der Leser dieselbe Erfahrung macht und den Radsport ebenso genießt wie wir.

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Wer etwas für seine Fitness und Gesundheit tun will, steigt am besten aufs Rad und genießt eine Fahrt durch die Natur.

2 RADFAHREN MACHT SPASS!

Jeder Tag ist ein guter Tag, wenn man Rad fährt!

Radsportler sind in positivem Sinn süchtig nach ihrem Sport, dem Training an der frischen Luft, am liebsten in der freien Natur. Allein oder auf gemeinsamen Touren fernab der Stadt genießen sie die Landschaft, und während Wälder, Felder, Flüsse und Seen an ihnen vorbeiziehen, unterhalten sie sich über ihre Arbeit und das Leben. Wenn sie ein paar Stunden später wieder nach Hause kommen, sind sie müde, aber glücklich und voller Energie.

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Schwing dich in den Sattel und fühl dich frei!

Der positive Einfluss von Training auf die geistige Gesundheit und das Wohlbefinden:

1.Man fühlt sich besser.

2.Man schläft tief und fest und wacht am nächsten Morgen gut gelaunt auf.

3.Man wird ruhiger und gelassener.

4.Man ist stolz auf seine Leistung und seinen Körper.

5.Man fühlt sich jünger und fitter.

6.Die Konzentrationsfähigkeit steigt.

7.Man bekommt neue Ideen und sieht klarer.

8.Man freut sich am Leben und hat mehr Energie.

9.Man fühlt sich freier und hat mehr Kontrolle über sein Leben.

10.Die Willensstärke steigt.

11.Man wird stressbeständiger.

12.Die Lebensqualität steigt.

Das sind die Momente, in denen wir das Leben am intensivsten erfahren, Gefühle von Freiheit, Glück und Stärke empfinden. Wer weiß, vielleicht handelt es sich dabei noch um ein Erbe des Urmenschen, der, durch die Natur streifend, seiner Beute folgte. Die positiven Auswirkungen sportlicher Bewegung auf die geistige Gesundheit und unser Wohlbefinden sind vielfältig (siehe Kasten oben).

Wer das Rad noch nie als sportliches Fortbewegungsmittel genutzt und es noch nie am eigenen Leib erfahren hat, mag das vielleicht nicht glauben. Doch fast jeder, der einmal damit angefangen hat, wird es bestätigen. Man verlässt das Haus, stellt sich den Elementen und genießt die Bewegung in freier Natur. Nach einer Weile wird der eigene Körper zum Freund, man fühlt sich fitter und glücklicher. Selbst Anfänger werden schon bald zu Botschaftern dieses schönen Sports und beginnen, von seinen vielen Vorteilen zu schwärmen.

Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass sportliche Bewegung unter bestimmten Voraussetzungen die Hormone Endorphin und Serotonin freisetzt. Diese Hormone rufen Glücksgefühle hervor, die Radrennfahrer in Form des sogenannten Cyclist’s High erfahren. Leider produziert nicht jeder Mensch dieselbe Menge davon, und es kann eine Weile dauern, bis man sich glücklich statt müde fühlt. Unseren Vorfahren halfen die Hormone, Raubtieren zu entkommen und in der Wildnis zu überleben. Wir können Glücksgefühle genießen, ohne Pillen zu schlucken. So verwundert es nicht, dass die meisten Radrennfahrer auf gesunde Weise süchtig nach ihrem Sport sind.

Radfahren kann man jederzeit, überall und allein, entspannt meditierend oder den Vögeln lauschend. Genauso viel Spaß macht es, gemeinsam mit Freunden zu trainieren, zu plaudern und Ideen auszutauschen. Besonders ambitionierte Radsportler schließen sich einem Club an. Zusammen mit Gleichgesinnten fahren sie zu Wettkämpfen, feiern gemeinsam ihre Erfolge oder trösten sich, wenn es nicht so gut lief. Das Schöne am Radsport ist, dass man vor allem gegen sich selbst kämpft, indem man versucht, die eigene Leistung zu verbessern. So kann auch derjenige noch stolzer Gewinner sein, der abgeschlagen am Ende des Feldes das Ziel erreicht.

