Inhalt



Erster Teil

Wie alles begann ...

Zweiter Teil

Oktober – Reise in Ungewisse

Dritter Teil

November – Der alltägliche Wahnsinn

Vierter Teil

Dezember – Weihnachten unter Palmen

Fünfter Teil

Januar – Neues Jahr, Neues Glück, Neue Abenteuer

Sechster Teil

Februar – Mein Leben in Brisbane

Siebter Teil

März – Reisen, Traumstrände und Co.

Achter Teil

April – Countdown: Die letzten 30 Tage

Neunter Teil

Juni/Juli – Mein Leben danach

Zehnter Teil

Besuch in Deutschland

Elfter Teil

Das große Wiedersehen in Australien

Sprachtipps

Australischer Slang

Bilder aus meiner Zeit in Australien

Impressum




© 2018, hansanord Verlag


Alle Rechte für diese Ausgabe vorbehalten
Das gilt vor allem für Vervielfältigung, Übersetzungen, Mikrofilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen - nur nach Absprache und Freigabe durch den Herausgeber.



ISBN: 978-3-947145-12-6

Lektorat: Birgit Rehaag, www.lektorat-satzzeichen.de

Bilder: aus dem Privatbesitz von Miriam Traut

Aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen sind Namen, Orte und Personen teilweise verändert und fiktionalisiert.


Für Fragen und Anregungen: info@hansanord-verlag.de

hansanord Verlag
Johann-Biersack-Str. 9
D 82340 Feldafing
Tel.:  +49 (0) 8157 9266 280
FAX: +49 (0) 8157 9266 282
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Miriam Traut


Im Land der Kangaroos





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über die Autorin




MiriamTraut

Geboren im Jahr 1984, hat die Autorin Miriam Traut im Alter von 19 Jahren selbst eine Reise in das Unbekannte gewagt. Sie hat 365 Tage in einer Gastfamilie als Au-pair-Mädchen in New York verbracht. Dieser Aufenthalt hat ihr weiteres Leben stark geprägt. Im Anschluss ging Miriam nach Australien und absolvierte eine schulische Berufsausbildung an einem College in Brisbane. Heute ist sie Flugbegleiterin, lebt in Bad Camberg und hat schon einen großen Teil der Welt gesehen.


Sprachtipps

Australischer Slang


Barbecue - Barbie

Gemüse - Veggies

Kekse - Bikkies

Frühstück - Brekkie

Bierkrug - Pint

Hallo - G´Day

Brisbane - Brizzie

Australien - Oz

Australier - Aussie

Kumpel - Mate

das „Outback“ - Bush

Känguru - Roo

Känguru - Baby Joey

Flipflops - Thongs

Unterwäsche - Undies

Sonnenbrille - Sunnies

Badesachen - Togs

Wie bitte? Hä? - Ay?

Wie geht es dir ? - How ya going?

Das ist kein Problem. - No worries!

Erster Teil

Wie alles BEGANN ...


Mein Name ist Miriam, ich bin zwanzig Jahre alt und die letzten dreihundertfünfundsechzig Tage habe ich in einer New Yorker Upper-Class-Familie gelebt und mich um deren vierjährigen Sohn namens Cornelius gekümmert. Meine Gastmutter war zwar eine Zicke, das Kind anfangs ein verwöhnter Fratz und ich selbst hatte vor meiner Abreise gerade mal eine Vier in Englisch, dennoch wurde es zum bisher besten Jahr meines Lebens: Meine Englischkenntnisse verbesserten sich im Nu, ich lernte wunderbare Menschen aus der ganzen Welt kennen, feierte ausgelassene Partys, reiste viel herum und auch die Männerwelt ließ mich nicht kalt. Ich verliebte mich in einen jungen Amerikaner namens Marc, einen neunzehnjährigen gutaussehenden Mann mit ecuadorianischen Wurzeln.

Ich durfte in dem einen Jahr als Au-pair-Mädchen extrem viele neue Erfahrungen sammeln. Das vermisse ich hier – in Deutschland – sehr. Seit fünf Wochen bin ich nun wieder zurück in der Heimat, doch mir ist, als wäre die Zeit während meiner Abwesenheit stehen geblieben. Ich selbst habe mich verändert und scheine nicht mehr in diese Welt zu passen. Selbst mit meinen besten Freundinnen ist es nicht mehr so, wie es einst war. Wir haben uns auseinandergelebt, die Interessen sind nicht mehr dieselben. Was ist nur geschehen?, frage ich mich viel zu oft und sehne mich nach meinem alten Leben in New York zurück. Ist das der sogenannte Reverse-Kulturschock, von dem ich gelesen habe? Die Rückkehr sei nach solch einem mehrmonatigen Auslandseinsatz das Komplizierteste von allem, heißt es, da die Wiedereingliederung in die eigene Kultur eine schwierige psychologische Erfahrung darstelle.

Die Frage, wie es jetzt weitergehen soll, bekomme ich in letzter Zeit viel zu oft zu hören. Ich müsse mich allmählich entscheiden und die ersten Bewerbungen schreiben, sagen meine Eltern fast tagtäglich beim gemeinsamen Abendbrot, denn mit meinen zwanzig Jahren wäre es allerhöchste Zeit, dass ich endlich eine Berufsausbildung oder ein Studium beginne. Da haben sie womöglich recht.

