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Zu diesem Buch – meine Geschichte

PACO UND DIE ANGST

2010 war kein gutes Jahr. Mein Hund Paco wollte jeden Tag weniger die Wohnung verlassen. Wenn ich ihn schließlich ins Auto bekommen hatte, fuhren wir weit aus der Stadt heraus – und er hatte trotzdem Angst, weil sich zwei Radfahrer laut unterhielten. Pacos Geräuschangst war so stark, dass ihn jede Stimme ängstigte. Was haben mich Menschen genervt, die auch dort unterwegs waren, wo wir Gassi gehen wollten! Eine Weile habe ich mir eingeredet, dass es mit der Zeit besser würde – leider wurde es das nicht.

Ich bekam vermehrt den Rat, dass ich Pacos Angst unbedingt ignorieren sollte. Ich sollte ihn nicht belohnen, nicht ansehen, nicht mit ihm sprechen, ihn nicht berühren, wenn er Angst hatte. Aber einfach nichts tun und darauf warten, dass er sich daran gewöhnt? Das war hart und brach mir das Herz. Es fiel mir schwer, einfach nichts zu tun. Also versuchte ich, mehr über Geräuschangst und Hundetraining zu lernen. Ich besuchte meine ersten Seminare mit Paco, las pro Woche mindestens zwei Hundebücher und ging mit Paco zu einer Hundetrainerin. Doch viel veränderte sich nicht. Paco hatte weiterhin Angst und wollte entweder ins Auto oder nach Hause. Ich bekam den Eindruck, dass wir immer zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Warum knallt es immer da, wo wir sind? Warum vertraut mir Paco so wenig? Warum orientiert er sich nicht an mir? All diese Fragen stellte ich mir und fühlte mich oft wie eine Vollidiotin. 

DIE VERÄNDERUNG

Doch 2011 sollte sich einiges verändern. Im Frühjahr 2011 besuchte ich ein Seminar bei Maria Hense. Ich war mir zu dem Zeitpunkt schon sicher, dass es keine gute Idee ist, Angst zu ignorieren. Also versuchte ich, Paco in den jeweiligen Situationen zu unterstützen. Aber das Clickertraining half nicht, weil er auch davor Angst hatte. Der Clicker war zu laut, und die alten Holzdielen in meiner Altbauwohnung sorgten zusätzlich für einen furchterregenden Hall. Deshalb stieg ich schnell auf ein Markerwort um. Maria Hense bestärkte mich darin, so weiterzumachen und nicht aufzugeben. 

Ein paar Monate später war mein erstes Seminarwochenende mit Dr. Ute Blaschke-Berthold. Es war ein zweitägiges Seminar zum Training und zur Motivation für spezielle Hunde, mit einem Vortrag zum Thema Körpersprache. Dabei gingen mir sprichwörtlich viele Lichter auf. Alles schien plötzlich so logisch und klar zu sein: Eine Emotion wie Angst verstärke ich nicht, wenn ich in diesem Moment bei meinem Hund eine positive Emotion auslöse. Also konnte ich alles nutzen, was Paco ängstigt, damit es ihm besser geht. Die Co-Trainerin Anne Rosengrün, die heute neben ihrer Hundeschule und ihrem Gassiservice Dogwalker ausbildet, bestätigte mir, dass mein positives Markersignal, also mein Markerwort, perfekt wären, um Paco in Angstsituationen zu helfen. Das positive Markersignal wurde in so vielen Momenten mit einer Belohnung verknüpft und gab ihm Sicherheit, sodass wir es auch zur Gegenkonditionierung der Angst nutzen konnten. Es war nur wichtig, dass ich es genau so in entspannten und sicheren Situationen anwendete. Ich probierte es, konnte aber an diesem Wochenende nicht feststellen, dass es Paco half. Ich machte trotzdem weiter. Bei jedem plötzlichen oder lauten Geräusch sagte ich sofort mein Markerwort und bot Paco etwas Schönes an. Wenn er kein Futter wollte, lobte ich ihn nur mit meiner Stimme. Und nach nur zwei Wochen änderte sich etwas. Paco wurde ansprechbarer, wenn er Angst hatte, und auf einige Geräusche reagierte er plötzlich nicht mehr panisch. Wenn mir in der Wohnung etwas auf den Boden fiel, stand er da und schaute mich mit wachen Augen an. Er wollte gern ein Leckerli. Ich konnte es kaum fassen: Manche Geräusche waren jetzt ein Auslöser für freudige Erwartung auf Futter?

