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AROMA ESSENZIELL – DIE PRAKTISCHE KUNST DES WÜRZENS

EIN FEST FÜR DIE SINNE

Für das Kochen wichtig zu wissen: Wenn wir sagen, „es schmeckt“, meinen wir eigentlich viel mehr als das. Unsere Sinne erkennen sekundenschnell Geschmacksrichtungen, Textur, Schärfe und Temperatur – und nicht zuletzt Tausende von Aromen. Hier beginnt das große Feld der Aromaforschung, die uns die Vielfalt der Düfte besser verstehen lässt.

BASISGESCHMACK UND TRIGEMINUSREIZ

WÜRZPRAXIS

Sowohl abwechslungsreich als auch ausgewogen zu würzen, ist eine Kunst – aber beachtet man ein paar Grundregeln, ist es gar nicht so schwer. Hier erfährt man, wie das Spiel mit den fünf Grundgeschmacksrichtungen funktioniert und wie beim Prinzip des Food-Pairings und Food-Completings Aromen ganz unterschiedlich zum Einsatz kommen können.

GÄNGIGE ZUBEREITUNGSARTEN

FOOD-PAIRING UND FOOD-COMPLETING

GESCHMACK – SUCHEN UND ERSETZEN

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KRÄUTER, GEWÜRZE & MEHR

Kräuter, Gewürze und viele weitere aromatische Zutaten aus aller Welt im Porträt: Welche Aromen sie besitzen, wie man sie in der Küche einsetzen und kreativ kombinieren kann.

DIE NEUN AROMAGRUPPEN

FARBSCHEMA: SO FUNKTIONIERT’S

SCHÄRFEGRADE

EINE PFLANZE – DREI AROMAPROFILE

SALZ IN LEBENSMITTELN

SÜSSKRAFT IM VERGLEICH

GEWÜRZMISCHUNGEN

Ob ein frisch-kräuteriges Bouquet garni oder ein scharf-würziges Chat Masala: Woraus klassische und exotische Gewürzmischungen bestehen, wie man sie selbst mischen und was man damit würzen kann.

SPIEL MIT DEN AROMEN

MASALAS

SAUCEN UND PASTEN

Barbecuemischungen, Pestos, Chutneys und Moles: Viele Flüssigwürzen lassen sich ganz frisch selbst anrühren. Bei verschiedenen Soja- und Fischsaucen wird das schon schwieriger.

FISCHSAUCEN UND VARIANTEN

WÜRZVARIANTEN MIT SOJASAUCE

SALSAS

ALKOHOLE, ESSIGE, FETTE UND ÖLE

Die wichtigsten Alkohol- und Essigsorten, die aromatischsten Würzöle und Fette: Wie sie schmecken, duften und trigeminal reizen – und was man mit ihnen in der Küche anstellen kann.

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EIN FEST FÜR DIE SINNE

Dass der Mensch sein Essen würzt, zeugt von Geschmack. Aber nicht nur davon, müsste man hier sofort einwenden. Denn das, was wir landläufig als Geschmack bezeichnen – also süß, sauer, bitter, salzig und umami, ist nur die halbe kulinarische Wahrheit. Die andere lautet: Aroma.

Die Zunge erkennt süß und sauer, bitter, salzig, das herzhafte umami und eventuell sogar fettig, sie ertastet Texturen wie weich und hart, kross oder flüssig. Auch Reize wie heiß, kalt, scharf, brennend, beißend und prickelnd spielen eine große und unterschätzte Rolle. Sie sind keine Geschmacksreize, sondern eine Empfindung des Trigeminusnervs und tragen zum Gesamteindruck einer Speise, dem Flavour, erheblich bei. Aber Gerichte sind mehr als das: Sie sind blumig, kräuterig, jodig, fruchtig oder röstig, riechen leicht oder intensiv nach Zitronen oder Kiefernnadeln, Rosen oder Orangen, Meer, Holz, Kampfer, Harz, Zimt, Moschus oder tausend anderen Dingen. Hier beginnt die Welt der Aromen – und das Gebiet der Aromaforschung.

In einer Zeit, in der wir relativ einfach über Zutaten aus allen Kontinenten verfügen können, ist das Würzen noch spannender geworden – und zugleich schwieriger: Woher soll man wissen, welche der Hunderten von heimischen und exotischen Gewürzen, Kräutern, Samen und Früchten zueinander passen? Hier kann schon ein wenig Wissen aus der Kräuterchemie wahre Küchenwunder bewirken. Denn wie sonst könnte man ahnen, dass japanische Wakame-Algen ausgezeichnet mit Schweizer Käse harmonieren? Und Dill, das klassische Kraut des Nordens, mit tropischen Bananen? Dieses Buch will dazu inspirieren, auf der Grundlage von Erkenntnissen aus der Lebensmittelchemie eine ganz neue Intuition beim Würzen zu entwickeln.

ESSEN: SINN UND SINNLICHKEIT

Wenn wir essen, arbeiten all unsere Sinne: Augen und Ohren, Tast-, Geruchsund Geschmackssinn. Schon das Betrachten eines appetitlich angerichteten Tellers löst eine ganze Reihe von Erwartungen und Assoziationen aus. Gefällt mir, wie die verschiedenen Elemente angerichtet sind? Sagt mir die Optik zu? Das Auge ist die erste wichtige Prüfinstanz, dementsprechend spielen Farbe und Form der Speisen eine große Rolle. Gleichzeitig werden die Ohren gespitzt, wenn es verheißungsvoll in der Pfanne brutzelt oder wenn zischend flambiert wird. Nicht in jedem Fall, aber manchmal wissen wir sogar die haptischen Eigenschaften eines Gerichts zu schätzen – selbst in der gehobenen Küche gibt es Fingerfood. Immer aber wird vor dem ersten Bissen „geschnuppert“. Denn schon vor dem ersten Kosten versucht das Gehirn, das Gericht in das kulinarische Gedächtnis einzuordnen, besonders bei unbekannten Speisen: Wie riecht denn das? Woran erinnert es? Während Dämpfe und flüchtige Aromen durch die Nase eingeatmet werden, gleicht das Gehirn die Gerüche sofort mit den „gespeicherten“ kulinarischen Erfahrungen und Profilen ab, um zu prüfen, ob die Speise wohl ess- und genießbar ist.

Wird nach der Sicht- und Riechprüfung dann ein Bissen in den Mund genommen, werden die Vorgänge komplizierter. Der erste Zungenkontakt zeigt, ob die Vermutung und der Abgleich mit der individuellen kulinarischen Datenbank richtig waren: Das Essen schmeckt, oder es schmeckt nicht. Dieser Eindruck ist allerdings sehr kurz, denn wird der Bissen als positiv eingeschätzt, beginnt der Esser zu kauen, den Brei gegen den Gaumen zu drücken und im Mund hin und her zu bewegen. Geschmacks- und Tastsinn werden aktiviert: Wie und wonach schmeckt die Speise? Ist sie scharf oder wirkt sie kühlend? Welche Konsistenz hat sie und wie verändert sie sich beim Kauen und Befeuchten mit Speichel? Das Kauen und „Schmatzen“ hat noch eine weitere Funktion, denn dabei werden eine Vielzahl von flüchtigen Aromen freigelegt, die jetzt gleichzeitig die Riechzellen im Nasenrachenraum reizen. Erst das sogenannte retronasale Riechen, zusammen mit dem Geschmack und Empfinden auf der Zunge und in der Mundhöhle, lässt uns die Speise entsprechend würdigen – oder auch nicht.