In die engere Auswahl kommen: ein Tourismus-Studium oder eine Ausbildung zur Erzieherin. Aber ... eigentlich will ich einfach nur zurück nach New York. Selbstverständlich habe ich mich längst über die Optionen, eine Ausbildung in den USA zu absolvieren, erkundigt. Doch da Berufsausbildungen dort schulisch erfolgen und der Besuch an einem der zahlreichen Career Colleges sündhaft teuer ist – die jährlichen Studiengebühren liegen im fünfstelligen Bereich –, wurde mir schnell klar, dass das nichts wird. Das war`s dann wohl auch mit mir und Marc, der in New York lebt!?

Um meine Eltern glücklich zu machen (und vermutlich, um mein eigenes schlechtes Gewissen zu beruhigen!), entscheide ich mich vorerst für eine schulische Berufsausbildung als Erzieherin in der Nähe meines Heimatstädtchens, die in einem halben Jahr – Anfang September – beginnen soll. Als ich dies offiziell verkünde, ist jeder davon überzeugt, dass dies genau das Richtige für mich ist – nur ich selbst zweifle an dieser Entscheidung. Ist es tatsächlich das, was auch ich möchte?

*

Es ist Samstag. Mit einem leckeren Cappuccino in meiner Hand lasse ich mich auf die grün angemalte Holzbank vor dem Starbucks-Café in der Fußgängerzone plumpsen. Ein Stadtbummel ist immer wieder schön, denke ich erfreut, nippe an meinem Heißgetränk und strecke die Beine aus. Inzwischen bin ich seit mehr als vier Monaten wieder in Deutschland, aber so richtig eingelebt habe ich mich trotzdem noch immer nicht. Seltsam, oder? Ich kann es mir selbst auch nicht erklären.

Vor Kurzem habe ich ein Praktikum in einer Kindertagesstätte begonnen. Ein Nachweis darüber wird für die Aufnahme an der Schule verlangt, wo ich die Ausbildung zur Erzieherin machen möchte. Anfangs war ich ziemlich verärgert, dass all die Erfahrungen, die ich während meines Au-pair-Jahres mit Kindern gesammelt habe, hierfür nicht ausreichend sein sollten. Aber da durch das mehrmonatige Praktikum die Vorausbildung als Sozialassistentin wegfällt, kann ich zumindest die Ausbildungszeit um zwei Jahre verkürzen.

… und ich bin wenigstens tagsüber beschäftigt, das kann momentan nicht schaden. Ansonsten würde ich womöglich nur zu Hause rumhocken und meinem alten Leben in den USA nachtrauern, das ich so sehr vermisse. Die Arbeit mit den lieben Kleinen lenkt mich immerhin ein wenig ab.

Die zarten Sonnenstrahlen, die meine Nase kitzeln, sind eine Wohltat. Das Frühjahr beginnt – endlich! Am Himmel in der Ferne ist ein Flugzeug zu erkennen. Wo die wohl hinfliegen?, frage ich mich. Asien? Afrika? Amerika? Oder gar Australien? Ach ja, ich möchte so gerne wieder etwas erleben, will raus in die große, weite Welt. Ich habe solches FERNWEH!!!

Ich nehme einen Schluck und komme ins Grübeln. Plötzlich habe ich diese verrückte Idee: Wenn ich schon nicht nach Amerika zurückkehren kann, wie wäre es dann, wenn ich mich für ein anderes Land oder einen anderen Kontinent entscheide? Zum Beispiel: Australien. Den roten Kontinent fand ich schon immer faszinierend und ein Aufenthalt im Land der Aborigines könnte durchaus spannend werden.

Ich denke kurz nach. Ob eine Ausbildung, wie ich sie mir vorstelle, in Australien überhaupt möglich ist? Und was wird mich das kosten? Noch am selben Abend begebe ich mich im Internet auf die Suche. Ein Schulbesuch an einem Berufscollege im Land der Kängurus, lese ich. Es wird über eine deutsche Organisation vermittelt:

Am Marton College, einer erstklassigen Privatschule in Brisbane, werden schulische Berufsausbildungen in Form von Certificates und Diplomas angeboten. Die Dauer dieser Ausbildung betragen mindestens sieben Monate und der Unterricht findet ganztägig statt. Gewinnen Sie neue Fachkenntnisse, verbessern Sie ihre Sprachkenntnisse und lernen Sie nebenbei noch eine fremde Kultur kennen. Solch eine Ausbildung macht sich in jedem Lebenslauf gut – ein weiterer Pluspunkt für Sie!, heißt es. Einstiegsmöglichkeiten, zum Beispiel nach einem Tourismus-Studium wären Tätigkeiten am Flughafen oder im Reisebüro.

