Die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist für den Arbeitgeber oft mit nicht unerheblichen finanziellen Risiken verbunden. Es gibt zwar keinen gesetzlichen Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung einer Abfindung, dennoch werden im Rahmen von außergerichtlichen Einigungen oder Kündigungsschutzprozessen nicht selten Zahlungen vereinbart.
Solche Abfindungszahlungen sind meistens Folgen von Fehlern bei der Kündigungserklärung, die dazu führen, dass das Arbeitsverhältnis rechtlich nicht beendet wurde.
Der Arbeitgeber hat eine Vielzahl von Problemkreisen zu beachten, wenn er zum Mittel der arbeitsrechtlichen Kündigung greift: Wer darf kündigen? Welche Form und welche Fristen sind zu wahren? Bedarf es eines Kündigungsgrundes und welche Gründe können die Kündigung rechtfertigen? Was ist zu beachten, wenn man einer Schwangeren, einem Betriebsrat, einem Schwerbehinderten kündigen will? Werden diese Fragen nicht bereits bei der Vorbereitung der Kündigung richtig beantwortet, können die Fehler auch in einem späteren Arbeitsgerichtsprozess nicht mehr behoben werden.
Dann kann sich das Verzugsrisiko des Arbeitgebers realisieren: Entscheidet das Arbeitsgericht erst nach dem Zeitpunkt, zu dem die Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet hat, dass die Kündigung unwirksam war, ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer das Gehalt für die Zeit zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Urteil des Gerichts nachzuzahlen, obwohl der 8Arbeitnehmer nicht gearbeitet hat. Das Arbeitsverhältnis ist dann aber trotzdem noch nicht beendet.
Um dieses Risiko einer fehlerhaften Kündigung zu kontrollieren und das Arbeitsverhältnis dennoch zu beenden, einigen sich die Vertragsparteien nicht selten auf eine finanzielle Lösung. Dabei fällt die Zahlung regelmäßig höher aus, wenn die Kündigung offensichtlich fehlerhaft war.
Dieser Leitfaden soll helfen, unnötige Fehler zu vermeiden und die Kündigung schnell und formell rechtssicher so vorzubereiten, dass Abfindungszahlungen verhindert oder zumindest verringert werden können.
Die Wirksamkeit arbeitsrechtlicher Kündigungen hängt jedoch von vielen individuellen Voraussetzungen ab. Dieses Buch kann dabei nicht allen Einzelfällen gerecht werden. Deshalb sollte der Benutzer für verbindliche Auskünfte und bei komplexen und schwierigen Sachverhalten zusätzlich anwaltlichen Rat einholen.
Der Leitfaden ist so aufgebaut, dass der Benutzer nur die für seinen jeweiligen Betrieb notwendigen Ausführungen lesen muss. Folgt der Leser den hervorgehobenen Hinweisen, erhält er die für seinen konkreten Fall erforderlichen Informationen und ist so schnell in der Lage, eine formell rechtssichere Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu formulieren.
Kassel, im Januar 2014 |
Bernhard Striegel |
Abs. |
Absatz |
AG |
Aktiengesellschaft |
AGB |
Allgemeine Geschäftsbedingungen |
AGG |
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz |
ArbG |
Arbeitsgericht |
ArbGG |
Arbeitsgerichtsgesetz |
Art. |
Artikel |
AufenthG |
Aufenthaltsgesetz |
Azubi |
Auszubildender |
BAG |
Bundesarbeitsgericht |
BBiG |
Berufsbildungsgesetz |
BDSG |
Bundesdatenschutzgesetz |
BEEG |
Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz |
BEM |
Betriebliches Eingliederungsmanagement |
BetrVG |
Betriebsverfassungsgesetz |
BGB |
Bürgerliches Gesetzbuch |
BGH |
Bundesgerichtshof |
BGleiG |
Bundesgleichstellungsgesetz |
BImSchG |
Bundesimmissionsschutzgesetz |
BPersVG |
Bundespersonalvertretungsgesetz |
BUrlG |
Bundesurlaubsgesetz |
bzw. |
beziehungsweise |
dh |
das heißt |
e. K. |
eingetragener Kaufmann |
etc |
et cetera |
16e. V. |
eingetragener Verein |
ff. |
fortfolgende |
GbR |
Gesellschaft bürgerlichen Rechts |
GdB |
Grad der Behinderung |
gem. |
gemäß |
GewO |
Gewerbeordnung |
ggf. |
gegebenenfalls |
GmbH |
Gesellschaft mit beschränkter Haftung |
GmbH & Co.KG |
Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Compagnie Kommanditgesellschaft |
iVm |
in Verbindung mit |
KG |
Kommanditgesellschaft |
KSchG |
Kündigungsschutzgesetz |
LAG |
Landesarbeitsgericht |
MuSchG |
Mutterschutzgesetz |
OHG |
Offene Handelgesellschaft |
PflegeZG |
Pflegezeitgesetz |
S. |
Seite |
SGB |
Sozialgesetzbuch |
TzBfG |
Teilzeit- und Befristungsgesetz |
ua |
unter anderem |
uU |
unter Umständen |
vgl. |
vergleiche |
zB |
zum Beispiel |
z. Hd. |
zu Händen |
Ziff. |
Ziffer |
Einvernehmlich kann ein Arbeitsvertrag zwischen den Parteien immer beendet werden. Für eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses müssen die Vertragsparteien einen schriftlichen Aufhebungsvertrag (auch Auflösungsvertrag genannt) schließen.