WÜRZEN UND ABSCHMECKEN NACH FARBEN

Die meisten Menschen haben gewisse Grundfertigkeiten beim Würzen entwickelt und geben mit großer Selbstverständlichkeit mindestens Pfeffer und Salz an jedes Gericht, Essig, Zitronensaft und Öl an nahezu jeden Salat. Ziel bei der Zugabe all dieser Zutaten ist es, das Essen interessanter zu machen und das Geschmackserlebnis zu intensivieren. Gewürzt und gekräutert wird dabei nach Gefühl, aber auch nach Tradition und Prägung. So hat jede Kultur ganz besondere Würzkombinationen entwickelt. Die chemische Untersuchung zeigt jedoch, dass alle Würztechniken und -traditionen gewisse Gemeinsamkeiten aufweisen. Der Grund dafür liegt in der physiologischen Wahrnehmung von Duft und Geschmack, die bei allen Menschen ähnlich ist: Mit der Zunge können wir fünf Grundgeschmacksrichtungen schmecken – süß, sauer, salzig, bitter und den herzhaften umami-Geschmack, eventuell auch fettig – und über die Riechzellen der Nase nehmen wir Düfte wahr. Diese Duftstoffe lassen sich je nach ihrer chemischen Zusammensetzung sinnvoll in acht Gruppen einteilen. Anhand eines einfachen Farbgruppenschemas in diesem Buch kann man prüfen, welches Kraut oder Gewürz, welche Frucht oder sonstige Würzzutat welche Aromengruppen aufweist (siehe Seite 44), und kann dementsprechend kombinieren – Kochen nach Farben, sozusagen: Kommen die Aromen aus derselben Gruppe, verstärken sie sich gegenseitig, während Duftstoffe aus verschiedenen Gruppen sich gegenseitig ergänzen.

DIE GRUNDGESCHMACKSRICHTUNGEN

„Geschmack“ ist vermutlich eines der am häufigsten falsch verwendeten Wörter, wenn es um Essen und Trinken geht. Meist bezeichnen wir damit den ganzen Genuss, ohne zwischen Aroma und Geschmack einer Speise beziehungsweise dem menschlichen Geruchs- und Geschmackssinn zu differenzieren. Kurz gesagt: „Geschmack“ wird nur mit der Zunge geschmeckt, Aromen oder Duftstoffe werden mit der Nase gerochen. Wenn man sich beim Verkosten die Nase zuhält, lassen sich die reinen Grundgeschmacksrichtungen in einer Speise erkennen.

Über die Geschmacksknospen, die an den Wänden der Zungenpapillen liegen, werden die Geschmacksreize an das Gehirn weitergeleitet, wo der Reiz in die entsprechende Geschmacksqualität übersetzt wird. Verglichen mit der Welt der Düfte ist Schmecken recht langweilig. Bislang sind lediglich fünf Grundgeschmacksrichtungen nachgewiesen: „süß“, „sauer“, „salzig“ und „bitter“ kennt wohl jeder. Die nicht ganz so geläufige fünfte Grundgeschmacksrichtung, der „umami“-Geschmack, steht für „herzhaft, fleischig“. Entsprechende Rezeptoren wurden Anfang des 20. Jahrhunderts von dem japanischen Chemiker Ikeda Kikunae auf der menschlichen Zunge entdeckt. Der Geschmack wurde nach dem japanischen Wort für „wohlschmeckend“ benannt. Erst 2011 wurde nachgewiesen, dass es auf der menschlichen Zunge außerdem gustatorische Rezeptoren für „fett“ beziehungsweise für Fettsäuren gibt. Das wäre ein sechster Grundgeschmack, wobei bisher nicht geklärt ist, ob diese Signale auch im Gehirn entsprechende Botschaften auslösen. Aktuell diskutiert die Forschung, ob es möglicherweise auch Rezeptoren für „Wasser“ beziehungsweise „wässrig“ im Mundraum gibt.

BASISGESCHMACK UND TRIGEMINUSREIZ

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(scharf, heiß, kalt, prickelnd, beißend, adstringierend)

GESCHMACK UND TEMPERATUR

Die Intensität eines Geschmacks ist von der Temperatur abhängig. Man spricht dabei vom „thermal taste“. Eine im heißen Zustand kräftig abgeschmeckte Tomatensuppe wirkt sich in ihrem Geschmack voll aus; als eiskalte Gazpacho serviert, ist sie fade und wenig aufregend. Dann muss nachgewürzt werden. Salzig und süß verstärken sich tendenziell unter Temperaturerhöhung, sauer und bitter nehmen eher ab. Ab etwa 40 °C wird die Geschmackswahrnehmung immer mehr durch den Einfluss der Wärmerezeptoren überdeckt. Diese Effekte bestimmen somit das Würzen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der mit der Temperatur zusammenhängt, ist ganz schlicht der Unterschied zwischen heiß und kalt. Kräftige Warm-Kalt-Kontraste auf einem Teller heben den Genuss. Dabei muss die Temperatur nicht einmal „echt“ sein: Die Inhaltsstoffe von Gewürzen wie Chili oder Minze regen exakt die gleichen Empfindungen an, welche durch Hitze beziehungsweise Kühle verursacht werden.

SCHARF IST KEIN GESCHMACKSREIZ

Die Empfindung für Schärfe, wie sie etwa von Pfeffer, Chili oder Ingwer vermittelt wird, ist keine Geschmacksqualität, sondern ein Schmerzreiz – genauso wie die kühlende Wirkung der Minze. Wahrgenommen wird sie von den Enden des Trigeminusnervs. Diese im ganzen Körper verteilten Schmerzrezeptoren reagieren nicht nur auf Temperaturunterschiede oder Verletzungen, sondern auch auf bestimmte Moleküle: etwa auf das CAPSAICIN in Chili, das PIPERIN in Pfeffer, das GINGEROL in Ingwer oder das kühlende MENTHOL in Pfefferminze, ZIMTALDEHYD in Zimt. Die verschiedenen Senföle im Knoblauch, Lauch oder in Zwiebeln werden ebenfalls als „schmerzend kalt“ empfunden. Ob die Reize von echter Temperatur oder von entsprechenden Molekülen stammen, können die Rezeptoren nicht unterscheiden. Der Temperaturbereich des Mundraums, ungefähr 0 °C bis 50 °C, lässt sich daher komplett mit verschiedenen Kräutern und Gewürzen abdecken.

ADSTRINGENZ

Adstringenz ist ein Gefühl im Mund, für das ebenfalls die Trigeminusnervenenden verantwortlich sind. Beim Genuss von Schokolade mit extrem hohem Kakaoanteil und starker Röstung, beim Trinken eines gerbstoffreichen Rotweins, eines Matchas (grüner Tee) oder beim Kauen von Walnüssen weiß man sofort, was das Wort bedeutet: dieses zusammenziehende Gefühl auf der Zunge, das manchmal als „trocken“,„rau“ oder „pelzig“ bezeichnet wird. Denn kommen Gerbstoffe ins Spiel, sorgen sie dafür, dass sich viele Proteine im Speichel zu größeren Ansammlungen verbinden, was zu einem anderen Fließverhalten führt: Die Benetzung und Reibung verändern sich, was wir mittels des Trigeminusnervs deutlich spüren können.

