Schmutztitel
Titel

Gefahr im Reitstall

Henriette Wich

KOSMOS

Umschlagillustration von Ina Biber, Gilching

Umschlaggestaltung von Sabine Reddig

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© 2020 Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten.

ISBN 978-3-440-50227-3

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Vier ist eine zu viel

»Nein, du kannst wirklich nicht bleiben!«, sagte Franzi zu Benni, während sie mit ihren Inlinern elegant vor dem Café Lomo abbremste. »Du weißt doch, heute haben die drei !!! Clubtreffen, das ist streng geheim.«

Benni rollte geschickt an ihr vorbei und blockierte die Tür.

»Na gut, ich lass dich gehen, aber nur unter einer Bedingung.«

»Welche denn?«, fragte Franzi und plötzlich klopfte ihr Herz schneller. Obwohl sie schon über zwei Monate mit Benni zusammen war, war sie immer noch total verliebt in ihn.

Benni strahlte sie mit seinen blauen Augen an und drückte ihr einen sanften Kuss auf die Lippen. Franzi verlor die Kontrolle über ihre Inliner. Sie wackelte gefährlich, doch Benni merkte es zum Glück und fing sie in seinen Armen auf. Franzi machte die Augen zu und kuschelte sich an seine Brust.

Plötzlich räusperte sich jemand neben ihr. »Ihr habt euch ja den perfekten Platz zum Knutschen ausgesucht, genau vor der Tür! Lasst ihr mich durch oder dauert das noch länger?« Sofort machte Franzi die Augen wieder auf und löste sich aus Bennis Armen. Vor ihr stand Kim, die Gründerin des Detektivclubs Die drei !!!, und grinste breit.

Franzi wurde rot. »Ich … äh … wir … klar kannst du durch, wir haben uns nur noch schnell verabschiedet.«

»Stimmt, ich bin eigentlich längst weg«, sagte Benni, doch statt die Tür freizugeben, hauchte er Franzi einen Kuss auf die Nasenspitze und dann noch je ein Küsschen auf die linke und auf die rechte Wange.

Franzi musste lachen, aber Kim wurde langsam ungeduldig und verdrehte die Augen. »Kommst du jetzt endlich?«

»Klar«, sagte Franzi und riss sich von Benni los. Schließlich gab es neben der zweitwichtigsten Sache der Welt, der Liebe, noch die allerwichtigste Sache in ihrem Leben: den Detektivclub!

Fünf Minuten später saß sie mit Kim in der Sofaecke des Cafés, hatte ihre Inliner gegen normale Schuhe getauscht und schlürfte genüsslich den Schaum von ihrem Kakao Spezial mit Vanillearoma.

Kim gönnte sich zum Kakao noch einen extragroßen Schokomuffin. Bei Schokolade und Gummibärchen konnte sie einfach nicht widerstehen. Zur Entschuldigung behauptete sie immer, sie würde die Süßigkeiten zur besseren Konzentration brauchen, weil sie schließlich der Kopf der drei !!! sei und sich mit Computern und Technik herumschlagen müsse.

Nachdem der Muffin innerhalb kürzester Zeit in ihrem Mund verschwunden war, sah Kim auf ihre Armbanduhr und seufzte. »Typisch! Marie ist natürlich wieder zu spät. Ich bin gespannt, welche Ausrede sie diesmal hat: Aerobic, Theaterworkshop oder Gesangsstunde.«

Normalerweise fand Franzi Maries Unpünktlichkeit und ihre vielen wahnsinnig wichtigen Termine auch extrem nervig, aber heute war sie viel zu gut gelaunt, um sich darüber zu ärgern.

»Sie wird schon noch kommen«, meinte Franzi deshalb nur, während sie sich im Lokal umsah. Inzwischen war das Café Lomo fast schon ihr zweites Zuhause geworden. Dort trafen sich die drei !!! regelmäßig, wenn sie über ihre aktuellen Fälle sprechen wollten. Besonders geheime Dinge beredeten sie allerdings lieber im Hauptquartier, einem alten Pferdeschuppen daheim bei Franzi, den sie extra entrümpelt und schön eingerichtet hatten.

