50.
Die letzten Erscheinungen.

Inhaltsverzeichnis

»Ich will lieber unter Menschenfressern und reißenden Tieren wohnen, die ihr Gebiß nur da einschlagen, wo Hunger und Notwehr Blut begehren,« schrie Fabian, »als unter diesen christlichen Obrigkeiten, die nun ihre Feigheit und überstandene Angst durch Grausamkeit verdecken; ihre Rache gleisnerisch hinter dem Schilde gesetzlicher Gerechtigkeit verbergen, das arme Volk erst durch Blutsaugerei und mit Frechheit zu Boden treten, dann die Verzweiflung desselben an Schuldigen und Unschuldigen in blinder Wut bestrafen, sich dabei gottesfürchtige, gnädige Obrigkeit und die armen, rechtlosen Unterthanen freie, glückselige Unterthanen nennen. Verruchte Unnatur!«

»Warum tobst Du, Bursche, wider die Natur?« entgegnete Addrich gelassen oder vielmehr kalt. »Sie geht ihren bleiernen Schritt. Wir Ebenbilder Gottes haben kaum das Menschengesicht aus dem alten Felle der Bestialität hervorgestreckt. Wenn sich eine Nation mit der Kinderrute züchtigen, mit der Peitsche geißeln läßt, verdient sie nichts besseres als Rute und Peitsche.«

»O Addrich, fesselte mich nichts mehr an diesen blutgetränkten Boden,« rief Fabian bewegt, mit der Thräne heiligen Grimmes im Auge, »ich möchte in eine Wüste ziehen, und mich mit den Tigern verbrüdern. Hast Du von unserm Fischer die Geschichte des alten Weibes von Olten gehört, welches nach Zofingen lief und vor den unbarmherzigen Richtern für das Leben des Ehemannes und Sohnes, endlich nur für das Leben eines einzigen von beiden den Fußfall wiederholte? Und als man ihr nun die schauerliche Wahl gestattete, als nach langem entsetzlichem Kampf des Mutterherzens und der Gattenliebe die eheliche Zärtlichkeit überwog . . . da hohnlächelte gefühlloser Witz über die Betrogene. Das scheint mir die höllische Krone auf das Haupt alles Frevels zu setzen . . .«

»Still, Bursche!« erwiderte Addrich. »Trage Sorge für Deine junge Haut. Wo Tyrannen wohnen, haben die Steine Ohren.«

Er hatte nicht unrecht, denn der Pfarrer des Iffenthales hatte den Aufenthalt der Flüchtlinge entdeckt, das Weib des Schiffers zu sich berufen und ausgeforscht, und demselben darauf geboten, reinen Mund zu halten über alles, was er gefragt und gesagt. Die junge Frau aber gehorchte mehr der Stimme ihres Mitleids als der des Beichtigers und warnte voller Angst die Fremdlinge. Da blieb die abgelegene Einöde kein Asyl mehr für sie.

»Fort denn,« sagte Fabian, »um das Leben zu retten, muß das Leben gewagt sein. Versuchen wir's, durch das unwegsame Gebirge, an den bewohnten Höfen und Bergdörfern vorüber, das kaiserliche Gebiet am Rhein zu erreichen!«

»Mir gilt's gleich,« entgegnen Addrich gleichgültig. »Mein Leben kannst Du nicht retten. Hätte ich mein Wort nicht gegeben, es wäre längst weggeworfen. Ich folge Dir. Die grüne Schale des Deinigen enthält noch einen Kern; der meinige ist vermodert.«

Mit Dank und gerührtem Herzen schied Fabian, Addrich aber stumm, in der Frühe des folgenden Morgens, ehe der Tag graute, von der gastfreundlichen Berghütte. Dicker Nebel lag auf dem Thale und verbarg ihre Flucht, zugleich aber auch den Weg und die Gegend so sehr, daß sie erst mit Sonnenaufgang aus der Bergschlucht hervortraten, durch welche ihnen ein wilder Bach den Ausgang über den untern Hauenstein zur Heerstraße gezeigt hatte. Als sie den jähen Felsenweg zum Hauenstein emporgestiegen, dessen letzte Höhe längs den Klippen eine blaugraue Wolke bedeckte, wurden sie eines Wanderers gewahr, der in städtischer Tracht vor ihnen gemächlich bergauf schritt. Fabian drückte das braune Sammetbarett tiefer in die Augen, und das Gesicht abgewendet, eilte er an dem Manne vorbei, indem er trocken grüßte.

»Heda! Halt!« rief der Wanderer. »Sonntag und Montag kommen alle Woche zusammen, aber nicht die Menschen. Es freut mich, Herr Freund, Euch hier zu treffen und mit Euch den gleichen Weg zu machen, wenn Ihr nicht wie ein Bürstenbinder lauft.«

»Schon früh auf den Beinen?« antwortete Fabian, der den wohlgemuten Meistersinger von Aarau erkannte und sich nun von Herzen des alten Bekannten erfreute. »Was giebt's neues? Jetzt ist wieder Ruhe und Sicherheit im Lande und das Regiment frisch und wohl bestellt.«

»Ja, ja, Herr Freund, es wird aufgeräumt, wie sich's gebührt. Nur sage ich, neue Besen kehren gut, doch gehen sie nicht in die Winkel. Den Haupträdelsführer Addrich haben sie noch nicht gefunden; wer weiß, wo er steckt? Hat aber der Teufel den Sattel, so holt er auch den Zaum. Ich wette, der trägt sein Kupfergeld nicht lange mehr auf der Nase herum. Heute oder morgen hängt er in Scharfrichters Dohnenstieg oder läuft wenigstens mit nacktem Rücken durch den Besenmarkt. Er hat's um mich allein schon verdient. Und säße er in einem Dachsloche, ich kröche hinein und holte ihn heraus.«

»Kannst ihn wohlfeiler haben,« sagte Addrich, der jetzt von hinten herankam. »Hier bin ich. Wie viel hat man für mich geboten?«

Meister Wirri stand still und starrte den Alten verblüfft an, faßte sich aber bald und sagte halb ängstlich, halb freundlich zu ihm: »Nun, nun, ich hoffe, Ihr werdet Spaß verstehen, Herr Freund. Ich hatte Euch wohl gesehen und nur so gesagt, um Euch Furcht zu machen. Ich soll Euch auch höfliche Grüße bringen von meinem Änneli, das ehemals in Eurem Dienste stand und Euch noch immer lobt.«

»Ist's Dein Änneli geworden?« entgegnete Addrich mit gleichgültiger Miene.

»Nicht wahr, das nimmt Dich Wunder,« rief Wirri, der sein Vergnügen nicht verbergen konnte, den furchtbaren Alten schnell auf ein anderes Gespräch zu bringen. »Nun, was nicht ist, kann noch werden. Es lebt beim hochwürdigen Herrn Dechanten Herrentage, und das Züngelein geht ihm noch immer wie der Schwanz der Bachstelze.«

»Wie viel also hat man für mich geboten?« fragte Addrich wieder.