Unter Athleten kursiert auch das Gerücht, Radlerehen seien glücklicher und würden seltener geschieden. Hierfür gibt es zwar keine wissenschaftlichen Beweise, bezogen auf unseren eigenen Freundeskreis, können wir es jedoch absolut bestätigen.

Nicht zuletzt kann Radfahren Altersbeschwerden lindern und die Lebensqualität in fortgeschrittenem Alter erhöhen. So wird zum Beispiel vielerorts die Radtherapie eingesetzt, um die seelische Gesundheit von Senioren zu fördern.

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Jung und Alt genießen gemeinsam ihren Sport in der Natur.

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Der ehemalige Spitzenradrennfahrer Michael Boogerd mit seinem berühmten breiten Grinsen

3 SPORTPHYSIOLOGIE

Das Herz eines Radsportlers arbeitet besser und effizienter. Kardiologe Dr. J. Wolffe, MD

In diesem Kapitel erhält der Leser einige Hintergrundinformationen zum „menschlichen Motor”. Kurz zusammengefasst, besteht er aus der Muskulatur und dem Herz-Kreislauf-System, das den Sauerstofftransport zu den Muskeln sowie die Abfuhr von Stoffwechselprodukten aus ihnen sicherstellt.

Welche Faktoren bestimmen nun das Leistungsvermögen des menschlichen Motors? Welcher Treibstoff wird von den Muskeln benutzt, wie viel Energie produziert? Und welchen Einfluss hat Training auf die Leistung? Wir wissen, dass Training zu zahlreichen Anpassungsprozessen im Körper führt, die uns fitter machen. In vielen Büchern5,6 und Artikeln wurden diese Wunder des Trainings bereits beschrieben.

Im Folgenden fassen wir die wichtigsten Einflussfaktoren auf sportliche Leistungen kurz zusammen.

Trainingseffekte

Stetiges, ausgewogenes Training führt zur Adaptation der Muskulatur und des Herz-Kreislauf-Systems.

1.Muskulatur

Die Muskeln werden größer und kräftiger. Es erfolgt eine Zunahme der

Anzahl von Mitochondrien, der Energieproduzenten der Zellen;

Anzahl und Größe von Muskelfasern;

Anzahl von Kapillaren sowie deren Durchblutung;

Reserven an ATP (Adenosintriphosphat) und Glykogen sowie

Anzahl und Aktivität von Enzymen, wodurch der Abbau von Glykogen und Fettsäuren gefördert wird.

Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass Training sogar zu einer Veränderung des Anteils von schnellen (Fast Twitch, FT) zu langsamen Muskelfasern (Slow Twitch, ST) führen kann. Das heißt, sowohl Schnelligkeit als auch Ausdauer werden gefördert. Allerdings muss das Training kontinuierlich und zielgerichtet durchgeführt werden. Durch die Trainingsbelastung werden zunächst Muskelfasern geschädigt. Das ist zu spüren, wenn die Muskeln in den ersten Tagen nach dem Training schmerzen. Anschließend werden neue Muskelfasern aufgebaut und vorhandene gestärkt, damit sie einer weiteren Belastung besser gewachsen sind. Das Training der Beinmuskulatur ist ein langwieriger Prozess, für den viele Kilometer zurückgelegt werden müssen, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Ein Großteil des Trainings kann in ruhigem Tempo absolviert werden. Um die FT-Muskelfasern zu entwickeln, ist auch Schnelligkeitstraining erforderlich.

