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Die junge Gräfin
– 8–

Die Köchin und der Graf

Diesem Pärchchen kann nur Alexandra helfen!

Michaela Dornberg

Impressum:

Epub-Version © 2019 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: https://ebooks.kelter.de/

E-mail: info@keltermedia.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74094-102-4

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Obschon sie sich über sich selbst ärgerte, musste Alexandra von Waldenburg immer wieder an den Piloten Mike Biesenbach denken, dem sie auf dem Flughafen zufällig begegnet war, als sie ihren Vater weggebracht hatte.

Richtiger gesagt hatte er sie vor einem bösen Sturz bewahrt, als sie über eine Reisetasche gestolpert war.

Sie durfte es niemandem sagen, man würde sie glattweg für verrückt halten – aber mittlerweile hatte sie dreimal seine Telefonnummer gewählt, um sich seine Stimme auf dem Anrufbeantworter anzuhören. Darauf gesprochen hatte sie natürlich nichts. Was hätte sie denn auch sagen sollen? Hallo, ich weiß zwar, dass Sie beruflich noch unterwegs sind, aber ich höre mir so gern ihre Stimme an.

War es das wirklich? Rief sie aus diesem Grund bei ihm an?

Vielleicht, vielleicht auch nicht.

Es war verrückt!

Warum machte sie so etwas?

Sie war doch überhaupt nicht in diesen Mann verliebt, und wie es um ihn stand, das wusste sie auch nicht.

Sie hatten miteinander geflirtet.

Auch das stimmte so nicht – während sie vornehme Zurückhaltung gewahrt hatte, hatte er eine wahre Charmeoffensive gestartet, auf die sie ganz offensichtlich hereingefallen war. Warum würde sie sich sonst so töricht verhalten?

Es hatte nichts mit diesem Mike zu tun, sagte sie sich sofort.

Sie fühlte sich allein, weil ihre Eltern sich für längere Zeit in die Toscana zurückgezogen hatten.

Sie war traurig, weil der Ärger um ihren Bruder Ingo einfach nicht aufhören wollte.

Und …

Keine Frage, ihr Ego war ganz gehörig angeknaxt, weil der geheimnisvolle Joe, der ihr Herz und ihre Seele berührt hatte, nur wie der Wind in einem Blätterwald durch ihr Leben geweht war. Sie litt noch immer darunter, dass sie es letztlich gewesen war, die alles vermasselt hatte.

Sie hatte nach dem Kinobesuch, wo sie sich zufällig begegnet waren, seine spontane Einladung auf ein Glas Wein abgelehnt und stattdessen das Treffen auf den nächsten Mittag vertagt. Aber wie hatte sie denn auch ahnen können, dass sie auf dem Weg zu ihm in eine Massenkarambolage hineingeraten würde?

Aus …

Vorbei …

Sie musste Joe endlich vergessen.

Und was half dabei am besten? Ein anderer Mann, keine Frage!

Nein!

So weit war sie mit diesem Piloten nun noch lange nicht, sie wusste nicht einmal, ob sie je ein Stückchen des Weges mit ihm gehen würde. Als Lebensabschnittsgefährtin, wie man das heutzutage nannte.

War sie auf so etwas aus?

Nein, ganz gewiss nicht. Sie wünschte sich keinen Mann auf Zeit, sondern einen, mit dem sie den Rest ihres Lebens verbringen wollte, der der Vater ihrer Kinder sein sollte.

Joe …

Bei dem hätte sie es sich vorstellen können, weil dieser Blitzschlag der Liebe eben nicht nur ihr Herz, sondern vor allem ihre Seele berührt hatte.

Alexandra stand auf, um kurz bei ihrer Köchin Klara vorbeizuschauen, und dann wollte sie sich umziehen und fertigmachen.

Sie freute sich darauf, den Abend mit Freunden hier auf Schloss Waldenburg zu verbringen.

Mit Lil, ihrer allerbesten Freundin, war es immer schön, aber auch ihr ein wenig dröger Verlobter, der Arzt Dr. Lars Dammer, war ein sehr angenehmer Gesellschafter, und Olaf Christensen sowieso, der war kultiviert, gebildet, ein studierter Kunsthistoriker.

Und seit einiger Zeit auch ein fabelhafter Galerist, der der von seiner Tante übernommenen Galerie einen neuen Schwung gegeben hatte.

Warum dachte sie eigentlich nicht viel mehr an Olaf, anstatt sich mit diesem Mike zu beschäftigen? Über Olaf wusste sie mittlerweile eine ganze Menge, auch, dass er mehr für sie empfand als nur Freundschaft. Ein Fingerzeig von ihr, und sie konnte in seinen Armen liegen. Mit Olaf würde sie kein Fiasko erleben, dafür war er viel zu bodenständig. Und gab es da nicht diesen Spruch – besser den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach?

Sofort schüttelte Alexandra ganz entschieden den Kopf. Solche Gedanken waren gemein, und das hatte Olaf nicht verdient. Er war doch kein Lückenbüßer oder Seelentröster.

