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Trask stiefelte in Leahs Haus und stieß in der Küche auf sie – eine Schürze über ihrem T-Shirt, nackte schlanke Beine, schimmernd unter dem Saum des Shirts.
Sie begrüßte ihn nicht, drehte sich nicht vom Herd weg. Was nicht anders zu erwarten
gewesen war. Und als er seine Lippen auf ihren langen, feuchten Nacken drückte, wand sie sich mit ihren schmalen Schultern. Was entweder Lass das bedeutete oder Nachher, vielleicht. Es bedeutete nicht Mach das noch mal.
»Schon gehört? Die Lions sind im Finale.«
Leah beachtete ihn nicht. Sie kochte, etwas, was sie selten tat und schlecht
dazu. Sauce bolognese, wie’s aussah. Rinderhackfleisch, Zwiebeln, Knoblauch, Dosentomaten und Tomatenmark.
Keine Kräuter, kein Schuss Rotwein, weder Salz noch Pfeffer, noch ein Suppenwürfel oder eine Prise Zucker, um dem ganzen Tomatenzeug die Säure zu nehmen. Aber sie hatte gemeint, man müsse sich unterhalten, wo es keine Zuhörer gebe, also würden sie bei ihr essen.
Trask beugte seine große Gestalt in den Kühlschrank, peilte pessimistisch die Lage, aber da war eine Dose Bier, Cascade
Light. Er ließ die Kühlschranktür los, verfolgte, wie sie zuschwang, wie Magnetdichtung und Rahmen einander
lautlos küssten, und zog dabei am Verschluss der Dose. Leah trank Gin Tonic, das Glas
abgestellt auf dem Fenstersims über der Spüle. Dieses eine Glas würde ihr für den ganzen Abend genügen. Sie erwiderte nichts, als er mit seiner Dose gegen ihr Glas stieß und »Cheers« sagte, sondern zuckte nur wieder mit ihren schmalen Schultern. Was für ein Paar, dachte er: der Schmetterling und der Kleiderschrank.
Eine Zeit lang geschah nichts. Trask trank sein Bier und Leah kochte. Sie fragte
nicht, wie es mit Wurlitzer gelaufen sei.
Angeödet zog er sich ins Badezimmer zurück. Badezimmer hatten eine beruhigende Wirkung auf ihn. Er saß da und träumte und schaute und las die Etiketten auf Tuben und Flaschen.
Leahs Badezimmer war voller teurer Shampoos und Lotionen mit obskuren Namen,
festgehalten in Schriftbildern, die nur so wimmelten von Umlauten und
Zirkumflexen. Entworfen, um exotische Bestandteile zu suggerieren, seltene,
kostspielige, entwickelt mithilfe der Weisheit von Jahrhunderten. Alles
Schwindel, natürlich. Laut Etikett stammte Leahs Shampoo aus der Fabrik 4, Technology Road,
Newcastle North Industrial Estate.
Er ging zurück in die Küche. Offensichtlich mit dem Rühren fertig, schien Leah geneigt, ihm einen Moment ihrer kostbaren Zeit zu gewähren. Am Ende eines langen Arbeitstages zeigte sie keine Spur von Ermüdung. Hinterlist und Tod garantierten ihr eine glänzende Verfassung. Er beugte sich vor, um sie zu küssen, aber sie legte ihm die Hand auf die Brust. »Nein, lass das. Wir gehen dahin, wo’s behaglicher ist.«
Ins Bett? Wohl kaum. Trask folgte ihr zum Sofa im Wohnzimmer, den Schwung ihrer
Hüften im Blick. Sie ließ sich aufs Sofa fallen, klopfte mit der Hand auf die Stelle neben ihrem
Oberschenkel und schwang ihre Beine über seinen Schoß, sobald Trask sich gesetzt hatte. Ihre Haut schimmerte, war glatt, straff, gebräunt. Unterhalb des Saums von Leahs T-Shirt die Andeutung eines schwarzen Höschens.
Er streichelte eins der zarten Beine vom Knöchel bis zum Knie und auch ein Stück darüber. »Wurlitzer lief glatt, nebenbei bemerkt.«
»Natürlich. Davon war ich absolut überzeugt«, sagte sie.
Er streichelte weiter. Wollte ihr ein anständiges Lob entlocken, unfähig, die richtigen Worte zu finden.
Sie packte seine Hand. »Konzentrier dich.«
»Oh, ich bin konzentriert.«
»Konzentrier dich, hab ich gesagt.«
Wenn man sie verärgerte, straffte sich ihr Gesicht und ein Killerblick trat in ihre Augen.
»Tut mir leid«, murmelte er.
Sie rang sich ein Lächeln ab. Eines wie ein Schlitz, der ihre Lippen verschluckte. »Ich habe nachgedacht«, sagte sie.