Den Spielmann machte die Frage abermals ganz ernst, doch erzwang er ein Lächeln in die ersteiften Gesichtsmuskeln und versetzte: »Ei was? Macht doch aus der Pille keine Bombe. Jedermann begriff, es ging auf den alten Socken nicht länger, und die Bauern hatten recht. Niemand verdenkt's Euch. Hättet Ihr nur Euer Eisen geschmiedet, als Ihr vor der Esse waret, aber da wollte jeder von den Bauern sein eigenes Kraut schmalzen. Und wenn zwei Hunde an einem Knochen nagen, kommen sie selten überein. Das war das Unglück. Ein Mann wie Ihr, Herr Freund, hätte das Ruder führen müssen, aber kein hochmütiger Tölpel wie der Leuenberg, der sich einbildete, er höre die Flöhe husten und Gras wachsen, und der im Gehen den Kopf streckte, als ob er einen Degen verschluckt hätte.«

»Schweig', Mops!« entgegnete der Alte. »Lasse die Toten ungelästert. Er starb wenigstens für etwas besseres, als wofür Du lebst.«

»Nun ja,« stimmte Wirri verlegen ein, »es giebt mancher mehr für Karrenschmiere aus, als er mit der Karre verdient.«

»Ich rede von der Freiheit des Landes,« sagte Addrich.

»Richtig, ach die liebe Freiheit. Man kauft sie allezeit teuer ein, aber verkauft sie um einen Pfifferling wieder. Glaubt mir's, der Welsche versingt sie, der Deutsche vertrinkt sie, der Franzose vertanzt sie, der Holländer verschachert, der Spanier verbetet, der Schweizer verschläft sie. Kann der Bauer nicht Landvogt werden, muß er seinen Käse selbst von der Alp tragen.«

»Ich merke,« sagte Addrich, »Du bist Einer, der mit allen Winden segeln will.«

Fabian, der die Unterhaltung auf andere Dinge zu lenken wünschte, fiel hier mit der Frage ein: »Wohin geht die Reise so früh, Meister?«

»Ich komme von Olten und ziehe nach Basel. Man muß viel für den lieben Gott und für's liebe Brot thun. Der wohlehrwürdige Herr Dechant hat einmal sein Vertrauen zu mir, drum muß ich und kein anderer seinen Brief nach Basel tragen, an den . . . an den Dan . . . Din . . . Don . . . Dar . . . Ihr kennet ihn ja. Ich bringe leichter zehn Ketten in den Hals als den verwünschten Namen heraus.« Er griff in's Wamms und zog einen Brief hervor, um die Aufschrift zu lesen.

Fabian, der auch den Herrn von Groenkerkenbosch wegen Epiphania in Verdacht hatte, stutzte, als er vom Briefwechsel des Dekans mit jenem Manne hörte, und der Gedanke stieg in ihm auf, er könnte hier Licht für seine Finsternis finden.

»An Don Nardo?« rief der Jüngling auffahrend und riß den Brief ungestüm aus der Hand des Spielmannes.

»Richtig!« antwortete der Meister Wirri und setzte hinzu, indem er mit schalkhaft drohender Miene auf Addrich deutete: »Gebt das Schreiben nicht weiter. Da steht ein Männchen, das mir schon einmal den Botenlohn verdarb und einen Brief öffnete, der nicht für ihn geschrieben war.«

»Das kann ich selbst, und werde es beim Dekan Nüsperli verantworten,« sagte Fabian, riß das Siegel auf und durchflog, mit glühenden Augen, hastig die Zeilen.

Meister Wirri stand verduzt mit offenem Munde da, und als er die Sprache wieder gewonnen hatte, stammelte er halb scheu, halb zornig: »Plagt Euch denn . . . Gott sei mir gnädig . . . da muß Einem der Topf ohne Feuer überlaufen; anderer Orten nennt man das Straßenraub. Spornstreichs kehre ich um und klage es dem Herrn Dechanten. Er wird Euch Späne unter den Speck hacken. Geduld!«

»Schweig!« rief Addrich und hob die geballte Faust drohend empor.

Meister Wirri duckte sich und nahm hastig den Rückzug nach Olten, indem er rief: »Zwischen Fuchs und Wolf ist böse spazieren gehen. Behüte Euch Gott. Es giebt noch Obrigkeit, die Gewalt über Euch hat. Den Streich schreibe ich Euch nicht mit Kohlen in den Kamin.«

Während er sich brummend entfernte, doch immer zurückkehrte, und ebenso oft den Rückzug antrat, als er Addrichs Bewegung gegen sich erneuern sah, las Fabian den Brief. Er war in lateinischer Sprache geschrieben und dem Jüngling der Inhalt dunkel. Folgendes ungefähr sagten die Worte des Dekans an Don Nardo:

»Ach, daß wir Wasser genug hätten in unserm Haupt, und unsere Augen Thränenquellen wären, daß wir Tag und Nacht weinen möchten! (Jer. 9) Dir wäre besser gewesen, Du wärest von der Höhe des Felsens gestürzt, oder mit einem Mühlstein am Hals in die Tiefe des Meeres gefallen, daß Du nur das zeitliche, nicht das ewige Leben verloren hättest. Addrich hat, wie Dathan und Abiram, schwer gesündigt, als er von der durch Gott eingesetzten Obrigkeit abfiel. Aber seine Schuld ist federleicht, neben Deinem Hochverrat an Jesu Christo, denn Du hast in Deiner Apostasie eine Sünde gegen den heiligen Geist gethan, die nie vergeben wird. Ich darf nicht mehr der Freund dessen sein, der Gottes Feind geworden ist; mein Haus hat für Dich nur verschlossene Pforten. Darum, bist Du in Basel: so bleibe; trifft Dich dies Blatt schon auf der Straße nach Aarau: so kehre um und sei gewarnt! Denn den Jüngling, den Du suchst, findest Du nicht. Wir wissen nichts von ihm. Wehe, daß Dich der böse Geist blendete und Du in die Fallstricke der spanischen Katholiken fielest! Hätten die Wilden der philippinischen Inseln Dir den Todesstreich versetzt, statt Dein Antlitz mit einer Narbe zu entstellen, Du würdest minder zu beklagen sein, denn Deine arme Seele wäre gerettet worden, aber alle Tonnen Goldes, die Du von Deinem reichen Weibe dort ererbt hast, weil Du dessen Leben von den Barbaren befreitest, sind kein Lösegeld aus der Verdammnis. Und hättest Du ganz Ostindien, ja die ganze Welt gewonnen, was hülfe es Dir, nun Du Schaden an Deiner Seele genommen? Ich unwürdiger Diener des göttlichen Wortes beschwöre Dich bei den blutigen Wunden meines lieben Herrn und Heilandes, kehre zurück zur wahren, evangelischen Kirche, in der Du geboren und erzogen worden bist, und verführe nicht das Mägdlein zur verfluchten Abtrünnigkeit. Ich werde dieses Kindes Seele vor dem Thron Gottes einst wieder von Dir fordern. Noch einmal, kehre zum wahren Glauben an Jesum zurück; dann darf ich Dich wieder sehen, sonst nie! Ich werde zu Gott Tag und Nacht schreien, daß er Dein Herz bewege und Dich auf den Weg des Heils zurückführen wolle.«

Im Erforschen des Sinnes dieser Zeilen versunken und in unruhigen Ahnungen über das vom Dekan bezeichnete Kind oder Mägdlein, war Fabian mit scharfen Schritten, lesend und wieder lesend, zu der unwirtbaren Höhe des Weges hinaufkommen, unbekümmert um Addrich und Wirri, die hadernd zurückgeblieben waren. Als er die Augen aufschlug, sah er sich schon von jener Wolke umfangen, die er vorher auf dem Rücken des Gebirges über sich erblickt hatte. Ein frostiger Luftzug kam ihm zwischen den schroffen, kahlen Felsen entgegen, aus deren Klüften die Gebüsche durch den Nebel wie seltsame lebendige Gestalten nickten und gaukelten, aber eine andere Gestalt löste sich vor ihm aus dem Innern der Wolke zu immer bestimmteren Umrissen. Er erkannte einen Reisigen, der sein Roß am Zügel führte. Don Nardo stand plötzlich neben dem Pferde, im Begriff, zum Dechanten nach Aarau zu reisen.

