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Deutsche Erstausgabe (ePub) Juli 2019

 

Für die Originalausgabe:

© 2018 by N.R. Walker

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»Finders Keepers«

 

 

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2019 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

 

 

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

 

ISBN-13: 978-3-95823-767-4

 

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de


 

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Aus dem Englischen von Susanne Ahrens


 

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

vielen Dank, dass Sie dieses eBook gekauft haben! Damit unterstützen Sie vor allem die Autorin des Buches und zeigen Ihre Wertschätzung gegenüber ihrer Arbeit. Außerdem schaffen Sie dadurch die Grundlage für viele weitere Romane der Autorin und aus unserem Verlag, mit denen wir Sie auch in Zukunft erfreuen möchten.

 

Vielen Dank!

Ihr Cursed-Team

 

 

 

 

Klappentext:

 

Als Griffin Burke kurz nach seinem Umzug beim Wandern einen kleinen Hund verlassen auf einem Parkplatz findet, ahnt er noch nicht, wie sehr die niedliche Fellnase sein Leben bald aus den Angeln heben wird. Denn hinter der Telefonnummer an seinem Halsband steckt Dane Hughes, besorgtes Herrchen auf Geschäftsreise und überglücklich, seinen entwischten Liebling wiedergefunden zu haben. Wie schnell vier Pfoten zwei Männer zusammenbringen können, hätten sich weder Griffin noch Dane träumen lassen, doch die Anziehung zwischen ihnen ist nicht zu leugnen. Und manchmal braucht es einfach nur ein bisschen Zufall für das große Glück.


 

 

Kapitel Eins

 

Griffin Burke

 

Von Brisbane nach Coolum Beach zu ziehen, war nicht gerade eine Strafe. Ich meine, Coolum lag an der Sunshine Coast, was bedeutete, dass es dort tropische Strände, warme Winde und heiße Surfer gab, denen man nachschauen konnte. Und das alles, während ich arbeitete.

Ich hoffte, meine freien Tage würden ähnlich verlaufen.

Vor sechs Monaten hatte ich mich von meinem Lebensgefährten Nick getrennt. Es war eine einvernehmliche Trennung. Wir waren seit Ewigkeiten beste Freunde gewesen und hatten uns schließlich ins Beziehungsterritorium vorgewagt. Und irgendwann während unserer zwei Jahre zusammen, war unser Funke kleiner geworden, bis nicht mehr als ein warmes, vertrautes Glühen zurückblieb. Er war immer noch mein Freund, aber wo einst unsere Beziehung gewesen war, hatte sich Leere breitgemacht.

Es juckte mich an einer Stelle, die ich nicht ganz klar ausmachen konnte.

Aber es ging nicht nur um Nick. Es war auch alles andere. Mit vierundzwanzig konzentrierte sich unser gesamter Freundeskreis auf die Karriere und unsere Sozialleben beschränkte sich darauf, uns ein- oder zweimal im Monat zu sehen. Wir waren alle überarbeitet und unterbezahlt, zu pleite oder müde, um etwas trinken zu gehen, während alle mit wenig bis gar keiner Hoffnung jeden Cent sparten, um irgendwann eine Chance auf dem Immobilienmarkt zu haben.

Es gibt eine Menge Witze über Generation Y und Avocadotoast, aber ich sag's euch: Es ist wirklich so.

Versteht mich nicht falsch: Mein Job an der Rezeption des Stamford Plaza in Brisbane war gut bezahlt. Aber in der Stadt war es nicht genug, um voranzukommen. Ich liebte meine Arbeit und unter dem Schutz und dem aufmerksamen Auge von Ludo war sie ein Crashkurs in Sachen Spitzenleistung und Höchststandards.

Er war ein Belgier in den mittleren Jahren mit einem Schnauzbart wie Dali und Adleraugen, der – aus mir unerfindlichen Gründen – Gefallen an mir gefunden hatte. Vielleicht, weil ich ausgesprochen professionell war, vielleicht, weil er irgendetwas in mir sah. Vielleicht lag es auch daran, dass wir die einzigen beiden schwulen Männer an der Rezeption waren. Was immer der Grund war, ich war dankbar dafür.