Da stürmte Marie mit wehenden Haaren zur Tür herein. Wie immer war sie von Kopf bis Fuß gestylt und trug eine nagelneue schwarze Bikerjacke, die perfekt zu ihrem roten Rock und dem roten Lippenstift passte. Manchmal wünschte sich Franzi, sie könnte auch alle naselang shoppen gehen wie Marie, aber leider war ihr Vater nur Tierarzt und kein berühmter Schauspieler, der mit seiner Rolle als Hauptkommissar Brockmeier in der Krimiserie Vorstadtwache jede Menge Geld verdiente.

»Na endlich!«, rief Kim. »Das wurde aber auch Zeit. Wir warten schon ewig.«

»Ach, wirklich?«, fragte Marie und sah überhaupt nicht schuldbewusst aus. Sie warf sich aufs Sofa neben Franzi, holte einen Briefumschlag aus ihrer Jacke und wedelte damit vor Kims Nase herum. »Ratet mal, wer uns geschrieben hat!«

»Du wirst es uns bestimmt gleich erzählen«, sagte Kim, die immer noch ziemlich angesäuert war.

Marie ließ sich davon nicht beeindrucken und strahlte Franzi an. »Was meinst du?«

»Keine Ahnung«, antwortete Franzi. »Jetzt sag schon, spann uns nicht auf die Folter!«

Marie klimperte mit ihren schwarz getuschten Wimpern und rief triumphierend: »Der Brief ist von Nick!«

Plötzlich war Kim wie ausgewechselt. »Echt, von Nick? Was schreibt er denn? Mensch, lies vor!«

Franzi rückte näher an Marie heran. Sie konnte es auch kaum erwarten. Die Detektivinnen hatten Nick, den Leadsänger einer bekannten Boygroup, bei ihrem letzten Fall kennengelernt und ihm in einer ziemlich brenzligen Lage geholfen. Dabei hatten sie sich alle drei ein bisschen in ihn verknallt, hinterher aber festgestellt, dass es doch nur harmlose Schwärmerei gewesen war. Trotzdem ertappte sich Franzi dabei, dass es auch heute noch in ihrem Bauch kribbelte, wenn sie an ihn dachte.

Marie öffnete feierlich den Briefumschlag, holte eine Autogrammkarte von Nick heraus und las den Text auf der Rückseite vor.

Hallo Marie, Kim und Franzi!

Ich wollte mich noch mal bei euch bedanken. Ihr habt mich echt gerettet. Das werde ich nie vergessen – und euch auch nicht!

Liebe Grüße, Nick

»Süß!«, rief Kim, und Marie seufzte und sah auf einmal ganz sehnsüchtig aus.

Franzi hätte am liebsten auch geseufzt, aber sie verkniff es sich lieber, weil sie ein schlechtes Gewissen wegen Benni hatte, und sagte: »Nett von Nick, aber können wir jetzt wieder von was anderem reden? Kim! Wie geht es denn dir und Michi?« Kim wurde kurz rot, doch dann lächelte sie selig. »Gut, sehr gut! Wir sind immer noch total glücklich miteinander.« Kim hatte sich gleich beim ersten Fall der drei !!! Hals über Kopf in Michi Millbrandt verliebt und sorgte seitdem dafür, dass er ihnen so oft wie möglich bei ihren Ermittlungen half. Vor zwei Monaten am Valentinstag war sie endlich mit ihm zusammengekommen.

»Und was macht dein Holger?«, erkundigte sich Franzi bei Marie.