»Halt!« schrie Fabian und zog den Degen. »Dich sendet Gott selbst in meine Gewalt. Stehe mir Rede. Stehe!«

Don Nardo, des Überfalls nicht gewärtig, stand anfangs betroffen da, als er aber den Jüngling erkannte, sagte er gelassen: »Ich ließ mir's keine kleine Summe kosten, wochenlang Leute auf allen Wegen nach Dir auszusenden und Dich zu suchen, aber daß Du in diesen Wildnissen das Räuberhandwerk treibst, ließ ich mir nicht träumen. Kennst Du mich nicht, Unglücklicher?«

»Stehe mir Rede!« rief Fabian und setzte ihm die Degenspitze auf die Brust. »Du, Du hast Epiphania entführt, die Nichte Addrichs, mein Weib!«

Während er sprach, ertönte das Geräusch vieler Pferdehufe und neue Gestalten schwebten wie dunkle Schatten im Nebel heran. Ein lauter Schrei erscholl: »Morde meinen Vater nicht!« und mit dem Schrei schlug ein weiblicher Arm den Degen Fabians auf die Seite. Der Ton klang betäubend in des Jünglings Ohr und erschütterte ihn so, daß ihm das Schwert aus der gelähmten Faust zu Boden fiel, doch die Retterin bebte, als sie des Jünglings besser ansichtig wurde, erst mit Erschrecken zurück, dann erhob sie laut weinend die Arme und rief: »Fabi, ach, Fabi, Du selbst!« und sank an seine Brust. Er starrte unbeweglich auf sie nieder und stammelte totenblaß und mit zitternden Lippen: »Faneli, meine Seele, o mein Leben!«

Indessen beide im Sturm der ersten Seligkeit, sich wiedergefunden zu haben und umfaßt zu halten, alles vergaßen, was um sie her geschah, kam Addrich atemlos den steilen Bergweg daher geeilt. Er hatte das Geschrei auf der Höhe vernommen und seine Schritte alsbald verdoppelt, weil er befürchtete, Fabian sei von aufgestellten Wachen im Nebel überfallen und gefangen genommen worden. Entschlossen, ihn zu befreien, und beim Anblick der Pferde und Menschen in der wolkigen Umdämmerung die Wahrheit seines Argwohns nicht mehr bezweifelnd, zückte er das Schwert und schwang es gegen den Ersten, der ihm aus dem Haufen entgegentrat, doch wie vom Schlage getroffen sank der erhobene Arm erschlafft zurück. Sein Gesicht war vom Entsetzen schrecklich entstellt. Die finsteren Augen starrten, als wollten sie ihre Höhlen verlassen, aus der roten Umfassung der Augenlider grausig hervor, wie eine Kohle aus der Glut. Er lallte mit bebender Zunge, unbewußt, halblaut: »Das ist mein toter Bruder Diethelm!«

Auch der Herr von Groenkerkenbosch, den sonst nichts aus seinem stillen Gleichmut brachte, verlor hier die Fassung, fuhr bestürzt zurück und rief: »Addrich!« Doch der vielerfahrene Mann sammelte sich schnell zur Besonnenheit und sagte: »Unglücklicher, Du bist der Greuel des Landes geworden, weil Du keinen anderen Gott hattest als Dein schreckliches Ich. Dich allein wollte ich vermeiden, aber Du hast mich zu Deinem Schuldner gemacht durch das, was Du meinem Kinde gethan. Mir steht nicht zu, mit Dir zu rechten. Fliehe dieses Land, das Dich verflucht; mein Schloß am Rhein hat Raum und Freude für uns alle. Hier nimm die Hand! Wir sind versöhnt!«

Addrich wich schaudernd vor der ausgestreckten Hand zurück und sagte mit leiser, heiserer Stimme: »Bist Du nicht unter dem Eise des Rawylgletschers begraben?«

Don Nardo schüttelte mit traurigem Lächeln das Haupt und sagte:»Still davon, mein Bruder! Oder, wenn Du es denn willst, so höre alles in vier Worten. Gottes Barmherzigkeit und Vorsehung haben gewaltet. Deine wohl etwas unbrüderliche Härte wies mir nur den Weg über den Rawyl zu meinem Glücke hinüber nach Ostindien. Eine fromme, reiche Pflanzerin der Philippinen wurde meine Gemahlin und ich nach ihrem Tode der Erbe ihres Reichtums. Wir kehren auf der Stelle nach Basel um. Mein Ziel ist unerwartet erreicht . . . Die Hand her!«

»Mensch, was habe ich mit Dir zu schaffen?« sagte Addrich und blieb unbeweglich in seiner Stellung. »Bist Du nicht der auserkorne Quälgeist meines Daseins? Hast Du dem verstoßenen Knaben nicht schon das Herz des Vaters geraubt, nicht dem Jüngling die Liebe der erwählten Braut? . . . Du und kein anderer hat mir Epiphania entwendet, mir und dem Gatten.«

»Laß den alten Hader fahren!« rief der Stiefbruder mit besänftigendem Tone. »Das Herz der andern ist in keines andern, als in Gottes Gewalt; ihre Liebe war ja nicht meine Schuld, nicht mein Verdienst. Und dort steht Epiphania! Ich mußte sie entwenden, weil ich sie nicht fordern durfte. Du bist wegen Deines Unglaubens, ich wegen des alleinseligmachenden Glaubens geächtet. Ich darf nicht mehr ohne Gefahr in der Heimat meiner Väter wandeln, weil ich zur römisch-katholischen Kirche heimgekehrt bin. Ich stehe rechtlos vor Euren Richtern, und meine Tochter würde mir vom Glaubenshaß Eurer Obrigkeit verweigert worden sein. Selbst jener Landvogt, für den ich, Du weißt es, Vermögen, Würde und alles verlor . . . er, dem ich mich zuerst und einzig offenbarte, hatte nur so viel Dankbarkeit erübrigt, um mich, als wäre ich ein Aussätziger, zu warnen, nicht Berner Grund und Boden zu betreten.«

Addrich schien der Worte seines Bruders nicht zu achten, sondern in anderen Gedanken vertieft, stand er mit zur Erde gewandtem Blicke da.

