Freimund Pankow

 

 

 

13

und

andere Geschichten

 

 


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Die Personen und Handlungen in dieser Geschichte sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

 

 

 

Impressum:

1. Auflage 2020

Karina-Verlag, Vienna

http://www.karinaverlag.at/

karina.bookoffice@gmail.com

 

 

 

© Text: Freimund Pankow

Coverbilder: Pixabay, linzensfrei, Alexa, Jonny Lindner

Lektorat, Layout, Cover, Design: Renate Zawrel

Herausgeber: Karina-Verlag, Wien

 

 

ISBN E-Book: 978-3-96799-36-15

 

 

 

 

 

Dreizehn

 

Der Blick zum Kalender nach dem Aufstehen ist niederschmetternd: Freitag-der-Dreizehnte! Das kann heiter werden, denn ausgerechnet heute ist mein Terminplan rappelvoll. Aber ich bin ja Gott sei Dank nicht abergläubisch. Um alles rechtzeitig zu schaffen, muss ich mich sputen. Also rasch waschen, während der Kaffee durchläuft. Beim Zähneputzen bricht meine Zahnbürste an der dünnsten Stelle durch und ich ritze mir mit dem scharfen Stumpf in die Wange. Es tut ziemlich weh und blutet ein wenig! Wenn das so weitergeht … aber ich bin ja nicht abergläubisch.

Nach dem Waschen, das wegen der Zahnbürste nun doch länger dauerte als geplant, schmiere ich schnell Butter auf eine Scheibe Brot und überfliege während des Frühstücks die Zeitung. Platsch, da ist es passiert: Beim Umblättern habe ich übersehen, dass hinter der Zeitung mein Kaffeebecher steht, dessen Inhalt sich jetzt lustvoll über Tischdecke und Fußboden ergießt. Ein Blick zur Uhr lässt mich aufstöhnen: Schon 7 Uhr 13. Da ist sie wieder, die vermaledeite Dreizehn. Nein, das hat nichts zu bedeuten; ich bin ja wirklich nicht abergläubisch.

Nun aber flott! Ich ziehe das Tischtuch vorsichtig herunter, wische damit notdürftig über den Fußboden und werfe es in die Waschmaschine. Danach schlüpfe ich schnell in Schuhe und Mantel, verlasse eilig das Haus und ziehe die Haustür zu. Als ich abschließen will, merke ich, dass der Schlüssel noch innen steckt. Was nun? Kann ich so früh schon den Nachbarn herausklingeln, der für solche Fälle einen Zweitschlüssel hat, oder soll ich lieber gar nicht abschließen und einen Einbruch riskieren? Einmal wird das vielleicht gehen. Ich bin spät dran und muss nun wirklich los, um nicht gleich wieder im Stau zu stecken und viel zu spät zur Arbeit zu kommen. Schließlich soll ich heute ein neues Büro im 14. Stock beziehen, das ich bis zum Publikumsverkehr am Montag nach meinen Vorstellungen eingerichtet haben muss.

Wo habe ich jetzt nur den Autoschlüssel hingesteckt? Manteltaschen, Jacken- und Hosentaschen, er ist nirgends zu finden. Herrjeh, nun muss der Nachbar doch geweckt werden, das tut mir zwar sehr leid, ist aber nicht zu ändern. Schließlich kann er ruhig auch etwas von diesem verkorksten Freitag-dem-Dreizehnten mitbekommen.

Glücklicherweise öffnet er ziemlich schnell. »Guten Morgen, Herr Färber, wo brennt’s denn? Ich bin auf dem Sprung, weil ich noch vor dem Hauptverkehr durchkommen möchte.«

Ich nicke. »Ja, das will ich auch, aber ich habe mich ausgeschlossen. Können Sie mir bitte kurz meinen Hausschlüssel geben? Ich bringe ihn gleich zurück.«

Er greift hinter sich in eine Schublade und gibt mir den Schlüssel. »Ich muss jetzt los, Sie können ihn mir ja heute Abend zurückgeben«, sagt er, schließt ab und geht zu seinem Wagen.

»Herzlichen Dank!«, rufe ich ihm nach.