2.Herz

Die Anpassungsfähigkeit des Herzens an Trainingsbelastungen ist bemerkenswert. Dabei nimmt die Anzahl der Herzmuskelfasern zu, ebenso die Anzahl der Kapillaren sowie deren Durchblutung, vor allem in der linken Herzkammer. Infolgedessen arbeitet das Herz eines Sportlers viel effizienter als das eines Untrainierten. Faktisch ist das Herz eine Pumpe. Die Fördermenge dieser Pumpe, das sogenannte Herzzeit- oder Herzminutenvolumen, ist die Blutmenge (in Litern), die vom Herzen pro Minute in den Kreislauf gepumpt wird. Das entspricht dem Schlagvolumen (in Litern), multipliziert mit der Herzfrequenz (HF, in Schlägen pro Minute). Das Schlagvolumen kann bei einem Sportler doppelt so groß sein wie bei einem Nichtsportler. Demzufolge hat dieses sogenannte Sportlerherz im Ruhezustand eine große, ungenutzte Kapazität, und die Herzfrequenz ist sehr niedrig. Trainierte Ausdauersportler haben häufig einen Ruhepuls von nur 40 Schlägen pro Minute oder sogar weniger. Ferner ist ein gut trainiertes Herz bei Belastung in der Lage, viel mehr Blut zu pumpen, wodurch mehr Sauerstoff zu den Muskeln transportiert wird. Da die Muskeln Sauerstoff brauchen, um Energie zu produzieren, ist diese Sauerstofftransportfähigkeit der entscheidendste leistungsbestimmende Faktor bei Ausdauersportarten. Der Anstieg des Schlagvolumens und die entsprechende Senkung des Ruhepulses sind wichtige physiologische Anpassungen des Herzens an Trainingsreize. Durch sie steigert sich die Herzleistungskraft. Ein Sportlerherz kann die Pumpleistung bei Belastung von 5 l/min auf 40 l/min erhöhen, das heißt, um einen Faktor 8. Das liegt an der Kombination von erhöhtem Schlagvolumen und gesteigerter Herzfrequenz. Die Adaptation des Herzens an Trainingsreize ist hauptsächlich von der Trainingsintensität abhängig. Für Anpassungsprozesse ist eine hohe Herzfrequenz, das heißt, eine hohe Trainingsintensität erforderlich. Messbare Ergebnisse sind schon nach relativ kurzer Zeit sichtbar. Eine signifikante Senkung des Ruhepulses lässt sich bereits nach sechs Trainingswochen beobachten.

3.Blut

Das Blutvolumen eines gut trainierten Radsportlers ist manchmal 10 % größer als das eines Nichtsportlers. Das liegt vor allem an einem erhöhten Plasmavolumen. Hieraus ergibt sich eine verbesserte Sauerstofftransportfähigkeit des Bluts. Eine weitere wichtige Trainingsanpassung besteht in der höheren Dehnbarkeit der Blutgefäße, die zu einem niedrigeren Blutdruck führt. Außerdem ändert sich die Zusammensetzung des Bluts. Der Cholesterinspiegel sinkt, insbesondere der „schlechte“ LDL-Spiegel sowie der Gesamtcholesterinspiegel. Der „gute“ HDL-Spiegel steigt.

Durch Höhentraining kann die Hämoglobinkonzentration angehoben werden. Hämoglobin ist unverzichtbar für den Sauerstofftransport im Blut. 1 g Hämoglobin kann 1,34 ml Sauerstoff (O2) transportieren, das heißt, eine durchschnittliche Hämoglobinkonzentration von 15 g/100 ml Blut führt zu einer Sauerstofftransportfähigkeit von 15 · 1,34 = 20 ml O2/100 ml Blut oder 20 % des Blutvolumens. Eine niedrige Hämoglobinkonzentration ist möglicherweise ein Indiz für eine zu geringe Eisenzufuhr über die Nahrung oder einen erhöhten Eisenverlust. Eine extrem hohe Hämoglobinkonzentration wird als Indiz für Blut- oder EPO-Doping gewertet.

Außerdem erweitern sich die Blutgefäße bei Belastung, wodurch der periphere Widerstand abnimmt und mehr Blut in die Muskulatur und weniger in nicht lebensnotwendige Körperfunktionen, wie das Verdauungssystem, fließt.

4.Lungen

Durch Training wird unsere Atemmuskulatur stärker, und das Atemzugvolumen beziehungsweise das funktionelle Lungenvolumen nimmt zu. Wie das Herz lässt sich auch die Lunge als Pumpe beschreiben. Die Kapazität dieser Pumpe, Atemminutenvolumen genannt, ist das Atemzugvolumen (in Liter) mal die Atemfrequenz (in Atemzügen pro Minute). Da wir in Ruhe ungefähr 10-15-mal pro Minute atmen und das Atemzugvolumen etwa 0,5 l beträgt, liegt das Atemminutenvolumen bei 5-7,5 l/min. Bei gut trainierten Sportlern kann das Atemzugvolumen bei Belastung um ein Vielfaches auf 180-200 l/min ansteigen. Dieses Wachstum resultiert aus der Zunahme von Atemfrequenz (bis 60 Atemzüge pro Minute) und Atemzugvolumen (bis 3-4 l). Die Lungenkapazität erhöht sich durch Training mehr als die des Herzens. Das heißt, im Allgemeinen sind nicht die Lungen der limitierende Faktor für eine gute Ausdauerleistung.