»Das hast du drauf.«
»Hattest du schon mal das Gefühl, man betrachte uns als selbstverständlich?«
Ständig, dachte Trask. Er sagte: »Du meinst deinen Onkel?«
Sie nickte. »Ich meine, im Endeffekt hast du uns die Kundin beschafft. Gäb’s dich nicht, gäb’s keinen Ormerod-Job.«
»Genau.«
»Und welchen Dank bekommst du dafür?«
»Einen Scheiß bekomm ich«, sagte Trask, der sauer wurde.
»Und ich?«, wollte Leah wissen. »Immer heißt es: ›Tu dies, Leah, tu das, Leah.‹ Nein, danke.«
»Hm.«
»Onkel David lebt da so in seinem großen Haus, hat Geld wie Heu.«
»Yep.«
»Ich war erst sechs, als Mum und Dad getötet wurden.«
Wie Trask es verstanden hatte, waren sie voll auf Speed in einen
entgegenkommenden Betonmischer gerauscht. »Das muss heftig gewesen sein«, sagte er.
»Heftig? In einem Kinderheim wär ich besser aufgehoben gewesen. Ich meine, ich habe immer gewusst, dass er
nicht ganz sauber ist. Ich war dreizehn, als er angefangen hat, mich
aufzubrezeln. Nicht oft und meistens für Erpresserfotos. Aber immerhin.«
»Hat er ... «
Sie schüttelte den Kopf. »Nee. Hat mich nie angerührt.«
»Und deine Tante?«
»Ist durchgedreht. Sie ist in der Psychiatrischen.«
Trask fragte sich, wohin das alles führen würde.
»Es ist so, dass Onkel David immer gesagt hat, was ihm gehört, würde eines Tages mir gehören. Er würde mich in alles einweisen und wenn er sich zurückzieht, soll ich das Ganze übernehmen.«
»Er macht aber keinesfalls den Eindruck, als würde er sich zurückziehen wollen«, gab Trask zu bedenken.
Leah war Trasks Hand überdrüssig geworden und spannte sich wie eine Feder. »So ist es. Ich werde alt und grau sein, wenn ich so was wie Verantwortung übernehme. Und was, wenn sein kleines Reich zwischenzeitlich um ihn herum
zusammenbricht? Was wird dann aus mir?«
Trask wischte sich ein wenig Spucke von der Wange, Leahs Spucke, und streichelte
ihr Knie. »Im Fall der Fälle gehen wir alle unter.«
»Er vertraut mir nicht, lässt mich nichts in Eigenregie erledigen«, sagte Leah, von einem Zittern erfasst. »Dieses Gemälde, zum Beispiel – wir beraten uns nicht, er schleppt lieber einen Fremden an.«
Trask linste auf das V ihres Höschens unterhalb des T-Shirtsaums.
»Was zahlt er dem Kerl?«
Leah schwang ihre braunen Beine geschmeidig auf den Boden und das schwarze V
verschwand. »Sicherlich kein Trinkgeld.«
Trask sah sich im Zimmer um. Von außen verfiel das Haus, aber das Wohnzimmer war wie aus einem Lifestylemagazin:
minimalistisch, mit schimmerndem Holzboden, einem Teppich in Jadegrün, Ledersesseln und nüchternen weißen Wänden und Regalen. Hier und da rote, gelbe und blaue Tupfen, die das kalte Licht
aufbrachen: Vasen, Buchrücken, Kissen. Kleine, wie hastig hingeworfene Drucke an den Wänden.
Er fragte sich, ob er heute das Schlafzimmer noch sehen werde, so wie Leah dasaß, steif und stinkig. Vielleicht Massage ihres Egos ...
Trask legte ihr einen Arm um die Schultern und sagte: »Leah, du könntest diese Sache erfolgreich durchziehen, wenn Minto dir die Möglichkeit geben würde.«
Es war, als hätte sie genau diese Worte hören wollen. Da waren sie wieder, ihre Beine, ihre Waden in seinem Schoß, auch ihr Arsch rückte ein Stückchen näher.
»Witzig, dass du das sagst, weil mir genau das eben durch den Kopf ging.«
Einer gewissen Hitze auf der Spur, berührte Trasks Hand Leahs Knie mit kreisenden Bewegungen, wanderte höher.
»Du hast es eben drauf.«
»Wir ziehen den Job selbst durch.«
Trask hielt inne. »Du meinst, Wyatt sagen, dass er unerwünscht ist?«
»Nein, Alan, das meine ich nicht«, erwiderte sie in ihrem Gouvernantenton.
»Was dann?«
»Wir klauen das Gemälde, verkaufen es, sacken das Geld ein.«
»Ich geh davon aus, dass wir deinem Onkel nichts erzählen.«
»So viel steht schon mal fest.« Sie schlängelte sich näher. Trask war klar, dass sie ihn einwickeln wollte, verdrängte es aber. Er dachte an gebräunte Haut, die heiß war und weich.