Hinweis:
Wenn Sie mit Ihrem Arbeitnehmer eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbaren wollen, können Sie mit ihm einen so genannten Aufhebungsvertrag schließen. Voraussetzung hierfür ist jedoch das Einverständnis des Arbeitnehmers mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Lesen Sie dazu weiter auf Seite 257.
Wie ein Arbeitsverhältnis einseitig beendet werden kann, hängt weiter davon ab, ob es sich um ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis handelt.
Nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) gibt es zwei unterschiedliche Möglichkeiten, ein Arbeitsverhältnis zu befristen:
18Im Rahmen der Zweckbefristung endet das Arbeitsverhältnis durch das Erreichen des vereinbarten Zwecks (§ 15 Abs. 2 TzBfG), frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Zweckerreichung.
Beispiel:
Die Sekretärin nimmt nach der Geburt ihres Kindes zwei Jahre Elternzeit (§ 15 BEEG). Für die Zeit bis zu ihrer Rückkehr muss der Arbeitgeber eine Ersatzkraft einstellen. Die Anstellung erfolgt zweckbefristet zur Vertretung der Sekretärin in Elternzeit (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG). Unabhängig davon, ob die Elternzeit noch um ein weiteres Jahr verlängert wird, endet das befristete Arbeitsverhältnis der Ersatzkraft, wenn der vereinbarte Zweck der Befristung erreicht wird, also die Sekretärin zurückkehrt. Der Arbeitgeber muss die Ersatzkraft hierüber nur zwei Wochen vor der Rückkehr schriftlich informieren.
Achtung!
Mögliche sachliche Gründe für eine Zweckbefristung sind im Gesetz aufgezählt (§ 14 Abs. 1 Nr. 1–8 TzBfG). Neben diesen gesetzlich genannten Gründen bleiben nur wenige Sachverhalte übrig, die als Sachgrund die Befristung rechtfertigen können. Sollte der Arbeitgeber neben den ausdrücklich im Gesetz genannten Gründen eine andere Begründung wählen, wird unbedingt geraten, zuvor Rechtsrat einzuholen.
Ein kalendermäßig befristeter Arbeitsvertrag endet mit Ablauf der vereinbaren Zeit (§ 15 Abs. 1 TzBfG).
Beispiel:
Für den Zeitraum einer Kunstausstellung sucht der Veranstalter Aufsichtskräfte. Weil bereits zuvor feststeht, wann die Ausstellung eröffnen wird und dass sie nach drei Monaten wieder schließen soll, können die Aufsichtskräfte kalendermäßig befristet vom ersten bis zum letzten Tag der Ausstellung angestellt werden (§ 14 Abs. 2 TzBfG). Mit Ablauf des letzten Tages endet dann auch das Arbeitsverhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf.
19Achtung!
Eine Zeitbefristung ist höchstens für die Dauer von zwei Jahren zulässig und kann binnen dieses Zeitraumes von zwei Jahren höchstens dreimal verlängert werden (§ 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG). Durch Tarifvertrag können die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend festgelegt werden (§ 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG). In den ersten vier Jahren nach der Gründung eines Unternehmens ist die sachgrundlose Befristung bis zur Dauer von vier Jahren zulässig (§ 14 Abs. 2a Satz 1 TzBfG).
Nicht zulässig ist die Zeitbefristung, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat (§ 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG).
Daneben ist immer die außerordentliche Kündigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses möglich, sofern ein entsprechender wichtiger Grund vorliegt. Die außerordentliche Kündigung kann nicht ausgeschlossen werden, auch nicht im Arbeitsvertrag.
Für die ordentliche Kündigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses gilt eine Sonderregelung (§ 15 Abs. 3 TzBfG). Danach ist die ordentliche Kündigung nur dann möglich, wenn dies im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag ausdrücklich vereinbart ist. Gibt es keine diesbezügliche Regelung in den Verträgen, kann das Arbeitsverhältnis nur noch unter den Voraussetzungen der außerordentlichen Kündigung vorzeitig beendet werden.
Achtung!
Wenn im befristeten Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung vereinbart ist, kann das Arbeitsverhältnis ausschließlich außerordentlich mit wichtigem Grund gekündigt werden.
