Kodo Nishimura
Du darfst sein, wer du bist
Aus dem Englischen
von Judith Elze
Knaur eBooks
Kodo Nishimura, geboren 1989, ist japanischer buddhistischer Mönch und Make-Up Artist, der in den USA und in Japan aktiv ist. Des Weiteren engagiert er sich als LGBTQ+-Aktivist. Sein Vater war ebenfalls Mönch und Kodo wuchs dadurch im Tempel auf. Nach der High School ging er in die USA und studierte dort am Dean College. Während dieser Zeit entdeckte er seine Leidenschaft zu Mode und Make-Up und bildete sich darin weiter fort. Er schminkt internationale Models für Fashion-Shows und gibt Make-Up-Kurse für Transgender-Frauen. 2015 erhielt er die Mönchsweise und teilt seine Zeit seitdem gleichmäßig auf das Leben im Tempel und auf seine Karriere in der Fashionwelt auf.
Originally published in Japan as SEISEI DODO by Sunmark Publishing, Inc., Tokyo, Japan in 2020. German translation rights arranged by Sunmark Publishing, Inc., Tokyo, Japan and The English Agency (Japan) Ltd, in conjunction with DropCap Inc.
German translation from the English edition published by Watkins Media in 2022.
Deutsche Erstausgabe 2022
Knaur Balance
© 2020 by Kodo Nishimura
© 2022 Knaur Balance
© 2022 für die E-Book-Ausgabe Knaur eBooks
Ein Imprint der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
Redaktion: Jennifer Jäger
Covergestaltung: buxdesign|Lisa Höfner
Coverabbildung: Seth Miranda
Illustrationen: Kodo Nishimura
ISBN 978-3-426-46509-7
Für alle, die sich schon einmal schwergetan haben, im Innersten ehrlich mit sich zu sein.
Zu Deutschland habe ich eine besondere Verbindung, denn in ihren 30ern hatten meine Eltern zwei Jahre hier gelebt und wollten deshalb auch nach meiner Geburt ihnen vertraute Orte hier besuchen. Ich war etwa sechsmal in Deutschland und Österreich, und wir lieben die Menschen und die Atmosphäre sehr. Für die Familie Nishimura ist es eine große Ehre, ein Buch bei einem deutschen Verlag zu veröffentlichen.
Im Jahr 1980 erhielt mein Vater als Universitätsprofessor ein Stipendium von einer buddhistischen Schule (dem Reinen Land) für eine Forschungsarbeit zusammen mit einem Professor an der Göttinger Universität. Mein Vater freute sich sehr auf die Arbeit, denn deutsche Unis besitzen eine Menge buddhistische Bücher und Manuskripte aus dem alten Indien. Er war damals bereits mit meiner Mutter verheiratet, also machten sie sich gemeinsam auf den Weg nach Deutschland. Zunächst lebten sie in der Nähe von Mannheim, um Deutsch zu lernen. Später zogen sie dann nach Göttingen um.
In der Sprachenschule trafen sie auf Menschen aus aller Welt. Meine Mutter spricht immer noch gern von einer wunderschönen Mitschülerin aus der Türkei, die an keinem Tag dasselbe anhatte. Tagtäglich habe sie die Kleidung in einem neuen Style getragen, ohne dass es extravagant oder teuer ausgesehen hätte. Ganz zwanglos, aber immer wieder neu. Meine Mutter machte das sehr neugierig, sie stellte sich vor, dass die Türkin aus einer wohlhabenden Familie sei. Ich höre gerne zu, wenn meine Eltern von ihren einzigartigen Mitschüler*innen aus der ganzen Welt erzählen. Auch ich liebe es, mich schick zu machen und ganz unterschiedlich aufzutreten. Ich halte es für unrealistisch und nicht nachhaltig, zahllose Kleidungsstücke zu besitzen, und finde es dagegen sehr motivierend, mich mit ein und denselben Kleidern unterschiedlich zu stylen. Was meine Eltern beschrieben, war die Welt, widergespiegelt in einem kleinen Klassenzimmer. In den 1980ern gab es, glaube ich, noch nicht viele Ausländer in Japan, und ich bin froh, dass sie die Chance hatten, andere Kulturen kennenzulernen und ihren Horizont zu erweitern, denn die Weltoffenheit würden sie später für ihr Kind noch brauchen! So konnte ich selbst Unvoreingenommenheit lernen und das Gefühl erlangen, in der Debatte über die Diversität der Menschen und Kulturen etwas beizusteuern zu haben.