Da wusste ich, dass ein positives Markersignal sehr viel mehr ist und nicht nur im Tricktraining eingesetzt werden sollte. Ich begriff schnell, dass klassisches Clickertraining zu wenig ist. Deshalb begann ich auch, mit meinen zwei Katzen mit positiven Markersignalen zu trainieren. Ich baute mit ihnen einen Fingertouch auf, damit ich sie zu mir rufen konnte. Innerhalb kürzester Zeit lernten sie, auf das Signal „Touch“ meinen Finger mit ihrer Nase zu berühren. Außerdem probierte ich, ob meine Katzen lernen konnten, Tabletten zu essen. Denn auch wenn diese in Leberwurst versteckt sind, hassen Katzen die Gabe von Tabletten. Nach drei Tagen fraßen meine beiden Katzen Tabletten und fanden es lustig. Das war verrückt.

»Der einzige Ort im gesamten Universum, den du verändern kannst, ist dein Geist.«

Aldous Huxley

MARKERSIGNALE – EINE LEBENSEINSTELLUNG

Ich schreibe dieses Buch, um dir einen Einblick in den Alltag und das Training mit Markersignalen zu geben. Für mich ist der Umgang mit meinen Hunden keine Show, die ich nur für ein paar Minuten im Training zeige, sondern eine Lebenseinstellung. Ich möchte, dass es meinen Hunden gut geht. Ich möchte, dass sie mir vertrauen. Ich möchte, dass sie gut in meiner Welt zurechtkommen – und dabei trotzdem Hund sein dürfen. Das alles unter einen Hut zu bringen, ist manchmal ein Spagat. Dafür gebe ich jeden Tag so viel, wie ich kann, damit für uns alles klappt. Schließlich lebe ich nicht für meine Hunde, sondern für mich selbst. Meine Hunde haben in meinem Leben aber einen sehr großen Platz, den ich ihnen so bequem wie möglich gestalten möchte.

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Ein dominanter Hund? Nein, Hund und Mensch, die gemeinsam Spaß haben.

Durch den Einsatz positiver Markersignale durfte ich lernen, was es wirklich bedeutet, sich auf das gute Verhalten von Hunden zu konzentrieren. Es hat meine Wahrnehmung verändert. Zwischen unseren Gedanken und unseren Gefühlen besteht eine direkte Verbindung. Denke ich als Mensch daran, wie schrecklich meine Hunde sich heute wieder in der Hundebegegnung benommen haben, geht es mir schlecht. Ich bin dann wieder genauso traurig, wütend, frustriert oder verzweifelt wie in dieser Hundebegegnung. Das funktioniert umgekehrt ebenso: Bin ich ängstlich, wütend oder frustriert, fallen mir sofort die unschönen Hundebegegnungen, die schlechte Leinenführigkeit und der flüchtende Hund ein. Für angenehme Gefühle und gute Ereignisse gilt das ebenfalls. Belohne deshalb deinen Hund für positives Verhalten.

Je öfter du das in deinem Alltag und Training mit deinem Hund umsetzt, umso mehr gutes Verhalten wird dein Hund zeigen. Es erscheint wie Zauberei, ist aber keine. Wenn du davon ausgehst, dass dein Hund einen anderen Hund grundsätzlich anbellt und sich wie verrückt aufführt, wirst du nur darauf warten. Deine Annahme wird somit bestätigt, schließlich hast du unbewusst nur darauf gewartet. Gehst du aber davon aus, dass du deinem Hund helfen kannst und dass er sein Bestes geben wird, wirst du wahrscheinlich genau einen Moment erwischen, in dem dein Hund ein gutes Verhalten zeigt – und du wirst ihm helfen. Damit gibst du deinem Hund die Chance, eine neue Strategie zu erlernen, wenn er keinen Kontakt zum anderen Hund möchte.