Lesen Sie zur außerordentlichen Kündigung weiter ab Seite 45.
Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis kann durch einen einvernehmlichen Aufhebungsvertrag oder durch eine Kündigung enden. Die überwiegende Mehrzahl der Arbeitsverhältnisse wird durch Kündigung beendet.
20Unter einer Kündigung versteht man eine einseitige Willenserklärung, die das Arbeitsverhältnis sofort oder nach Ablauf einer Kündigungsfrist beenden soll. Es muss sichergestellt sein, dass der Gekündigte die Kündigung auch erhalten hat. Einer Mitwirkung durch den Gekündigten bedarf es aber nicht. Auch das Wort „Kündigung“ muss nicht zwingend benutzt werden. Eine Willenserklärung kann aber immer nur dann eine Kündigung darstellen, wenn sich aus ihr klar und deutlich der Wille ergibt, das Arbeitsverhältnis zu lösen (BAG Urteil vom 20.9.2006 - 6 AZR 82/06).
Achtung!
Es ist für die Kündigung völlig unerheblich, ob der Arbeitnehmer die Kündigung „annimmt“ oder unterzeichnet. Die Kündigung „wirkt“ mit ihrem Zugang. Der Arbeitgeber muss aber immer gewährleisten und auch beweisen können, dass der Arbeitnehmer die Kündigung erhalten hat.
Lesen Sie zum Zugang einer Kündigung weiter auf Seite 247.
Die Kündigung kann grundsätzlich zu jeder Zeit und an jedem Ort erklärt werden. Sie kann sowohl an gesetzlichen Feiertagen, Sonntagen und am Heiligen Abend (BAG Urteil vom 14.11.1984 - 7 AZR 174/83) als auch zB im zeitlichen Zusammenhang mit dem Tod eines nahen Angehörigen oder des Lebensgefährten zugehen, ohne dass sie „ungehörig“ und damit rechtsunwirksam wäre (BAG Urteil vom 5.4.2001 - 2 AZR 185/00).
Achtung!
Entgegen einer weitverbreiteten Ansicht kann ein Arbeitsverhältnis auch während der Erkrankung des Arbeitnehmers gekündigt werden.
Der Arbeitgeber muss sich vor dem Ausspruch der Kündigung darüber im Klaren sein, welches Ziel er verfolgt. Mit der Kündigung können grundsätzlich zwei unterschiedliche Ziele verfolgt werden:
Beispiel:
Der Bäckermeister will seinen Gesellen gerne weiter beschäftigen, jedoch nicht wie bisher in der Backstube, sondern in der Filiale im Nachbarort oder im Verkauf zu anderen Arbeitszeiten. Was kann er tun?
Grundsätzlich kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nach billigenswertem Ermessen (§ 315 BGB) frei bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht bereits durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzlicher Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens des Arbeitnehmers im Betrieb (§ 106 Satz 1 und 2 GewO).
Wenn die Grenzen des Weisungsrechts überschritten werden sollen und eine einvernehmliche Änderung der Arbeitsbedingungen nicht möglich ist, kann der Arbeitgeber eine so genannte Änderungskündigung (§ 2 KSchG) aussprechen.
Achtung!
Vor dem Ausspruch einer Änderungskündigung ist immer erst zu prüfen, ob der Arbeitgeber die Änderung der Arbeitsbedingungen auch im Rahmen seines arbeitgeberseitigen Direktionsrechtes durch einseitige Erklärung herbeiführen kann. Kann der Arbeitgeber bereits im Rahmen der bestehenden arbeitsvertraglichen Regeln die gewünschten Veränderungen verlangen, ist eine Kündigung nicht nur überflüssig, sondern auch unwirksam.
Spricht der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aus, um den Arbeitnehmer auf einen anderen Arbeitsplatz zu versetzen, obwohl er die Änderung der Arbeitsbedingungen auch durch Ausübung seines Direktionsrechts herbeiführen könnte, ist die Änderungskündigung unwirksam. Dabei kommt es nicht darauf an, ob er sein Direktionsrecht tatsächlich schon wirksam ausgeübt hat. Es kommt nur darauf an, dass er es wahrnehmen könnte. Denn wenn am bestehenden Vertragsinhalt materiell nichts geändert werden soll, 22liegt in Wirklichkeit kein Änderungsangebot vor; die vermeintlich erst herbeizuführenden Vertragsbedingungen gelten dann nämlich bereits (BAG Urteil vom 26.1.2012 - 2 AZR 102/11).