Aus dem Vorangegangenen lässt sich folgern, dass normalerweise die Sauerstofftransportfähigkeit des Herz-Kreislauf-Systems der bestimmende Faktor für sportliche Ausdauerleistungen ist. Wohl hat die Atemmuskulatur bei intensiven körperlichen Belastungen selbst einen beträchtlichen Sauerstoffbedarf, der auf etwa 10 % der maximalen Sauerstoffaufnahme beziehungsweise der VO2max ansteigen kann.

Energiesysteme

Um Radfahren zu können, brauchen wir Energie. Diese Energie wird in unseren Muskelzellen erzeugt, genauer gesagt, in den Mitochondrien. Dabei können die Zellen aus den vier Energiesystemen des Körpers Energie produzieren:

1.ATP

Adenosintriphosphat (ATP) ist der wichtigste Treibstoff für Sprinter. ATP kann sehr schnell in Adenosindiphosphat (ADP) umgesetzt werden, wobei viel Energie frei wird. Für die Umwandlung wird kein Sauerstoff benötigt. Der Vorrat an ATP in der Muskulatur ist allerdings schon nach etwa 10 Sekunden aufgebraucht und reicht nur für einen kurzen Sprint. Nach der Belastung können die Muskelzellen das ATP aus ADP wieder aufbauen. Dieser Vorgang erfordert Energie, die durch den aeroben, das heißt sauerstoffabhängigen Glykogenabbau geliefert wird. Damit entsteht nach einer intensiven körperlichen Belastung eine sogenannte Sauerstoffschuld.

Die Effizienz von Speicherung, Nutzung und Wiederaufbau von ATP kann durch Training verbessert werden. Hierfür eignet sich eine hohe Anzahl kurzer Sprints mit maximaler Geschwindigkeit.

2.Anaerober Abbau von Glykogen

Der anaerobe Abbau von Glykogen (Glykolyse) ist die wichtigste Energiequelle für Ausreißversuche und Prologe, die ein paar Minuten dauern. Glykogen besteht aus langen Ketten von Zuckereinheiten. Glykogen wird in der Muskulatur und der Leber gespeichert. Daneben enthält auch Blut eine geringe Menge Glukose. Glykogen kann anaerob (sauerstoffunabhängig) zu Milchsäure abgebaut werden. Häuft sich Milchsäure an, spüren wir es in Form von Ermüdung und Muskelschmerzen. In der Erholungsphase wird die Milchsäure mittels Sauerstoff abgebaut, was zu einer erneuten Sauerstoffschuld führt.

Durch Training lässt sich die Effizienz der Glykolyse verbessern. Damit sich Milchsäure anhäuft, sind Belastungen mit hoher Intensität erforderlich. Dies tritt erst bei einer Herzschlagfrequenz (HF) von etwa 85-90 % der maximalen Herzschlagfrequenz (MHF) ein, der sogenannten anaeroben Schwelle. Der anaerobe Abbau von Glykogen liefert weniger Energie als der von ATP. Dafür können wir sie jedoch länger, das heißt einige Minuten, nutzen, abhängig von Geschwindigkeit und Trainingszustand.

3.Aerober Abbau von Glykogen

Der aerobe Abbau von Glykogen ist die wichtigste Energiequelle für Ausdauersportler, darunter auch Radrennfahrer. Glykogen wird mit Sauerstoff zu Kohlendioxid und Wasser verstoffwechselt. Das Kohlendioxid wird aus der Muskulatur über das Blut und die Lunge abtransportiert. Über denselben Weg wird ihr der benötigte Sauerstoff zugeführt. Das ist ein fortwährender Prozess, der lange aufrechterhalten werden kann, wenn die Sauerstofftransportfähigkeit des Herz-Kreislauf-Systems groß genug ist.