Er hatte mich gut unterrichtet. Tatsächlich so gut, dass ich meine Kollegen überflügelte, um einen Platz in der Geschäftsleitung zu ergattern. Ludo hatte gemeint, meine Haltung und Etikette erinnerten ihn an Filme über das viktorianische Zeitalter. Ich würde einem Pagen gleich alle Gäste des Hotels behandeln, als wären sie von königlichem Blut. Nicht auf jene schmierige Weise, wie andere es taten, sondern auf aufrichtige Art. Und es sei diese ernsthafte Integrität, sagte er, die mich weit bringen würde.

Und er behielt recht. Sie brachte mich zwei Stunden weiter nach Norden, ins Coolum Beach Emporium, ein Fünf-Sterne-Resort an der Sunshine Coast. Meine neue Stelle war die nächste Stufe der Karriereleiter für mich, und es war Ludos professionelle Empfehlung gewesen, die meine Bewerbung besiegelt hatte. Die Wahrheit war: Wenn er mich nicht losgeworden wäre, wäre ich aller Wahrscheinlichkeit nach der nächste Anwärter auf seine Stelle geworden.

Als ich mich also für eine Beförderung anderweitig beworben hatte, tat er, was jeder eigennützige Mensch tun würde, der seinen Job behalten wollte: Er empfahl mich, nicht zu meinem Vorteil, sondern zu seinem eigenen. Ich nahm es ihm kein bisschen übel.

Denn schon bald fand ich heraus, wo der Juckreiz saß: Es waren meine Füße. Und ich rede nicht von einer fiesen Pilzinfektion. Es war ein metaphorischer Juckreiz, den nur eine grundlegende Veränderung lindern konnte.

Ich wollte mehr. Ich wollte ein neues Leben. Ich brauchte eine Veränderung. Ich musste weiterkommen, irgendwo neu anfangen, wo die Sonne nicht andauernd von Wolkenkratzern und Verkehrsstau verdeckt wurde. Meine Tage in den Clubs und der One-Night-Stands lagen hinter mir. Sie interessierten mich nicht mehr. Ich wollte in gemütlichen und netten Cafés Kaffee trinken, in den Bergen wandern, Sonnenuntergänge am Strand.

Als daher eine Stelle an der Rezeption und auf zweiter Ebene der Geschäftsleitung in Coolum frei wurde, griff ich mit beiden Händen danach. Ich verstaute den Inhalt meiner winzigen Wohnung in einem Umzugswagen, belud mein Auto und zog nach Norden. Ich fand in Coolum eine Zwei-Zimmer-Wohnung über der einer alten Dame. Offenbar hatte es sich einmal um ein einziges großes Haus gehandelt, in das im zweiten Stock eine Einliegerwohnung für die Eltern des Besitzers eingebaut worden war.

Sie hatte einen offenen Wohnraum, eine kleine Küche und ein Bad sowie eine eigene Waschküche. Es gab sogar einen Balkon, von dem aus man ins Hinterland sehen konnte. Irgendwann war der Bereich vom restlichen Haus abgetrennt worden, vermutlich als die neuen Besitzer begriffen hatten, dass die vermietete Wohnung helfen konnte, ihren Hauskredit zu tilgen. Aber es gab einen Garten und eine abschließbare Garage und die grünsten Bäume, die ich je gesehen hatte, verdeckten den Blick auf die Nachbarn. Das war um einiges besser, als in einer Wohnanlage zu leben.

Die Miete war günstig, da sie mit einer Zusatzvereinbarung gekoppelt war: Um eine verminderte Wochenmiete zu zahlen, musste ich lediglich der alten Dame aushelfen, indem ich einmal die Woche ihren Rasen mähte. Wie schwer konnte das schon sein? Ich meine, ich hatte den Rasen meiner Eltern jede Woche gemäht, seitdem ich ein Kind war. Der Rasenmäher wurde gestellt. Bei der Wohnungsbegehung und beim Unterschreiben des Vertrags hatte ich den Garten gesehen. Dafür brauchte ich höchstens eine halbe Stunde.

Kinderspiel.