Tipp:
Aufgrund der arbeitsvertraglichen Grundlagen ist es nicht immer eindeutig, ob die Änderung der Arbeitsbedingungen durch Direktionsrecht oder Änderungskündigung herbeigeführt werden kann. Dieses Problem kann man lösen, indem man in der Änderungskündigung gleichzeitig das Direktionsrecht ausübt: Hierzu kann folgende Formulierung verwandt werden: „Gleichzeitig weisen wir Sie hilfsweise kraft unseres arbeitgeberseitigen Direktionsrechts an, die geänderte Tätigkeit ab dem vorgenannten Datum aufzunehmen!“
Eine Änderungskündigung besteht immer aus zwei zusammengesetzten Willenserklärungen (BAG Urteil vom 16.9.2004 - 2 AZR 628/03):
Achtung!
Aus der Änderungskündigung muss deutlich der Wille des Arbeitgebers ersichtlich sein, das bestehende Arbeitsverhältnis zu beenden. Das Angebot einer bloßen Vertragsänderung reicht für eine Änderungskündigung nicht aus.
Die Änderungskündigung muss im Rahmen des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) sozial gerechtfertigt sein, dh es müssen die Voraussetzungen einer personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Kündigung vorliegen.
Hinweis:
Zur Prüfung, ob das KSchG auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, lesen Sie bitte weiter ab Seite 83.
Die ordentliche (fristgerechte) Änderungskündigung ist nur dann gerechtfertigt, wenn
Stehen mehrere Möglichkeiten der Änderung von Arbeitsbedingungen zur Verfügung, muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer diejenige anbieten, die ihm zumutbar ist und ihn am wenigsten belastet Er muss das jeweils mildeste Mittel wählen (BAG Beschluss vom 17.3.2005 - 2 ABR 2/04).
Achtung!
Beliebt, aber immer wieder problematisch ist die Änderungskündigung zur Absenkung des Gehalts des Arbeitnehmers. Dies kann nur in äußersten Ausnahmefällen gerechtfertigt sein, zumindest soweit das KSchG auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet und ein Kündigungsgrund erforderlich ist (vgl. Seiten 83, 92).
Nur in wenigen Ausnahmefällen kommt die außerordentliche (fristlose) Änderungskündigung in Betracht, nämlich wenn zB die ordentliche (fristgerechte) Kündigung ausgeschlossen ist. Voraussetzung ist dann aber immer, dass die sofortige Änderung der Arbeitsbedingungen zwingend notwendig ist. Dem Arbeitgeber muss die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit den bisherigen Arbeitsbedingungen unzumutbar und gleichzeitig dem Arbeitnehmer die geänderten Arbeitsbedingungen zumutbar sein (BAG Beschluss vom 21.6.1995 - 2 ABR 28/94).
Achtung!
Bei einer Änderungskündigung handelt es sich um eine echte Kündigung, die deshalb den für die Beendigungskündigung geltenden allgemeinen Grundsätzen unterliegt. Auch im Rahmen der Änderungskündigung sind daher alle weiteren in diesem Ratgeber aufgeführten formalen Voraussetzungen zu beachten.
Das Änderungsangebot des Arbeitgebers muss so konkret sein, dass der Arbeitnehmer das Änderungsangebot mit „Ja“ oder „Nein“ annehmen oder ablehnen kann. Dem gekündigten Arbeitnehmer muss ersichtlich sein, welche Arbeitsbedingungen zukünftig gelten sollen und welchen Inhalt das Arbeitsverhältnis künftig haben soll. Fehlt diese Klarheit und Verständlichkeit des Angebots, ist die Änderungskündigung 24unwirksam (BAG Urteil vom 16.9.2004 - 2 AZR 628/03).
Achtung!
In der Änderungskündigung müssen neben dem Beendigungstatbestand auch die angebotenen neuen Arbeitsbedingungen konkret beschrieben werden.
Nach dem Ausspruch der Änderungskündigung hat der Arbeitnehmer drei Möglichkeiten, auf die Kündigung zu reagieren:
Tipp:
Wenn auf das Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet und der Arbeitnehmer auch keinen Sonderkündigungsschutz für sich in Anspruch nehmen kann, können Arbeitsbedingungen immer ohne Risiko durch eine Änderungskündigung geändert werden. Der Arbeitnehmer hat dann nämlich nur die Möglichkeit, die geänderten Bedingungen anzunehmen oder aber das Arbeitsverhältnis endet. Eine gerichtliche Überprüfung der Kündigung kann dann nur in Ausnahmefällen zulasten des Arbeitgebers ausgehen.
Zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes lesen Sie bitte weiter ab Seite 83.
Zum Sonderkündigungsschutz lesen Sie bitte weiter ab Seite 153.
25Die Möglichkeit einer Änderungskündigung sollte vom Arbeitgeber schon deshalb immer in Erwägung gezogen werden, weil dadurch das angestrebte Ziel vielleicht schon erreicht werden kann.