Die Sauerstofftransportfähigkeit kann durch Training mit einer Belastungsintensität unterhalb der anaeroben Schwelle verbessert werden. Belastungen bei geringerer Intensität (z. B. 70 % der MHF) sind ebenfalls sinnvoll, da sie die Muskulatur stimulieren. Der aerobe Abbau von Glykogen liefert weniger Energie als die Glykolyse. Der Glykogenvorrat reicht für mindestens anderthalb Stunden. Durch Training und optimierte Ernährung (Carboloading) lässt sich das Zeitfenster auf 2-3 Stunden verlängern.

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Der niederländische Zeitfahrkönig Tom Dumoulin bei der Grande Partenza (Prolog) des Giro d’Italia 2016 in Apeldoorn (Niederlande)

4.Aerober Abbau von Fettsäuren

Der aerobe Abbau von Fettsäuren ist die Hauptenergiequelle für Radsportler und Triathleten. Fettsäuren werden mit Sauerstoff zu Kohlendioxid und Wasser verstoffwechselt. Demzufolge lässt sich dieses Energiesystem mit dem aeroben Abbau von Glykogen durchaus vergleichen. Sein größter Nachteil besteht in seiner geringeren Energieproduktion. Deshalb kann bei langen Ausdauerbelastungen schon mal der sogenannte Mann mit dem Hammer zuschlagen, ein Phänomen, das im Radsport auch als Hungerast bezeichnet wird. Zu dem bekannten plötzlichen Leistungsabfall kommt es, wenn die Glykogenvorräte erschöpft sind und die Muskulatur auf den Abbau von Fettsäuren umschalten muss. Der größte Vorteil der aeroben Energiegewinnung aus Fettsäuren besteht in den enormen Speichervorräten des Körpers, die für mehrtägige Fahrten reichen. Auch in Ruhe und bei körperlichen Anstrengungen mit niedrigerer Intensität greifen wir auf dieses System zurück. Mit steigender Belastungsintensität schaltet die Muskulatur je nach Bedarf auf das folgende Energiesystem um: zuerst auf die Fettsäuren, dann auf das Glykogen, danach auf die Glykolyse und schließlich auf das ATP.

Die Effizienz des aeroben Abbaus von Fettsäuren lässt sich durch Training ebenfalls verbessern, und zwar durch lange Fahrten bei niedriger Intensität (weniger als 70 % der MHF). Morgendliches Training vor dem Frühstück sowie eine reduzierte Kohlenhydrataufnahme können ebenfalls dabei helfen, das System zu trainieren. Bei allen Belastungen bei niedriger und moderater Intensität spielt die Fettverbrennung eine Rolle. Fahren wir langsam, kann der Anteil von Fettsäuren im „Treibstoffmix“ unserer Muskulatur bis zu 90 % betragen. Beim Schwellentempo sinkt er auf etwa 25 %.

1.ATP

ATP image ADP + Energie

Kleiner Vorrat für etwa 10 Sekunden, Sprint, maximale Leistung und maximales Tempo.

2.Glykolyse

Glykogen image Milchsäure + Energie

Begrenzter Vorrat für einige Minuten, Ausreißversuche, hohe Leistung und hohes Tempo.

3.Aerobe Glykogenumwandlung

Glykogen + 6 O2 image 6 CO2 + 6 H2O + Energie

Großer Vorrat für etwa 1,5 Stunden, Langstrecken, Ausdauerleistung und Ausdauertempo.

4.Aerobe Fettsäurenumwandlung

Fettsäuren + 23 O2 image 16 CO2 + 16 H2O + Energie

Sehr großer Vorrat für mehrere Tage, Ultradistanzen, niedrige Leistung und niedriges Tempo, benötigt einen höheren O2-Umsatz.

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Die Theorie des „menschlichen Motors“ lässt sich auf alle Ausdauersportarten anwenden. So können die Leistungen des Spitzen-Radrennfahrers Robert Gesink (links) und des mehrfachen Eisschnelllaufweltmeisters Sven Kramer (rechts) anhand unseres einheitlichen Modells miteinander verglichen werden.

4 TRAININGSPRINZIPIEN

Hör auf deinen Körper!