Er hat ja so recht; auch mir brennt es unter den Füßen, wenn ich noch einigermaßen fahrend ins Büro kommen will. In aller Eile flitze ich zu meinem Haus zurück. Natürlich muss ich den Autoschlüssel suchen, weil er nicht an seinem Platz liegt. Ich hatte ihn offenbar schon in der Hand gehabt, als ich mir den Mantel anzog, denn ich finde ihn schließlich in der Hutablage des Garderobenschrankes. Sofort stürze ich aus dem Haus, schließe ab und sprinte zur Garage. Halleluja, das Auto springt nicht an! Nach mehreren vergeblichen Versuchen trommele ich vor lauter Wut aufs Lenkrad ein: Du kannst mich mal, Freitag-der-Dreizehnte! Nur gut, dass meine Frau zu Besuch bei ihren Eltern ist und dieses Chaos nicht miterleben muss.

In den Sitz gelehnt, schließe ich die Augen und verschnaufe. Warum nur wird man immer gleich hektisch, wenn mal etwas nicht glatt läuft? Bleib ruhig, Fritz, dein Auto kann sicher nichts dafür. Wir befinden uns jetzt im Winter, da kann das schon einmal vorkommen. Es hat schließlich auch eine Seele! Allerdings zeigt das Thermometer noch plus sieben Grad an. Da sind Startschwierigkeiten schon etwas ungewöhnlich. Ich atme tief durch und versuche erneut zu starten – sofort springt der Motor an. »Dankeschön«, sage ich zu meinem Wagen und streichele liebevoll über das Armaturenbrett. »Wenigstens du leidest nicht unter diesem blöden Dreizehnten.« Manchmal möchte man ein Auto sein, das abergläubischen Prophezeiungen völlig unbeeindruckt gegenübersteht.

In der Einfahrt merke ich – gerade noch rechtzeitig! – dass ich den Aktenkoffer im Haus vergessen habe. Und das, wo ich schon so spät dran bin! Aber es hilft nichts, ich brauche die Tasche, um mein neues Büro einrichten zu können. Also schalte ich den Motor ab in der Hoffnung, dass er anschließend wieder startet, und springe aus dem Wagen. Die Haustür lässt sich nicht aufschließen, auch das noch! Nach einer Weile und mehrfachem tiefen Luftholen wird mir klar, dass sie sich mit dem Autoschlüssel auch niemals öffnen lassen wird. Wo habe ich jetzt nur den Hausschlüssel wieder gelassen? Als er sich schließlich findet, ist mir schon fast alles gleichgültig: Abergläubisch bin ich schließlich nicht! Trotzdem hat mich dieser Dreizehnte fest im Griff, da kann man nichts machen. Es hilft nur, ruhig zu bleiben und dem Kommenden gelassen ins Auge zu schauen. Ich nehme meine Aktentasche und begebe mich in aller Ruhe ins Auto, steige wieder aus, um die Haustür noch abzuschließen, lasse den Wagen an, der wider Erwarten auch anspringt und begebe mich in matter Gleichgültigkeit in den Stau.

Erfreulich! Vor dem Bürokomplex ist sogar ein Parkplatz frei, denn in der Eile habe ich natürlich die Schlüsselkarte für die Tiefgarage vergessen. So komme ich schließlich mit einer Verspätung von einer knappen Stunde endlich an. Das ist kein Beinbruch, rede ich mir schnell ein, denn meine vertragliche Arbeitszeit ist flexibel. Ich werde also die Zeit problemlos nachholen können, am Montag oder später – jedenfalls nicht an einem Dreizehnten! Ich grüße den Pförtner kurz und eile zum Fahrstuhl, der gerade aus der Tiefgarage hochkommt, springe eilig hinein und drücke auf die Vierzehn.

»Geht es Ihnen nicht gut, Herr Färber?«, fragt der Herr mir gegenüber, den ich bisher gar nicht wahrgenommen hatte.

»Ach, guten Morgen, Herr Doktor Kunze. Ich war noch ganz in Gedanken«, antworte ich. »Dieser Freitag-der-Dreizehnte treibt mich noch zur Verzweiflung; ich bitte um Entschuldigung.«

Der Kollege sieht mich mit süßsaurem Lächeln an. »Sie sind doch nicht etwa abergläubisch?«

Ich schüttele heftig den Kopf. »Um Gotteswillen, nein! Aber heute ist wirklich so ziemlich alles schiefgegangen, was schiefgehen konnte. Da hängt die Stimmung im Keller und man kommt schon einmal ins Grübeln«, antworte ich.