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Freundliches Verhalten auszutauschen, stärkt die Bindung. Deinen Hund zu belohnen, ist so ein freundliches Verhalten.

Mit Ascii, unserem zweiten Hund, habe ich gelernt, dass das möglich ist. Ascii ist ein Belgischer-Schäferhund-Mix und hat gelernt, dass er sich Menschen vom Leib halten kann, wenn er ihren Arm packt. Außerdem rannte er gern auf andere Hunde zu, versuchte, sie zu Boden zu drücken, und verletzte sie schlimmstenfalls. Dann kam er zu uns. Eigentlich sollte er nur zur Pflege bleiben, fand aber schließlich bei uns sein Zuhause. Heute ist Ascii ein anderer Hund. Er kann mit uns an Hunden vorbeigehen, die er nicht mag. Er kann mit Hunden Kontakt aufnehmen, an denen er Interesse hat – und das, ohne sie umzurennen. Er lässt sich gern von Menschen streicheln und ist der Erste, der neben unserem Besuch auf der Couch liegt. Falls er einen Menschen nicht mag, geht er auf Distanz oder kommt direkt zu uns.

Wir haben ihn nicht geheilt. Die Strategie, aggressiv zu reagieren, bleibt immer eine Option. Sie hat sich für Ascii über mehrere Jahre bewährt, und ein Gehirn löscht nichts einfach so. Wir konnten ihm aber eine neue Strategie zeigen, die für ihn auch erfolgreich funktioniert. Zusätzlich konnten wir Asciis emotionale Bewertung fremder Menschen und Hunde verändern.

GRENZEN DES MARKERTRAININGS

Ich würde gern sagen, dass das Training mit Markersignalen keine Grenzen hat, aber das kann ich nicht. Wenn ich mit Menschen spreche, die gern in unser persönliches Kompakttraining in Potsdam kommen möchten, erkläre ich es ihnen so: Du kannst alles mit deinem Hund erreichen. Wenn dein Hund aber gesundheitliche Probleme hat, wird das Training euch nur ein Stück weiterbringen. Das gilt aber für jede Trainingsmethode.

Die nächste Hürde sind wir Menschen selbst. Manchmal erscheint uns etwas überaus wichtig, und wir wollen es unbedingt. Wir sind aber nicht bereit, unsere Energie und Zeit wirklich zu investieren. Natürlich besteht unser Leben nicht nur aus Hundehaltung. Allerdings braucht es manchmal kein Training, sondern eine Entscheidung. Ich habe mich vor circa zwei Jahren entschieden, dass ich mit Paco nicht mehr am Alleinbleiben trainiere und stattdessen eine Hundesitterin besorge. Paco fällt es schwer, allein zu sein, und immer, wenn er wieder eine Phase hatte, in der es ihm gesundheitlich schlecht ging, konnte er gar nicht mehr allein bleiben. Ich habe mich deshalb für eine Hundesitterin entschieden, die auf ihn aufpasst, wenn niemand da ist. Das ist momentan die beste Lösung für uns. Vielleicht ändere ich meine Meinung irgendwann und starte erneut mit dem Training.

Du entscheidest, woran du mit deinem Hund trainierst und wie du es machst.

»Jeder Fehler hat eine Lehre eingebaut.«

Vera F. Birkenbihl

Manchmal bekommen mein Team und ich E-Mails oder Kommentare mit der Aussage: „Aber mein Hund reagiert nicht auf dieses Wort. Es funktioniert nicht.“ Natürlich wird dein Hund nicht wie durch Zauberhand auf irgendein Wort reagieren. Meine Hunde sind nicht auf die Welt gekommen und haben selbstverständlich auf mein Rückrufsignal gehört. Nur weil du dasselbe Wort als Signal nutzt, wird es nicht klappen. Dahinter steckt immer ein Trainingsprozess. Dahinter steckt ein Mensch, der seinem Hund ein Verhalten beigebracht und ihn motiviert hat, mitzumachen. Dahinter steckt ein Hund, der ein neues Verhalten erlernt und es mit einem Signal oder Kommando verknüpft.