In vielen Lehrbüchern5,6 werden Trainingsprinzipien und -praktiken beschrieben. Dabei ist es nicht einfach, wissenschaftliche Forschungsergebnisse und Fakten von rein praktischen Erfahrungen sowie der persönlichen Meinung von Sportlern und Trainern zu unterscheiden. Außerdem haben die meisten wissenschaftlichen Studien nur einen begrenzten Geltungsbereich aufgrund der kleinen Probandengruppen (gewöhnlich nicht mehr als 20 Athleten) sowie des kurzen Untersuchungszeitraums (in der Regel nur einige Monate). Natürlich ist es schwer bis nahezu unmöglich, aussagekräftige statistische Schlussfolgerungen aus derart limitierten Studien zu ziehen. In der Praxis wollen wir wissen, wie sich unser Training durch kleine Veränderungen mit jeweils relativ geringer Wirkung langfristig, das heißt über viele Jahre, verbessern lässt. Das Problem wird zusätzlich dadurch erschwert, weil Training unterschiedlich wirkt. Was bei dem einen zum Erfolg führt, ist bei dem anderen vielleicht weniger effektiv.

Nichtsdestotrotz sind einige Trainingsprinzipien gut erforscht. Sie basieren auf Erkenntnissen der Sportphysiologie und besitzen allgemeine Gültigkeit. Trainer und Sportler sollten sie bei der Gestaltung eines Trainingsprogramms nutzen und, noch wichtiger, dem neuesten Erkenntnisstand anpassen. In diesem Kapitel geben wir einen Überblick über die grundlegendsten Trainingsprinzipien, einschließlich praktischer Anwendungsmöglichkeiten.

1.Das Prinzip des optimalen Verhältnisses zwischen Belastung und Erholung

Hierbei handelt es sich um das wichtigste Trainingsprinzip. Unser Körper hat die besondere Fähigkeit, durch sich abwechselnde Phasen von Belastung und Erholung stärker zu werden. Dieses Prinzip wurde zuerst von dem ungarischen Mediziner und Endokrinologen Hans Selye (1907-1982) entdeckt. Er beobachtete, dass ein Trainingsreiz zunächst zu Ermüdung, Stress und Zellschäden führt. Nach einer ausreichenden Erholungszeit verschwinden diese Erscheinungen, die beschädigten Zellen werden von Enzymen abgebaut und durch resistentere Zellen ersetzt, die neue Trainingsreize besser verkraften. In dieser Hinsicht sind die Schmerzen, die wir manchmal nach einer harten Belastungseinheit empfinden, eigentlich ein positives Zeichen. Sie zeigen, dass dieser Anpassungsprozess stattfindet. Für einen optimalen Trainingserfolg muss der Wechsel von Belastung und Erholung sorgfältig geplant sein (no pain, no gain). Geben wir dem Körper nicht genug Zeit, sich zu erholen, wird er überlastet und der Läufer rutscht möglicherweise ins Übertraining. Erlauben wir ihm zu viel Erholungszeit, ist der Trainingseffekt gering. Ziel ist es also, das perfekte Zusammenspiel von Trainingsimpulsen und Erholungszeit zu finden, damit ein optimaler Leistungszuwachs erreicht werden kann (Superkompensation).

In der Praxis ergibt sich daraus eine Trainingsplanung, bei der sich harte und leichte Einheiten abwechseln. Ob es sich um eine schwere oder leichte Belastung handelt, hängt wiederum vom Leistungsniveau und Trainingszustand des Athleten ab.

2.Das Prinzip ausreichender Intensität und Variation

Leider wird dieser wichtige Grundsatz von vielen vernachlässigt. Für optimale Ergebnisse darf sich das Training nicht nur auf eine Trainingsform, zum Beispiel lange, langsame Belastungen, beschränken. Stattdessen muss für ausreichend Variation gesorgt werden, damit alle relevanten Muskeln trainiert und sämtliche Energiesysteme genügend entwickelt werden (when you do what you have always done, you will get what you have always gotten). Das heißt, sowohl Umfang (viele Kilometer) zur Entwicklung der Beinmuskulatur als auch Intensität (hohes Tempo) zur Verbesserung der VO2max sowie der vier Energiesysteme (aerober Abbau von Fettsäuren, aerober Abbau von Glykogen, anaerobe Glykolyse sowie anaerobe Umwandlung von ATP) gehören zu einem ausgewogenen Trainingsprogramm. Bedauerlicherweise vernachlässigen viele Ausdauerathleten die Tempoarbeit. Das ist nicht klug, da auf diese Weise nur die aeroben Energiesysteme angesprochen werden. Um eine Leistungssteigerung zu erzielen, ist Tempotraining mit hoher Intensität bei Weitem am effektivsten. Außerdem müssen immer wieder neue Trainingsreize gesetzt werden. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass effektive Trainingsimpulse immer außerhalb der Komfortzone liegen. Deshalb ist es notwendig, ab und zu im Training an seine Grenzen zu gehen.