Na, das hört sich doch gut an, denke ich. Hm …, gewiss ist solch ein Auslandsaufenthalt nicht gerade günstig, aber es wäre im Gegensatz zu den USA finanziell noch machbar. Ich erinnere mich an das Sparbuch, dass ich von meiner Oma zum achtzehnten Geburtstag geschenkt bekommen habe. Es liegt noch immer unangerührt in meiner Schreibtischschublade und während meines Au-pair-Jahres konnte ich ebenfalls etwas Geld ansparen. Das sollte vorerst reichen, oder?

Ich reibe mir die Schläfen. Ob ich es wagen soll, und was werden meine Eltern wohl dazu sagen? Sie gehen immerhin fest davon aus, dass ich ab September eine Schule in der Umgebung besuchen werde. Doch je mehr ich darüber nachdenke, desto überzeugter bin ich. Ich komme zum Schluss, dass ich diesen Weg einschlagen möchte. Ja, ja, ja!

*

Es geht voran: Der ausgefüllte Bewerbungsbogen ist bereits eingereicht und meine Eltern sind in meine neuen Pläne eingeweiht. Ich glaube, sie fühlten sich von meiner Idee, ans andere Ende der Welt gehen zu wollen, doch etwas überrumpelt, was ich sogar ein wenig nachvollziehen kann. Aber nach dem anfänglichen Schock helfen sie mir jetzt fleißig, alles in die Wege zu leiten.

Nun fehlt mir nur noch ein TOEFL-Zertifikat. Hierbei handelt es sich um einen international anerkannten Sprachtest, mit dem die Kenntnisse der englischen Sprache beim Hören, Schreiben, Sprechen und Lesen beurteilt und mit Punkten bewertet werden. Ausschließlich mit diesem Nachweis und einer vorgegebenen, zu erreichenden Punktzahl werde ich an der Schule in Australien angenommen.

Wenige Wochen später ist es so weit. Der Test findet in einem modernen Hochhaus mitten in Frankfurt statt. Als ich dort eintreffe, wird mir klar, dass die kommenden Stunden über meine Zukunft entscheiden werden. Falls ich durchfallen sollte, werde ich in Deutschland bleiben müssen und eine Ausbildung zur Erzieherin beginnen. Nun ... das ist Plan B. Nein, nein ... das darf nicht passieren! Ich versuche, die vielen Aufgaben nacheinander in Ruhe abzuarbeiten. Zum Glück hatte ich genug Zeit um mich darauf vorzubereiten. Trotzdem wird die Zeit beinahe knapp. Puh! Ob es wohl reicht? Bitte, bitte!

Jetzt heißt es warten. Das Ergebnis werde ich schriftlich per Post erhalten. Das kann wenige Tage bis mehrere Wochen dauern. Ich werde mich in Geduld üben müssen, wobei mir das nicht leichtfällt.

*

Drei Wochen später…

„Miriam, da ist ein Brief vom TOEFL Institut angekommen“, bemerkt meine Mutter, als ich am Abend von meinem Praktikum im Kindergarten nach Hause komme. Sie geht zum Küchentisch und überreicht mir einen weißen dünnen Umschlag.

Meine Hände zittern leicht. „Das muss die Auswertung sein“, sage ich nervös. Gespannt öffne ich den Umschlag. Bitte lass die Punktzahl ausreichend sein!

„Und???“ Meine Mutter kommt einen Schritt auf mich zu und legt ihre Hand auf meine Schulter.

„Durchgefallen“, sage ich enttäuscht und blicke betreten zu Boden.

„Jetzt echt?“, fragt sie überrascht und nimmt mir das Schreiben aus der Hand. „Zeig mal her.“

Im nächsten Augenblick jaule ich: „Ha ... reingefallen!“

Verwirrt schaut sie mich an.

„Ich hab es geschafft! Ich habe sogar weitaus mehr Punkte als benötigt!“, jaule ich laut.

Meine Mutter schüttelt leicht den Kopf und fällt mir dann in die Arme. „Ich freue mich so für dich. Super!“

„Ich gehe nach Australien! WOWW! Juchuu!“, singe ich und tanze dabei durch die Küche. Heute kann mich absolut nichts mehr aus der Ruhe bringen. Ich fühle mich glücklich und zufrieden. Zugleich bin ich wirklich stolz auf mich selbst: Meine Englischkenntnisse haben sich nämlich seit dem Beginn meines Au-pair-Jahres um hundert Prozent verbessert.

*

Alles läuft wie am Schnürchen: Mein Studentenvisum ist bereits in Bearbeitung und für eine Unterkunft in den ersten Monaten ist auch schon gesorgt. Ich werde zu Beginn bei einer australischen Gastfamilie namens Buron leben – Mary und Bob aus Brisbane. Jedoch sind Kost und Logis, im Vergleich zu meinem Aufenthalt bei der amerikanischen Gastfamilie in New York nicht kostenfrei, da ich nicht für die Familie in Australien arbeiten werde. Sie haben auch gar keine Kinder, nach denen ich schauen könnte, zudem werde ich mich auf meine Ausbildung konzentrieren müssen.