Besonders bei schwierigen Ablenkungen, den Endgegnern im Training, wird dein Hund nur auf dich reagieren können, wenn du in kleinen Schritten vorgegangen bist – und wenn du weißt, wie dein Hund lernt und was Verhalten bei Hunden beeinflusst.

ÜBEN UND NOCHMALS ÜBEN

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Markersignale helfen deinem Hund und dir in jeder Lebenslage. Um ein Profi zu werden, braucht ihr nur etwas Übung.

Beim Spielen eines Musikinstruments ist uns sofort klar, dass wir nur durch Üben richtig gut darin werden. Natürlich gibt es Ausnahmetalente, aber auch sie üben, üben und üben, bis sie Meister*innen werden. Im Hundetraining und besonders im Umgang mit Markersignalen erwarten wir aber immer, dass es sofort funktioniert.

Ich habe das früher auch gedacht. Entweder bin ich die Hundeflüsterin oder eben nicht. Das ist völliger Quatsch. Dein Hund und du, ihr werdet immer besser, wenn ihr gemeinsam trainiert. Dabei meine ich mit Training kein zehnminütiges hochkonzentriertes Tricktraining im Wohnzimmer, sondern euren Alltag. Dein Hund lernt jede Sekunde etwas – und du auch. Nutz dieses Buch, um den alltäglichen Umgang mit deinem Hund zu überdenken und deine Fähigkeiten im Training mit ihm auszubauen. Dazu gehört es immer, Fehler zu machen oder Situationen falsch einzuschätzen. Das ist in Ordnung. Du darfst dich über dich selbst und auch über deinen Hund ärgern. Dafür überlegst du dir aber, was du beim nächsten Mal verändern kannst.

»Loslassen bedeutet nicht, etwas zu vergessen. Es öffnet deine Augen für das Gute, das aus dem Schlechten gewachsen ist.«

Emily Henry

MEIN RAT ZUM LESEN DIESES BUCHES

Ich empfehle dir, dieses Buch in seiner chronologischen Reihenfolge zu lesen. Vielleicht wirst du manches schon kennen. Vielleicht willst du das jeweilige Kapitel überspringen oder schnell weiterblättern.

Woher ich das weiß? Ich denke das auch oft. Ich habe aber gemerkt, dass ich dadurch sehr viel verpasse – vor allem neue Erkenntnisse. Deshalb versuche ich, diesen Gedanken nicht mehr so häufig zuzulassen. Ich lese mir Bücher immer mehrmals durch, höre mir Vorträge mehrfach an und besuche manche Seminare mehr als nur einmal – und ich schwöre dir, dass ich jedes Mal etwas Neues mitnehme. Plötzlich gibt es in den Büchern Informationen, die vorher nicht da waren. Plötzlich höre ich im Vortrag oder Seminar etwas, das ich vorher nicht gehört habe. Alles, was du wahrnimmst, filtert dein Gehirn aufgrund deiner aktuellen Erfahrung, deiner aktuellen Stimmung, deiner aktuellen Ziele und vieler anderer Faktoren. Weil wir grundsätzlich niemals alles wahrnehmen können, lohnen sich mehrfache Durchgänge. Du kannst gern Teile dieses Buches überspringen, oder du beobachtest, welche neuen Erkenntnisse du heute mitnehmen kannst.

Wahrscheinlich willst du jetzt sofort mit der Praxis loslegen. Nur rate ich dir, die Theorie nicht wegzulassen. Sie ist das Fundament, ohne das du im Umgang mit deinem Hund schnell an Grenzen stößt. Das, was ich dir an Praxis mitgebe, mag nur ein kleiner Ausschnitt aller Möglichkeiten sein, die du im Training mit positiven Markersignalen hast. Trotzdem ist es alles, was du für das Leben mit deinem Hund brauchst. Mit der Theorie im Hinterkopf kannst du mehr ausprobieren und entdecken. Du wirst viel schneller verstehen, wie andere Trainingsmethoden funktionieren und welche Ansätze sich dahinter verbergen. Du kannst besser entscheiden, ob Trainingsmethoden zu dir und deinem Hund passen – und ob du sie wirklich einsetzen möchtest. Deshalb möchte ich dich besonders um eine Sache bitten: Lies dieses Buch aufmerksam und nimm das mit, was für deinen Hund und dich passt!