»Nun, Alter,« fuhr Diethelm nach einigem Schweigen, in welchem er den finstern Greis mitleidsvoll beobachtete, fort: »Hand her! In den Wolken des Himmels, hoch über der Erde, führt uns die Hand Gottes auf der vaterländischen Höhe zusammen. Hand her. Das Vergangene sei vergangen. Ich will alle Deine Sorgen von Dir nehmen.«

Hier richtete Addrich das Haupt empor und sprach: »Ich habe Deine Tochter, die Du verlassen hattest, jenem Jüngling Fabian von der Almen zum Weibe gegeben, daß sie nicht schirmlos bleibe.«

Mit sanftem, billigendem Kopfneigen erwiderte Don Nardo: »Er will mein Sohn sein.«

Addrich warf den Blick suchend durch den Nebel, schritt an seinem Bruder vorüber zu Fabian und Epiphania hin, die noch einander fest umschlungen hielten und bei seinem Erscheinen mit Seligkeit in Stimme und Blick riefen: »Addrich, o Addrich! Aller Schmerz und alles Weh hat nun sein Ende!«

»Alles,« murmelte Addrich. Als sein Bruder herankam, wich er seitwärts langsam zurück in den Nebel, wo er wie ein düsterer Schatten zwischen den Felsen hinirrte.

»O mein Fabi,« rief Epiphania, indem sie den zärtlichen, von Freudenthränen schweren Blick zu dem Geliebten erhob, »nimm meinen Vater an Deine Brust.«

Fabian hielt mit einer Hand die schöne Gattin fest, als fürchte er, sie könne ihm noch einmal entrissen werden: mit der andern Hand entblößte er vor Don Nardo das Haupt und sagte: »Epiphania, Eure Tochter, ist mein mir anvermähltes Weib. Ich flehe um Euren Vatersegen.«

»Du sollst mein Sohn sein,« antwortete mit gütigem Blick Don Nardo, indem er seine Hand wie zum Segen auf Fabians Scheitel legte. »Des Himmels Wille waltet hier unverkennbar. Dich, den ich nebst Addrich seit sieben Wochen von so viel ausgesandten Leuten vergebens suchen ließ; Dich, von dem nie eine Spur entdeckt wurde, Dich führt Gottes Hand mir selbst so wunderbar entgegen. Wir waren im Begriff, Deinetwegen nach Aarau zum Dekan Nüsperli . . .«

»O wie viele Angst habe ich um Dich getragen, Fabi!« seufzte Epiphania und küßte ihres Lieblings Hand.

»Verzeihet mir,« sagte Fabian zum Herrn von Groenkerkenbosch, »wenn ich Euch verkannt und im Irrtum beleidigt habe. Warum verhehltet Ihr mir auch, daß Ihr der Vater meiner Faneli wäret? Warum verbarget Ihr Euch, den ich wohl als Herrn Diethelm kannte, hinter falschem Namen?«

»Mein Name ist echt aus der Taufe,« erwiderte jener. »Ich heiße Leonhard Diethelm. Unter fremden Himmel streifte ich alles ab, was mich an meine Unglückstage mahnte, selbst den Namen. Ich wurde als Leonardo glücklicher, wie ich als Diethelm je gewesen war; Dir aber, junger Freund, wie konnte ich Dir vertrauen, den ich nicht kannte. Ich wußte nur durch Sagen von einem leichtfertigen Gesellen, der bei Addrich um meine Tochter würbe, einem lockeren Kriegsknecht. Lange hielt ich Dich für ihn.«

Fabian umarmte den Vater Epiphanias und sagte mit Herzlichkeit in Geberde und Ton: »Seid mein Vater, ich will euer gehorsamer Sohn sein. Gehet nicht nach Aarau! Euer harret kein freundlicher Empfang.«

Don Nardo küßte des Jünglings Stirn mit sichtbarer Rührung und legte Epiphania an des Jünglings Herz: »Hier ist Dein Weib!«

In diesem Augenblick zerriß der graue Nebel, der sie wie ein Vorhang des Himmels umgab, und schlang sich goldbesäumt um die Scheitel der Berge. Die Sonne überstrahlte mit blendender Pracht die schroffen Felsen und grünen Gebüsche der hoch gelegenen Einöde, und von jedem Halme blitzte, in wechselnden Farben, ein flüssiger Diamant im reinsten Morgenlicht. Wie liebende Seelen, die sich nach dem Tode des Leibes im Elysium begegnen, standen Fabian und Epiphania, einander umfangend, da, sich still bewundernd, mit stummer Zärtlichkeit um Liebe fragend. Des Vaters Blick ruhte lange Zeit mit Wohlgefallen auf dem schönen Paare, das dem Überirdischen glich. Endlich wandte er sich zu seinen Dienern, welche in einiger Entfernung bei den Pferden warteten, und rief: Wendet um, wir kehren nach Basel zurück. Wo aber ist mein Bruder?«

Addrich war im Nebel verschwunden; keiner von den Dienern hatte ihn gesehen. Von allen Seiten wurde er gerufen, doch es erfolgte keine Antwort. Er wurde von allen gesucht; nach zwei Stunden hatte ihn niemand gefunden.

»Lasset ab!« sagte Fabian. »Den Unglücklichen drückt die Seligkeit der Glücklichen. Er ist allein hinüber, wohin wir heute Beide wollten, durchs Gebirge in des Kaisers Gebiet.«

Also stieg der ganze Zug auf der anderen Seite des Hauensteins hinab, wo sich der Weg minder steil zum einsamen Bergdorf Läufelfingen niederzog. Auch hier bot Don Nardo Geld aus, und sandte Leute aus, den Verlorenen im Gebirge zu suchen oder ihm durch die Wildnisse in das Frickthal zu folgen, wohin er sich wahrscheinlich gewendet hatte. Man versprach, ihn in der Stadt Basel zu erwarten, wohin der Zug sich wandte.

Nach drei Tagen kam zu Don Nardo die Botschaft, man habe den Leichnam eines Greises in einem Abgrunde gefunden, in welchen derselbe von einer schroffen Felswand, vielleicht in den Nebeln verirrt, herabgestürzt sei. Don Nardo verschwieg, was er wußte, um den Himmel seiner Kinder nicht zu trüben. Erst lange nachher offenbarte er ihnen auf seinem Schlosse am Rhein das Ende Addrichs.

Addrich im Moos (Historischer Roman)

Inhaltsverzeichnis

Inhalt


1. An Herrn Doktor Heinrich Schmutziger, Stabsarzt und Mitglied des Sanitätsrats zu Aarau.
2. Der Meistersänger.
3. Die Botschaft.
4. Der Schwede.
5. Eine neue Sendung.
6. Gute Gesellschaft.
7. Die Schmiede.
8. Das Haus des Fluches.
9. Störungen.
10. Die Gäste.
11. Die Brautwerbung.
12. Das Angebinde.
13. Der Zauber.
14. Der Rat der Verschworenen.
15. Mancherlei Nachricht.
16. Die Botin von Seon.
17. Das kostbare Geschenk.
18. Gespräch um Mitternacht.
19. Schwanengesänge.
20. Das Wirtshaus in Gränichen.
21. Die Unterredung im Gönhard.
22. Der neue Hiob.
23. Der Landsturm.
24. Die ersten Kriegsthaten.
25. Die Nacht in der Berghütte.
26. Neue Rätsel.
27. Kriegsgefangenschaft.
28. Die Erlösung.
29. Der Heimweg.
30. Die Entlebucher.
31. Der Brief.
32. Der Gang zur Bampf.
33. Das Geschwister.
34. Stummes Schauspiel.
35. Die Fragen.
36. Unerwartete Hoffnung.
37. Unerwartete Erfüllung.
38. Trennung.
39. Der Landtag zu Hutwyl.
40. Des Landtags Ende.
41. Der Gang des Aufruhrs.
42. Im Feldlager.
43. Böse Zusammenkunft.
44. Das Gefecht bei Mellingen.
45. Das Treffen bei Wohlenschwyl.
46. Die Nacht auf der Bampf.
47. Die letzte Nacht im Moos.
48. Das Gefecht bei Herzogenbuchsee.
49. Rettung.
50. Die letzten Erscheinungen.