»Wie also?«
»Wir überlassen Wyatt den stressigen Teil und dann knöpfen wir uns Wyatt vor.«
Trask strich sich übers Kinn. »Möglich wär’s. Wenn auch nicht leicht. Und ... willst du wirklich, dass er dir im Nacken
sitzt?«
Leahs Hand auf seinem Unterarm strahlte Hitze aus. »Wenn ich sage, wir knöpfen uns Wyatt vor, meine ich damit etwas Endgültiges. Du hast mir gezeigt, dass du zu so was in der Lage bist.«
Trask schwoll bei diesen Worten ein wenig die Brust, aber er sagte: »Okay, aber dann sitzt uns Minto im Nacken.«
»Nicht, wenn wir Wyatts Leiche so entsorgen, dass sie nie gefunden wird. Onkel
David wird glauben, dass er mit dem Gemälde abgehauen ist. Ich meine, der Typ ist ein Ganove. In der Zwischenzeit geben
wir uns beide überrascht und empört.«
»Und ... wie? Ihn schnappen, wenn er das Haus verlässt? In seinem Wagen? Wir wissen ja nicht mal, wann er es durchziehen will.«
»Das überlass mir. Ich werde ihn von einem konkreten Zeitpunkt überzeugen.«
Trask, Leah und diesen Draufgänger vor dem inneren Auge, räusperte sich. Mit heiserer Stimme fragte er: »Wie ist er so?«
Sie zuckte zusammen, als steige eine unangenehme Erinnerung in ihr auf. »Sagen wir mal so, er hat flinke Finger.«
Trask spürte, wie sich seine Fäuste ballten. Plötzlich bot ihm die Aussicht, Wyatt plattzumachen, ein gewisses Maß an Befriedigung.
Sie gestattete seiner Hand, unter den Saum ihres T-Shirts zu gleiten, dort ihrer
Erregung nachzuspüren. »Wir nehmen deinen Jeep, um die Leiche wegzuschaffen.«
»Was? Nein. Ich will da keine Spuren.«
»Wir werden was brauchen. Mein VW geht nicht.«
»Es ist nicht in unserm Interesse, dass dein Wagen in der Gegend auftaucht. Ich
organisiere einen Van«, sagte Trask, Cherub dabei im Blick. Cherub konnte alles besorgen. Sofern der Preis stimmte. »Leah, ich brauch etwas Geld für die Kosten.«
Leah setzte eine mürrische Miene auf, ihre Standardreaktion bei den meisten alltäglichen Angelegenheiten, vor allem wenn es darum ging, Geld rüberzuschieben. »Ich bin kein Geldautomat.«
Trask lenkte weg davon. »Wir werden das Gemälde irgendwo verstecken müssen.«
»In einem Lagerraum in der Nähe vom Flughafen.«
»Dein Onkel wird das nicht einfach so schlucken«, sagte Trask. »Er wird dich genau ins Visier nehmen und mich erst recht.«
»Soll er.«
»Was, wenn die Klientin sich auf uns versteift?«
»Es gibt keinen Grund, warum sie zuerst auf uns kommen sollte statt auf Wyatt
oder meinen Onkel. Sie wird auf Rückzahlung pochen. Könnte streuen, Onkel David könne man nicht vertrauen.«
Und dir einen Einstieg ermöglichen, dachte Trask. »Viel Arbeit, Leah. Und was wissen wir über den Kunstmarkt? So ein altes Gemälde zu haben ist nicht das Gleiche wie Bargeld in der Hand. Kennst du jemanden,
der willens und in der Lage ist, es zu verschieben?«
Was Trask über Kunst wusste, erschöpfte sich in dem Poster der Lions an seiner Küchenwand.
»Wir können wohl schlecht Wurlitzer einspannen.« Leah grinste.
Trask lachte und streichelte sie durch die Baumwolle. Erregt von Raub und Mord,
fing Leah an zu schnurren, wurde träge, ihr Blick schläfrig, dabei bewegte sie ihr Becken gegen seinen Daumen. Das Spiel ihrer Knochen
und Sehnen. Jeder Zoll ihres Körpers war aufreizend und vollkommen.
Dann schob sie seine Hand weg und sagte mit rauer Stimme: »Ich muss dich warnen, Wyatt könnte bewaffnet sein.«
»Dann drücke ich zuerst ab«, sagte Trask.
»Hoffentlich nicht mit der Waffe, die du bei Wurlitzer eingesetzt hast.«
»Natürlich nicht«, log er.
»Okay.«
»Dieses Gemälde ist es hoffentlich wert.«
»Es könnte bis zu einer Million Dollar bringen.«
»Wir machen halbe-halbe?«
»Halbe-halbe«, bestätigte Leah und drängte sich mit ihrem kleinen Hintern an ihn. Trask glaubte, dass dieser Deal
etwas für ihn abwerfen würde, aber nicht die Hälfte. Leah machte nie halbe-halbe.