»Ein Hund wird sich nur dort wohlfühlen, wo die Menschen zufrieden mit ihm sind.«

Dr. Ute Blaschke-Berthold

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Mit meinen Hunden Paco und Ascii trainiere ich schon seit vielen Jahren mit Markersignalen.

Was du über Marker-Training wissen musst

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CLICKER ODER MARKERWORT

Du kannst selbst entscheiden, was dir lieber ist. Ich nutze am liebsten ein Markerwort.

Das Markersignal

Damit kommunizierst du mit deinem Hund punktgenau und schaffst endlich eine gemeinsame Sprache, die ihr, du und dein Hund, versteht. 

Das Wort „Markersignal“ verrät es schon: Du markierst etwas. Du hebst einen kurzen Moment im Verhalten deines Hundes hervor und zeigst ihm, dass dieser Teil seines Verhaltens wichtig war.

Allgemein unterscheiden wir primäre und sekundäre Verstärker: Ein primärer Verstärker ist eine Belohnung, die das aktuelle Bedürfnis des Hundes direkt befriedigt. Hat er Hunger, ist der primäre Verstärker eine Futterbelohnung.

Ein Markersignal ist ein sekundärer Verstärker. Dieser kündigt dem Hund einen primären Verstärker an. Der Hund weiß, was er nach dem Markersignal zu erwarten hat. In Verbindung mit einem primären Verstärker entsteht so eine Brücke zwischen dem Verhalten des Hundes und der Belohnung (oder Strafe).

MARKERSIGNALE IM EINSATZ

Durch den Einsatz von Markersignalen hat sich im Training mit Tieren viel verändert, da präziser gearbeitet werden kann. Auch die Menschen wurden im Training besser, da sie bewusster mit einem Markersignal umgehen. Vielleicht denkst du jetzt, dass du kein Markersignal nutzt und auch keins brauchst. Dabei nutzt du es unbewusst schon. Es gibt immer etwas, womit du Belohnungen für deinen Hund ankündigst: Der Klassiker ist die raschelnde Tüte und der Griff in die Futtertasche. Wahrscheinlich kennst du den Gesichtsausdruck deines Hundes, wenn er dieses Geräusch hört. Dieses Geräusch kündigt ihm zuverlässig eine Futterbelohnung an und ist deshalb für deinen Hund ein positives Markersignal. Ein positives Markersignal ist ein positiv konditionierter Verstärker, während das negative Markersignal ein negativ konditionierter Verstärker ist. Mehr dazu findest du im nächsten Abschnitt „Lerntheorie“. Setzt du ein (positives) Markersignal unbewusst ein, ist dein Timing eher schlecht. Du könntest mit deinem Hund viel besser kommunizieren, wenn du dich bewusst für ein Markersignal entscheidest. So kannst du Verhalten punktgenau markieren und mehr Zeit gewinnen, um deinen Hund zu belohnen. Ohne Markersignal müsstest du das Futter oder andere Belohnungen immer in der Hand halten, um den perfekten Moment genau zu belohnen.

Im Haus meiner Eltern ist beispielsweise das Öffnen der Kühlschranktür ein positives Markersignal für meine Hunde. Das Geräusch kündigt ihnen zuverlässig den Zugang zu primären Verstärkern wie Geflügelfrikadellen und Ziegenkäse an. Meine Eltern erzählen mir immer wieder, dass beide Hunde sofort in die Küche kommen und sich neben den Kühlschrank stellen, wenn dieser geöffnet wird. Bei uns zu Hause öffnen beide Hunde nicht einmal ihre Augen, wenn wir den Kühlschrank öffnen, denn dieses Geräusch kündigt ihnen nichts an. Da ein Kühlschrank für den Alltag eher unpraktisch ist, gibt es andere Möglichkeiten, ein Markersignal bewusst aufzubauen und zu nutzen.

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Du kannst das Verhalten deines Hundes punktgenau bestätigen.

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Ob im Tricktraining oder im Alltag, spielt dabei keine Rolle.

Lerntheorie

Um deinen Hund zu verstehen und entspannt mit ihm durchs Leben zu gehen, solltest du wissen, wie er lernt und wie Verhalten entsteht. 