1.
An Herrn Doktor Heinrich Schmutziger, Stabsarzt und Mitglied des Sanitätsrats zu Aarau.

Inhaltsverzeichnis

Du wünschest Dir, mein geliebter Hyppokrates, keinen besseren noch schlimmeren Kranken, als mich; und ich mir keinen schlimmeren und besseren Leser, als Dich. Darum wähle ich Dich, kraft der Machtvollkommenheit und des monarchischen Prinzips, welches Dichtern, wie Staatsmännern, über alles geht, zum alleinigen Stellvertreter der gesamten lesenden Welt und übergebe Dir dies unschuldige Märchen als Neujahrsgabe.

Was ich Dir übergebe, ist nur ein Versuch, der sich durchaus nichts anderes vorgesetzt hat, als den löblichen Zweck der schönen Schwätzerin Scheherezade am Bett des Sultans in tausend und einer Nacht. Da ich mit Wahrheit versichern kann, beim Träumen von »Addrich im Moos« selbst mehreremal eingeschlafen zu sein, so darfst Du das Märchen Deinen Kranken als Somniferum oder Einschläferungsmittel getrost verordnen.

Daß ich dabei auf Dich, als meinen Hauptleser, besondere Rücksicht genommen habe, bedarf keiner Beteuerung, denn wem mehr als Dir, Du menschenfreundlicher Heiland so vieler Schmerzenleidenden, Du treuer Vater der Armen, Du, der Du immer in den Vorderreihen derer zu finden bist, die das Gute und Gemeinnützige befördern, wem mehr als Dir wäre oft ein erquickendes Schlummerstündchen zu gönnen, in welchem Dir Dein Engel erscheint und Dich stärkt?

Bloß Dir zu größerer Bequemlichkeit wählte ich den Schauplatz der Erzählungen aus Deinen Umgebungen. Wer kennt besser als Du Stadt und Vorstadt unseres lieben Aarau? Die einsame hochgelegene Hütte auf der Bampf habe ich Dir schon mit dem Finger gezeigt. Das Schloß Rued – alles im Umkreise weniger Stunden – sahst Du selbst.

Zum Überflusse will ich Dir beides näher beschreiben, denn nichts schläfert mehr ein, als wenn jemand das recht breit erzählt, was man schon weiß. Gleichviel, wo ich beginne; ich fange mit dem Schlosse Rued an, welches in unserm Aargau, drei Stunden vom Aarstrome, rechts demselben, im Schoße des niedern Gebirges gelegen ist. Es erhebt sich dort, leicht zugänglich, auf einer milden Anhöhe, die unmittelbar an eine der Bergreihen lehnt, welche, aus Sandfelsen bestehend, die sogenannte ebene Schweiz durchziehen, und ihre Thäler gegen den zackigen Jura ausmünden.

Vor alten Zeiten war dieses Schloß der Stammsitz eines ritterlichen Geschlechtes, welches von ihm den Namen trug; es kam dann an die im Aargau vielbegütert gewesenen Herren von Büttikon, bis das Land mit Eroberung der Grafschaft Lenzburg, zu der es gezählt wurde, an Bern kam. Bei jener Eroberung, im Jahre 1415, soll die alte Burg Rued verödet gewesen sein. Darauf ging sie als Eigentum an die edeln Meyen von Bern über, deren Enkel sie noch heute, wiewohl in veränderter Gestalt, bewohnen. Das Schloß gleicht heute mehr einem großen, bescheidenen Landhause, als einer mittelalterlichen Burg. Ebenso stand es auch schon in der Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts, doch damals besaß der einzige Eigentümer noch größere Rechte über die umliegenden Ortschaften, als zu unserer Zeit. Aus den Fenstern der hochgelegenen Wohnung übersah er einen Teil seiner herrschaftlichen Besitzungen, Höfe und Ortschaften, die an den Hügeln und in den stillen Gründen des Ruederthales anmutig umherlagen. Wie seine Nachfolger, und vermutlich auch wie seine Vorfahren, verlebte er den größten Teil des Jahres in diesem freundlichen Erdenwinkel, der zwar nicht, wie andere Schweizerlandschaften, durch überwältigende Naturwunder die Seele mit Erstaunen, Entzücken oder Entsetzen fesselt, aber dennoch das Gemüt durch einfache, ich möchte sagen, gemütliche Lieblichkeit und durch das Trauliche, Heimatliche seiner Thalkrümmungen und seiner dicht bewaldeten Berge und hinter Fruchtbäumen verschämt versteckten Wohnungen gewinnt.

Gewöhnlich erschien der Oberherr schon vor Beginn der schönen Jahreszeit in seinem Schlosse, um sowohl erforderliche Anordnungen für die landwirtschaftlichen Arbeiten zu treffen, als auch sich nebenbei noch an der Schnepfenjagd zu erfreuen. So war es auch im Jahre 1653, aber über alles Erwarten früh, schon im rauhen Februar, geschehen. Die Landleute, denen bei der winterlichen Einsamkeit in ihren noch verschneiten Hütten das Unbedeutendste zum unerschöpflichen Stoff der Unterhaltung wurde, wunderten sich allerdings, ihren Oberherrn früher als die Störche, mit Petri Stuhlfeier Einzug halten zu sehen. Die Gescheiteren schüttelten bedenklich den Kopf und gaben zu verstehen, daß ihn bloßer Schnepfendreck, wie sie sagten, nicht so vorzeitig von den Spieltischen der Vettern und Basen zu Bern weggelockt haben möge; dahinter liege eine Katze versteckt. Man hatte schon manche sonderbare Gerüchte vernommen, und das Betragen des Oberherrn schien gewisse Mutmaßungen eher zu bekräftigen, als zu widerlegen. Er zeigte sich nämlich gegen die Bauern, wiewohl er immer ein wohlwollender und gerechter Herr gewesen war, weit leutseliger und freundlicher als in früheren Jahren; nannte jeden beim Namen; fragte den einen um sein Wohlbefinden, den andern nach Weib und Kindern; lobte ihr gehorsames Betragen gegen die Obrigkeit und pries daneben die Vortrefflichkeit der väterlichen Regierung von Bern. Im Schlosse selbst war er einsilbiger, nachdenklicher, verschlossener als sonst; schrieb viele Briefe, oft in der Nacht; und man sah Boten zu ihm kommen, die niemand kannte, und andere, die er eiligst abschickte. Man wußte, freilich durch unzusammenhängende Gerüchte, daß es in einigen Gegenden der Schweiz unruhig, daß Entlebuch im Aufstand, die Stadt Luzern sogar von den wilden Bauern berannt sei. Hiermit setzte man die geheimnisvolle Thätigkeit des Oberherrn in Verbindung. Man hätte gern mehr erfahren. Er jedoch äußerte gegen seine ihm unterthänigen Leute und selbst gegen die vertrautesten Diener nichts von allem, was er vernehmen mochte. Als Staatsmann wußte er wohl, der Blinde sei zum eigenen Belieben besser zu führen, als der Sehende.