Also zog ich in meine neue Wohnung ein und hatte bereits am ersten Tag alles ausgepackt. Die Besitzerin des Hauses traf ich zum ersten Mal, als zwei bullige Umzugshelfer mein Bett die Stufen hochschleppten. Ich stand am Fuß der Treppe und sah ihnen zu, ohne richtig zu gaffen, als eine winzige, höchstens eins fünfzig große Frau neben mir auftauchte.

Eine Weile sagte sie nichts, starrte nur die Männer an, die darum kämpften, das hölzerne Kopfteil nach oben zu schaffen. Nach wie vor ohne mich anzusehen, brummte sie. »Netter Arsch.«

Ich verschluckte mich beinahe an meinem Schluck Wasser. »Ehm…«

»Erzähl mir nicht, dass du nicht geguckt hast. Ich mag schlecht hören, aber blind bin ich nicht.«

In Ordnung.

Ich streckte die Hand aus. »Griffin Burke.«

Sie schüttelte sie und ihr harter, fester Griff überraschte mich. Auf den ersten Blick wirkte sie zerbrechlich, aber dann bemerkte ich ihre Tätowierungen. Ihr ganzer rechter Arm war eine marmorierte, wirre Masse aus blauer und bunter Tinte auf sonnenledriger Haut. Angesichts der Tatsache, dass sie in den Siebzigern zu sein schien, musste sie sich vor vierzig oder fünfzig Jahre einen ganzen Sleeve stechen gelassen haben.

Himmel.

»Bernice Warren.«

Sie trug ein ärmelloses Tanktop und einen wallenden Rock. Bei näherer Betrachtung wirkte sie wie ein Hippie, den Frieden, Liebe und Zeit verlassen hatten. Ihr Gesicht hatte ebenfalls zu viel Sonne abgekommen, wirkte faltig und ledrig, auch wenn ich mir vorstellen konnte, dass sie früher zum Umfallen schön gewesen war. Ihre blauen Augen bargen immer noch einen Funken. Ihr langes Haar, das einmal blond gewesen sein musste, war inzwischen aschgrau.

»Komm mit«, sagte sie, drehte sich auf dem Absatz um und ging zu einem Rolltor. Als sie sich umwandte, fiel mir ihr linker Arm auf. Alte, scheckige Tattoos reichten bis zu ihrem Ellbogen, genau wie zwei Narben, die wie Blitzeinschläge aussahen. Sie wirkten chirurgisch und mein erster Gedanke ging in Richtung Schulterrekonstruktion, aber dann fiel mir eine weitere Narbe auf, die unter ihrem Shirt verschwand und an ihrem Hals wieder zum Vorschein kam.

Sie legte den Riegel am Rolltor um und hob es nur mit dem rechten Arm an, um einen Lagerraum freizulegen. Darin befanden sich ein Rasenmäher, eine Schubkarre und verschiedene Gartengeräte.

Ach, richtig. Ich war der ansässige Rasenpfleger.

»Ich würde es selbst erledigen«, meinte sie. »Aber der alte Arm arbeitet nicht mehr wie früher.« Steif hob sie den linken Arm. Er hing nicht nutzlos herab, aber es war eindeutig eine eingeschränkte Bewegung.

»Das ist schon in Ordnung«, sagte ich. »Mich stört es überhaupt nicht, den Rasen zu mähen. Mein Wochenende liegt allerdings auf Montag und Dienstag, nicht auf Samstag und Sonntag. Wenn das okay ist?«

»Alles bestens. Interessiert mich nicht groß, an welchem Tag du dich drum kümmerst.« Sie schien sich selbst zuzunicken. »Die letzte Mieterin war ein nettes Mädchen. Fing mit guten Vorsätzen an und wollte alles Mögliche tun, um mir zu helfen, ist aber nicht lange geblieben.« Bernice sah zu mir auf und musterte mich eine gute Minute lang. »Du bist nicht der Typ, der zur Kirche rennt, oder?«

»Öh…«

»Stört mich nicht, falls du es bist. Ich will dir nur nicht einen meiner Spezial-Brownies anbieten, nur damit du mir einen Vortrag hältst und danach jedes Mal irgendwelchen Bibel-Scheiß murmelst, wenn du mich siehst.«