*

Heute wird mein schwarzer Koffer gepackt. All die Dinge, die meiner Meinung nach mitmüssen, liegen auf verschiedenen Haufen im Raum verteilt herum. Leider ist nur ein Gepäckstück mit dreiundzwanzig Kilogramm erlaubt, das kommt mir nicht gerade entgegen. Die Packliste scheint unendlich zu sein. Nacheinander hake ich jeden Punkt darauf ab und stelle den Reisekoffer schließlich auf die Waage. Wie ich befürchtet habe, ist er zu schwer. Das angezeigte Gewicht beträgt achtundzwanzig Kilo. Das bedeutet aussortieren. Hilfe!

Zwischenzeitlich kommt mein Bruder ins Zimmer und lacht sich bei dem Anblick, der sich ihm bietet, schlapp. „Willst du dein komplettes Zimmer mitnehmen?“

Ben scheint das amüsant zu finden. Ich hingegen raufe mir die Haare.

„Was ist das?“, will er wissen und zeigt auf ein DIN-A4-Blatt, das auf meinem Schreibtisch liegt. Die Überschrift ist in Großbuchstaben geschrieben und lautet: MIRIAMS TO-DO-LISTE. „Darf ich mir das mal durchlesen?“

Ich nicke verlegen und beobachte, wie er sich in meinen schwarzen Drehstuhl fallen lässt und die Auflistung schnappt. Ich muss meinen Koffer noch einmal umpacken. Was lasse ich hier?, frage ich mich verzweifelt und versuche dabei, in mich zu gehen. Mein Fazit: Nichts – ich brauche alles!

Dann rufe ich mir in Erinnerung, dass die Gebühren für Extrakilos sehr hoch sind. Momentan brauche ich jedoch jeden Cent für meine bevorstehende Reise. „Mist!“, fluche ich und beginne zum wiederholten Male, meinen Reisekoffer zu durchforsten. Irgendetwas muss raus! Das sind einfach zu viele Klamotten. Oder liegt es an den sechs Paar Schuhen? Es ist der reinste Stress. Nebenbei höre ich, wie mein jüngerer Bruder meine To-do-Liste laut durchgeht:

1. neue Freunde in Brisbane finden

2. ein frei lebendes Känguru sehen

3. Umgang mit einem Bumerang lernen

4. einen Koala streicheln

5. etwas typisch Australisches essen

6. ein giftiges Tier sehen

… oder besser doch nicht?!

7. einen Traumstrand besuchen

8. Reisen

„Cool!“, jault Ben. „Da möchte man am liebsten gleich mit.“ Er seufzt. „Wenn ich schon mit der Schule fertig wäre, würde ich dich glatt begleiten.“

„Das wäre klasse“, bemerke ich voller Begeisterung und stelle mir in Gedanken vor, wie wir beide Australien unsicher machen würden. Es ist schade, dass dies immer eine Wunschvorstellung bleiben wird.

Kurz darauf verabschiedet sich Ben, weil er noch mit einem Kumpel in der Stadt verabredet ist. Wieder stelle ich den Koffer auf die Personenwaage und kneife meine Augen für einen kurzen Augenblick zusammen. Bitte, lass es innerhalb der Norm liegen!, bete ich und richte meinen Blick langsam nach unten auf die Anzeige. Eine rote Zahl leuchtet auf. Zweiundzwanzig Kilogramm, jetzt passt es. Ich atme auf. Es ist vollbracht. Endlich!

Zweiter Teil

Oktober - Reise ins Ungewisse


3. Oktober

Ein Blick aus dem kleinen Fenster in meinem Dachgeschosszimmer verrät mir: Draußen ist es heute besonders stürmisch. Das gelbbraune Laub auf der Fahrbahn wird wild herumgewirbelt, der Wind pfeift, die dunkelgrauen Wolken sind dicht. Was für ein Wetter, denke ich, doch zugleich erwische ich mich dabei, wie ich grinse, denn insgeheim weiß ich, dass ich dieses eklige kalte Oktoberwetter nicht mehr lange ertragen muss. Heute am späten Abend, genauer gesagt um zehn Uhr, steht meine Abreise nach Australien an. Dann geht’s Richtung Sonne, was ich kaum erwarten kann.

Bereits gestern habe ich mich von meinen Freundinnen und meiner geliebten Oma verabschiedet; ein komisches Gefühl, das sich mit allen anderen Emotionen vermischt, die bei so einer Abreise aufkommen. Um ehrlich zu sein – ein wenig nervös bin ich jetzt auch schon. Aber das gehört wohl dazu. No risk, no fun!

„Miriam, kommst du? Es gibt Abendessen!“, ruft mein Vater nach oben.

„Ja.“

Die Familie versammelt sich im Esszimmer. Mein Bruder Ben, der noch zur Schule geht, und meine zwei Jahre ältere Schwester Clara, die inzwischen nicht mehr zu Hause wohnt, sind ebenso gekommen. Frisches Graubrot und Laugengebäck vom Bäcker, Rahmbutter, milder Schnittkäse, aromatischer Schinken, hartgekochte Eier, Gewürzgurken, knackige Tomaten sowie feiner Senf stehen auf dem Tisch. Eine richtig deutsche Brotmahlzeit. Ob es das in Australien ebenfalls geben wird? Wohl eher nicht. Na dann schlage ich besser mal zu! Ich weiß jetzt schon, dass mir das sehr fehlen wird.