Plötzlich verschwand Maries Lächeln. Tonlos murmelte sie: »Er ist heute nach England geflogen, nach Manchester, für einen Monat. Ich konnte ihm diesen blöden Schüleraustausch einfach nicht ausreden.«

»Das ist doch toll!«, sagte Franzi. »Jetzt kannst du endlich wieder deine Freiheit genießen, die brauchst du doch, oder?« Marie hielt nichts von allzu engen Beziehungen und flirtete für ihr Leben gern. Doch heute schien sie die Vorstellung gar nicht berauschend zu finden, dass ihr Freund, der ohnehin weit weg wohnte, jetzt für einige Zeit noch weiter weg sein würde.

»Diese Corinna, seine Mitschülerin, mit der er neulich für die Englischklausur gelernt hat, ist auch mitgeflogen«, sagte Marie mit düsterem Gesichtsausdruck. »Die nutzt bestimmt die günstige Gelegenheit und wirft sich ihm an den Hals.« Kim legte ihr tröstend die Hand auf den Arm. »Das glaub ich nicht, Holger ist dir sicher treu. Und ich finde, Franzi hat recht, wir sollten das Thema wechseln. Gibt es irgendwas Neues für unseren Detektivclub? Hat jemand von euch etwas Verdächtiges beobachtet, das für die drei !!! interessant sein könnte?«

Franzi und Marie schüttelten beide den Kopf.

»Leider nicht«, sagte Franzi. »Obwohl ich wirklich Lust auf einen neuen Fall hätte.«

»Bis jetzt konnten wir uns ja kaum retten vor Verbrechen, die zufällig in unserer Nähe passiert sind«, sagte Marie.

Franzi nickte, während sie die verschiedenen Fälle noch mal kurz Revue passieren ließ. Inzwischen waren sie mit ihrem Detektivclub schon richtige Profis und hatten über zehn Fälle gelöst, einen davon sogar im Ausland. Ab und zu hatte ihnen dabei Kommissar Peters geholfen, ein Freund von Maries Vater, aber das meiste hatten sie ganz alleine geschafft, und darauf waren sie ziemlich stolz.

Kim nickte. »Wir müssen wahrscheinlich nur ein bisschen Geduld haben, und wenn wir es am wenigsten erwarten, schneit plötzlich ein neuer Fall herein, einfach so.«

Kaum hatte sie den Satz zu Ende gesprochen, betrat ein Mädchen mit kurzen blonden Locken das Café. Sie trug eine Reithose und Reitstiefel, sah sich um, stutzte und steuerte dann zielstrebig auf den Tisch der drei !!! zu.

»Hi, Franzi, das ist ja ein Zufall!«, rief sie. »Was machst du denn hier?«

Franzi brauchte zwei Sekunden, bis sie sich erinnerte, woher sie das Mädchen kannte. Dann fiel es ihr wieder ein. Fiona Röhn war mitten im Schuljahr umgezogen und ging seit einer Woche in Franzis Parallelklasse. Bisher war ihr die Neue allerdings kaum aufgefallen, weil sie nur im Religionsunterricht mit ihr zusammen war.

»Hallo, Fiona!«, sagte Franzi. »Ich bin hier mit meinen Freundinnen vom Detektivclub. Das sind Marie und Kim.«

Kim und Marie waren nicht gerade begeistert, dass diese Fiona einfach so in ihr Treffen hineinplatzte, und nickten nur kurz.

Fiona schien es nicht zu merken. »Ihr habt einen Detektivclub? Das ist ja cool! Ich hatte auch mal einen, früher, in der Grundschule. Dann habt ihr sicher viel zu besprechen, oder? Ich geh besser wieder …« Sie hatte sich schon halb umgedreht, da blieb ihr Blick beim Tisch hängen, auf dem immer noch die Autogrammkarte von Nick lag. »Sagt bloß, das ist ein echtes Autogramm von Nick? Er ist ja sooo süß!«

»Ja, sehr süß«, sagte Kim. »Und das Autogramm ist tatsächlich echt. Jetzt müssen wir aber wirklich …«