GESCHMACKSMODULATION: MUNDFÜLLE – KOKUMI

Wie die Bezeichnung für den herzhaften Umami-Geschmack stammt der Begriff „kokumi“ aus dem Japanischen. Er lässt sich am besten mit „Mundfülle“ übersetzen. Eine große Mundfülle wird beispielsweise durch eine sehr lange gekochte Hühnerbrühe oder einen anderen Fleischfond erzeugt. Beim langen Kochen findet ein Prozess statt, der in der Fachsprache Hydrolyse genannt wird: Die in allen Lebensmitteln vorkommenden Proteinketten zerfallen dabei langsam in immer kleinere Teile. Bruchstücke, die aus zwei oder drei Aminosäuren und einer Glutaminsäure bestehen, werden γ-Glutamylpeptide genannt. Sie sind unter anderem für den kokumi-Effekt verantwortlich. Die Proteinbruchstücke wirken als Modulatoren und stimulieren den Gesamteindruck aller Sinnesreize und deren Intensität, die beim Essen angesprochen werden: Textur, Geschmack, Duft und Empfinden (image Abrunden: kokumi, Seite 26). Das Zerlegen der Proteine in diese „kokumisierenden“ Glutamylpeptide kann sowohl durch Fermentation als auch durch Enzyme, pH-Wert-Änderungen oder, wie in den bereits genannten Beispielen, durch Hitze vonstatten gehen. So lässt die lange Reifung von Käse neben vielen anderen Reaktionen solche Proteinbruchstücke entstehen, die für die große Mundfülle reifer Käse sorgen.

DIE TEXTUR VON LEBENSMITTELN

Der Begriff „Textur“ wird oft verwendet, wenn man Form und Aggregatzustand einer Speise beschreibt, also etwa knusprig, hart oder flüssig. Aber Textur ist mehr: Der Begriff umfasst alle Effekte, die von der physikalischen Struktur der Lebensmittel bestimmt sind. Wird etwa ein als „knackig“ beschriebenes Lebensmittel gegessen, bedeutet das Folgendes: Aus einer harten Hülle können zunächst kaum Aromen entweichen. Auf der Zunge wird so eine unelastische Speise als kantig, rau und wenig anschmiegsam wahrgenommen. Erst wenn man draufbeißt, knackt und kracht es, und die Duftnoten und Geschmacksstoffe werden auf einen Schlag freigegeben. Dieser Vorgang lässt sich auf andere Formen und Oberflächen – rund oder kantig, weich, glatt oder rau, klebrig, schaumig oder mehlig – und auf die Aggregatzustände fest, flüssig oder gasförmig übertragen. Die Textur einer Speise hat also Einfluss auf ihren Geschmack, ihr Aroma und das Gefühl, das sie im Mund erzeugt. Dabei darf man natürlich nicht vergessen, dass viele Lebensmittel und Speisen nicht nur aus einer, sondern aus verschiedenen Komponenten bestehen, die alle unterschiedliche Eigenschaften haben und somit eine Kaskade von verschiedenen, gekoppelten Textureindrücken auslösen.

GERUCHSSINN UND AROMEN

All die verschiedenen Reize, die beim Essen mit der Zunge beziehungsweise über die Trigeminusnervenenden im Mundraum wahrgenommen werden – der Geschmack der Speise, ihre Schärfe, Temperatur, Textur und die Mundfülle – machen immer noch erst einen geringen Teil des Genusses aus. Es fehlt noch ein zentraler Aspekt: der Duft des Gerichts – sein Aroma. Vor dem ersten Bissen prüft die Nase: Riecht die Speise angenehm? Ungewöhnlich? Wird anschließend gekaut, ermöglicht das retronasale Riechen die Verbindung von Geschmack und Aromen. Erst dann wird das Essen in seiner gesamten Komplexität sinnlich erfasst. In der Küche lassen sich ähnlich wie in der Parfümerie Düfte und Duftkompositionen gezielt einsetzen, um Assoziationen und Emotionen zu wecken oder andere Gerüche zu überdecken. Immer jedoch haben sie das Ziel, wohltuend auf die Umgebung zu wirken.

RIECHEN MIT DER NASE

Was genau passiert beim Riechen, wenn bestimmte Moleküle in uns Emotionen auslösen, wie es bei Kräutern und Gewürzen wohlbekannt ist? Die Vorgänge sind im Prinzip mit denen beim Schmecken zu vergleichen: Ein als Duftmolekül erkanntes Teilchen kann nur an einem speziell für seine Wahrnehmung bestimmten Detektor andocken, woraufhin ein Signal an das Gehirn geleitet wird, in dem die Sinneswahrnehmung als Duft interpretiert wird.

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Duftstoffe strömen über die Luft in die Nase und treffen auf den Riechkolben, den Bulbus und das Riechepithel. Dieses Gebilde besteht aus vielen Riechzellen, die in Zilien enden. Letztere sind von Schleim (einer proteinreichen Flüssigkeit) umgeben, der in der Lage ist, Duftstoffe zu lösen.

ORTHONASAL – RETRONASAL: DEUTLICHE DUFTUNTERSCHIEDE

Wird durch die Nasenöffnungen ein Lebensmittel gerochen, nutzt man das „orthonasale Riechen“. Beim Kauen im Mund aktiviert man das „retronasale Riechen“. Interessant ist dabei, dass die Duftstoffe häufig verschieden wahrgenommen werden, je nachdem, ob sie orthonasal durch die Nase oder retronasal im Nasenrachenraum erfasst werden. Identische Moleküle werden nicht nur unterschiedlich intensiv wahrgenommen, sondern lösen auch andere Duftbeschreibungen aus.

Wichtig für unsere Zwecke ist, vereinfacht festzuhalten: Dockt ein Duftstoff an dem für ihn bestimmten Rezeptorprotein an, werden entsprechende Nervenreize ausgelöst. Liegt keine passende Form vor, ist ein Andocken nicht möglich. Die chemische und molekulare Struktur der Duftstoffe steht also in engem Zusammenhang mit ihrem Geruch. Das ist grundlegend für die Einteilung der Düfte in acht charakteristische Duftgruppen, wie auf Seite 44 vorgestellt wird.

RIECHEN IM GEHIRN

Die Nase detektiert zwar die Reize der Duftstoffe, die Signale müssen aber im Gehirn umgesetzt werden. Ähnlich wie beim Geschmack hat der Mensch ein „Geruchsgedächtnis“, das heißt, er kann bekannte Gerüche einordnen und assoziiert sie gegebenenfalls sogar mit einer schönen Erinnerung – oder mit Gefahr. Allerdings existieren hier nicht nur fünf plus eine Geschmacksrichtung, sondern Tausende verschiedener Düfte. Daher spielt bei der Dufterkennung auch das Sprachzentrum eine wichtige Rolle: Kann ein Duft nicht benannt werden, wird er zwar genauso wahrgenommen, aber viel ungenauer „abgespeichert“ und wahrscheinlich nicht wiedererkannt oder mit einem ähnlichen Duft verwechselt. Ein Problem stellt dabei das begrenzte Vokabular dar, das kaum ausreicht, um all die Eindrücke treffend zu umschreiben. Mögen die poetischen Anflüge in Weinführern und Parfümbeschreibungen auch oft belächelt werden, einige Gerüche lassen sich einfach am besten als „grün“, „warm“ oder „schwer“ charakterisieren (image Kleine Geruchsschule, Seite 324). Bisweilen fehlen auch schlicht Analogien, auf die zurückgegriffen werden kann: Der Duft frisch geriebener Muskatnuss ist tatsächlich am genauesten beschreibbar mit: „frisch geriebene Muskatnuss“.