Später zogen sie nach Göttingen, wo mein Vater einem Professor assistierte, indem er chinesische Sutras ins Deutsche übersetzte. Meine Mutter ist Pianistin, sie studierte Klavier bei einem Professor in einem nahe gelegenen Ort. In Göttingen lebten meine Eltern im Haus des verstorbenen Nobelpreisträgers Adolf Windaus, der herausfand, dass Vitamin D Kinder vor Rachitis bewahren kann. Sein Sohn und dessen Frau waren die Vermieter meiner Eltern, sie zeigten ihnen die Goldmedaille für den Nobelpreis. Es gab eine geistreiche Haushälterin namens Margot und riesige Porträts der Vorfahren im Eingangsbereich. Meine Eltern erzählen noch immer von den Windaus und wie sehr sie sie schätzen.
Im Alter von vier Jahren nahmen sie mich einmal mit dorthin. Ich lernte Frau Windaus kennen, die damals noch lebte. Sie war sehr groß und schlank und unglaublich anmutig mit ihren grauen Haaren und trug einen bei aller Einfachheit eleganten Rock. Sie nahm mich auf wie einen eigenen Enkel. Das Haus war eine prachtvolle Villa mit einem großen Eingangsbereich. Es gab einen wunderschönen Rosengarten hinter dem Gebäude und einen Flügel im Salon. Ich verstand zwar nicht, was geredet wurde, aber mir schien, dass sie, während meine Eltern dort lebten, einen herzlichen Umgang miteinander gepflegt hatten.
Ich glaube wirklich, dass meine Eltern von Deutschland inspiriert wurden. Mein Vater sagt, dass er dank seiner Studien in Deutschland in der Lage war, seinen Horizont zu erweitern und den Buddhismus tiefergehend zu erforschen. Deshalb haben mich meine Eltern unterstützt, als ich im Ausland studieren wollte. Noch heute sagen sie gerne Tschüss, bevor sie schlafen gehen.
Im Allgemeinen sind meine Erinnerungen vage, nur im Zusammenhang mit Spielzeug, das mir meine Eltern besorgten, werden sie ganz konkret. Von einigem möchte ich gern erzählen. Auf den Reisen wusste ich, ehrlich gesagt, nie so genau, ob ich gerade in Deutschland oder Österreich war. Das ist eine Schande, ich weiß, aber die Städtenamen klangen für mich alle gleich. Salzburg ist für mich ein denkwürdiger Ort in Österreich. Einer der ersten ausländischen Spielfilme, die ich als Junge sah, war Meine Lieder – meine Träume. Meine Mutter ist ein großer Fan von Julie Andrews, sodass wir dort die Drehorte besuchten: den Park und das Haus der Familie Trapp. Im Film gibt es eine Szene, in der die Kinder ein Marionettenmusical aufführen. In Salzburg wollte ich unbedingt ein solches Marionettentheater sehen. Meine Mutter hatte herausgefunden, dass es die Zauberflöte gab, und uns Karten besorgt. Hinterher kamen wir auf dem Weg zum Hotel an einem Straßenhändler vorbei, der eine Vogelmarionette mit einem grünen kegelförmigen Hut zum Verkauf anbot. Die Marionette war so süß, dass meine Eltern sie für mich erstanden. Sie war zwar nicht so schön zu bewegen wie die Marionetten im Film, aber solche faszinierenden Dinge öffneten mir das Herz und machten mich neugierig auf fremde Kulturen. Spielzeug kann ein großartiges Mittel sein, um Kindern eine andere Kultur nahezubringen.