Olaf Christensen war ein Mann, der die volle Zuneigung einer Frau verdient hatte, nicht irgend so ein Schmalspurgefühl.

Und dieser Mike?

Er war nett, charmant, und er hatte ihr unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass sie ihm gefiel.

Na und?

Sie war eine junge, attraktive Frau, auf so was fuhren Piloten immer ab, denen man nachsagte, dass sie die geborenen Jäger waren, und dass es nicht nur die Stewardessen waren, denen sie ihre Gunst schenkten.

Ob er ohne seine Uniform auch so attraktiv aussah?

Und wenn, das interessierte sie nicht, denn das würde sie nicht erfahren.

Er hatte sie vor dem Stolpern bewahrt, sie hatte sich bei ihm dafür bedankt, und das musste reichen. Er hatte ihr schließlich nicht das Leben gerettet.

Sie waren quitt!

In diesem Augenblick beschloss Alexandra, sich bei ihm nicht mehr zu melden. Welch ein Glück, dass nur sie seine Nummer hatte und er von ihr nichts weiter wusste als dass sie Alexandra Waldenburg hieß. So gesehen war das ein Allerweltsname, niemand vermutete dahinter eine Adlige, eine Gräfin, noch dazu eine mit einem imposanten Schloss.

Jetzt, nachdem sie zu diesem Entschluss gekommen war, fühlte sie sich sofort wohler, und sie war recht gut gelaunt, als sie in die große Küche kam, in der Klara vor dem Herd stand und mit geschickten Griffen mehrere Töpfe beinahe gleichzeitig hin und her schob. Alles sah sehr routiniert aus.

»Hallo, Klara«, rief Alexandra, »ich will Sie nicht stören, ich möchte nur wissen, ob Sie zurechtkommen, oder ob ich Ihnen vielleicht helfen kann.«

Diese Frage zauberte ein belustigtes Lächeln auf Klaras Gesicht. Alexan­dra von Waldenburg hatte sich schon mehrfach angeboten, aber eigentlich war sie mehr eine Belastung als eine Hilfe gewesen.

Alexandra stimmte in das Lachen mit ein.

»Ich weiß, ich weiß, dass ich zwei linke Hände habe, vergessen Sie mein Angebot … Verraten Sie mir aber wenigstens, womit Sie uns überraschen werden?«

Klara schob einen der Töpfe beiseite, dann setzte sie sich zu Alexandra an den langen, alten, wunderschönen Küchentisch, der das Herzstück der großen Küche war, in der auf sehr charmante Weise modern und alt miteinander kombiniert war. Modern waren vor allem die High Tec Geräte, der Herd und der große, doppeltürige amerikanische Kühlschrank.

»Ich dachte an ein leichtes mediterranes Essen«, sagte Klara, »bei dem auch die Steinpilze zum Einsatz kommen, die ich heute in der Markthalle erstanden habe.«

»Hm, Steinpilze«, rief Alexandra entzückt aus. »Mir läuft schon bei dem Gedanken daran das Wasser im Munde zusammen.«

Klara kannte ihre Chefin, die würde jetzt nicht locker lassen, ehe sie das ganze Menü kannte, also begann sie aufzuzählen.

»Es geht ganz klassisch los mit einem Büffelmozzarella mit Tomaten und Basilikum, dann serviere ich, weil das ja auch sehr hübsch aussieht, in einer Parmesanform ausgemachte Nudeln mit Steinpilzen, danach ein auf der Haut gebratenes Zanderfilet auf einem Gemüsebett mit Proseccosauce, dann Kalbsschnitzel mit Parmaschinken auf Steinpilzen und Rosmarinkartoffeln, hinterher, weil Ihre Freundin das ja so gerne mag, Panna cotta mit einer Beerensauce.«

»Ich bin hingerissen, Klara«, rief Alexandra ganz begeistert aus, und das meinte sie auch so. »Nicht nur meine Gäste werden begeistert sein, auch ich freue mich schon sehr auf diesen kulinarischen Genuss … Ich bin ja nicht so ein Gourmet wie meine Eltern, aber ich vermisse Ihr Essen schon jetzt, wenn Sie mit Hubertus auf Ihre Wandertour in den Dolomiten gehen. Selbst ein einfacher Kartoffelsalat ist, von Ihnen zubereite, eine Geschmacksexplosion.«

Klara wurde rot bei diesem Kompliment, dann sagte sie leise: »Sie müssen sich keine Sorgen machen. Sie werden nichts vermissen, Frau von Waldenburg. Ich werde die Reise absagen.«

Alexandra glaubte, sich verhört zu haben. Das konnte doch nicht wahr sein.

»Sie wollen was, Klara?«

Diese nickte.

»Sie haben sich nicht verhört, es ist so, ich werde den Grafen nicht begleiten.«

Den Grafen? Warum nicht Hubertus? Sie und Hubertus duzen sich doch seit einer gemeinsamen Trekkingtour in Tibet. Sie mochten sich und hatten sich beide gefreut, sich so unverhofft hier auf Waldenburg wiederzusehen.