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Hat der Duftstoff angedockt, wird auf der „Unterseite“ der Membran ein Ionenfluss von Natrium und Calcium ausgelöst. Dem Gehirn wird ein Duft signalisiert.
(R = Rezeptor, G = G-Protein, AC = Adenylatcyclase)

SCHLÜSSELAROMEN

Sticht eine Aromaverbindung aus einem Lebensmittel, Kraut oder Gewürz mit einem besonders hohen Aromawert hervor, wird diese als Schlüsselaroma bezeichnet. Ist ein Schlüsselaroma vorhanden, bestimmt es einen Großteil des Eindrucks des Lebensmittels, Krauts oder Gewürzes. Ein sehr prägnantes Schlüsselaroma ist beispielsweise Cumarin in Tonkabohne und Waldmeister, deren Duft es fast allein bestimmt. In Datteln kommt das Molekül ebenfalls vor, ist dort allerdings nicht aromabestimmend.

FLÜCHTIGKEIT UND LÖSLICHKEIT

Alle Düfte sind mehr oder weniger flüchtig. Damit sie beim Kochen, Braten oder Backen im Gericht verbleiben und nicht in die Umgebung verdampfen, muss man den Molekülen ein gutes Lösungsmittel anbieten. Für den Gebrauch in der Küche qualifizieren sich Wasser, Fett und Ethanol (Alkohol). Sie sind keine Lösungsmittel in dem Sinne, dass sie die Moleküle „lösen“, sie halten diese und somit ihr Aroma eher fest. Chemisch betrachtet hängt Flüchtigkeit von drei Faktoren ab: Temperatur, Molekülgröße und Lösungsmittel. Je höher die Temperatur, desto schneller können die Moleküle verdampfen. Je größer ein Molekül, desto komplizierter ist sein Aufbau und desto schwerer und weniger flüchtig ist es. Je zäher ein Lösungsmittel – wie etwa Öl –, desto mehr kann es das Molekül auch bei hohen Temperaturen zurückhalten.

FAUSTREGELN FÜR DIE FLÜCHTIGKEIT
Je höher die Temperatur, desto schneller verflüchtigen sich Aromen. Kompliziert aufgebaute sind weniger flüchtig als einfache. Das passende Lösungsmittel reduziert die Flüchtigkeit. Öle und Alkohole lösen Aromen oft besser als Wasser, sie sind dann weniger flüchtig.

VARIATION DURCH FLÜCHTIGKEIT
Die Schärfe des Pfeffers wird durch das nichtflüchtige Piperin bestimmt. Die feinen Aromen des frisch gemahlenen oder zerstoßenen Pfeffers, von würzig über harzig bis terpentinartig, verflüchtigen sich in den ersten Minuten nach dem Zerstoßen oder unter Hitze. Wird der Pfeffer gleich zu Beginn des Kochprozesses zugefügt, hebt man seine reine Schärfe hervor. Um dagegen die feinen Aromen zu betonen, muss man direkt vor dem Servieren noch einmal frisch gemörserten Pfeffer zugeben.

LÖSLICHKEIT image
Alle Aromen lösen sich in einem oder mehreren dieser drei Stoffe: Alkohol, Fett (ebenso Butter, Öl, Saucen oder etwa fette Joghurts) und Wasser.

LÖSLICHKEIT – UNLÖSLICHKEIT
Ein Teelöffel Salzwasser ist alles andere als köstlich. Aber obwohl sich Salz nicht in Öl löst: Ein Teelöffel Olivenöl mit ungelösten Kristallen von Fleur de Sel ist eine kleine kulinarische Offenbarung.

DIE LÖSUNGSMITTEL: WASSER, ALKOHOL, FETT

Die Wahl des Lösungsmittels hat also unmittelbare Auswirklungen auf die Kochpraxis: Eine hohe Temperatur beim Garen oder eine lange Lagerung von Gewürzen begünstigt das Abdampfen der Aromen. Daher ist es von Vorteil, eine ausreichende Menge an gutem Lösungsmittel während des Garens oder Lagerns zur Verfügung zu stellen.

Als Faustregel lässt sich festhalten: In Wasser lösen sich Geschmacksträger wie Zucker, Salze und Säuren, aber Öle und Fette lösen die meisten Aromen weit besser als Wasser. Beim Lösen in Wasser kann ein „Käfig“ aus Wassermolekülen die Aromaverbindung zwar im Wasser festhalten, an dessen Oberfläche jedoch wird er aufgebrochen. Das Aromamolekül ist jetzt dem „besseren“ Lösungsmittel Luft ausgesetzt. Es wird flüchtig und steht nun der Nase und dem Riechen zur Verfügung. Fette, also alle fetthaltigen Lebensmittel wie Öl, Butter, Schmalz und so weiter, lösen viele Aromen, deshalb sollten sie besser als „Aromaträger“ und nicht als „Geschmacksträger“ bezeichnet werden. Die zähfließende Konsistenz von Öl ermöglicht es, Aromen auch bei höheren Temperaturen noch im Gericht zu halten. Alkohol ist ein gutes Lösungsmittel für kleine, wasserunlösliche Moleküle. Ebenso löst er alle Aromen, die selbst Alkohole sind. Diese sind daran erkennbar, dass sie auf „-ol“ enden. Die Moleküle des Lösungsmittels können die Aromastoffe ohne Wenn und Aber umschließen. Dadurch wird die Flüchtigkeit deutlich eingeschränkt. Ethanol, Fette und Öle halten Geruchsstoffe und Aromen regelrecht fest.

Übrigens: Wegen der Flüchtigkeit vieler Aromen ist es besser, immer ganze Gewürze zu lagern. Die ätherischen Öle sind in feinen, winzigen, nur 100–500 Nanometer großen Ölkörperchen in den Vakuolen der Zellen eingeschlossen. Beim Mahlen oder Zerschneiden werden diese Zellen zerstört, die Ölkörperchen platzen und die Aromen werden frei. In gemahlenen Gewürzen ist die Oberfläche der Körner um ein Vielfaches größer. Daher ist lang gelagerter Pfeffer am Ende nur noch scharf – der dafür verantwortliche Stoff Piperin ist nicht flüchtig –, während seine harzigen, holzigen und zitrusartigen Noten längst entwichen sind.

WÜRZPRAXIS

Wie können wir abwechslungsreicher und gezielter würzen und abschmecken, sodass ganz bewusst Assoziationen entstehen? Gibt es dabei so etwas wie eine einheitliche Harmonielehre?

Zumindest ist eine gute Kenntnis von Gewürzen, Kräutern, Schlüsselaromen und etwas Chemie sehr hilfreich – sie kann sogar essenziell sein. Nachdem im ersten Kapitel gezeigt wurde, inwiefern sich Geschmacksrichtungen und Duftgruppen unterscheiden und einteilen lassen, geht es nun direkt um die Würzpraxis am eigenen Herd. Wie können wir gezielt die Grundgeschmacksrichtungen beeinflussen, trigeminale Reize wie zum Beispiel Schärfe gekonnt einsetzen und schließlich das Ganze mithilfe von Düften systematisch verfeinern? Die Möglichkeiten scheinen fast unbegrenzt, wenn man einige ebenso einfache wie effektive Prinzipien beherzigt. Lassen wir Tradition und Experiment in unseren Kochtöpfen zusammenfinden!