Hat dein Hund etwas gelernt, wird er sein Verhalten dauerhaft ändern. Er passt sich damit der Umwelt und seinen Erfahrungen an. Dein Hund ändert sein Verhalten nicht, weil er weiß, was richtig und falsch ist. Kategorien wie Ethik, Moral und Werte haben Hunde nicht. Genau deshalb ist es wichtig, dass du dich damit beschäftigst, wie dein Hund lernt und was sein Verhalten beeinflusst. Mit diesem Wissen kannst du fair und freundlich mit deinem Hund trainieren. Du erkennst, was ihm wann möglich ist, und weißt, wie du ihn unterstützen kannst.

Es gibt viele verschiedene Lernarten, die sich in der Praxis vermischen und nicht immer klar zu unterscheiden sind. Ich beschränke michhier auf zwei Lernarten, die sehr wichtig sind und die du gezielt einsetzt, wenn du mit Markersignalen arbeitest. Du nutzt sie schon jetzt jeden Tag. Mehr über Lerntheorie und verschiedene Lernarten findest du in dem Buch „So lernt mein Hund – Der Schlüssel für die erfolgreiche Erziehung und Ausbildung“ von Sabine Winkler.

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Lernen darf und soll Spaß machen. Futter als Belohnung macht viele Hunde glücklich.

VERSUCH & IRRTUM

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Belohnungen sind für deinen Hund mehr als nur Futter.

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Dein Hund wartet im Sitz und möchte hinaus.

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Dann ist die Belohnung das Öffnen der Tür und das Hinausgehen.

Diese Mechanismen des Lernens wurden am Ende des 19. Jahrhunderts von Edward Lee Thorndike erforscht und unter anderem von Burrhus Frederic Skinner fortgeführt. Durch Ausprobieren lernt das Lebewesen, welche Verhaltensweisen erfolgreich sind und welche nicht. In der Wissenschaft wird diese Form des Lernens als „Operante Konditionierung“ (oder auch „Instrumentelle Konditionierung“) bezeichnet.

Thorndike entwickelte aus seiner Forschung das Gesetz der Auswirkung (law of effect). Dieses besagt, dass der Hund durch die Konsequenzen lernt, die sein Verhalten für ihn haben. Funktioniert eine Strategie für ihn und hat er damit Erfolg, wird er diese Strategie mit großer Wahrscheinlichkeit in der Zukunft wieder einsetzen. Erfährt der Hund einen Misserfolg und folgt nach seinem Verhalten etwas Unangenehmes, wird er die Strategie in Zukunft lieber lassen oder seltener nutzen.

Thorndike hat außerdem zwei weitere wichtige Gesetzmäßigkeiten des Lernens formuliert:

1 Gesetz der Übung (law of exercise) Immer wenn dein Hund ein Verhalten ausführt, wird es gefestigt. Wiederholungen sind wichtig, damit der Hund das Verhalten lernen kann. Das bedeutet, dass du deinem Hund die Gelegenheit geben solltest, das Verhalten zu wiederholen. Dein Hund lernt so aber auch Verhaltensweisen besser, die du nicht gern siehst. Deshalb solltest du deinen Hund im Alltag so unterstützen, damit er sich so verhält, wie du es dir wünschst – zumindest wenn es um problematische Verhaltensweisen geht. Dabei solltest du nicht darauf warten, bis dein Hund so ein Verhalten zeigt. Mit Management kannst du unerwünschtes Verhalten vermeiden.

2 Gesetz der Bereitschaft (law of readiness) Die Bereitschaft zum Lernen muss vorhanden sein. Laut Thorndike hat das Säugetier das Bedürfnis, einen angenehmen Zustand herzustellen oder einen unangenehmen Zustand zu vermeiden – dein Hund braucht einen Anreiz zum Handeln. Nach jedem Verhalten, das dein Hund zeigt, folgt eine Konsequenz. Damit ist nicht dein hartes und stetiges Durchgreifen gemeint, sondern das, was nach dem Verhalten deines Hundes passiert und bei ihm eine emotionale Reaktion hervorruft. Die Konsequenz kann deinen Hund in einen guten oder schlechten emotionalen Zustand versetzen. Passiert nichts davon, dann ist es keine Konsequenz, die Einfluss auf deinen Hund hat.