Ich kämpfte gegen ein Lächeln an und verlor. Und ich versuchte, nicht zu lachen, aber auch das misslang. »Nicht biblisch, jedenfalls nicht in diesem Sinn. Es sei denn, es geht als religiös durch, dass ich vorhin den Arsch dieses Typen angestarrt habe. Und was die Spezial-Brownies angeht: Ich habe eine ganze Weile keine mehr gegessen. Jedenfalls nicht mehr seit dem College.«

Bernice grinste und nickte langsam. »Also weißt du, wovon ich rede, wenn ich was von einem Spezial-Brownie sage. Nicht wie das letzte arme Mädchen, das dachte, ich rede vom Geheimrezept meiner Großmutter oder so ein Scheiß.« Sie schüttelte gemächlich den Kopf. »Keine Ahnung, was sie sich gedacht hat. Seh ich für dich vielleicht wie Enie van de Meiklokjes aus, oder was?«

Ich lachte auf und war mir nun recht sicher, warum die Maklerin mir bei der Schlüsselübergabe entschuldigend zugezwinkert und mir ein mattes Viel Glück zugemurmelt hatte.

»Nein, tust du nicht. Aber ich glaube, wir beide werden bestens miteinander auskommen.«

»Gut, gut.« Bernice schloss das Rolltor und erzählte mir kurz, an welchen Tagen die Müllabfuhr kam, welche Nachbarn nett waren und welche Arschlöcher. Mit Musik hatte sie keine Probleme, solange für mich dasselbe galt. Sie scherte sich einen Scheiß – ihre Worte, nicht meine – um Haustiere, solange ich hinter ihnen herräumte, und solange ich kein Meth oder mit zu viel Knoblauch kochte, würden wir uns gut vertragen.

Ich mochte sie sofort.

Ich erzählte ihr, dass ich gerade aus Brisbane hergezogen sei und in einer Woche meine neue Stelle antreten würde. Ich erklärte ihr, dass ich erst einmal die Gegend kennenlernen und die besten Stellen zum Schwimmen und Wandern ausfindig machen wollte, und sie bot mir die ganze Ich lebe hier seit vierzig Jahren-Zusammenfassung.

Sie verriet mir, wo die Einwohner schwimmen gingen und von wo sie sich fernhielten. Sie sagte mir, welcher Supermarkt der beste war, in welchem Café es den leckersten Kaffee und die niedlichsten Baristas gab und um welche Bars man während der Touristensaison lieber einen Bogen machte.

So viel also dazu, mir eine Woche Zeit zu nehmen, um alles selbst herauszufinden. Innerhalb von fünf Minuten hatte ich die ganze Breitseite einer wahrhaft Einheimischen abbekommen.

Natürlich verbrachte ich dennoch die nächsten Tage damit, mich umzusehen. Ich wollte mich mit allem vertraut machen. Nicht nur für mich selbst, sondern auch für die Gäste im Hotel, die Fragen zu ihrem Aufenthalt hatten. Ich fand mich in der Touristeninformation wieder, stellte ein Dutzend Fragen und nahm zwei Dutzend Broschüren mit. Ich fuhr die ganze Sunshine Coast entlang, besuchte jede Stadt, lief die Straßen entlang und bekam ein Gefühl für das Leben an der Küste.

Die Standard-Bekleidung in Coolum schienen Surfshorts, Muskelshirts und Badelatschen zu sein. Es war nun einmal ein Küstenstädtchen in dauerhaftem Urlaubsmodus. Die Kids fuhren mit Tretroller oder Skateboard herum und trugen dabei ihr Surfboard unter dem Arm, die Haut sonnengeküsst und das Haar von der vielen Zeit im Freien ausgebleicht. Selbst die arbeitende Bevölkerung wie Makler und Geschäftsleute schienen alles im Urlaubstrott zu erledigen.

Die Sommer waren feuchter als in Brisbane, aber der Küstenwind machte es erträglich. An jedem Fleck wuchsen Palmen und Farne, und zum ersten Mal seit Langem war mir, als könnte ich frei atmen.