Er nickt verständnisvoll und sagt freundlich: »Ja, solche Tage kenne ich. Das liegt aber ganz sicher nicht an Freitag-dem-Dreizehnten.« Ich schlucke.

»Müssen Sie hier nicht aussteigen?«, fragt er plötzlich.

Ich schrecke hoch. Erst jetzt bemerke ich, dass der Fahrstuhl angehalten hat und schaue auf die Anzeige: Vierzehnter Stock. »Tatsächlich«, erwidere ich und stelle mich zwischen die Tür, die sich eben wieder schließen will. »Ich hatte doch gerade erst die Zwölf in der Anzeige gesehen.«

Er antwortet prompt: »Die Dreizehn gibt es ja auch nicht. Das Haus hat keine dreizehnte Etage – wegen der Abergläubischen.«

Während die Tür sich schließt, überlege ich kurz, ob das nun vielleicht als eine Spitze gegen mich gemeint war. Dann fällt mir plötzlich ein, dass durch das Fehlen der dreizehnten Etage sich mein Büro zwar nominell in der vierzehnten, in Wirklichkeit aber doch in der dreizehnten befindet. Kein Wunder, dass heute alles schiefgegangen ist, was schiefgehen konnte. Bei meinem Weg durch den Gang suche ich an den Türen meinen Namen. Bis zur Nummer Zwölf ist er nicht aufgetaucht. Mein Büro wird doch hoffentlich nicht die Nummer dreizehn haben, schießt es mir durch den Kopf!

Glück gehabt! An der Tür mit der Vierzehn steht ›Fritz Färber‹, mein Name. Eine Tür mit der Dreizehn gibt es nicht – sicher auch wegen der Abergläubischen, denke ich. Wieder so ein Schwindel! Mein Büro hat zwar den Namen Vierzehn, ist aber hinter der dreizehnten Tür. Wie soll ich da jemals vernünftig arbeiten können! Gut, dass ich nicht abergläubisch bin und meine Kunden hoffentlich auch nicht, wenn sie denselben Gedankengang haben sollten.

Mein neues Büro ist schön hell und ansprechend eingerichtet. Ich ordne die mitgebrachten privaten Dinge ein und mache mich mit der Telefonanlage und dem PC vertraut. Die wenigen Stunden bis zum Büroschluss vergehen schnell, ohne dass weitere Missgeschicke mich aus dem Rhythmus bringen. Gerade als ich die Aktenmappe für die Termine am Montag zurechtlege und einige noch fehlende Papiere für die Beratungsgespräche erstelle, klopft es. Klaus schaut herein, der Kollege und Freund, mit dem ich lange Zeit ein Büro geteilt hatte.

»Glückwunsch!«, meint er knapp und stellt mir eine Flasche Wein auf den Schreibtisch. »Du hast dich ja deutlich verbessert – und zudem bist du mich los.«

Ich fühle mich auf den Arm genommen und antworte ärgerlich: »Rede keinen Unsinn, wir haben immer gut als Freunde zusammengearbeitet und daran wird sich auch nichts ändern! Außerdem solltest du doch ebenfalls ein neues Büro beziehen. Ich komme nachher und sehe es mir an.«

Er schaut mich mit leicht ironischem Lächeln an. »Ja, ja, aber ich werde natürlich nicht an einem Freitag-den-Dreizehnten umziehen. Wer weiß, was dann daraus wird. Am Montag kannst du es gern besichtigen.«

Ich lache herzhaft und wahrscheinlich zu laut: »Sieh an, du pflegst also wirklich diesen Aberglauben!«

Er zuckt die Schultern: »Du etwa nicht? Ich hoffe für dich, dass dir nicht irgendwann eine der Lampen auf den Kopf fällt, eine Fledermausfamilie sich in deinen Akten einnistet oder ein Kunde mit dem Stuhl zusammenbricht, auf dem ich gerade sitze. Jedenfalls wünsche ich dir hier einen guten Start.«

Während ich müde lächle und mir die geschilderten Szenarien vorzustellen versuche, verschwindet er mit kurzem Gruß wieder aus der Tür.

Kaum habe ich mich gefasst, öffnet sich die Tür erneut und Georg schaut um die Ecke. »Hallo, mein Lieber, du bist ja schon eingerichtet, wie schön! Ich wollte dich nur an den Sponsorenlauf um dreizehn Uhr erinnern. Hoffentlich hast du deine Sportkleidung dabei.« Im nächsten Augenblick ist er eine Tür weitergerannt.