2.
Der Meistersänger.

Inhaltsverzeichnis

Zu der Zeit, welche man heutigen Tages die gute, alte Zeit nennt, las man in den Dörfern weder Zeitungen, noch erleichterten zahllose Kunststraßen und wohlunterhaltene Verbindungswege den Verkehr zwischen Städten, Dörfern und abgelegenen Thälern. Die Leute im Ruederthal mußten sich also an verworrenen Gerüchten, wie sie ihnen der Zufall brachte, und welche mehr Neugier weckten, als stillten, über das genügen lassen, was im Schweizerlande vorging.

An einem Märztage stand, weil der Oberherr abwesend war, des Abends das Gesinde des Schlosses, selbst der Verwalter, müßig auf dem Platz vor der Pforte und besprach die altgewordenen Neuigkeiten von Aufruhr, Schlachten und Hinrichtungen. Man war darin ziemlich einig, daß die Regierungen durch das Verbot der fremden Scheidemünze und durch Herabsetzung der einheimischen Batzen auf die Hälfte des bisherigen Wertes den Unfrieden selber gestiftet hätten.

Das Gespräch wurde durch das plötzliche Erscheinen eines Mannes beendet, der mit hastigen Schritten daher eilte und ohne Zweifel wichtige Geschäfte beim Oberherrn auszurichten hatte. Da man von ihm etwas zu erfahren hoffen konnte, so bewegte sich jeder vom Platze ihm unwillkürlich, doch langsamen Schrittes entgegen, um die Neugier nicht zu sehr bloß zu stellen. Der kleine, runde, freundliche Mann, der jährlich einige male ins Schloß zu kommen pflegte und bei der Herrschaft nicht übel angeschrieben stand, war ihnen allen gar wohl bekannt. Es war nämlich der Meistersänger und Spielmann Heinrich Wirri von Aarau. Er zog den breitkrempigen, hochgespitzten Rundhut gar höflich vom Krauskopf, grüßte den Verwalter, nickte den Knechten links und rechts und erkundigte sich nach dem Oberherrn.

»Er ist hinaus, um sich ein wenig zu ergehen, nachdem er den ganzen Tag geschrieben,« sagte der Verwalter; »doch lange bleibt er selten aus. Beliebt's, Meister Wirri, so tretet indessen ins Schloß; Ihr werdet nicht verschmähen, Euch mit einem Abendtrünklein zu erfrischen, zieht Ihr's aber hier am Tischchen unterm blauen Himmel vor, so soll auch hier für Euch gesorgt werden.«

Der Meistersinger verbeugte sich mit dankbarer Freundlichkeit, warf den kurzen, schwarzen Mantel über die Schulter zurück und ließ sich auf der hölzernen Bank im Hofe nieder, wodurch er zu verstehen gab, der Trunk im Freien werde ihm besser zusagen. Bei der ansehnlichen Fülle seiner Leibesglieder hatte ihn das Ersteigen des Schloßberges und der lauwarme Hauch des Föhnwindes im Übermaß in Schweiß gebracht. Während er, Stirn und Wangen trocknend, die Rückkehr des gastfreien Verwalters erwartete, reihten sich Knechte und Bauernknaben in einem Halbkreise um ihn, und betrachteten das gelbe Wamms, die grauen Hosen und roten Strümpfe stumm, doch mit einer Aufmerksamkeit, als könnten sie schon daraus den gegenwärtigen Stand der Welthändel erraten. Der Verwalter kam endlich; ihm folgte ein Knecht mit gefüllter Weinflasche nebst Brot und Emmenthaler Käse auf glänzenden Zinntellern.

Der Meistersänger verneigte sich abermals und nahm von dem Brote, während der Verwalter das dunkelgrüne Trinkglas füllte. Den Emmenthaler jedoch schob der Meister höflich zurück und sagte zum Verwalter: »Käse ist am Morgen Gold, am Mittag Silber, am Abend Blei. Ich kenne die Regel und erstatte unterthänigen Dank. Nun aber vor allen Dingen beliebet mir von Euerm werten Wohlbefinden Nachricht zu geben, Herr Freund, und wie es bei Euch hier zu Lande steht und geht.«

»Die Frage sollte ich vielmehr an Euch richten,« antwortete der Verwalter mit sauersüßem, einem Lächeln ähnlichen Verziehen seiner derben Gesichtszüge, indem er sich neben den Gast auf die Bank setzte, die langen Beine ausstreckte und mit vorgebogenem Leibe die Hände auf die Kniee stemmte; »denn wir – Gott sei Dank – leben hierorts gar wohl und friedlich. Aber es will verlauten, es sei nicht gleichermaßen überall, Meister Wirri, man spricht von Lärmen in Entlebuch und dergleichen.«

»Allerdings, allerdings!« erwiderte der Meister. »Ich möchte kein Hemd in dieser Wäsche haben. Der Teufel hat sein Ei mitten im Winter ausgebrütet, und nun ist das ganze Luzernergebiet in hellem Aufruhr gegen die Obrigkeit; das Emmenthal steckt auch das Banner der Rebellion auf und hier im Aargau stinkt's nicht minder nach Brand. Ich traue den Bauern nicht mehr über den Weg. Sobald sie sich tief bücken, haben sie den Teufel im Rücken. Wenn man hier fegen wollte, würde man auch finden, was hinterm Ofen liegt!«

»Ei, ei,« rief der Verwalter, »wir leben hierorts, glaubt mir, wie die unwissenden Heiden; kein Wort ist uns von allen Vorfällen bekannt. Hat's wirklich blutige Köpfe gegeben?«

»Mehr als zum Heilwerden gut sind, Herr Freund,« antwortete der Spielmann von Aarau. »Ich wollte Euch nicht geraten haben, dort auf dem Roß des Landvogts zu reiten, oder in den Schuhen des Schuldenboten zu wandern, wenn Ihr nicht Lust hättet, früher an der Himmelspforte zu stehen, als man sonst mit Roß und Schuhen dahin gelangt. Alle Dörfer sind befestigt, Wege und Stege besetzt, alle Reisenden festgehalten, alle Briefe erbrochen. Niemand weiß mehr, wer Koch oder Kellner ist. Seit die Emmenthaler den Gehorsam aufgekündigt haben, wette ich für unser gesamtes Bernergebiet keine hohle Nuß mehr.«

»Also auch die Emmenthaler? Wer hätte das von Leuten gedacht, die sonst so gehorsam waren!« seufzte der Verwalter.