3.Das Prinzip der progressiven Belastungssteigerung

Dieser Grundsatz spricht mehr oder weniger für sich. Wer die Trainingsbelastung zu schnell steigert, riskiert Verletzungen, die den Athleten schlimmstenfalls ernsthaft zurückwerfen. Konkret sollte die Trainingsbelastung um nicht mehr als 5-10 % pro Monat zunehmen. Hör auf deinen Körper!, ist hier die richtige Devise. Achte auf Symptome von Übertraining. Im Allgemeinen ist es sinnvoll, einen bestimmten Trainingsreiz etwa sechs Wochen beizubehalten. In dieser Zeit passt sich der Körper an und ist anschließend bereit für den nächsten Schritt, das heißt eine Steigerung von Umfang oder Intensität.

4.Das Prinzip des sich verringernden Leistungszuwachses

Wer mit dem Radsport beginnt, wird schon bald mit sichtbaren Erfolgen belohnt. Sowohl Schnelligkeit als auch Ausdauer werden sich rasch und umfangreich verbessern. Leider wird es immer schwieriger, einen Leistungszuwachs zu erzielen, je länger man den Sport betreibt. Spitzenradrennfahrer müssen enorm hart trainieren – bezüglich Umfang und Intensität –, um noch eine Verbesserung von ein paar Sekunden zu erzielen. Fahrer auf niedrigerem Niveau werden einen raschen Leistungszuwachs bis zu dem Moment verzeichnen, an dem sie täglich und mit einem Umfang von 200-400 km pro Woche trainieren. In dem Stadium sollte mindestens eine hochintensive Intervalleinheit pro Woche zum Trainingsprogramm gehören. Anschließend werden sich Fortschritte nur noch langsam und in geringerem Maße einstellen. Die gute Nachricht ist, dass auch nach Jahren regelmäßigen Trainings noch ein Leistungszuwachs möglich ist. Oft werden die besten Ergebnisse nach etwa 5-10 Trainingsjahren erzielt.

5.Das Prinzip der Spezifität

Trainingseffekte zeigen sich vor allem bei der Muskulatur und den Energiesystemen, die im Training belastet wurden. Das heißt, bei einem Radsportler wird vor allem die Bein- und Herzmuskulatur entwickelt, während die Armmuskulatur kaum angesprochen wird. Vergleicht man einen Läufer mit einem Radrennfahrer, entwickelt sich die Beinmuskulatur wiederum unterschiedlich. Während beim Radfahren hauptsächlich der Quadrizeps (vordere Oberschenkelmuskulatur) beansprucht wird, ist es bei Läufern vornehmlich die Muskulatur der Oberschenkelrückseite (ischiokrurale Muskulatur). Das bedeutet für die Praxis, dass Radsportler vor allem mit dem Rad trainieren sollten, um ihre Fahrleistung zu verbessern. Krafttraining im Fitnessstudio ist für einen Radsportler nur von begrenztem Wert und sollte lediglich als Ergänzung eingesetzt werden. Als weitere Konsequenz ergibt sich daraus, dass man das Training am besten auf die angestrebte Wettkampfdistanz ausrichten sollte. Das gilt vor allem für die Entwicklung der vier Energiesysteme. Ein Sprinter wird die Effizienz seines ATP-Systems verbessern müssen, ein Etappenfahrer sein aerobes System. Natürlich ist es nie gut, sein Training zu einseitig zu gestalten, das gilt auch in diesem Zusammenhang. Schließlich kann auch bei einem Etappenfahrer ein Endsprint das Rennen entscheiden.

6.Das Prinzip der Periodisierung und Zyklisierung