WÜRZEN MIT REIZEN: GESCHMACK, SCHMERZ UND DUFT

Beim Würzen und Abschmecken muss man unterscheiden, ob man den Geruchssinn ansprechen oder das Geschmackserlebnis beeinflussen will. Obwohl oft pauschal vom „Geschmack“ der Speisen die Rede ist, bezeichnet dieses Wort nur die Grundgeschmacksrichtungen: süß, sauer, salzig, bitter und umami – unklar ist noch, ob auch fettig dazuzählt (image Die Grundgeschmacksrichtungen, Seite 8). Sie können auf der Zunge wahrgenommen werden – und nur dort: Zucker oder Salz riechen nicht. Gerüche wiederum existieren in sehr großer Zahl, können aber nicht auf der Zunge geschmeckt werden: Ein Essen mit zugehaltener Nase wirkt fade (image Geruchssinn und Aromen, Seite 12). Schließlich existiert noch eine dritte Empfindung: Temperaturreize, die wir im Mund als „Schärfe“ oder „Kühle“ wahrnehmen (image Seite 10, 28).

In jedem dieser drei Bereiche gibt es einige Grundregeln sowie jede Menge Tricks, die zu erstaunlichen Ergebnissen führen. In diesem Kapitel wird konkret gezeigt, mit welchen Zutaten und Techniken man etwa süßt, salzt, säuert, bittert – oder wie man aufdringliche Geschmacksnoten maskiert. Außerdem wird der richtige Einsatz trigeminaler Reize vorgeführt, angefangen vom leichten Brennen, das Petersilie auslöst, bis hin zum pelzigen Zungengefühl beim Genuss eines guten Rotweins, einer Tasse grünen Tees oder beim Kauen eines Walnusskerns.

Als kleine Einführung in den Gebrauch des Aromenlexikons ist der Abschnitt zur Duft-Würzpraxis zu verstehen, der das Grundprinzip des „richtigen“ Kombinierens erläutert: das Food-Pairing und das Food-Completing.

ABSCHMECKEN IN DEN GRUNDGESCHMACKSRICHTUNGEN

Die wenigsten Speisen sind gleichzeitig süß, sauer, salzig, bitter, umami – sowie fett. Doch empfinden wir Speisen, die mehrere dieser Reize auslösen, oft als ausgewogener, als wenn nur eine Geschmacksrichtung angesprochen wird. Die Prinzipien des Würzens lauten hier: Ausgewogenheit und Hervorhebung. Wie sich einzelne Geschmacksrichtungen gezielt steuern lassen, wird im Folgenden näher erklärt. Die Grundgeschmacksrichtungen süß und umami werden als angenehm empfunden, sie brauchen nicht maskiert zu werden. Bei den anderen Geschmacksrichtungen gibt es zum Teil Tricks, um eine übersäuerte oder verbitterte Speise noch zu retten.

ABSCHMECKEN: SÜSS

Das bekannteste Geschmacksmittel für die Grundgeschmacksqualität „süß“ ist Zucker. Neben kristallinem Haushaltszucker, Saccharose, gibt es eine Reihe anderer bekannter Zucker: Fruchtzucker (Fructose) kommt häufig in Früchten und Gemüse vor, aus Traubenzucker – Glucose oder auch Dextrose genannt – sind alle Stärken aufgebaut, die sich etwa in Kartoffeln und Weizen finden. Milchzucker oder Lactose gibt Milch ihre leichte Süße. Die Zucker unterscheiden sich in ihrer Süßwirkung (image Süßkraft, Seite 209) und Wasserlöslichkeit.

Es gibt zahlreiche Zucker und Zuckerersatzstoffe, die in der Küche relevant sind. So bilden Erythritol und das deutlich weniger süße Mannitol beim Abkühlen kein Glas, sondern knusprige Kristalle – interessant für Lollis oder Desserts. Inulin erzeugt, unter Speisen gemischt, ein „fettähnliches“ Mundgefühl. Der Zuckeraustauschstoff Isomalt spielt in der Patisserie eine besondere Rolle: Er lässt sich bestens in warmem Zustand verarbeiten und karamellisiert erst ab ca. 270–280 °C. Außerdem lässt er sich gut zum Maskieren unerwünschter Bitternoten einsetzen, ohne die Speisen oder Getränke stark zu süßen. Auch Trehalose oder Läuterzucker (eine Mischung aus Zucker und Wasser im Verhältnis 3:2) leisten gute Dienste bei der Bittermaskierung. Gibt man Letzterer während des Kochens etwas Säure zu, bildet sich Invertzucker (image Zucker). Maltodextrin verleiht Süßspeisen Stabilität und kann stark flüchtige Aromen binden. Sorbitol kommt in praktisch allen Steinfrüchten wie Aprikosen, Datteln und Zwetschgen vor. Er ist in der Lage, große Mengen Wasser zu binden, und ist nur etwa halb so süß wie Haushaltszucker – ideal für cremige, nicht zu süße Ganaches oder Pralinenfüllungen. Stevia ist als Zuckerersatz in Küche und Patisserie nur bedingt geeignet: Wegen der hohen Süßkraft darf das Kraut nur sparsam eingesetzt werden – und in dieser Menge gibt ihr Wasserbindungsvermögen Teigen oder Schäumen nur wenig Stabilität. Zudem schmeckt es auch bitter, was zusätzlich maskiert werden muss.

KARAMELLISIEREN spielt beim Einsatz von Zucker in der Küche eine besondere Rolle. Farbe und Geschmack des Zuckers verändern sich durch die Hitzeeinwirkung. Chemische Reaktionen sorgen für weniger Süße und weniger Kalorien, eine nussige, leichte Süße entsteht. Bei zu dunklen Farben schmeckt Karamell schnell bitter, daher ist Vorsicht angesagt.

SÜSSEN MIT LEBENSMITTELN Reife Bananen haben eine ganz erstaunliche Süßkraft, weshalb sie püriert in Desserts Zucker praktisch ersetzen können. Der am häufigsten verwendete „Zuckerersatz“ ist wohl Honig. Er besteht aus Glucose, Fructose sowie weiteren Zuckern. Seine feinen Blütenaromen schlagen beim Süßen von Speisen nur wenig zu Buche. Süßen lässt sich auch mit Trockenfrüchten ausgezeichnet, etwa image Aprikosen oder image Weinbeeren. Ebenso eignen sich viele Liköre zum Süßen (image Süße Liköre), zum Beispiel Grand Marnier oder Eierlikör. Sie geben allerdings eigene Aromen mit, die in das Gericht einbezogen werden müssen.

ABSCHMECKEN: SAUER

Säuern, also das Absenken des pH-Wertes, wird eingesetzt, um Speisen zu konservieren – aber auch, um sie frischer, ansprechender oder runder zu gestalten. Säuren liefern immer einen erheblichen Beitrag zum Geschmack, selbst wenn ihre Konzentration eher gering ist.