Als ich sieben war, kam ich wieder nach Salzburg. Unser Hotel war in der Nähe von Klexx gelegen, einem Spielzeugladen mit einem Riesenschaufenster. Dort gab es Barbies als Meerjungfrauen, genannt »Glitzerhaar-Meerjungfrau«. Ich war hin und weg. Es gab drei Arten von Meerjungfrauen, eine blonde mit goldenem Schwanz, eine schwarzhaarige mit pinkfarbenem Schwanz und eine mit rotbraunem Haar und blauem Schwanz. Alle hatten eine kleine Krone auf dem Kopf und umwerfende sternförmige Accessoires für die Haare. Diese Haaraccessoires hätte man sich auch in die eigenen Haare stecken können! Ihre Haare waren lang, die Gesichter wunderschön, die Körper sinnlich. Ich hatte das Gefühl, noch zu klein für sie zu sein, und bewunderte sie nur durchs Schaufenster.
Ich wusste nicht, wie teuer sie waren, aber sie sahen unglaublich luxuriös und unerreichbar aus. Es war, als würde ihre Schönheit mich herausfordern: »Bist du groß genug, mich zu besitzen?« Jeden Tag bettelte ich meine Eltern an, wenn wir an dem Geschäft vorbeikamen. Meine Mutter erinnert sich, dass sie es eigentlich nicht gesund fand, einem Kind in allem nachzugeben, und mehrere Tage hart blieb. Doch irgendwie geschah ein Wunder, und ich durfte mir eine von ihnen aussuchen: die Meerjungfrau mit dem rotbraunen Haar und dem blauen Schwanz. Als ich die Schachtel öffnete, war ich unglaublich aufgeregt. Es schien mir komplett surreal, dass diese Puppe plötzlich mir gehören sollte – fast so, als hätte ich ein Date mit einer erwachsenen Frau!
Wieder in Japan zurück, stellte ich fest, dass die Meerjungfrau größer und kurviger war als zum Beispiel Sailor Moon oder meine anderen Puppen. Das neue Supermodel wurde Teil meiner japanischen Puppenklasse. Sehr unpassend, aber ich bin sicher, dass sich die Meerjungfrau an ihre neue Umgebung gewöhnt hat. Meiner Mutter bin ich sehr dankbar, dass sie mir diese Puppe kaufte, obwohl ich ein Junge war. Sie erinnert sich, dass sie mit anderen Müttern aus dem Kindergarten über meine Spielzeugvorlieben sprach. Die Mutter eines anderen Kindes sagte ihr damals anscheinend, sie habe kein Problem damit, ihrer Tochter Spielzeug für Jungen zu kaufen. Ich bin froh, dass es da so vorurteilsfreie Mütter gab. Eltern sollten ihre Kinder so feiern, wie sie sind, denn ich war wirklich glücklich und konnte meine Freude auch mit anderen teilen. Nur weil ich Puppen mag, heißt das noch lange nicht, dass ich verquer wäre. Wenn du das Gefühl hast, dass du in deinen Werten fremdbestimmt bist, würde ich dir gern beistehen, zu deinen eigenen zu finden. Denn noch einmal: Es ist nichts verkehrt daran, zu mögen, was du magst! Heute kann ich anderen helfen, indem ich Menschen noch schöner mache, als sie sowieso schon sind.
Meinst du, ich hätte mich nur für Mädchenspielzeug interessiert? Tatsächlich mochte ich auch Roboter und Spielzeugautos. 1997 gab es eine CGI-Serie im Fernsehen mit dem Titel Transformers: Beast Wars (die deutschsprachige Erstausstrahlung fand 1998 auf RTL 2 statt). Es war eine Kriegsstory, in der Tiere in Kampfroboter verwandelt werden.
Als ich zehn war, nahm meine Mutter mich mit nach Berlin. Damit ich mich im fremden Land nicht langweilte, schlug ich ihr vor, mir vorab ein Spielzeug zu besorgen. Sie war einverstanden und kaufte mir einen Tintenfisch-Transformer. Wie erwartet, langweilte ich mich häufig im Zug oder im Hotel und wechselte beim Spielen ständig zwischen Tintenfisch und Roboter. Ich glaube, ich wetteiferte sogar mit mir selbst, wie schnell ich diesen Wechsel hinbekam. Aber langsam wurde es mir langweilig, und ich fühlte mich ein bisschen einsam auf dieser Reise, weil ich kein Deutsch konnte.