Tipp:
Aus taktischen Gründen kann es sinnvoll sein, statt einer Beendigungskündigung eine Änderungskündigung auszusprechen. Diese setzt nämlich den Arbeitnehmer unter Druck, zu reagieren. Er muss sich entscheiden, ob er seinen Arbeitgeber verklagen will. Wenn er gleichzeitig das Arbeitsverhältnis fortsetzen möchte, wird ihm diese Entscheidung nicht leicht fallen. Klagt er dennoch, spricht einiges dafür, dass er das Arbeitsverhältnis nicht wirklich aufrechterhalten will oder kann. Der Arbeitgeber kann diese Prozesse ohne große finanzielle Risiken führen und nicht selten enden diese Verfahren ebenfalls mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Beispiel:
Nach einer Vielzahl von Kundenbeschwerden, auf deren Grundlage bereits Abmahnungen erfolgten, will der Metzger seinen Gesellen auf keinen Fall weiter beschäftigen. Nach einem erneuten Vorfall will er das Arbeitsverhältnis so schnell wie möglich beenden. Einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung hat er jedoch nicht. Er wählt deshalb die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses unter Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist.
Eine Beendigungskündigung beendet das Arbeitsverhältnis grundsätzlich entweder fristgerecht mit der ordentlichen Kündigungsfrist oder außerordentlich fristlos, sofern die jeweiligen Voraussetzungen vorliegen.
Sowohl die Änderungskündigung als auch die Beendigungskündigung können ordentlich oder außerordentlich erfolgen.
Die ordentliche Kündigung wahrt die jeweils geltende Kündigungsfrist und löst das Arbeitsverhältnis erst nach Ablauf dieser Frist auf.
26Es wird deshalb auch von einer fristgerechten Kündigung gesprochen.
Die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund führt hingegen ohne Einhaltung einer Frist (§ 626 BGB) zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Sie wird daher auch als fristlose Kündigung bezeichnet. In Ausnahmefällen werden auch außerordentliche Kündigungen erklärt, die das Arbeitsverhältnis erst nach Einhalten einer so genannten sozialen Auslauffrist beenden sollen. Eine außerordentliche Kündigung kann aber nur dann wirksam erklärt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragspartner die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar ist.
Hinweis:
Genaueres zur ordentlichen Kündigung lesen Sie ab Seite 65.
Zur außerordentlichen Kündigung lesen Sie mehr ab Seite 45.
Lesen Sie aber bitte zunächst weiter zur Kündigungsberechtigung auf Seite 33.
Wenn das KSchG auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, kann das Arbeitsverhältnis nur dann gekündigt werden, wenn die Kündigung durch Gründe bedingt ist, die in der Person (personenbedingte Kündigung) oder im Verhalten des Arbeitnehmers (verhaltensbedingte Kündigung) liegen oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen (betriebsbedingte Kündigung).
Hinweis:
Vor Ausspruch jeder Kündigung ist zu klären, ob das KSchG auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet und ob die daran anknüpfenden Voraussetzungen eingehalten werden. Lesen Sie dazu weiter auf Seite 83.
Eine personenbedingte Kündigung kann nur dann erklärt werden, wenn die Gründe auf einer in der Sphäre des Arbeitnehmers liegenden „Störquelle“ beruhen. Nur persönliche Eigenschaften oder Fähigkeiten des Arbeitnehmers, die nicht durch das Verhalten geändert werden können und zu einer schweren und dauerhaften Störung des Arbeitsverhältnisses führen, können eine derartige Kündigung rechtfertigen (BAG Urteil vom 24.2.2005 - 2 AZR 21104). Hauptanwendungsfall der personenbedingten Kündigung ist die nur in engen Grenzen mögliche Kündigung wegen Erkrankung des Arbeitnehmers (krankheitsbedingte Kündigung).
Hinweis:
Eine personenbedingte Kündigung ist nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich. Bitte lesen Sie zu den Voraussetzungen weiter auf Seite 95.
Die verhaltensbedingte Kündigung ist dann gerechtfertigt (BAG Urteil vom 31.5.2007 - 2 AZR 200/06), wenn der Arbeitnehmer
Als Kündigungsgründe kommen folgende Tatbestände in Betracht:
28Weil der Kündigungsgrund immer ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers ist, wird in den meisten Fällen der verhaltensbedingten Kündigung eine vorangehende Abmahnung vorausgesetzt.
Unabhängig vom Kündigungsgrund gibt es zwei Sonderformen, die jedoch nur in Ausnahmefällen zulässig sind:
Von einer Druckkündigung wird gesprochen, wenn Dritte - Arbeitnehmer oder Kunden - unter Androhung von Nachteilen, wie Streik oder Abbruch von Geschäftsbeziehungen, den Arbeitgeber auffordern, ein bestimmtes Arbeitsverhältnis zu beenden.
Eine Verdachtskündigung liegt vor, wenn allein der Verdacht eines strafbaren, vertragswidrigen Verhaltens das zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers zerstört oder dieser zu einer unerträglichen Belastung des Arbeitsverhältnisses führt (BAG Urteil vom 28.11.2007 - 5 AZR 952/06).