Ich schaue zur Uhr: Mir bleiben noch gut vierzig Minuten, um mein Sportzeug zu holen, das ich natürlich in dem Durcheinander heute Morgen zu Hause vergaß. Ich kann die Betriebssportler aber jetzt nicht alleinlassen. Pro Stadionrunde fünf Euro erlaufen, da kommt es auf jeden Einzelnen von uns an. Wie sähe es wohl aus, wenn wir sechsundzwanzig Läufer nicht wenigstens einen Tausender für die Jugendhilfe erlaufen. Für meine Schusseligkeit müssten dann andere einige Runden mehr laufen. Das würde man mir nicht verzeihen. Ein Blick zur Uhr: Es ist noch zu schaffen, wenn ich jetzt nach Hause fahre und hier alles stehen und liegen lasse.

Bei meinem Wagen finde ich erst einmal ein Knöllchen vor. Na toll, ich hatte vergessen, den Parkschein zu lösen. Ich bin wirklich nicht abergläubisch, aber ich hasse Freitage in Verbindung mit einer Dreizehn. Zu Hause muss ich nicht lange suchen, mein Sportzeug liegt in der Garderobe parat; ich hatte es mir gestern schon griffbereit hingelegt. Wenigstens das klappt! Nun schnell zurück, denn die Zeit wird knapp. Hoffentlich fließt der Verkehr! Beim Hinausgehen sehe ich den Anrufbeantworter leuchten: Mein Finanzberater möchte mich nach 17 Uhr besuchen, er habe eine Überraschung für mich. Na sicher, am Freitag-den-Dreizehnten ist eine Überraschung wirklich nichts Ungewöhnliches. Aber für einen Rückruf habe ich nun keine Zeit mehr und brause los. Wider Erwarten fließt der Verkehr, und ich komme gut durch. Am Bürokomplex angekommen, ist mein Parkplatz weg. Ich muss aussteigen, hineingehen und den Pförtner bitten, mir die Tiefgarage zu öffnen.

Als Letzter komme ich abgehetzt im Stadion hinter dem Bürogebäude an, schlüpfe in der Umkleide schnell in mein Sportzeug und bin gerade noch rechtzeitig an der Laufbahn. Alle Läufer sind schon startbereit. Jemand drückt mir eine Nummer in die Hand: »Schnell umbinden! Du bist der Letzte.« Ich schaue kurz auf die Nummer: Natürlich die Dreizehn, die Übriggebliebene, die niemand haben wollte. Das kann mich nun auch nicht mehr schocken.

Der Startschuss fällt, der Läuferpulk setzt sich in Bewegung. Während des Rennens habe ich Zeit, den Tag zu überdenken. Viel mehr hätte heute eigentlich nicht schiefgehen können. Sollte vielleicht doch etwas dran sein an diesem Aberglauben? Wenn ich abergläubisch wäre, würde ich sofort mit Ja antworten – aber ich bin ja Gott sei Dank nicht abergläubisch. Fehlt nur noch, dass der Finanzberater mir nachher erzählt, dass mein mühsam zusammengespartes kleines Vermögen durch Finanzspekulationen und Kursverfall verloren ist. Es würde mich nicht einmal wundern.

Über meinen Gedanken habe ich völlig vergessen, die gelaufenen Runden zu zählen. Zehn könnten es schon sein, denn wir laufen nun schon fast zwanzig Minuten. Dann hätte ich fünfzig Euro erlaufen. Ich muss noch etwas durchhalten, auch wenn mir langsam die Beine schmerzen und das Atmen immer schwerer fällt. Es geht doch um den guten Zweck. Die Empfänger können schließlich nichts dafür, dass heute Freitag-der-Dreizehnte ist und ich vorher so wenig trainiert habe.

Die ersten Läufer haben schon aufgegeben, das Feld ist deutlich geschrumpft und ich fühle mich wie ein nasser Sack, der noch kleine Hüpfer nach vorne macht. Noch zweihundert Meter, dann habe ich die Runde beendet und höre auch auf. Diese zweihundert Meter ziehen sich endlos. Hinter der Startlinie biege ich ab und lasse mich auf den Rasen fallen.

»Dreizehn Runden, du bist dreizehn Runden gelaufen!«, ruft mir jemand zu.