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Nicht jeder Hund ist immer in Kuschelstimmung. Hat dein Hund keine Lust darauf, dann ist es keine Belohnung.

KONSEQUENZEN

Bei der operanten Konsequenz lernt dein Hund durch Belohnung oder Strafe.

  1. Eine Belohnung (oder genauer gesagt ein Verstärker) führt dazu, dass dein Hund sein Verhalten in Zukunft öfter, intensiver oder länger zeigt.
  2. Strafe sorgt hingegen dafür, dass dein Hund sein Verhalten in Zukunft seltener oder in abgeschwächter Form zeigt.

Ob es sich um eine Belohnung oder eine Strafe handelt, entscheidet immer der Hund. Auch wenn du es gut meinst, könnte der Hund deine vermeintliche Belohnung als unangenehm bewerten. 

Da der Hund darüber entscheidet, ob eine von dir gedachte Belohnung auch wirklich eine für ihn ist (siehe Kasten), ist es wichtig, dass du dich mit der Körpersprache deines Hundes befasst und überlegst, was er angenehm und unangenehm findet.

Eine meiner Kundinnen wollte vor vielen Jahren mit ihrem Hund ein „Sitz“ trainieren, bei dem der Hund direkt vor ihr saß. Das klappte erst gut, aber nach wenigen Tagen schaute der Hund sie nur noch an und wollte sich nicht mehr hinsetzen. Was war passiert? Meine Kundin wollte den Hund für das „Sitz“ belohnen, nur kam ihre Belohnung bei ihrem Hund nicht gut an. Sie beugte sich frontal über ihn, um ihn zu streicheln. Für den Hund war das sehr unangenehm. Zu Hause klappte das Streicheln, aber im Wald und mit einer für ihn bedrohlichen Körpersprache ließ er sich nicht anfassen. Wir haben dann gemeinsam das „Sitz“ neu aufgebaut und andere Belohnungen genutzt, die der Hund mochte. Streicheln als Belohnung kam nur noch infrage, wenn sich die Frau dabei neben ihn setzte.

Du solltest dir außerdem darüber klar werden, dass dein Hund nicht unter Laborbedingungen lebt und sich in einer für ihn interessanten Umwelt bewegt. Die Theorie lässt sich schlechter umsetzen, weil wir in unserem Leben kaum Kontrolle haben. Thorndike und Skinner konnten ihre Versuche kontrollieren, und es gab keine Umwelt, die den Tieren die Möglichkeit gab, sich ihre Belohnungen selbst zu suchen. Deshalb bleib möglichst gelassen, wenn nicht immer alles so läuft, wie du es geplant hast. Sieh es lieber als Möglichkeit, noch mehr über deinen Hund, sein Lernverhalten und über Hundetraining zu lernen. Schließlich handelt es sich hierbei um ein Modell, das dir hilft, den Lernvorgang deines Hundes besser zu verstehen. In der Praxis ist nicht immer eindeutig, welche Konsequenzen auf den Hund wirken, da im Endeffekt immer das Hundegehirn entscheidet. Welche Emotion bei deinem Hund ausgelöst wird, kannst du oft, aber nicht immer erkennen.

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Ein gutes Timing beim Aufbau von Verhalten ist wichtig.

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Ein Markersignal verhilft dir genau dazu.

Verstärkung

Wenn dein Hund lernen soll, ein Verhalten länger, intensiver, öfter oder einfach überhaupt noch einmal zu zeigen, ist Verstärkung absolut notwendig – selbst wenn du deinem Hund vielleicht nur ein Verhalten abgewöhnen willst. Bei deinem Hund wird nie ein „schwarzes Loch“ entstehen, wenn du ein Verhalten bei ihm abstellen kannst. Zeigt er etwas nicht mehr, ersetzt er sein Verhalten durch ein anderes.

leicht auch nicht glücklich. Deshalb solltest du dich mit dem Thema Verstärkung auseinandersetzen, und genau dafür brauchst du auch ein Markersignal.