Beide Formen sind nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich.
Hinweis:
Lesen Sie zu den Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung bitte weiter ab Seite 107, zu den Besonderheiten einer Druckkündigung ab Seite 142 und zu den besonderen Voraussetzungen einer Verdachtskündigung ab Seite 116.
Eine betriebsbedingte Kündigung ist gerechtfertigt, wenn dringende betriebliche Erfordernisse dazu führen, dass ein Arbeitsplatz wegfällt. Betriebliche Erfordernisse können zB die Einstellung oder Umstellung der Produktion, Outsourcing, Rationalisierungsmaßnahmen oder ein Auftragsrückgang sein. Der Arbeitgeber muss bei der Auswahl des Arbeitnehmers, dem gekündigt werden soll, aber immer die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und eine etwaige Schwerbehinderung des Arbeitnehmers berücksichtigen (§ 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG). Unterlässt er dies, ist die Kündigung zwingend unwirksam.
29Hinweis:
Bei der betriebsbedingten Kündigung ist zwingend eine soziale Auswahl zu beachten. Lesen Sie zu den Voraussetzungen der betriebsbedingten Kündigung weiter ab Seite 120.
Kündigung |
Folgen |
Änderungs- |
ändert lediglich die Arbeitsbedingungen ab |
Beendigungs- |
beendet das Arbeitsverhältnis |
Ordentliche Kündigung |
ändert oder beendet das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist |
Außerordentliche Kündigung |
ändert oder beendet das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist, in Ausnahmefällen unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist |
Personenbedingte Kündigung |
Kündigungsgrund liegt in der Person des Gekündigten, zB einer langandauernden Krankheit |
Krankheits- |
Hauptanwendungsfall der personenbedingten Kündigung, Kündigung wegen Krankheit |
Verhaltens- |
Kündigungsgrund liegt im steuerbaren Verhalten des Gekündigten, zB Diebstahl |
Verdachts- |
Sonderfall der verhaltensbedingten Kündigung, weil nur der Verdacht einer strafbaren Handlung vorliegt |
Betriebsbedingte Kündigung |
Kündigungsgrund liegt in innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Umständen, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes führen, zB bei Outsourcing |
Druckkündigung |
Sonderfall der verhaltens-, personen- oder auch betriebsbedingten Kündigung, weil Dritte die Beendigung des Vertrages unter Androhung von Nachteilen verlangen |
(Briefbogen des Arbeitgebers)
(Ort), den (Datum)
Sehr geehrte Frau/sehr geehrter Herr (…),
hiermit kündige ich das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum (…).
Gleichzeitig biete ich Ihnen an, das Arbeitsverhältnis ab dem (…) zu geänderten Konditionen fortzusetzen. Dabei handelt es sich um die nachfolgenden Änderungen: (…)
Teilen Sie mir bitte innerhalb von drei Wochen ab dem Zugang dieses Schreibens mit, ob Sie mit den geänderten Arbeitsbedingungen und mit einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses einverstanden sind. Andernfalls endet Ihr Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist.
Mit freundlichen Grüßen
(Unterschrift des Arbeitgebers)
(Briefbogen des Arbeitgebers)
(Ort), den (Datum)
Sehr geehrte Frau/sehr geehrter Herr (…),
hiermit kündige ich das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum (…). Hilfsweise kündige ich zum nächst zulässigen Zeitpunkt.
Mit freundlichen Grüßen
(Unterschrift des Arbeitgebers)
(Briefbogen des Arbeitgebers)
(Ort), den (Datum)
Sehr geehrte Frau/sehr geehrter Herr (…),
hiermit kündige ich das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos. Hilfsweise kündige ich zum nächst zulässigen Zeitpunkt.
Mit freundlichen Grüßen
(Unterschrift des Arbeitgebers)
Hinweis:
Die vorgenannten Kündigungsbeispiele können Arbeitsverhältnisse beenden. Dies ist jedoch nicht zwingend, sondern abhängig von formellen und materiellen Voraussetzungen, die bei jeder Kündigung beachtet werden sollten.
Lesen Sie daher zunächst weiter zur Kündigungsberechtigung ab Seite 33.
Nicht selten scheitern Kündigungen daran, dass die falsche Person die Kündigung erklärt. Die Kündigung kann grundsätzlich nur vom jeweils Berechtigten erklärt werden.
Beispiel:
Der Apotheker ist für zehn Tage im Urlaub und hört telefonisch von seiner mitarbeitenden Ehefrau, dass die Apothekenhelferin heimlich „in die Kasse gegriffen“ hat. Bevor noch mehr Schaden entsteht, will er das Arbeitsverhältnis sofort beenden und fordert seine Frau auf: „Du musst ihr sofort kündigen!“. Darf die Ehefrau kündigen?