In Berlin besuchten wir eine alte japanische Freundin meiner Mutter aus ihrer Zeit an der Musikhochschule in Japan. Die Freundin war mit einem Deutschen verheiratet. Sie hatten zwei Söhne, von denen einer in meinem Alter war. Ich hatte etwas Angst, ob wir uns verstehen würden, weil ich mich oft unwohl mit anderen Jungen fühlte. Aber – welche Überraschung! – auch er hatte einen Roboter der Transformer!
Es war ein sehr gesprächiger und neugieriger Junge, der auch ein bisschen Japanisch konnte, und ich gab mir Mühe, mich einfach auszudrücken, damit wir uns unterhalten konnten. Wir vertrugen uns gut, und ich war glücklich, dass ich in Deutschland einen Freund gefunden hatte. Sein älterer Bruder, ein großer, stiller Typ mit Vollbart, gab mir das Gefühl, noch ganz klein zu sein. Er stand auf ein Videospiel mit dem Titel Age of Empires und zeigte mir, wie es funktionierte. Es ging darum, eine eigene Zivilisation aufzubauen und gegen andere Spieler zu kämpfen. Zurück in Japan, bat ich meine Eltern, mir dieses Spiel zu schenken. Ich war direkt süchtig danach, und verdarb mir in jenen Sommerferien die Augen. Es machte mir Spaß, so eine Zivilisation aufzubauen und ihre Armee zu stärken. Wegen solcher Spiele und Interessen wusste ich nicht, ob ich Junge oder Mädchen war. Denn ich fand Roboter und Kriegsspiele aufregend, obwohl eigentlich nur Jungs damit gern spielten, aber auch Prinzessinnen gefielen mir sehr.
Bevor ich Deutschland verließ, fragte uns der Junge, ob ich ihm in Japan einen Libellen-Transformer kaufen könnte, weil es sie nur dort gibt. Das taten wir gern und schickten ihm das Spielzeug. Ich war so stolz, dass ich einen Freund hatte, der in Deutschland lebte. Wie kostbar, wenn man Verbindung zu jemandem hat, der so weit weg lebt, eine andere Sprache spricht, ganz anders aussieht, und mit dem man trotzdem eine gemeinsame Sprache spricht und gemeinsame Interessen hat.
Als ich zehn oder elf Jahre alt war, stellten sich meine Eltern als Gastfamilie für Austauschstudent*innen aus Deutschland zur Verfügung, um ihr Deutsch zu praktizieren. Ich war sehr aufgeregt, dass so jemand den ganzen Sommer über bei uns wohnen würde. Insgesamt kamen zwei, und beide Erfahrungen waren für mich prägend.
Im ersten Jahr nahmen wir Andrea auf. Sie war vermutlich 19 zu der Zeit, eine charmante junge Frau mit einem braunen Pferdeschwanz. Ich glaube, sie stand damals auf die japanischen Animes. Anfangs war ich sehr aufgeregt, aber dann spielten wir sogar mit sogenannten Haribo-Gummibärchen. Ich biss sie in der Mitte durch und setzte sie anders und bunt wieder zusammen. (Ich bin sicher, dass ich nicht der Erste bin, der auf diese Idee gekommen ist.) Andrea brachte mir auf mein Verlangen ein paar schmutzige deutsche Wörter wie Furz, Popel oder Rülpser bei. Später lud ich sie ein, mit mir Street Fighter zu spielen. Bei dem Spiel wählst du dir einen Charakter aus und lässt ihn gegen andere Spieler kämpfen. Damit verbrachten wir einiges an Zeit, und ich glaube, wir gingen auch zusammen ins Disney Resort. Ich fühlte mich immer wohler mit ihr und dachte, wir könnten richtig gute Freunde werden.
Doch als sie am nächsten Morgen die Treppe herunter ins Wohnzimmer kam, war ich schockiert. Sie trug keinen BH unter ihrem T-Shirt, und plötzlich wurde mir klar, dass sie anders war. Das hatte ich noch nie erlebt, und ich fühlte mich total unwohl und fremd, denn Japanerinnen tun so etwas nicht. Aber sie benahm sich völlig normal. Heute weiß ich, dass daran nichts verkehrt war, dass es nur kulturell verschieden ist, wie viel wir von unserem Körper zeigen. Diese Unterschiede in den Kulturen und Werten begegneten mir also tatsächlich von früh an.