Doch als ich mich setze, erblicke ich auf dem Porzellanteller vor mir ein Geschenk; es ist festlich verpackt, in einem gestreiften glänzenden Geschenkpapier in den Farben Schwarz, Silber und Weiß. „Ist das etwa für mich?“, frage ich verunsichert.

Meine Mutter nickt lächelnd.

Gespannt öffne ich die edle Verpackung. Sekunden später halte ich ein wunderschönes Familienfoto, gerahmt von einem hochwertigen Bilderrahmen aus Aluminium, sowie ein gelbes DIN-A5 großes Büchlein in meinen Händen.

„Das Foto soll dich an uns erinnern“, fügt meine Mutter liebevoll hinzu. Es wurde vor ein paar Wochen auf der standesamtlichen Hochzeit meiner älteren Schwester geschossen. Clara steht ebenso wie mir eine spannende und aufregende Zeit bevor. Sie ist nämlich im vierten Monat schwanger. Zum geplanten Zeitpunkt der Geburt ihres ersten Kindes werde ich jedoch noch in Brisbane sein; sie hat mir aber versprochen, mich stets auf dem Laufenden zu halten und mir viele Fotos zu schicken, sobald der Nachwuchs da ist.

Ich blättere durch das Taschenbuch, dessen Cover die Überschrift Praxiswörterbuch Tourismus: Englisch ziert. „Ein Vokabelbuch! Das kann ich mit Sicherheit gut gebrauchen“, bemerke ich begeistert. „... und das Porträt von uns allen ist auch großartig. Vielen lieben Dank!“ Ich freue mich sehr über die Geschenke, aber ein bisschen wehmütig machen sie mich auch.

Auch der Blick meiner Mutter wirkt traurig. Ich weiß, dass es ihr nicht leichtfällt, mich ein zweites Mal gehen zu lassen. Sie hat es wirklich nicht einfach mit mir. Kaum bin ich wieder in Deutschland, flüchte ich erneut ins Ausland. Dabei habe ich die beste Familie, die man sich wünschen kann; doch das Fernweh ist momentan einfach größer.

Im Anschluss wird zu Abend gegessen. Wir unterhalten uns über die guten alten Zeiten und genießen die ausgiebige Jause, während im Hintergrund fröhliche Musik läuft – die besten Hits der 70er. Das lenkt ab und für einen kurzen Moment vergesse ich mal, dass ich heute Abend fortgehe.


*

Nachdem mein Gepäck eingecheckt ist, legen wir noch einen Stopp bei McDonald’s ein. Die komplette Familie ist mit von der Partie, sogar der Mann meiner Schwester ist dabei. Er heißt Markus. Das freut mich ungemein, dass alle gekommen sind.

Ich schlage die Beine übereinander und nippe an meiner eiskalten Coke. „Es ist ungewohnt still hier – kaum was los“, bemerke ich verdutzt. „Selbst hier – bei McDonald’s – herrscht tote Hose.“

„Ich denke, dass deine Maschine um zehn Uhr eine der letzten sein wird – du weißt schon, wegen des Nachtflugverbotes“, meint meine Mutter und streicht sich einmal durch ihre kurzen blonden Haare.

Ich muss schmunzeln. „Ach ja – stimmt. Das Nachtflugverbot! Das hatte ich total vergessen.“ Ich glaube, gedanklich befinde ich mich schon in Australien.

Mein Vater mustert mich kritisch. „Wie geht es dir, Miriam? Ich finde, du wirkst im Vergleich zum letzten Mal ruhiger und viel gelassener. Oder täuscht das?“

„Hm … ja, ich glaube, da hast du recht“, antworte ich nachdenklich und erinnere mich an meinen Abschied, als ich als Au-Pair-Mädchen in die USA reiste. Wie habe ich damals geweint! Es hatte sich angefühlt, als würde mein Herz vor Abschiedsschmerz zerreißen. Jetzt ist das anders. Zugegebenermaßen finde ich Abschiede nie toll, dennoch fällt es mir inzwischen um einiges leichter, loszulassen, denn ich weiß, dass ich auch alleine zurechtkommen werde. Ich fühle mich stärker und selbstbewusster denn je – so, als könnte mich nichts umhauen. Außerdem freue ich mich auf ein neues Abenteuer, bei dem ich ohne Zweifel viel erleben werde.

Keine fünfzehn Minuten später heißt es dann Abschied nehmen. Nacheinander umarme ich jeden innig. Meine Mutter ist die Letzte. Sie wirft mir einen hilfesuchenden Blick zu und ist den Tränen nahe.

Ich beiße mir auf die Lippe. „Mama, es ist nicht für immer. Ich melde mich regelmäßig“, versuche ich, sie zu beruhigen.

Clara gibt mir einen kleinen Stups. „Zeit zu gehen, Miriam.“

Ich schaue auf meine dunkelblaue Armbanduhr. „Ooh ja, allerhöchste Zeit!“

„Ich habe euch lieb!“, rufe ich ihnen noch zu, bevor ich hinter der Sicherheitskontrolle verschwinde. Dann bin ich weg!