Die bekanntesten Säuren sind sicherlich die ESSIGSÄURE aus Essigen und die ZITRONENSÄURE, die nicht nur in allen Zitrusfrüchten, sondern zum Beispiel ebenso in Äpfeln, Sauerkirschen oder Wein reichlich vorkommt. Eine gebratene Gänsebrust, deren Pfanne mit Sauerkirschen abgeschwenkt wurde, ist also mit Zitronensäure gesäuert. ÄPFELSÄURE findet sich in Äpfeln, Quitten, Weintrauben und Stachelbeeren. Ein paar klein geschnittene Äpfel oder ein Stück mitgeschmorte Quitte sorgen neben fruchtigen Aromen für ein feines Säurespiel. Rhabarber, Mangold, Spinat, Sauerklee oder imageSauerampfer enthalten OXALSÄURE. Diese Säure entmineralisiert den Zahnschmelz, die Zähne werden „stumpf“. Andererseits säuert sie, ohne den starken Beigeruch eines Essigs zu entwickeln, und lässt sich gut mit feinen Meeresfrüchten kombinieren. WEINSÄURE findet sich reichlich in image Tamarinde – in Weinen spielt sie nur eine untergeordnete Rolle. Sie gibt vielen indischen Gerichten eine deutliche Säurenote. FÜR SELBST HERGESTELLTE ESSIGE benötigt man Flüssigkeiten mit etwa 4–6 Volumenprozent Alkohol: Wein, Apfelwein, verdünnte Brände oder Schnäpse. Deren Alkohol kann mittels Essigsäurebakterien in Gärkolben zu Essigsäure fermentiert werden.

ESSIGE AROMATISIEREN funktioniert über die Alkohollöslichkeit vieler Aromen. Mittels guter und neutraler Branntweinessige lassen sich etwa Fruchtessige mit Fruchtmark zubereiten. Dazu werden Früchte (zum Beispiel Himbeeren) mit Essig gemixt. Dann lässt man sie aromatisieren und filtert Fruchtfleisch und Kerne heraus. Es existieren zahlreiche Essigvarianten, die aus den verschiedensten Grundzutaten gewonnen werden (image Essige, ab Seite 292).

DIE PH-WERTE EINIGER LEBENSMITTEL

Salzsäure 3,5%

0,0

Salzsäure 0,35%

1,0

Magensäure

1,0

Zitronensaft

2,0

Essigessenz

2,0

Essig

3,0

Coca

3,0

Wein

4,0

Sauermilch

4,5

Bier

5,0

Hautoberfläche

5,5

Mineralwasser

6,0

reines Wasser

7,0

Blut

7,4

Sauberes Seewasser

8,3

Darm

8,3

Waschmittellösung

10,0

Natronlauge 3%

14,0

PFLANZE/OXALSÄUREGEHALT IN MG PRO 100 G (RICHTWERTE)

Rote Bete

180

Bambussprossen

250

Sauerklee

400

Spinat

450

Kakaopulver

450

Rhabarber

460

Mangold

650

Sauerampfer

1 000

Die Werte in dieser Tabelle geben lediglich die Richtwerte wieder, sie schwanken je nach Bodenchemie, Witterung, Ausbau und Sonneneinstrahlung.

Gestampfte, nicht zu fein zerdrückte Kartoffeln lassen sich wunderbar mit einem Esslöffel sehr klein gehacktem rohen Sauerkraut säuern. Dazu mit rohen, für ca. 10 Minuten gesalzenen Zwiebeln (Salz-Osmose) abgeschmeckt, passt diese feine, ungewöhnliche Säure in den gekochten Kartoffeln ausgezeichnet zu gebratenem Fisch.

SÄUERN MIT SAUREN LEBENSMITTELN funktioniert ausgezeichnet, man ist nicht nur auf Essig oder Zitronensaft angewiesen: milchsauer vergorenes Gemüse, Sauerkraut, Essiggurken, image Granatapfelkerne oder Rhabarberstückchen säuern ebenfalls. Joghurt dient als ideales Säuerungsmittel, wenn gleichzeitig Milch- und Käsearomen sowie Milchsäure gefragt sind. Selbst beim image Räuchern entstehen bei bestimmten Temperaturen „organische Säuren“, zum Beispiel Essigsäure und Ameisensäure. SÄURE ERSETZT DEN HERD: Mit Säure lassen sich Lebensmittel garen. Dabei greift die Säure in die Struktur der Proteine ein und verändert manche davon fast so, als würden die Speisen Hitze ausgesetzt. Mit einer Ceviche, der südamerikanischen Zubereitung von rohem, in sauren Marinaden „gegartem“ Fisch, lässt sich das ausprobieren. Das Resultat hängt aber vom Lebensmittel ab: Gut abgehangenes Fleisch lässt sich leicht mit Säuren „garen“, ebenso Fisch. Gewöhnliches Fleisch hingegen muss gehackt werden und viele Gemüse lassen sich nur unter leichter Erwärmung marinieren: Den harten Pflanzenzellen ist durch Säureeinwirkung nur begrenzt beizukommen.

SÄURE ZU MASKIEREN gelingt nur schwer. Möglich ist das Verdünnen mit Wasser oder die Zugabe einer Prise Zucker – wenn es das Gericht erlaubt. Die vorsichtige Zugabe von Natron kann ebenfalls helfen. Ein Zuviel davon lässt das Gericht eher „seifig“ wirken. Manche Säuren, etwa die OXALSÄURE von Spinat, lassen sich durch die Zugabe von etwas Zitronensaft abschwächen.

ABSCHMECKEN: SALZIG

Unser Würzmittel Nummer eins riecht nach nichts und schmeckt nur salzig. Aber es steigert den Eigengeschmack der Speisen. Obwohl salzen der vielleicht einfachste Würzvorgang überhaupt ist, gibt es auch hierbei feine Unterschiede und einige Tricks für mehr Geschmack. Weltweit werden die verschiedensten „Sorten“ von Salz abgebaut.

KRISTALLFORM UND TEXTUR sind entscheidend für die Salzempfindung. Wird nachgesalzen, ist immer auch die Art und Geschwindigkeit entscheidend, in der sich das Salz zusammen mit dem Lebensmittel im Mund auflöst. So können die gleichen Stücke eines Steaks je nach Form und Größe der Salzkörner unterschiedliche Geschmacksnuancen entwickeln. Feine Salze dominieren über das Fleisch, grobes Salz wirkt milder und Salzflocken entsprechend fein – selbst wenn alle aus reinstem Natriumchlorid bestehen und keine weiteren Mineralien eingelagert sind. Kleine Kristalle haben im Vergleich zum Volumen große Oberflächen, sie lösen sich schneller als große Kristalle. Perfekte Kristalle – wie häufig bei Salzflocken – sind sehr dünn, lösen sich aber verhältnismäßig langsam. Sie wirken beim Zerbeißen zusätzlich „knusprig“, ohne ein Zuviel an Salzgeschmack hervorzurufen.

SALZ IM KOCHWASSER erhöht die Siedetemperatur je nach Konzentration, weil die Salzionen wegen ihrer Ladung die (dipolaren) Wassermoleküle besser festhalten. Messbare Effekte für eine Verkürzung der Gardauer hat dies allerdings nicht – zumindest bei physiologisch erträglichen Salzkonzentrationen. Sobald das Wasser kocht und Flüssigkeit verdampft, nimmt die Salzkonzentration zu. Deshalb kann man ein Gericht auch versalzen, wenn man das Salz zu früh zugibt. Profis salzen vorsichtig und schmecken zum Schluss noch einmal ab: Nachsalzen kann man immer, ein versalzenes Gericht ist nicht mehr zu retten. Vorschläge wie das Mitkochen einer ganzen Kartoffel helfen nicht.

WEGEN SEINER OSMOTISCHEN WIRKUNG „zieht“ Salz Wasser aus allen Lebensmitteln. Damit wird vielen Mikroorganismen ihre Lebensgrundlage entzogen, was die Verderblichkeit dieser Lebensmittel verringert. Gepökeltes Fleisch und Fisch lassen sich so lange konservieren.

NITRITPÖKELSALZ verleiht Fleisch und Wurst eine rote Farbe. Es enthält Stickstoffverbindungen, deren Stickoxid sich mit dem Eisen-Ion der Hämgruppe des Muskelfarbstoffs Myoglobin verbindet. Das Fleisch wird nicht grau.