Ich nicke müde und rechne kurz. Dreizehn Runden sind mehr als fünf Kilometer, das ist schon nicht schlecht und bringt fünfundsechzig Euro in die Spendenkasse. Schon wieder, schießt es mir durch den Kopf: wieso ausgerechnet dreizehn? Weiter komme ich nicht, denn ein Blick auf die Uhr lässt mich erschrecken. Es ist halb fünf und der Finanzberater wird bald vor meiner Haustür stehen. Ich rappele mich hoch und mache mich leicht torkelnd auf den Weg zu Dusche und Umkleide. Für Smalltalk bleibt keine Zeit mehr. Nachdem ich wieder einigermaßen zu Kräften gekommen und etwas ansehnlicher geworden bin, mache ich mich auf den Heimweg. Zu Hause angekommen wundere ich mich, dass während der gesamten Strecke keinerlei Pannen und andere Unwägbarkeiten die ruhige Fahrt gestört haben – trotz Freitag-dem-Dreizehnten!

Kurz nach siebzehn Uhr klingelt Herr Lorber in Begleitung einer Angestellten und großem Blumenstrauß an meiner Tür. Mit vermutlich erstauntem Gesichtsausdruck begrüße ich beide und lade sie ein, auf der Couch Platz zu nehmen. »Kann ich Ihnen etwas anbieten – Wein, Bier, Saft?«

Herr Lorber lächelt mich an und sagt: »Nein danke, wir wollen Sie nicht lange aufhalten, Herr Färber. Wir sind vorbeigekommen, um Ihnen zu sagen, dass Sie gewonnen haben. Wir freuen uns für Sie. Bitten Sie doch Ihre Frau hinzu, damit sie sich mit Ihnen freuen kann.« Mit einem Knicks drückt mir die junge Dame den Blumenstrauß in die Hand. Sicherlich ist sie eine neue Auszubildende, denn sie ist mir nicht bekannt.

»Meine Frau ist leider erst morgen von einem Besuch bei den Eltern zurück. – Ich verstehe aber noch nicht, worum es eigentlich geht. Wobei habe ich gewonnen?«, erkundige ich mich.

»Sie haben doch an der Jahresauslosung teilgenommen und waren erfolgreich. Herzlichen Glückwunsch!«

Ach je, das ist schon so lange her, daran habe ich gar nicht mehr gedacht. Etwas verwirrt antworte ich knapp: »Ach so, die Jahresauslosung, die hatte ich völlig vergessen. Ich hole nur schnell eine Vase für die Blumen und bin gleich wieder da. Wieviel ist es denn, wie hoch ist der Gewinn?«, rufe ich aus der Küche und höre: »Dreizehn.«

Na prima, wieder die Dreizehn, ich hätte es mir eigentlich denken können. Mit der passenden Vase komme ich lachend in die Stube zurück: »Dreizehn? Wie schön. Sicher war Ihr Blumenstrauß teurer. Dafür hätten Sie sich wirklich nicht herbemühen müssen, Herr Lorber. Überweisen Sie die dreizehn Euro einfach auf mein Girokonto.«

Die junge Dame kichert und Herr Lorber antwortet lächelnd: »Das ist ein Missverständnis, Herr Färber. Sie haben dreizehntausend Euro gewonnen. Natürlich werden wir den Betrag überweisen, aber gratulieren wollten wir doch gern persönlich.«

Ich muss mich setzen. »O je, ich bin platt! Das hätte ich nicht erwartet, gerade heute am Freitag-den-Dreizehnten nicht. Wenn ich abergläubisch wäre …«, murmele ich.

»Sehen Sie«, sagt Herr Lorber, »so kann sogar ein Freitag-der-Dreizehnte seine schönen Seiten haben.«

Allmählich habe ich mich gefasst und nehme drei Sektgläser aus der Vitrine. »Darauf müssen wir nun aber doch anstoßen, ein kleines Gläschen werden Sie wohl mit mir nehmen? Ich hole rasch eine Flasche aus dem Kühlschrank.«

Es wird ein vergnügliches Stündchen, ein ums andere Mal prosten wir einander zu und feiern mein Glück. Ich bedaure nur, dass meine Frau nicht mit dabei sein kann. Als die beiden Gäste das Haus verlassen, bin ich mir noch immer nicht schlüssig, ob Freitag-der-Dreizehnte nun in seiner Summe für mich ein Katastrophentag oder ein Glückstag sein wird, schließlich ist er noch nicht zu Ende.