»Wie seid ihr denn an das Autogramm rangekommen?«, fragte Fiona weiter. »Könnt ihr mir auch eins besorgen?«

»Klar«, sagte Franzi. »Zufällig kennen wir Nick persönlich und … autsch!«

Weiter kam sie nicht, weil Marie ihr unter dem Tisch auf den Fuß trat und dabei gleichzeitig Fiona mit hochgezogenen Augenbrauen musterte. »Das können wir dir leider nicht versprechen.«

Franzi warf Marie einen verärgerten Blick zu. Musste sie gleich so unfreundlich sein?

»Hmm … schade«, sagte Fiona. »Na ja, ich wollte nur mal fragen. Jetzt lass ich euch aber endlich allein. Ich muss sowieso los, zurück zu unseren Ponys.«

»Du hast Ponys?«, rutschte es Franzi heraus. Sie musste sofort an Tinka denken, ihr eigenes Pony, mit dem sie, so oft es ging, lange Ausritte machte.

»Ja«, sagte Fiona. »Meine Eltern haben gerade erst einen Ponyhof gekauft. Da gibt es natürlich jede Menge zu tun.« Franzis Augen fingen an zu leuchten. »Das ist ja spannend! Wo ist denn euer Ponyhof?«

Kim stöhnte leise und Marie machte ihr heimlich hektische Zeichen, dass sie aufhören sollte zu fragen, aber Franzi tat so, als würde sie die Zeichen nicht sehen.

»Unser Ponyhof ist im Föhrenwinkel«, sagte Fiona, »ganz in der Nähe der neuen Bundesstraße.«

Franzi nickte. »Ja, den Ponyhof kenn ich. Vor Jahren bin ich mal dort gewesen. Leider ist er ziemlich weit weg von mir zu Hause, am anderen Ende der Stadt. Aber erzähl mal, wie viele Ponys habt ihr denn?«

Maries Zeichen wurden immer unmissverständlicher, aber Franzi ignorierte sie. Das Thema war einfach zu aufregend.

»Warte mal, da muss ich selber erst überlegen«, antwortete Fiona und fuhr sich durch die kurzen blonden Locken. »Ich glaube, insgesamt sind es zehn Ponys. Dann haben wir auch noch zwei Pferde und eine eigene Pferdekutsche.«

Franzi pfiff durch die Zähne. »Toll! Und welche Rassen habt ihr so? Sind es viele verschiedene? Und was … aua!«

Maries zweiter Fußtritt hatte richtig wehgetan. Jetzt konnte Franzi ihre Zeichen nicht länger ignorieren. »Äh … ich glaube, meine Freundinnen werden langsam ein bisschen unruhig«, sagte sie zu Fiona. »Lass uns morgen in der Pause weiterreden, okay?«

Fiona lächelte. »Kein Problem! Wie gesagt, ich muss eh los. Also dann, bis morgen!«

»Ciao!«, rief Franzi.

»Ciaoiii!«, machte Marie sie völlig übertrieben nach, als Fiona weit genug weg war und es nicht mehr hören konnte.

Franzi blitzte Marie wütend an. »Was soll das? Ich hab mich nur kurz unterhalten, das wird wohl noch erlaubt sein.«

»Natürlich!«, sagte Marie. »Entschuldige bitte vielmals! Ich wollte dich nicht bei deinem exorbitant wunderbaren Gespräch mit deiner neuen Freundin unterbrechen. Aber gib uns bitte rechtzeitig Bescheid, wenn du mit ihr einen Pferdeclub gründen willst und keine Zeit mehr für unseren Detektivclub hast.«

»So ein Blödsinn!«, sagte Franzi. »Für unseren Club hab ich natürlich immer Zeit. Suchst du Streit oder was?« Sie konnte es nicht ausstehen, wenn Marie ihre arrogante Seite herauskehrte und mit Fremdwörtern um sich warf, um zu betonen, dass sie aufs Gymnasium ging, während Franzi und Kim bloß auf der Gesamtschule waren.