NATRIUMREDUZIERTE DIÄTSALZE enthalten Kaliumchlorid und Glutamat. Damit lässt sich dezenter salzen als mit Salz, und über das Glutamat erhält man zusätzlich umami-Würzkomponenten (siehe Seite 23).

„SALZEN“ LÄSST SICH AUCH MIT LEBENSMITTELN. In der mediterranen Küche ist das „Salzen“ (und „Umamisieren“) mit Sardellen sehr beliebt. Die in Salzlaken konservierten Minifische steuern zugleich herzhafte Anklänge und Meeresnoten bei. Salzig-fischige Noten werden ebenso durch Poutargue (Bottarga) beigefügt, den getrockneten Rogen der Großkopfmeeräsche. Auch Räucherspeck oder Salzfleisch eignen sich zum wohldosierten „Salzen“. Werden salzhaltige image Algen zu Speisen gegeben, wird der Geschmack „frei Haus“ mitgeliefert. Dazu gehört auch Queller (Salicorn). Ebenso lassen sich viele Wildkräuter der Salzwiesen an der Nordsee zum „Salzen“ verwenden.

VERSALZENE SUPPEN LASSEN SICH RETTEN – bei richtigen Missgeschicken ist aber alles zu spät. In übersalzene Cremesuppen gibt man eine fein geriebene Kartoffel. Bei Suppen oder Brühen hilft, das Eiweiß von einem bis drei Eiern mitzukochen. Das geronnene Eiweiß wird abgeschöpft und nicht weiterverwendet: Es hat einen Teil des Salzes absorbiert, aber leider auch andere Aromen und Geschmacksstoffe.

ABSCHMECKEN: BITTER

Eine Präferenz für Bitteres ist nicht angeboren, sondern muss erst erlernt werden. Zu starke Bitternoten können den Genuss eines ganzen Gerichts zerstören – ganz ohne Bitterkeit bliebe allerdings der Genuss auf der Strecke. DER BITTERWERT eines Stoffes gibt an, welche Gewichtskonzentration des Stoffes einen Liter Wasser erkennbar bitter schmecken lässt. So macht zum Beispiel 1 g Absinthin des image Wermutkrauts 3 000 l Wasser bitter (Bitterwert = 3 000 000). Das zeigt, wie wenig dieses Stoffes in Alkoholika wie Absinth enthalten sein darf, damit dieser genießbar ist. Das Amarogentin der Enzianwurzel ist noch etwa 20 Mal bitterer.

BITTERSALZE wie Calciumchlorid und Magnesiumchlorid wirken bei nicht ausgewogener Dosierung eher plump und isoliert. Bei sogenannten Diätsalzen werden deshalb oft Mischungen aus Kaliumchlorid, Calciumchlorid und Glutamat angeboten, die dank der Kombination von salzig, bitter und umami-Geschmack „breiter“ wirken.

KRÄUTER UND GEWÜRZE enthalten oft Bitterstoffe. Ein idealer Bittergeber sind zum Beispiel image Bockshornkleesamen. Sie werden mit kochendem Wasser übergossen und nach dem Abkühlen abgeseiht. Auch image Rosmarin und image Salbei geben an Speisen nicht nur ihre Aromen ab, sondern ebenso Bitternoten. Aus den Stängeln des Rosmarins lösen sie sich durch langes Mitkochen, aus Salbei durch kurzes Anbraten.

BITTERE GEMÜSE lassen sich ebenfalls gezielt zum „Bittern“ einsetzen. Artischocken(-blätter) haben oft eine dezente Bitterkeit, die besonders in Vorspeisen und Aperitifs erwünscht ist. Chicorée und Radicchio sind vor allem in Salaten beliebte Bitterabschmecker.

GRÜNER TEE UND MATCHA erhalten ihre Bitterkeit über Koffein und und Polyphenole, etwa Catechine. Diese lösen sich besser bei hoher Temperatur, weshalb zu heiß aufgebrühter grüner Tee sehr bitter wirkt. Aber auch bei einer Brühtemperatur von 75 °C lösen sich mehr Bitterstoffe, je länger der Tee zieht. Sud aus grünem Tee eignet sich zum Pochieren von Geflügel oder Fisch. Auch Meeresfrüchte- oder Gemüserisotti mit grünem Tee angegossen sind wunderbar, und Matchateepulver fügt süß-sauren Vinaigrettes aus Balsamico dezente Bitterkomponenten bei.

KOFFEIN UND TEEIN ist derselbe Stoff: In Kaffee und (schwarzem wie grünem) Tee regt er nicht nur an, er schmeckt auch bitter. Die Bittertöne in image Kaffee wirken, wegen der geringen Wasserlöslichkeit des Koffeins und der karamellig süßlichen Röstaromen, eher dezent.

ZITRUSFRÜCHTE wie image Orangen und image Zitronen tragen Bitterstoffe in der weißen Membran zwischen Schale und Fruchtfleisch. Kocht man diese mit, lassen sich neben dem Schalenaroma auch Bitternoten gezielt einsetzen. WEITERE MÖGLICHKEITEN FÜR BITTERTÖNE liefern bittere Alkohole, zum Beispiel image Angostura, image Bier und image Campari, aber auch image Olivenöl. Weil sie viele ihrer typischen Aromen in die Speisen hineintragen, werden sie als flüssige Würzen im hinteren Teil des Buches ausführlicher besprochen. Tonic Water erhält seine angenehme Bitterkeit von Chinin, das aus der Rinde des Chinabaums gewonnen wird. Ein Schuss Tonic Water in einem frischen Rohkostsalat, zusammen mit etwas Olivenöl, verleiht diesem eine fruchtige Bitterkeit. Lakritz („Bärendreck“) spielt mit der Kombination bitter-süß und kann ebenfalls wohldosiert zum Würzen eingesetzt werden.

BITTERSTOFFE MIT DAZUGEHÖRIGEN BITTERWERTEN

Bitterstoff

Bitterwert

Bemerkungen

Chininhydrochlorid
Chinarinde

200 000

Alkaloid aus

Absinthin
im Wermut

3 000 000

Bitterstoff

Quassin
im Bitterholzbaum

13 000 000

Bitterstoff

Amarogentin
in Enzian-Arten

58 000 000

Bitterstoff

Denatoniumbenzoat

>100 000 000

bitterste
bekannte
Substanz

BITTERWERTE EINIGER LEBENSMITTEL

Weißbier

ca. 15

Pils

20–25

Dunkle Biere

ca. 30

Kaffee

100–500

Löwenzahn

ca. 800

MASKIEREN UNERWÜNSCHTER BITTERNOTEN: Stark reduzierte Saucen aus dunklem Bratenfond wirken häufig etwas bitter. Hier hilft die Beigabe von Kräutern wie image Rosmarin: Man gibt es erst zum Schluss dazu, lässt es nicht mitkochen und lässt die polyphenolreichen, bitteren Stängel draußen, dann dominieren die floral, harzig, holzig duftenden Terpene. Alternativ funktionieren florale Noten. Eine andere Möglichkeit der Maskierung ist Läuterzucker: Eine sehr kleine Menge in die Speisen gegeben – maximal ein halber Teelöffel – wirkt Wunder. Weitere effektive Bittermaskierer sind die weniger süßen Zucker Trehalose und Isomalt (image Abschmecken: süß, Seite 18).