»Klara, was ist passiert?«, wollte Alexandra wissen. »Oder möchten Sie darüber nicht reden?«

»O doch, ich habe kein Problem damit. Nun, ich habe nachgedacht und bin dabei zu dem Entschluss gekommen, das es nicht geht. Als wir in Tibet in einer Wandergruppe waren, kannten wir nur unsere Vornamen, wir wussten nichts über Positionen, Titel, nichts darüber, ob jemand arm oder reich war … Das Einzige, was zählte und worüber wir sprachen, war, unser Ziel zu erreichen, das Ziel unserer anstrengenden Tour … Nun weiß ich, dass Hubertus nicht irgendwer ist, sondern Hubertus Graf von Greven, der Chef eines bekannten, uralten Adelshauses, Schlossherr, immens reich …, da passt es nicht mehr, hier die Köchin, da der Graf … Er spielt in einer ganz anderen Liga als ich.«

»Aber Hubertus hat sich so sehr darauf gefreut, mit Ihnen durch die Dolomiten zu wandern. Er weiß schließlich um Ihre Qualitäten in dieser Hinsicht … Er wandert als Mann, als Mensch, und er trägt weder seinen Adelstitel vor sich her noch sein Schloss auf dem Rücken.«

»Aber er hat beides, den Titel und das Schloss und noch viel mehr. Auch wenn der Adel offiziell keine Bedeutung mehr hat, so ist es doch eine Bevölkerungsschicht mit ihren eigenen Regeln, in ihrer eigenen Welt. Was würden wohl seine Söhne, seine Freunde sagen, wenn sie wüssten, dass der Graf mit einer Köchin durch die Gegend wandert? Es gäbe böses Gerede, und das möchte ich Hubertus ersparen. Es ist mir ja peinlich genug, dass wir uns duzen. Ich hatte es ihm ja angeboten, aber er will es nicht rückgängig machen, sondern bei dem Du bleiben.«

»Und das Gerede der Leute, das ist dem guten Hubertus so was von egal, liebe Klara. Das kann ich mit Bestimmtheit sagen … Ich weiß, wie sehr er sich auf diese Tour durch die Dolomiten freut, besonders jetzt, da Sie ihn begleiten werden. Bitte, Klara, tun Sie ihm das nicht an. Er hat Stress genug wegen seiner Tochter Ariane, die bis nach Amerika geflüchtet ist, weil sie von ihren Halbbrüdern gemobbt wurde.«

»Ich weiß, Hubertus hat mir die Geschichte erzählt, und das mit Ariane ist ein zusätzlicher Grund für mich, ihn nicht zu begleiten. Durch mich bekäme er neuen Stress. Wenn die drei Greven-Brüder sich bei ihrer Halbschwester schon so aufgeführt haben, was glauben Sie denn, werden sie tun, wenn sie erfahren, dass ihr Vater mit einer Köchin auf Reisen geht.«

»Klara, warum betonen Sie Ihren Berufsstand immer wieder? Köchin zu sein ist ein sehr ehrbarer Beruf, und Sie gehören da zu den Spitzenköchen. Glauben Sie, ein Graf ist ein besserer Mensch?«

Klara schüttelte den Kopf.

»Nein, das glaube ich nicht, aber ich habe die Worte meiner Omi noch im Kopf, die eine sehr kluge Frau war, die hat immer gesagt: Schuster bleib bei deinen Leisten.«

»Ihre Omi hat sich geirrt. Früher gab es Standesunterschiede, das stimmt. Aber das ist doch längst Schnee von gestern. Selbst in die Königshäuser wird bürgerlich eingeheiratet … Sie sollen Hubertus doch nicht heiraten, sondern nur mit ihm wandern, und dass das klappt, das haben Sie bereits unter erschwerten Umständen erprobt … Und dass Hubertus ein sehr, sehr netter Mensch ist, das haben Sie sicherlich auch selbst festgestellt.«

»Alles ist richtig, aber dennoch …, ich hatte in meinem Leben genügend Probleme, bin durch Höhen und Tiefen gegangen, ich bin froh, dass mein Boot sich jetzt in ruhigen Gewässern befindet, und daran soll sich nichts ändern.«

»Klara, sagen Sie Hubertus noch nichts, überdenken Sie alles«, beschwor Alexandra ihre Köchin.

Die starrte auf das altersdunkle Holz des Tisches, überlegte.

»Am letzten Tag vor der Abreise kann ich es ihm auch nicht sagen. Ich muss ihn informieren. Und eigentlich hatte ich das heute vor, wir sind spätabends zum Telefonieren verabredet.«

»Klara, bitte, überdenken Sie alles noch einmal. Sie enttäuschen nicht nur Hubertus, der sich wahnsinnig auf die Reise mit Ihnen freut. Ihnen entgeht auch etwas, eine Wanderung durch eine wunderschöne Landschaft an der Seite eines wunderbaren Menschen, der Gentleman durch und durch ist … Hubertus würde niemals irgendwelche Grenzen überschreiten, falls Sie so etwas befürchten.«