Aber ich bin ja zum Glück nicht abergläubisch.


Kriminalistisches

 

 

 

Am anderen Morgen

In jener Nacht

Strandspaziergang

 

Miniatur 1 – Die Schönheit

 

Es gibt diese Momente, an denen sich das Glück vor uns ausbreitet und wir nur noch zugreifen müssen. Seit vielen Wochen schon fiebere ich dem Augenblick entgegen, an dem es mir gelingen wird, die Schönheit anzusprechen, die so oft meinen Weg kreuzt, ohne mich auch nur eines einzigen Blickes zu würdigen. Wie es aber anzustellen ist, ohne plump und aufdringlich zu wirken, will mir partout nicht einfallen, sodass ich meinem heftigen Verlangen immer wieder Zügel anlegen muss. Ich habe herausgefunden, dass ihr Weg oft durch den kleinen Park führt, der sich in der Nähe meiner Wohnung erstreckt. Bei herrlichem Wetter nutze ich die heutige Mittagspause, lege mich zur Entspannung auf eine seiner sonnigen Rasenflächen und schaue in den Himmel.

»Schön haben Sie’s hier. Darf ich mich einen Augenblick zu ihnen setzen?«

Ich schrecke hoch und sehe sie im Gegenlicht vor mir stehen. In ihrem hellen blassgelben Kleid wirkt sie noch schöner als sonst.

»Herzlich gern«, stammele ich und springe auf. Rasch schlüpfe ich aus meiner Jacke und breite sie vor ihr im Grase aus. »Bitte sehr, Ihr schönes Kleid wird sonst grüne Flecken bekommen.«

Sie nickt zum Dank mit einem Lächeln, das mich dahinschmelzen lässt, und nimmt ohne Umschweife auf der Jacke Platz. Ihre Handtasche aus Krokodilleder legt sie sorgfältig neben sich.

Als auch ich mich wieder gesetzt habe, plaudert sie frisch drauflos: »Sie wundern sich, warum ich Sie anspreche, nicht wahr? – Nun, ich bemerke schon seit längerem, dass Ihre Blicke mich verfolgen, wenn wir uns begegnen und dachte, dass es dafür einen Grund geben müsse.«

Für einen Augenblick verschlägt es mir die Sprache und meine Worte winden sich mit mir: »Oh, war es so deutlich zu merken? … Es tut mir sehr leid, bitte verzeihen Sie! … Ich, äh, ich – wie soll ich es sagen – ich finde Sie außerordentlich attraktiv.«

Sie lächelt hinreißend: »Na und? Man hört es doch gern. War es nun so schwer? Warum haben Sie mich nicht einfach angesprochen?«

Ich schnappe nach Luft, bekomme heiße Ohren und schaue mich vergeblich nach einem Halt um. Mein Gesichtsausdruck lässt im Augenblick zu wünschen übrig. »Es – es wäre wirklich zu plump und unverschämt gewesen. Ich wusste ja nicht, wie Sie es aufnehmen würden«, antworte ich, als ich mich wieder einigermaßen gefasst habe.

Tief in meine flackernden Augen schauend raunt sie mit sanfter Süße: »Es ist ja nicht zu spät. Unsere Beziehung hat etwas holprig begonnen, aber gerade das macht sie auch sympathisch.« Sie blickt zur Uhr, »O je, ich muss los! Vielleicht rufst du mich an, dann können wir uns verabreden. Schreib dir doch meine Nummer auf! Hast du Papier und Stift?«

Ich schwebe im siebenten Himmel. »In meiner Jackentasche finden Sie – findest du beides.«

Sie sucht in der Jacke und reicht mir das kleine Notizbuch mit dem eingesteckten Stift, das ich immer bei mir trage. »Notiere: 0173 4406 2538! Du kannst jederzeit anrufen. Bis bald, es war nett, dich getroffen zu haben.« Sie winkt mir kurz zu und ist schon zwischen den Bäumen verschwunden.

Nie fühlte ich mich derart erfrischt und beschwingt auf dem Weg zurück ins Büro.

Nach Feierabend will ich sie anrufen, doch ich kann das Handy nicht gleich finden. Ich bin sicher, es befand sich wie immer in der linken Jackentasche, während die Geldbörse in der rechten Jackentasche – auch nicht mehr da ist! Ich hätte doch gemerkt, wenn ich beides auf der Wiese verloren hätte!