ABSCHMECKEN: UMAMI

Der Geschmack „umami“ – japanisch für „fleischig“, „herzhaft“, „wohlschmeckend“ – wird durch freie Glutaminsäure erzeugt. Bekannter ist deren Salz, das Glutamat, auch „Geschmacksverstärker“ genannt. Dieser Begriff ist jedoch irreführend, denn der Geschmack wird nicht verstärkt, sondern es werden speziell für den umami-Geschmack zuständige Rezeptoren angeregt. Letztlich wird der Geschmack also um eine Empfindung erweitert (image Die Grundgeschmacksrichtungen, Seite 8).

UMAMI-GEHALT IN VERSCHIEDENEN LEBENSMITTELN

Lebensmittel

Freie Glutaminsäure (mg/100 g)

Gebundene Glutaminsäure (mg/100 g)

Parmesankäse

1 200

9 800

Bohnen

200

5 600

Tomaten

140

2 400

Mais

130

1 800

Kartoffeln

100

270

Spinat

40

290

Hühnerfleisch

45

3 300

Karotten

35

200

Rindfleisch

35

2 800

Makrelen

35

2 400

Schweinefleisch

25

2 300

Eier

25

1 600

Zwiebeln

20

210

Lammfleisch

20

2 700

Lachs

20

2 200

Kabeljau

10

2 100

GLUTAMINSÄURE ist eine proteinogene Aminosäure, die auch im menschlichen Körper vorkommt: Durchschnittlich 2 kg proteingebundenes und etwa 10 g freies Glutamat nehmen in einem 70 kg schweren Menschen biochemische Aufgaben bei der Zellkommunikation wahr – auch im Gehirn. Glutaminsäure ist in praktisch jedem Protein zu unterschiedlichen Anteilen gebunden.

DAS FREISETZEN VON GLUTAMINSÄURE BEIM KOCHEN erzeugt den umami-Geschmack. Beim Kochen werden viele Proteine zerhackt, in der Fachsprache: hydrolysiert. Dabei bilden sich Proteinbruchstücke und freie Glutaminsäure. Das lange Kochen eines Gulaschs oder eines Fleischfonds dient also nicht nur dem Zartmachen des Fleisches. Je länger ein Fond gekocht wird, desto herzhafter wird sein Geschmack, erst recht beim Reduzieren und Konzentrieren der Sauce.

„SAUCENPULVER“ SELBST GEMACHT
Etwas Maltodextrin – daran werden die flüchtigen Aromen gut gebunden – unter einen dicklichen Fleischfond heben, etwas im Ofen auf 80 °C erhitzte Kartoffelstärke für erhöhte Rieselfähigkeit zugeben und den Brei bei 40–45 °C trocknen. Das entstandene Pulver nochmals kurz aufmixen und etwa über gekochte und in Butter geschwenkte Kartoffeln oder Kürbis geben. Das ergibt eine kleine geschmackliche Sensation – und ist ein einfaches, lehrreiches Küchengeschmacksexperiment.

IST GLUTAMAT GEFÄHRLICH?
Mit dem Begriff Glutamat und Glutaminsäure werden allerlei Geschichten und Horrormeldungen verbunden. Es gibt allerdings bis heute keine seriöse wissenschaftliche Studie, die einen direkten Zusammenhang zwischen dem Genuss von Glutamat und gesundheitlichen Beeinträchtigungen festgestellt hat. Es gibt Menschen, die empfindlich auf Glutamat reagieren können, und natürlich ist Glutamat ab einer gewissen Menge nicht gesundheitsförderlich – aber das trifft auf normales Kochsalz genauso wie auf jedes andere Gewürz zu. Übrigens: In wunderbar schmeckenden, selbst hergestellten, lange geschmorten und anschließend geklärten Fleischfonds ist nicht nur viel Glutaminsäure vorhanden – sondern auch kein Gramm Fleisch mehr (image Hydrolyse). Im Grunde genommen wäre diese Saucengrundlage einer ähnlichen Kritik zu unterziehen wie Saucenpulver.

SÄURE in Form von Wein oder Essig verstärkt den Spaltungsprozess der Proteinketten. Der Wein wird nicht wegen des ohnehin zum Großteil verdampfenden Alkohols zugegeben, sondern wegen der Säure – die über Umwege den Geschmack umami verstärkt.

FERMENTATION MIT ENZYMEN ODER BAKTERIEN kann ebenfalls eine Hydrolyse bewerkstelligen. Das prominenteste Beispiel sind die image Sojasaucen. Bei ihrer Herstellung wird viel Glutaminsäure freigesetzt, zugleich entsteht ein malziges, fruchtiges bis alkoholisches Aromenspiel. Die Fermentation von Weizen- und anderen Getreideproteinen – etwa in der Herstellung der image Maggi-Würze – funktioniert ähnlich.

UMAMISIEREN MIT GLUTAMAT: Zum Abschmecken mit „umami“ kann man reines Glutamat-Pulver verwenden. Das wasserlösliche Pulver, meist Natriumglutamat, streut man wie Salz über einen garenden Topf. Sein Vorteil ist der fast reine umami-Geschmack ohne „störende“ zusätzliche Aromen. Manchmal macht das den kleinen Unterschied aus, etwa wenn es um geschmorte Früchte im Dessert geht.

INOSINAT oder Inosinmonophosphat ist eine Würzflüssigkeit, die einen angenehm fleischigen, herzhaften Geschmack aufweist. Dieses Molekül war auch Bestandteil des „Fleischextrakts“ von Justus von Liebig, dem Chemiker, dem es 1847 gelang, Würzmittel mit fleischig-herzhaftem Grundgeschmack aus Lebensmitteln zu extrahieren.

GUANYLAT oder Guanosinmonophosphat ist chemisch eng mit Inosinat verwandt und hat eine ähnliche Wirkung. Beide haben eine etwa zehnmal höhere Wirkung als die Glutaminsäure, wenn sie zusammen mit dieser verwendet werden. Auch wenn die Namen schrecklich klingen: Diese beiden Moleküle sind ebenso verträglich und natürlich wie die freie Glutaminsäure.

UMAMISIEREN MIT LEBENSMITTELN: In unserer europäischen Kultur spielt das direkte Würzen mit Glutamatpulver keine Rolle. Man verwendet aber Zutaten, die auf natürliche Weise viel freie Glutaminsäure besitzen: image Parmesan über Pastagerichte gestreut, wirkt genauso wie gebratene und mitgekochte oder sogar geschwärzte imageZwiebeln, wie mitgeschmorte imageMorcheln und imageSteinpilze oder wie image getrocknete Tomaten beziehungsweise ein lang gekochtes Tomatencoulis. Eine selbst hergestellte Umami-Würzpaste aus getrockneten, mit Olivenöl pürierten Tomaten, gerösteten Nüssen und sehr reifem, hartem Ziegenkäse lässt sich in Saucen einrühren oder auf Rohkostteller tupfen, was gerade rohem Gemüse ganz neue Nuancen verleiht.

SELBST HERGESTELLTE UMAMI-WÜRZPASTE
Getrocknete Tomaten werden mit Olivenöl püriert. Geröstete Nüsse oder Pinienkerne sorgen für Röstaromen, dazu gibt man noch etwas sehr reifen und sehr harten Ziegenkäse. Sie kann in Saucen eingerührt oder auf Rohkostteller getupft werden, was gerade rohem Gemüse ganz neue Nuancen verleiht.

VERWENDUNG VON FETT

imageFetteSeite 304imageFlüchtigkeit und LöslichkeitSeite 14