Kündigungsberechtigt sind die Vertragspartner des Arbeitsverhältnisses. Ist der Vertragspartner eine natürliche Person (zB Einzelunternehmer), muss diese die Kündigung erklären. Eine juristische Person (zB GmbH, AG) wird durch ihre Organe (zB Geschäftsführer, Vorstand) vertreten, denen das Recht zur Kündigung zusteht. Wer Arbeitgeber ist, ergibt sich im Zweifel aus dem Arbeitsvertrag.
Achtung!
Auch enge Familienangehörige des Arbeitgebers sind nicht automatisch aufgrund ihrer Familienzugehörigkeit zur Kündigung berechtigt.
34Daneben soll zur Kündigung in jedem Fall derjenige berechtigt sein, dessen Vertretungsmacht auf einer gesetzlichen Grundlage beruht. Dies gilt immer für den Prokuristen, wenn die Prokura im Handelsregister eingetragen wurde (BAG Urteil vom 11.7.1991 – 2 AZR 107/91).
Außerdem ist grundsätzlich der Personalleiter zur Kündigung berechtigt, selbst wenn die Vollmacht im Innenverhältnis beschränkt ist (BAG Urteil vom 29.10.1992 – 2 AZR 460/92). Dies gilt aber nicht für einen Vertreter des Personalleiters oder einen Personalsachbearbeiter (BAG Urteil vom 20.8.1997 – 2 AZR 518/96).
Achtung!
Als „Personalleiter“ wird man nur die Person bezeichnen können, die grundsätzlich – auch ohne Rücksprache mit dem Arbeitgeber – Arbeitsverhältnisse begründen und beenden darf. Eine kurzfristige „Ernennung“ einer Person zum „Personalleiter“ ohne weitere Kompetenzen ist nicht ausreichend. Es kann auch in jeder Firma nur einen Personalleiter geben!
Zudem soll nach der Rechtsprechung auch grundsätzlich ein Niederlassungsleiter zum Ausspruch von Kündigungen berechtigt sein, wenn dies dem Arbeitnehmer nachvollziehbar kommuniziert wird und er jeweils über den aktuellen Namen des Niederlassungsleiters informiert ist (LAG Mecklenburg-Vorpommern Urteil vom 28.2.2012 – 2 Sa 290/11).
In einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) müssen alle Gesellschafter gemeinsam das Kündigungsschreiben unterzeichnen, um die Schriftform einzuhalten (BAG Urteil vom 21.4.2005 – 2 AZR 162/04).
Übersicht Kündigungsberechtigung:
Unternehmensform |
Kündigungsberechtigter |
Einzelunternehmen |
Einzelunternehmer/Firmeninhaber |
e. K. (Eingetragener Kaufmann) |
Eingetragener Kaufmann/Firmeninhaber |
GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) |
alle Gesellschafter gemeinsam |
35OHG (Offene Handelsgesellschaft) |
Gesellschafter |
KG (Kommanditgesellschaft) |
Komplementäre (= persönlich haftende Gesellschafter) |
e. V. (Eingetragener Verein) |
Vorstand |
GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) |
Geschäftsführer und Prokurist |
GmbH & Co. KG (Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Compagnie Kommanditgesellschaft) |
Geschäftsführer und Prokurist der Komplementär-GmbH |
AG (Aktiengesellschaft) |
Vorstand |
Achtung!
Einzelheiten der Vertretung (Einzelvertretungsbefugnis, gemeinsame Vertretung etc) sind in der Satzung oder dem Gesellschaftsvertrag geregelt. Diese Regelungswerke müssen vor der Kündigung eingesehen werden, um die Vertretungsbefugnis abschließend zu klären.
Beispiel:
Die Ehefrau erklärt dem abwesenden Apotheker, dass sie doch nicht den Arbeitsvertrag unterschrieben habe und deshalb auch nicht kündigen dürfe. „Das macht nichts. Ich bevollmächtige dich hiermit, das Arbeitsverhältnis in meinem Namen zu kündigen.“, sagt der Apotheker. Geht das?
Das Kündigungsrecht ist grundsätzlich nicht übertragbar. Der Arbeitgeber kann sich aber beim Ausspruch der Kündigung vertreten lassen. Er kann jederzeit einem Dritten Vollmacht zur Kündigung erteilen (§ 164 Abs. 1 BGB). Diese Vollmacht kann auch formlos durch Erklärung gegenüber dem Bevollmächtigten erteilt werden (§ 167 BGB). Meistens ist sie Teil einer umfassenden Vollmacht, wie zB der kaufmännischen Prokura oder der Generalvollmacht. Der Personalleiter besitzt in der Regel die Vollmacht zur Kündigung (BAG Urteil vom 29.10.1992 – 2 AZR 460/92).
36Achtung!