Es war genau das, was ich gebraucht hatte.

Drei Tage bevor ich meinen neuen Job antrat, fuhr ich zum Coolum National Park und parkte davor ein. Ich nahm meine Baseballmütze und meinen Rucksack, prüfte zweimal, ob ich beide Wasserflaschen dabeihatte, frischte schnell mein Insektenschutzmittel auf, verschloss den Wagen und betrat den Wanderpfad.

Es gibt nichts, was mit einer Wanderung durch den Regenwald vergleichbar wäre. Allein die Geräusche waren fantastisch, Grillen und Vögel versuchten, sich in einer Art Sinfonie zu übertreffen. Und der Geruch von Salz und feuchter Erde war belebend.

Laut den Broschüren und dem Internet begann die Wanderung recht leicht, doch sobald der Weg sich zum Mount Coolum hinaufzog, sei sie recht fordernd. Und sie lagen nicht falsch. Der Pfad war uneben und steil, meine Beine und Lunge brannten vor Anstrengung. Während ich weiter hinaufstieg, kamen mir von oben Wanderer entgegen. Alle lächelten oder grüßten mich mit einem Hi oder Tach, und nach einem weiteren Kilometer oder so erreichte ich den Gipfel. Die Aussicht war spektakulär.

Es bot sich mir ein Rundumblick auf die Küste und meilenweit ins Hinterland hinein. Ich machte eine Reihe Fotos und Selfies, schickte sie an meine Eltern und Freunde in Brissy und sogar eines an meine Schwester. Und noch bevor mein verschwitztes Shirt in der glühenden Hitze trocknen konnte, machte ich mich an den Abstieg.

Ich erreichte keuchend und in mich hineingrinsend den Parkplatz. Dort pflanzte ich meinen Hintern auf einen hölzernen Picknicktisch im Schatten – nicht weit von meinem Auto entfernt –, um wieder zu Atem zu kommen und meine Beine auszuruhen.

Ein kleiner bräunlicher Hund kam zu mir herüber und setzte sich vor mich. Er war niedlich und hatte ein freundliches Gesicht. Seine rosige Zunge hing ihm aus der Schnauze, und er saß einfach nur da und starrte. Ich sah mich auf dem Parkplatz um, aber niemand schien uns zu beachten.

»Hallo du«, sagte ich zu ihm.

Ich bin überzeugt, dass er lächelte.

»Wo stecken deine Eltern?«, fragte ich. Dann fiel mir auf, dass ich mit dem Hund sprach, als wäre er ein verlorenes Kind.

Er saß einfach nur da. Lächelnd. Mit heraushängender Zunge.

Ich nahm einen langen Zug aus meiner letzten Wasserflasche. Der Hund rückte ein Stück näher und leckte sich die Lefzen.

»Hast du Durst?«, fragte ich.

Wieder sah ich mich auf dem Parkplatz um. Ich vermutete, dass niemand sauer sein würde, wenn ich ihrem Hund ein bisschen Wasser gab. Also krümmte ich eine Hand vor seiner Nase und goss den Rest meines Wassers hinein. Der Hund trank gierig, bis die Flasche leer war.

Der arme kleine Kerl war ganz schön durstig.

Erneut sah ich mich um, dieses Mal zunehmend besorgt. Ich meine, es war heiß. Es war Sommer. Er sollte hier nicht herumlaufen, ohne Wasser zur Verfügung zu haben. Vielleicht würde man es mir nicht übel nehmen, dass ich ihm etwas gegeben hatte, aber ich war ganz sicher stocksauer auf seinen Besitzer, dass er es nicht selbst getan hatte.

Aber es war niemand zu sehen.

»Wo ist dein Frauchen oder Herrchen?«, fragte ich ihn noch einmal und streichelte ihm den Kopf.

Er lächelte mich einfach an.

»Du bist ein niedlicher kleiner Kerl, nicht wahr?«

Sein Lächeln wurde breiter.

Ich wollte an den Strand, um meine Muskeln eine Weile im Salzwasser einzuweichen. Daher nahm ich meinen Rucksack und ging zum Auto. Der Hund folgte mir. Erneut sah ich mich suchend um, ob mich jemand beobachtete. Ich entdeckte keine Menschen, aber es standen andere Wagen da. Vermutlich waren seine Besitzer wandern. Vielleicht würden sie jede Minute wieder da sein.