»Keiner hier will Streit«, sagte Kim beschwichtigend. »Marie hat es nicht so gemeint, oder, Marie?«

Die lächelte zwar, aber Franzi fand, dass es nicht besonders überzeugend aussah.

Kim schien anderer Meinung zu sein. »Sehr schön! Dann ist ja alles wieder in Butter. Jetzt lasst uns wieder über unseren Detektivclub reden. Was haltet ihr übrigens davon, wenn wir mal unser Hauptquartier ausmisten? Da sieht es zurzeit ganz schön chaotisch aus.«

Franzi zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht …« Sie hasste es, ihr Zimmer aufzuräumen, und tat es nur, wenn ihre Mutter sie dazu drängte. Auch noch freiwillig aufzuräumen, dazu hatte sie absolut keine Lust. »Können wir das nicht vertagen?«, fragte sie.

»Ja, vertagen wir das Thema«, stimmte Marie zu. »Ich hab nämlich noch einen anderen Vorschlag. Wir könnten uns mal wieder ein paar spannende Hörspiele von den Drei ??? reinziehen. Das haben wir schon ewig nicht mehr gemacht.« Dabei zeigte sie auf die Hörspiel-Lounge im Café, die ausnahmsweise frei war.

Franzis Laune besserte sich schlagartig. Manchmal war Marie wirklich unausstehlich, aber hin und wieder hatte sie auch echt gute Ideen.

Lachend sprang Franzi auf und hakte sich bei Kim ein. »Los, komm! Du bist eindeutig überstimmt.«

Herzklopfen auf der Koppel

»Danke, dass ich gleich mit zu dir darf!«, sagte Fiona am nächsten Nachmittag, während sie neben Franzi unter blühenden Bäumen die Straßen entlangradelte.

»Klar doch«, sagte Franzi.

Obwohl sie Fiona noch nicht gut kannte, verstand sie sich supergut mit ihr. In der Pause hatten sie sich die ganze Zeit über Pferde unterhalten und Fiona hatte vorgeschlagen, dass sie möglichst bald gegenseitig ihre Ponys kennenlernen sollten. Und da Franzi heute am Spätnachmittag noch Klavierstunde hatte und nicht wegkonnte, hatte sie Fiona spontan zu sich eingeladen.

Nach einer halben Stunde Fahrt tauchte das rote Backsteinhaus mit den dunkelblauen Fensterläden vor ihnen auf, in dem Franzi wohnte. Fiona stieg vom Rad ab und ließ ihren Blick über das Wohnhaus, den alten Pferdeschuppen und den dahinter angrenzenden Obstgarten schweifen. Die Frühlingssonne tauchte alles in ein warmes, freundliches Licht.

»Schön habt ihr es hier! Und wo ist Tinka? Im Pferdeschuppen?«

Franzi schüttelte den Kopf. »Nein, da ist unser Haupt… äh … nein, da ist was anderes drin.« Beinahe hätte sie sich verplappert. Fiona war zwar echt nett, aber wo das geheime Hauptquartier der drei !!! lag, musste sie ihr trotzdem nicht gleich verraten. »Da drüben ist Tinkas Stall«, sagte sie deshalb schnell und zeigte in die entgegengesetzte Richtung.

»Aber heute bei dem schönen Wetter ist sie auf der Weide.«

Dann nichts wie hin!«, sagte Fiona mit leuchtenden Augen. Fünf Minuten später waren sie bei der Koppel und lockten Franzis Pony an, das ein paar Meter hinter dem Zaun entspannt graste.

»Tinka, komm, Kleine!«, rief Franzi.

Die Rappstute hob den Kopf, schüttelte kurz ihre Mähne und trabte fröhlich auf die Mädchen zu. Als sie am Gatter angelangt war, streckte sie den Kopf über den Zaun und blies Franzi sanft ins Ohr.