Im zweiten Jahr nahmen wir Johannes auf. Als ich hörte, dass wir einen Deutschen erwarteten, stellte ich mir jemanden vor, der europäisch aussah. Doch er hatte dunkle Haut und sehr langes, hinten zusammengeflochtenes Haar. Noch nie hatte ich jemanden mit gemischtem ethnischen Hintergrund gesehen, geschweige denn einen biologischen Mann mit so langen Haaren. Das brachte mich sehr durcheinander. Ich ließ ihn nicht an mich heran, weil ich eifersüchtig war, dass er die Haare so lang tragen durfte, wo doch in meiner Schule die Jungen kurzes Haar zu tragen hatten. Es lag wirklich an meinem Vorurteil und an meiner Angst vor dieser Fremdheit. Ich war verunsichert, weil er so anders war als alles, was ich bisher gekannt hatte. Aus Ignoranz entwickeln Menschen Vorurteile, akzeptieren Anderssein nicht oder diskriminieren andere sogar.
Er mochte ebenfalls Animes und hielt sich gern in Comicläden auf. Eines Tages fragte er, ob ich ihm Card Captor Sakura, eins meiner Lieblingsmangas über ein magisches Mädchen, leihen würde. Ich war sehr zögerlich. Mich störte, dass sich jemand, der mir so fremd war, für etwas interessierte, das mir auch gefiel. Zugleich schämte ich mich, einen Comic zu besitzen, der eigentlich für Mädchen gemacht war. In mir tobten die blanke Eifersucht und mein innerer Zwiespalt, nicht sagen zu können, was mir gefällt, während er einfach sein durfte, wie er war, mit seiner einzigartigen Frisur und seinen Vorlieben unabhängig von Alter und Geschlecht. Wenn ich zurückdenke, war absolut nichts verkehrt daran, einen gemischten ethnischen Hintergrund zu haben, langes Haar zu tragen und Animes zu mögen. Vielleicht zeigte sich bei mir auch der gesellschaftliche Druck. Noch heute tut es mir leid, dass ich ihm meine Comics nicht geliehen habe. Sorry!
Später kam er noch einmal mit seiner Freundin Sarah aus Deutschland zu Besuch. Sie trug ebenso langes Haar wie Johannes. Es war wunderschön zu sehen, wie die beiden Styles zusammenpassten. Neu für mich war, dass sie vegetarisch lebte. Als Junge war ich noch nie jemandem begegnet, der sich so ernährte. Ich war neugierig, warum und wie das funktionierte, denn in Japan gab es kaum Vegetarier. Trotz meiner kühlen Haltung ihnen gegenüber waren sie unglaublich anständig und freundlich. Selbst wenn ich zunächst distanziert war, weiß ich, wenn jemand Charakter und eine große Persönlichkeit hat.
Noch heute schicken sie uns Weihnachtsgrüße. Und ich habe eine E-Mail erhalten, in der sie mir mitteilen, wie sehr sie sich über mein Buch freuen. Ich bin sehr dankbar, dass ich die Chance hatte, Menschen zu begegnen, die meinen Standard von dem, »was normal ist«, verändert haben. Auch wenn es sich nur um kurze Episoden handelte, konnte ich viel über menschliche Reaktionen auf Kultur und Menschen anderer Länder lernen. Hätte ich diese Erfahrungen nicht gemacht, könnte ich mit Sicherheit nicht über die japanischen Werte hinausdenken. Diese Erlebnisse haben mir auf alle Fälle geholfen, mich von früh an zu befreien.
Danke nochmals dafür, dass ihr mein Buch auf Deutsch lest. Es ist mir eine große Freude. Ich hoffe, ich kann euch in die bunten Welten mitnehmen, die ich in meinem Leben bereist habe. Atmet die Luft der japanischen Tempel, hört den Krach der Pride Parade in New York ebenso wie den stillen Raum in unserem Gewahrsein. Wer weiß, vielleicht könnt ihr nach diesen Reisen eure Familie und eure Freund*innen befreien? Tschüss!