Ich überzeugte mich selbst davon, dass genau das der Fall sei, verabschiedete mich von meinem neuen vierbeinigen Freund und stieg ins Auto. Ich drehte die Klimaanlage voll auf und setzte zurück. Als ich aufsah, bemerkte ich, dass er sich hingesetzt hatte und mit trauriger Miene beobachtete, wie ich wegfuhr.

Den ganzen Weg zum Strand über runzelte ich die Stirn. Aber sobald die dunkelblauen Wellen in Sicht kamen, vergaß ich den Hund und lief ins Meer. Ich schwamm für eine Weile. Das kühle Wasser erfrischte meinen Körper und klärte meine Gedanken. Salzwasser hatte zweifelsohne etwas Therapeutisches.

Ich trocknete mich ab und machte mich halb verhungert auf den Heimweg. Bis zum nächsten Tag dachte ich nicht mehr an den Hund.

Das änderte sich erst, als ich dieselbe Wanderung erneut machen wollte. Aber es hatte über Nacht geregnet und der Weg zum Gipfel des Mount Coolum war gesperrt. Unpassierbar wegen feuchter Witterung stand auf dem Schild, und mir fiel ein, dass ich online gelesen hatte, dass der Pfad nach Regen geschlossen wurde. Ich saß im Auto und fragte mich, ob ich mir einen anderen Wanderpfad suchen oder an den Strand gehen sollte, als ich ihn sah.

Der kleine bräunliche Hund war nun bedeutend brauner als zuvor, struppig und nass. Er saß neben dem Picknicktisch, an dem ich ihm am Vortag zu trinken gegeben hatte, und beobachtete mich.

Ich öffnete die Tür und stieg aus. Ich wusste nicht wirklich, was ich mit ihm anfangen sollte, aber ich würde ihn sicher nicht hier zurücklassen. Er hatte die Nacht eindeutig im Regen verbracht, allein, ohne Futter und vermutlich zu Tode verängstigt. Ich ging davon aus, dass er davonlaufen würde. Daher kauerte ich mich neben der offenen Autotür hin und klopfte auf ein Knie.

»Komm her, Junge«, sagte ich und versuchte, nicht bedrohlich zu klingen oder zu wirken.

Tatsächlich setzte er sich sofort in Bewegung, aber er lief nicht vor mir davon. Stattdessen rannte er direkt auf mich zu, umging meine Beine und sprang ins Auto.

»Hey«, sagte ich im Aufstehen. Er saß nicht auf dem Fahrerplatz, sondern hatte sich auf den Beifahrersitz gehockt; ganz so, als hätte er darauf gewartet, dass ich ihn abholte. »Alles klar bei dir?«

Seine rosige Zunge hing ihm aus dem schmutzigen Gesicht. Offenbar war er nicht gefährlich, und er sah nun wirklich nicht danach aus, als wollte er flüchten.

Ich nahm Platz, schloss die Tür und sah meinen neuen Begleiter an. »Du siehst aus wie ein Ewok.«

Ich bin mir sicher, dass er lächelte.

Und dann fiel mir auf, dass an seinem Halsband ein Namensschild hing. Langsam streckte ich die Hand aus, um seine Reaktion zu prüfen, aber er leckte mir die Finger. Also ging ich davon aus, dass wir auf gutem Fuß standen. Ich hob das Namensschild an und musste erst einmal den Schlamm abreiben, bevor ich es lesen konnte.

Wicket.

Sein Name war Wicket.

Es dauerte einen Augenblick, aber dann begriff ich. Wicket war tatsächlich ein Ewok aus Star Wars. Der putzige, neugierige Kleine, der auf Prinzessin Leia trifft. »Tja, Wicket, ich wette, dass dich jemand vermisst.«

Er grinste mich noch ein bisschen breiter an.

Ich drehte das Schild um und entdeckte eine Handynummer. Gott sei Dank. Dann holte ich mein Smartphone hervor und wählte.