Geschafft!, denke ich erleichtert. Ich habe die Verabschiedung gut hinter mich gebracht, ein riesiger Stein fällt mir vom Herzen. Das hat mich in den letzten vierundzwanzig Stunden zugegebenermaßen am meisten belastet. Doch jetzt, wo das erledigt ist, fühle ich mich befreit und kann mich uneingeschränkt auf Australien freuen. Und meine Vorfreude ist unglaublich riesig.

Ich mache mich auf den direkten Weg zum Gate und bin sehr gespannt, was ich alles in den nächsten Monaten in Australien erleben werde. Doch zunächst steht mir noch eine viel zu lange Reise bevor, die um die vierundzwanzig Stunden dauern wird: Frankfurt – Singapur – Brisbane. Puh! Hoffentlich werde ich im Flugzeug schlafen können. Na dann: Auf geht’s!

*

Als wir in Singapur landen, fühle ich mich wie von einem Lastwagen überrollt. Ich habe kein Auge zumachen können: Mein achtzehnjähriger Sitznachbar, ein gutaussehender junger Mann, scheint sich den Magen verdorben zu haben. Als er sagte: „Ich muss kotzen“, nahm ich an, dass es sich hierbei um eine einmalige Sache handeln würde, und reichte ihm noch verständnisvoll die Spucktüte. Wer hätte ahnen können, dass sich seine Magenverstimmung den ganzen Flug über hinziehen würde. Am Ende war ich derart angeekelt, dass ich einen Großteil der Reise in der Bordküche, im Gang und vor den Toiletten verbrachte, da in der Sitzreihe alles nach Erbrochenem roch.

Mein Aufenthalt in Singapur beträgt vier Stunden. Um die Zeit totzuschlagen, vertrete ich mir die Beine am Airport und schaue mich dabei ein wenig um. Überall leuchten asiatische Schriftzeichen, ein Anblick, den ich bisher nur aus dem Fernsehen kannte, denn in Asien war ich zuvor noch nie. Zu gerne hätte ich mehr als nur das Terminal des Flughafens gesehen. Wie auch immer, die Fahrten in die Innenstadt sollen mühsam sein, und eine schnelle, direkte Metroverbindung gibt es leider nicht. Es bleibt mir also wohl oder übel nichts anderes übrig, als mich mit dem Flughafengebäude zufriedenzugeben. Einen kleinen Einblick in die fremde Kultur bekommt man aber auch schon hier.

Bei McDonald’s besorge ich mir einen heiß dampfenden Kaffee, der mich bis zum nächsten Flug wachhalten soll und setze mich in eine lauschige Sitzecke, die von satt-grünen Palmen umgeben ist. Ein Blick auf meine grazile Armbanduhr am rechten Handgelenk verrät mir, dass erst fünfundvierzig Minuten seit meiner Ankunft in Singapur vergangen sind. Ich seufze. Um ehrlich zu sein, wünsche ich mir gerade nichts sehnlicher als ein kuschelig-warmes Bett, in das ich mich todmüde fallen lassen kann. Plötzlich fällt mir an der gegenüberliegenden Wand ein beleuchtetes Schild mit dem Schriftzug Tropengarten auf. Das klingt ja interessant! Meine Neugier ist sofort geweckt und ich folge der Beschilderung.

Fassungslos bleibe ich vor einer vergitterten Grünanlage stehen und traue meinen erschöpften Augen kaum. Tausende wunderschöner Schmetterlinge flattern ringsherum. „Das gibt’s doch nicht“, murmle ich erstaunt vor mich hin; der Eintritt ist obendrein kostenlos. Na, das lasse ich mir auf keinen Fall entgehen! Als ich den zauberhaften Garten betrete, wische ich mir sofort mit der Hand über die Stirn. Hier drinnen ist es unerwartet schwül und ich komme schnell ins Schwitzen. Ich schaue mich um. Herrlich!, denke ich erfreut und strahle wie ein Honigkuchenpferd, als im nächsten Augenblick die unzähligen bunten Schmetterlinge um mich herumfliegen. In Kombination mit meinem Schlafentzug kommt mir das hier richtig unwirklich vor, fast magisch. Welch ein schillerndes Farbenspiel!

Im Anschluss mache ich einen Abstecher zum zweistöckigen Duty-Free-Shop, ein wunderbares und verlockendes Shoppingparadies, in dem ich interessiert stöbere und mich regelrecht verliere. Als ich das nächste Mal einen Blick auf die Uhr werfe, sind es plötzlich nur noch dreizehn Minuten bis Boardingbeginn. Mensch, wo ist die Zeit hin?, frage ich mich erschrocken und lege einen Zahn zu, um pünktlich am Gate zu sein.

Just on time! Brav stelle ich mich in der Schlange hinten an. Als der Einsteigevorgang schließlich beginnt, kann ich vor Müdigkeit kaum noch die Augen offenhalten. Wie werde ich froh sein, gleich auf meinem Platz zu sitzen. Ich muss mittlerweile schon mehr als vierundzwanzig Stunden wach sein.