»Es ist keine Katze so glatt, sie hat ihre Krallen,« versetzte der Erzähler. »Der Rat von Bern z. B. schickte den Herrn Venner Frisching von Trachselwald, das Volk zu Treu und Frieden zu ermahnen. Die Bauern stellen sich ihm gegenüber gar unterwürfig und freundlich. Aber der Fuchs grüßt nur den Zaun, wenn er in den Garten will. Indessen die Emmenthaler dem Herrn Venner Bücklinge machten mit der Nase bis auf die Erde, beschwören sie in derselben Stunde zu Hutwyl einen Bund gegen meine gnädigen Herren von Bern, Leib und Leben daran zu setzen, um ihre alten Freiheiten, wie sie es nennen, wieder zu bekommen. Da habt Ihr's. Das Luzerner Volk hat den Handel angefangen, aus alten verfaulen Kisten und Gemeindsladen Freiheitsbriefe zusammengelesen. Die Emmenthaler ahmen ihnen nach und wollen es auch besser haben. Ungleiche Schüsseln machen scheele Augen. Nun gehet alles durcheinander.«

»Mir steht der Verstand still,« rief der Verwalter. »Wie konnte der böse Geist so plötzlich in die Gergesenersäue fahren?«

»Ei nun, Ihr wißts ja, Herr Freund,« entgegnete der Spielmann, »im Winter hat der Bauer allzeit blauen Montag, und müßige Köpfe haben seltsame Gedanken. Da wird in Wirtshäusern viel ausgeheckt, was fliegen kann, sobald es den Schnabel aufsperrt.«

»Was sagen aber meine gnädigen Herren von Bern und Luzern?« fragte der Verwalter. »Schaun doch nicht müßig zu, bis ihnen der Bauer über den Kopf wächst? Wäre ich Meister, das wäre mir anders. Warum nicht Truppen versammelt und drein geschlagen mit der Schärfe des Schwertes? Nur rechten Ernst gezeigt: der Bauer trotzt allweg, wenn man ihm höflich begegnet; aber ihm übers Maul gefahren, sagt er: Gehorsamer Diener! und macht die Faust im Sack.«

»Ja, ja, Herr Freund, Ihr möget nicht ganz Unrecht haben,« antwortete Wirri lachend, »es verdirbt mancher gute Rat, den der Schultheiß nicht hat, im Sack des gemeinen Mannes. Aber, Herr Freund, der stärkste ist Zwingherr, und mit böswilligen Hunden ist schlecht jagen. Meine gnädigen Herren haben im Lande Kriegsvolk aufbieten wollen. Was geschieht? Der Bauer ist wohl da, der Soldat aber nicht zu Hause. Da heißts: Wir ziehen nicht gegen unsere eigenen Landsleute! Andere sagen, Zahlt uns zuvor die Reisegelder aus. So schallts überall zurück, und deshalb haben die Herren von Luzern vierhundert Mann aus den kleinen Kantonen in die Stadt ziehen müssen, um des eigenen Lebens sicher zu sein. Es ist vorbei und ist böse, Füchse mit Füchsen zu fangen. Die Bauern wollen nicht gegen die Emmenthaler ins Feld. Was sagt ihr nun, Herr Freund?«

Der Verwalter verzog bedenklich die Miene und räusperte sich. Die Knechte, welche bisher stumm und still zugehört hatten, schienen bei den letzten Worten des Aarauers um einen Zoll gewachsen zu sein, sahen sich links und rechts mit bedeutsamen Blicken an, und nickten einander zu.

»Man muß der Rädelsführer der Rebellen habhaft werden!« schrie der Verwalter, indem er dazu sein strengstes Amtsgesicht machte.

»Richtig!« erwiderte der Meistersänger. »Will man die Treppe reinigen, fängt man von oben, nicht von unten an. Aber den Stier, wenn er wütet, kann man nicht beim Horn packen.«

Die Umstehenden lachten, Der Verwalter warf einen finstern Blick auf das Gesinde und rief: »Was habt Ihr Maulaffen feil! Packt Euch; es ist für Euch da nichts zu horchen!«

»Hm!« sagte ein struppiger Kerl, hämisch-lächelnd. »Ich meine, der Platz ist breit genug für Euch und uns.« Die andern schwiegen und bewegten sich nicht von der Stelle.

Meister Wirri fuhr indessen fort: »Man kennt die Rädelsführer alle aufs Haar; das sind aber Bursche wie Esaus Hand und Jakobs Stimme. Ich selbst kenne den Rebellen Christen Schybi aus dem Entlebuch, der macht Euch den besten General zu Schanden; ich glaube, er hat beim Schwedenkönig gedient. Die Luzerner Gesandten hat er beim Kragen genommen und eingetürmt, die Hauptpässe an der Emme und Gislikon stark besetzt, und die Hauptstadt mit bewaffnetem Volk belagert.«

»Bewahre uns Gott!« sagte der Verwalter erschrocken. »Ists schon dahin gekommen? Nun, Ihr guten Leute, was steht Ihr doch? Ich mags nicht leiden, setzt Euch aufs Bauholz hierneben. Stehen macht müde Beine.«

Die Schloßknechte, an die er die Worte richtete, schienen ihnen nicht zu hören, sondern hielten die Blicke mit großer Aufmerksamkeit auf den Mund des Berichterstatters geheftet, den der Wein, welchen er von Zeit zu Zeit behaglich hinunterschlürfte, immer redseliger machte

»Der Schybi,« fuhr er fort, »macht alles zittern, aber er hat auch einen Kopf so groß wie der aufgehende Vollmond. Als ihn Herr Schultheiß Dulliker von Luzern beim Lärmen in Wollhausen etwas rauh anfuhr, sagte er, daß es alle hörten: Ihre Gnaden, Herr Schultheiß! Das Rathaus von Luzern, wo uns Hauptmann Krebsinger anschnaufen durfte, liegt fünfthalb Stunden von Wollhausen. Vergesset das nicht; wir verlangen, was Recht ist, und wollt Ihr das Rechte nicht, so macht Euch aufs Linke gefaßt . . . Und wie er das sagte, schlug er an seinen Degengriff.«

»Schlimm, schlimm, sehr schlimm!« sagte der Verwalter und zog die breiten, eckigen Schultern in die Höhe. »Was nützt des Schultheißen Zorn? Was meines hochgeachteten Herrn Venners Güte?«

»Ihr habt allerdings recht, Herr Freund,« erwiderte der gesprächige Meister. »Da sind Hopfen und Malz verloren; Emmenthal trägt Nesseln, wie Entlebuch. Wißt Ihr, wer die Emmenthaler kommandiert? Das ist Klaus Leuenberg, der reiche Bauer von Schönholz; ein grimmiger und frecher Gesell. Habt acht! Dies Jahr wird Blut säen und Köpfe mähen: man spricht schon von Nasen- und Ohren-Abschneiden. – Was obrigkeitlich ist, das ist geflohen: kein Schaffner mehr im Kornhaus; kein Weibel mehr im Amthaus. Ist die Katze nicht zu Haus, tanzen die Mäuse über Tisch und Bank, wie Ihr wohl denken könnt.«

Hier wurde das Gespräch unterbrochen, als einer der Knechte zu den andern sagte: »Dort kommt der Junker vom Berg herab.« Alle zerstreuten sich langsam und nach verschiedenen Seiten. Der Verwalter verließ die Bank und wandelte nachdenkend auf dem Platz umher, indem er von Zeit zu Zeit den Kopf schüttelte. Meister Wirri leerte eilfertig sein letztes Glas, und ging dem Oberherrn entgegen.