Franzi lachte. »Ja, ich freu mich auch, dich zu sehen! Heute bin ich nicht allein. Sieh mal, wen ich mitgebracht habe: Das ist Fiona.«

Tinka drehte sich zu Fiona um und sah die neue Besucherin mit sanften braunen Augen an. Dann schnaubte sie leise und rieb ihren Kopf an Fionas Schulter.

»Ist die süß!«, rief Fiona. »Und so zutraulich.«

Franzi nickte. »Ja, Tinka ist wirklich das gutmütigste New- Forest-Pony, das ich kenne. Sie hat mich bisher auch nur einmal abgeworfen, und selbst das nur aus Versehen, weil sie wegen einer Plastiktüte erschrocken ist, die vor ihr auf dem Weg lag.« Fiona streckte vorsichtig ihre Hand aus und kraulte Tinkas Hals. Die Rappstute machte genießerisch die Augen zu.

Fiona seufzte. »So was würde mein Domino nie zulassen. Der ist das glatte Gegenteil von deiner Tinka: ein Fuchs mit Feuer unter dem Hintern, oft misstrauisch und dickköpfig. Leider hat er alle schlechten Eigenschaften eines Deutschen Reitponys auf einmal. Trotzdem liebe ich ihn heiß und innig.«

»Kann ich gut verstehen«, sagte Franzi, während sie aus ihrer Jackentasche eine Karotte holte und Tinka mit ihrem Lieblingsleckerbissen fütterte. »Das eigene Pony wächst einem einfach ans Herz. Das will man nie mehr hergeben, oder?«

»Ganz genau«, stimmte Fiona zu. Dann sah sie Franzi zögernd an. »Du, darf ich dich mal was fragen?«

Franzi nickte. »Natürlich, was denn?«

»Ich würde total gern auf Tinka reiten, nur ganz kurz«, sagte Fiona. »Hättest du was dagegen?«

Franzi lachte. So besitzergreifend war sie nun auch nicht, dass sie ihr Pony keinem anderen Reiter anvertraut hätte.

»Nein, ich hab nichts dagegen, und Tinka bestimmt auch nicht. Warte, ich hol nur schnell Sattel und Zaumzeug aus dem Stall.«

»Nicht nötig«, sagte Fiona, »aber hast du vielleicht eine Kappe für mich?«

»Klar«, rief Franzi und rannte schnell zur Sattelkammer. Als sie mit einem Reithelm in der Hand zurückkam, machte Fiona bereits das Gatter zur Koppel auf. Schnell schlüpfte sie hinein, machte das Gatter wieder zu und ging auf Tinka zu.

»Na, hast du Lust auf eine kleine Runde über die Koppel?« Tinka spitzte gespannt die Ohren, als hätte sie jedes einzelne Wort verstanden. Fiona griff in die Mähne des Ponys, holte Schwung und saß im nächsten Augenblick sicher oben auf dem Rücken. Kaum hatte sie sanften Schenkeldruck gegeben, lief Tinka auch schon los.

»Viel Spaß!«, rief Franzi und winkte ihrer neuen Freundin zu.

Fiona winkte zurück, dann konzentrierte sie sich wieder aufs Reiten. Sie umrundete mit Tinka zweimal die Koppel, bevor sie in einen leichten Trab fiel.

Franzi sah Fiona bewundernd zu. Obwohl sie keinen Sattel hatte, rutschte sie kaum hin und her und passte sich spielend den Bewegungen des Ponys an.

Fiona kann wirklich sehr gut reiten, dachte Franzi. Kein Wunder! Wenn ihre Eltern einen Ponyhof haben, hat sie sicher schon früh damit angefangen.

Nach ein paar Runden kehrte Fiona wieder zum Zaun zurück und stieg schwungvoll ab. »Danke, Franzi, das war toll! Dein Pony ist super.«