Prolog

Kapitel eins

Kapitel zwei

Kapitel drei

Kapitel vier

Kapitel fünf

Kapitel sechs

Kapitel sieben

Kapitel acht

Kapitel neun

Kapitel zehn

Kapitel elf

Kapitel zwölf

Kapitel dreizehn

Kapitel vierzehn

Kapitel fünfzehn

Kapitel sechzehn

Kapitel siebzehn

Kapitel achtzehn

Kapitel neunzehn

Kapitel zwanzig

Epilog

Prolog



Das kleine Mädchen hob einen Stein und warf ihn nach der Krähe. Es verfehlte den schwarzen Vogel, der den Kopf zur Seite neigte und es aus den unergründlichen, tiefdunklen Augen wissend anzuschauen schien. Viel zu wissend für ein Tier. Unsicher verzog das kleine Mädchen das Gesicht. Sollte es nach der Mutter rufen, die mit der Köchin das Abendessen besprach? Die Kinderhand tastete durch das kurze Gras, das von der Sommersonne schon recht mitgenommen war. Doch es fand keinen weiteren Stein, den es nach dem Vogel hätte werfen können. Als würde die Krähe das genau wissen, machte sie einen fast schon spielerischen Hüpfer zur Seite und schüttelte ihr Gefieder. Der Vogel schien sich sicher zu fühlen und das ärgerte das kleine Mädchen. Denn sie fühlte sich, eben weil dieser Vogel dort durch das Gras hüpfte und stolzierte, nicht sicher. Auch wenn das Kind die Empfindungen noch nicht benennen konnte, die sich jagten, verursachten sie einen Aufruhr in seinem Inneren. Später sollte das kleine Mädchen lernen, dass es Wut empfand, Hilflosigkeit und Neid. Doch in diesem Moment, auf der Decke im Garten seiner Eltern, mit diesem ungebetenen Gast, hatte es keine Namen für all das.

Die Krähe hüpfte wieder ein Stück näher und zumindest das Gefühl, dass sich jetzt einstellte, konnte das Mädchen benennen: Angst. Angst vor diesem schwarzen Vogel, der sich einen Dreck darum scherte, dass es ihn hier nicht haben wollte.

»Geh weg!«, wollte es die Krähe anbrüllen, doch es kam nur als leise Bitte heraus, statt als Furcht einflößender Befehl.

Der schwarze Vogel musterte das Kind, als würde er wissen, was durch den kleinen Kopf ging.

Weil das Unbehagen des kleinen Mädchens ins Unermessliche stieg, warf das Kind schließlich den einzigen Gegenstand, dessen es noch habhaft werden konnte: Den Rest des Brotkantens, auf dem es herumgekaut hatte. Die Mutter hatte ihm das Brot gegeben, damit es bis zum Mittagessen keinen Hunger bekommen würde. Ganz frisch gebackenes Brot.

»Geh weg!«, wiederholte das Kind und warf das Brot nach der Krähe. Der Vogel wich ihm aus, sprang dann so schnell darauf zu, dass das Mädchen erschrak. Vor Schreck begann es nun doch zu weinen.

Die Krähe nahm das Brot in den Schnabel und flog davon. Als ihr Schatten auf das Mädchen fiel, duckte es sich unwillkürlich.

Ein weiterer Schatten fiel über die Kleine, dieses Mal der Schatten eines Menschen. In der Hoffnung, es wäre die Mutter, wandte das Kind den Kopf. Doch es war nicht die Mutter, sondern die Großmutter, milden Tadel im Blick. Die ältere Frau ging neben dem kleinen Mädchen in die Hocke.

»Wann wirst du es lernen, Thea? Wann wirst du lernen, dass eine Krähe nicht immer eine Krähe ist?«