3.
Die Botschaft.

Inhaltsverzeichnis

Es war ein stattlicher, wohlgewachsener Mann in den Vierzigen, mit dem Ausdruck edelmütigen Wohlwollens in dem angenehmen Gesichtszügen; schlicht, doch nicht ohne Sorgfalt im Äußern. Etwas Schweres, fast Steifes in Haltung und Bewegung verlieh ihm eine gewisse Würde, und die stete Ruhe des Gesichtes, welche dem Mangel innerer Reizbarkeit ihre Entstehung zu verdanken schien, konnte ebenso gut für Wirkung der Herrschaft gelten, welche er über seine Gefühle erlangt hatte. Während er nachlässig die Hand an sein rotes Barett legte, des Spielmanns Gruße zu erwidern, sagte er zu demselben: »Willkommen, Meister Heini, was bringst Du mir gutes von Aarau?«

»Ich verhoffe, Junker Oberherr, wenigstens keine Hiobspost, wiewohl heutzutage das Gute so selten wird, wie fettes Gras um Weihnachten. Vor allen Dingen läßt sich mein Herr Schultheiß Hagenbuch allergehorsamst empfehlen und übersendet dies Briefchen – das zweite hier hat mir der wohlehrwürdige Dekan Rüsperli für Euch anvertraut, als er von meiner Reise nach Rued vernahm.«

Der Junker öffnete lässig das Schreiben des Schultheißen und durchlief es mit den Augen. Nach einer Weile murmelte er für sich wiederholend die Worte: »Durchpaß, aber keine Besatzung? Hm! . . .« sann dann eine Weile nach, indem er die Hände, worin er die empfangenen Papiere hielt, auf den Rücken legte, ging gemächlich ein paar Schritte vor, ein paar zurück, und sagte darauf: »Ich verstehe nicht, was Aarau will? Der Schultheiß Hagenbuch, der in der Feder nicht stark ist, verweist mich an Deine Zunge. Begleite mich also ein wenig; der Abend ist ruhig und warm. Erzähle mir!«

Er ging, bei diesen Worten sich vom Schloßplatz entfernend, langsam wieder den Weg. welchen er gekommen war, und dessen sandiges Geleise sich bald in der Dämmerung schwarzer Tannen verlor, nach dem Berge zurück. Wirri wandelte ihm schweigend zur Seite, die Befehle des Junkers erwartend.

»Erzähle mir also ausführlich den heutigen Beschluß der Aarauer, denn des Schultheißen Hagenbuch Worte sind ebenso kurz als unverständlich. Es ist Dir bekannt, Heini, daß der um sich greifende Aufruhr des Landes den Rat von Bern zu strengen und kriegerischen Maßregeln gezwungen hat. Zwar ist der Aargau noch ruhig. aber seine Gesinnung ist unzuverlässig. Darum wird dieser Tage das Kriegsvolk von Mühlhausen, Basel und Schaffhausen einrücken, Die Züricher stehen mit achttausend Mann zum Aufbruch bereit.«

»Hilf Himmel!« rief der Meistersänger. »So sei Gott dem armen Lande gnädig. Ein Krieg ist schneller angefacht als abgemacht. Es war unserem Volke nur zu wohl, darum schlägt's gegen seinen Herrn nach hinten aus, wie ein mutwilliges Füllen. Aber freilich, es müssen starke Beine sein, die gute Tage tragen sollen . . . Der Überreiter von Bern kam schon gestern in Aarau an. Diesen Morgen nun wurde die ganze ehrsame Bürgerschaft aufs Rathaus entboten. Da hat der Herr Schultheiß Hagenbuch angezeigt, daß ein Schreiben von unseren gnädigen Herren angekommen sei, worin ihrer Gnaden Wille und Meinung wäre, fünfhundert Mann von Basel und Mühlhausen in unsere Stadt zu legen, mit dem Befehle, man solle ihnen Speise und Trank um den rechten Preis zukommen lassen. Die sollten bei uns in der Stadt verbleiben, bis die Bauern bezwungen sein würden.«

»Die Sache ist einfach,« unterbrach ihn der Junker, »die Schaffhausener werden ebenso die Stadt Brugg besetzen, um aller Pässe über die Aar Meister zu bleiben und die Grafschaft Lenzburg von den Ämtern Biberstein und Schenkenberg zu trennen. Wurde die Bürgerschaft bald einig?«

»Ja, Junker Oberherr, wenn wir alle nur einen Kopf hätten, so brauchten wir nur einen Hut. Die Bürger begehrten Bedenkzeit, gingen in die Kirche und berieten mit einander. Hieronymus Kasthofer beantragte: man müsse unseren gnädigen Herren zu Bern willfahren. Eine Kriegsbesatzung gereiche der Stadt selber zum Schutz gegen die Anfechtungen des Landvolks. Dem widersprach aber Antoni Hunziker aus aller Kraft. Er meinte, Soldaten bringen nicht immer Sieg, aber immer Krieg. Der Kriegsknecht im Haus, mache dem Frieden Garaus. Die Bürger könnten ihre Thore besser hüten, als Fremdlinge. Wolle Bern mit dem Landvolk streiten, so solle Aarau nicht die Haare dazu geben. Man müsse keine Partei nehmen, denn die Bauern grenzen an den Stadtbann, Bern aber läge vierzehn Stunden davon. So ungefähr redete Anton Hunziker, und nun gab's Lärmen für und wider, bis Samuel Schmutziger aus der Vorstadt aufstand. Ihr kennt vermutlich den Biedermann, Junker Oberherr, er ist der guten Sache Freund und niemandes Feind. Die ganze Bürgerschaft hält ihn in Ehren, denn er ist aller Welt Helfer, und verlangt dafür erst die Zahlung im Himmel.«

»Gut, gut!« rief der Junker. »Nenne mir seinen Rat, so kann ich ihn auch loben.«

»Ei nun, er meinte: Rechtthun gehe über Klugthun. Freien Durchzug müsse man den Hilfsvölkern von Bern gegen jeden Feind gestatten: ob aber die Stadt verpflichtet sei, Besatzung aufzunehmen, darüber müsse man sich die Freiheiten von Aarau vorlesen lassen. Diese Meinung wurde durch Handaufheben angenommen und ein Ausschuß von fünfzehn Mann trug dieselbe den Räten und Bürgern vor. Dabei ist's einstweilen verblieben.«

»Das ist etwas und nichts,« sagte Junker Mey. »Es muß anderswo durch. Wenn sich Bern gegen rebellische Unterthanen zur Wehr setzen will, sollen die Aarauer ihren Herren und Oberen keineswegs die Hände binden. Ich werde selbst zur Stadt gehen, und hilft Güte nicht, wird's Ernst gelten.«

»Junker Oberherr, haltet zu Gnaden! Das Sprüchlein sagt: Allzuscharf schneidet nicht. Geht gemach! Schultheiß Dulliker von Luzern sagte auch: Man kommt mit einer Hand voll Gewalt weiter, als mit einem Sack voll Recht. Aber ich dachte, als ich ihn vor sechs Wochen in bleichem Schrecken aus Wollhausen wegreiten sah: wenn man die Weidenrute zu stark dreht, bricht der Knebel.«

»Warst Du beim Auftritt im Entlebuch, wo die Rebellion ihren Anfang nahm?«