Nacheinander legen die Passagiere den Barcode ihres Flugscheins auf die Quick-Boarding-Maschine am Gate, woraufhin sich die Durchgangstür öffnet. Als ich dran bin, ertönt allerdings nur ein schriller Piepton – die Tür bleibt verschlossen. Verwundert zucke ich zusammen. Leicht irritiert lege ich das Flugticket ein zweites Mal auf, doch der Durchgang bleibt mir auch dieses Mal verwehrt. Hä? Bin ich etwa am falschen Gate?

„Dürfte ich bitte Ihre Bordkarte sehen?“, höre ich im nächsten Moment eine schmächtige Dame sagen, die mich gleich darauf bittet, ihr zum Counter zu folgen. Es handelt sich um die zuständige Gate-Mitarbeiterin.

Ich nicke nervös und laufe hurtig hinterher. Ob auch alles in Ordnung ist? Ihr Blick wirkt kritisch und ich beobachte nervös, wie sie in der einen Hand mein Ticket hält und mit der anderen etwas in den PC eintippt. Ihre Fingernägel sind knallrot lackiert, die schwarzen Haare straff zu einem Dutt zurückgebunden, und ihr beiges Kostüm sitzt tadellos; gleichzeitig wirkt sie irgendwie ratlos und telefoniert ständig. Es ist mehr als offensichtlich, dass etwas nicht stimmt, also hake ich verunsichert nach: „Entschuldigen Sie, ist alles okay?“

Sie schaut kurz hoch, lächelt mich höflich an und bittet mich, Platz zu nehmen. Die Ungewissheit macht mir zu schaffen. Ich setze mich und werde von Minute zu Minute merklich unruhiger. Der Wartebereich leert sich allmählich und Panik steigt in mir auf, denn ich möchte den Flug keineswegs verpassen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit wende ich mich nochmals an die Frau vom Bodenpersonal, da mich noch immer niemand über das Problem aufgeklärt hat und die Uhr tickt. „Verzeihung, was ist denn bitte los?“, zische ich leicht genervt.

Sie zieht eine Augenbraue hoch. „Ihr reservierter Platz 42G ist auf der Flugreise nicht benutzbar“, antwortet sie kaum wahrnehmbar. „Ein technischer Defekt des Sitzes.“

Ich stöhne auf. „Und jetzt? Gibt es keinen anderen Sitzplatz für mich?“

Sie schüttelt den Kopf. „Wir sind in der Economy-Class komplett ausgebucht.“

Ich schlucke trocken. „Werde ich etwa hierbleiben müssen?“ Meine Stimme hört sich mit einem Mal leicht zittrig an.

„Geben Sie mir noch ein paar Minuten.“

Ich nicke stumm und streiche mir nervös durch die Haare. Die Gedanken beginnen sich zu überschlagen. Was mache ich nun bloß? Was sind meine Rechte als Passagier?

Die Dame räuspert sich. „Frau Traut!“

Ich schaue sie mit großen Augen an. Meine innere Anspannung ist jetzt deutlich spürbar und für den Bruchteil einer Sekunde halte ich die Luft an. Werde ich hierbleiben müssen? Wenn ja, was passiert dann?

Ihre Lippen formen ein verschmitztes Lächeln. „Sie bekommen heute ein kostenloses Upgrade in die Business-Class“, verkündigt sie freudig.

Meine Pupillen weiten sich augenblicklich. „Wer bitte – ich?“

„Ja“, erwidert sie beschwingt und überreicht mir meine neue Bordkarte.

Ich lese: 5A. „Wow“, quieke ich und mein Herz macht vor Freude einen Hüpfer. Jetzt bin ich mehr als sprachlos. Meine Nervosität wandelt sich mit einem Augenblick in unglaubliche Freude. Damit habe ich wahrhaftig nicht gerechnet – ich kann mein Glück kaum fassen!

„Jetzt müssen Sie sich aber beeilen, Sie sind die Letzte!“

Ich lege mir die Handtasche um und eile ins Flugzeug. Die grazile Stewardess, die mich an der Tür willkommen heißt, führt mich zu meinem Sitzplatz. Sie trägt ein hautenges Kostümkleid mit Schlitz und einem unverwechselbaren Batikmuster. Die Haare sind zum aufwendigen Dutt hochgesteckt. Alles an ihr sieht elegant aus. Sie deutet auf einen Stuhl in Form eines Sessels am Fenster. „Hier ist 5A.“

„Danke“, nuschle ich und muss mich nebenbei zusammenreißen, damit ich nicht lospruste. Ist das ihr Ernst? Hier soll ich hocken?! Vor mir befindet sich ein sechsundachtzig Zentimeter breiter brauner Ledersitz mit einem gigantischen Flachbildschirm. Alles hier wirkt unheimlich luxuriös. Ich nehme Platz und wundere mich zugleich, als die Flugbegleiterin nicht von meiner Seite weicht. Verwundert schaue ich sie an.

„Darf ich Ihnen noch schnell ein paar Sachen erklären“, beginnt sie und zeigt mir im Schnelldurchgang, wie ich den Sitz in ein flaches Bett verwandeln kann und wie sich das Entertainmentprogramm bedienen lässt.

Aha, so läuft das hier also ab. Sehr aufmerksam von ihr. Ich bedanke mich.

Es ruckelt, jetzt geht’s weiter Richtung Down Under. Ju-chuu, fast geschafft!

Ich setze mir die dunkelblaue Schlafmaske auf, die ich im Amenity-Kit finde, kuschle mich in die flauschige Decke und mache es mir in meinem Flugzeugbett gemütlich. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Flugzeugbett! Nach meinem anfänglichen Pech mit meinem Sitznachbarn auf dem ersten Flug habe ich jetzt eindeutig das große Los gezogen. Ach ja, so lässt es sich leben, ist mein letzter Gedanke, bevor ich endlich mit einem breiten Grinsen einnicke und ins Traumland entgleite.

Als ich Stunden später aufwache, bin ich anfangs desorientiert und weiß nicht, wo ich mich befinde. Erschrocken richte ich mich auf. Dann fällt es mir wieder ein. Ich sitze im Flugzeug nach Australien – und zwar in der Business-Class!

Mein Magen knurrt. Die erste Mahlzeit scheine ich verschlafen zu haben. Ich erinnere mich, dass ich einen Schokoladenriegel in der Handtasche haben müsste – besser als gar nichts.

Auf dem großflächigen Monitor im Korridor wird angezeigt, dass die verbleibende Flugzeit noch immer vier Stunden beträgt. Diese Reise scheint nicht enden zu wollen. Ich beginne, ein Buch zu lesen, im Anschluss schaue ich mir einen Film an. Zwei Stunden vor der Landung kommt der zweite Service. Zum Glück! Ich sterbe vor Hunger und lasse mir das leckere 3-Gänge-Menü schmecken.

Und dann ist es endlich geschafft! Aber man stelle sich vor: Ich bin in Brisbane und schon wieder müde. Mein Schlafrhythmus ist durch die Reise irgendwie komplett durcheinander gekommen. Auf dem Weg zur Einreisekontrolle geht es einen langen Korridor entlang, durch die gläserne Fensterfront auf der linken Seite sieht man die Sonne hell am Himmel leuchten. Die letzten Wochen war es in Deutschland durchgehend grau und regnerisch. Umso mehr weiß ich das gute Wetter zu schätzen.

Die Einreise verläuft reibungslos. Im Nu befinde ich mich im Ankunftsbereich des Terminals, der angenehm klimatisiert ist. Ich folge den Taxischildern ein Stockwerk nach unten. Ein privater Transport ist für mich leider nicht vorgesehen.

In dem Augenblick, als sich die Glasschiebetür zur Straße hin öffnet, bleibt mir für einen Moment die Luft weg. Wie ist das heiß hier!, saust es mir durch den Kopf. Uff ... die tropische Hitze in Australien hatte ich eindeutig unterschätzt.

Schnell findet sich ein Taxi, ich steige ein und krame in meiner Tasche nach dem Zettel mit der Adresse der Gastfamilie. Mist, wo ist bloß der Wisch hin? Ich werde ihn doch nicht zu Hause liegen gelassen haben? Hektisch durchwühle ich meine Handtasche: Taschentücher, Pass, Geldbörse, Handcreme, Bonbons, Lippenschutz, Zopfgummi, Reiseführer ... Oh, nein!

„Fräulein, was ist nun?“, fragt der korpulente Fahrer in seinem olivengrünen T-Shirt auf Englisch barsch nach. „Wissen Sie, wohin Sie müssen? Ansonsten muss ich Sie bitten, auszusteigen“, entgegnet er grimmig.

Ich bin empört, dass der Mann derart ungeduldig mit mir ist. Immerhin würde ich ihn ja auch bezahlen. Aber bitte, ich bin nicht in der Verfassung, um zu streiten, und klettere aus dem Wagen.

Draußen am Taxistand durchsuche ich nochmals meine beigefarbene Handtasche. Erst als ich auf die Idee komme, in der Innentasche meiner Jeansjacke nachzuschauen, werde ich fündig. „Das ist nicht wahr“, brumme ich genervt. Ich Dummerchen! Das muss an der Müdigkeit liegen, rede ich mir ein und im Moment bin ich einfach froh, dass ich jetzt weiß, wo ich hinmuss.

Das nächste Taxi steht bereits bereit und der Fahrer – ein junger Herr asiatischer Abstammung, so um die dreißig – wirkt gleich um einiges freundlicher. Er lächelt mich freundlich an, als ich ihm die Adresse durchgebe, dann lehne ich mich erleichtert zurück, kremple die Ärmel meiner Jacke hoch und lausche der Countrymusik im Radio.

Fünfundvierzig Minuten später hält der Taxifahrer vor einem einstöckigen Einfamilienhaus, gebaut aus roten Backsteinen. Seine sogenannte Brick-Bauweise ist typisch für Australien. Das heißt, dass die Häuser auf einem Fundament ohne Keller gebaut wurden.

Zielort erreicht, ich bin endlich da!meine