Bei einer Kündigung durch einen Bevollmächtigten ist immer erhöhte Vorsicht geboten, denn die Kündigung durch einen Nichtberechtigten ist stets unwirksam.
Die Kündigung durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht ist unwirksam (§ 180 Satz 1 BGB). Beanstandet der Gekündigte das Fehlen einer Vollmacht nicht, kann der Vertretene die Kündigung nachträglich genehmigen (§§ 180 Satz 2, 177 BGB). Damit wird die Kündigung wirksam.
Legt aber der bevollmächtigte Vertreter mit der Kündigung keine schriftliche Vollmacht oder nur eine beglaubigte Abschrift einer Vollmacht vor, kann der Gekündigte die Kündigung aus diesem Grund unverzüglich zurückweisen. Dann ist die Kündigung unwirksam (§ 174 Satz 1 BGB) (BGH Urteil vom 4.2.1981 – VIII ZR 313/79).
Diese Rechtsfolge ist besonders schmerzhaft, wenn der Arbeitgeber eine außerordentliche fristlose Kündigung erklären wollte und deshalb an die Zwei-Wochen-Frist gebunden ist (§ 626 Abs. 2 BGB). Denn wenn er es nicht schafft, innerhalb der zwei Wochen eine erneute Kündigung zuzustellen, ist zumindest die außerordentliche Kündigung ausgeschlossen. Aber auch im Rahmen der ordentlichen Kündigung führt die Zurückweisung dazu, dass der Beendigungszeitpunkt zeitlich verschoben wird.
Die Zurückweisung der Kündigung durch den Arbeitnehmer muss unverzüglich erfolgen. Trotzdem steht dem gekündigten Arbeitnehmer eine angemessene Zeit der Überlegung zur Verfügung. Er kann auch erst den Rat eines Rechtsanwaltes einholen. Die Dauer dieser Überlegungsfrist hängt letztlich vom Einzelfall ab (BAG Urteil vom 11.7.1991 – 2 AZR 107/91). Ein Zeitrahmen bis zu zwei Wochen wird von der Rechtsprechung noch als angemessen angesehen.
Beispiel:
Das Betriebsratsmitglied eines Automobilherstellers hat einen Betrug zulasten seines Arbeitgebers begangen und diesen dadurch um 20.000 EUR geschädigt. Nachdem er von der strafrechtlichen Verurteilung am 25.1. erfahren hat, holt der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrates ein (§ 103 BetrVG) und erklärt fristgerecht am 1.2. die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Das Kündigungsschreiben wird durch einen „Personalsachbearbeiter“ unterzeichnet 37und ohne Vollmacht vorgelegt. Am 5.2. sucht das Betriebsratsmitglied seinen Anwalt auf, der die Kündigung am 7.2. mangels Vorlage einer Vollmacht zurückweist (§ 174 BGB). Weil der Automobilhersteller seinen Sitz im Rheinland hat und am 7.2. dort der Karneval beginnt, wird das Anwaltsschreiben erst nach dem Aschermittwoch am 14.2. bearbeitet. Die Kündigung ist aufgrund der Zurückweisung unwirksam, weil ein Personalsachbearbeiter nicht kündigungsberechtigt war und keine Vollmacht vorlag. Eine erneute außerordentliche Kündigung ist nicht möglich, weil die Zwei-Wochen-Frist (§ 626 Abs. 2 BGB) abgelaufen ist. Auch die ordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds ist ausgeschlossen (§ 15 Abs. 1 KSchG). Der Automobilhersteller muss den Betriebsrat weiter beschäftigen.
Eine Zurückweisung ist zB auch dann möglich, wenn bei zwei Geschäftsführern, die nur gemeinsam zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt sind, einer der beiden intern von dem anderen Geschäftsführer bevollmächtigt wird und allein die Willenserklärung abgibt (BAG Urteil vom 18.12.1980 – 2 AZR 980/78). Gleiches gilt, wenn nach den Vorschriften der Gemeindeordnung eine Kündigung nur mit Dienstsiegel erfolgen darf, dieses jedoch nicht auf die Urkunde aufgebracht wurde (BAG Urteil vom 29.6.1988 – 7 AZR 180/87).
Achtung!
Wenn Sie das Arbeitsverhältnis durch einen bevollmächtigten Vertreter kündigen lassen wollen, sollte dieser unbedingt eine schriftliche Originalvollmacht des berechtigten Arbeitgebers mit der Kündigung vorlegen. Unterbleibt die Vorlage der Vollmachtsurkunde und weist der Kündigungsempfänger die Kündigung unverzüglich zurück, ist die erklärte Kündigung unheilbar unwirksam.
Die Zurückweisung ist nur dann ausgeschlossen (§ 174 Satz 2 BGB), wenn der Vertretene den Gekündigten bereits zuvor über die Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hat (BAG Urteil vom 30.5.1972 – 2 AZR 298/71). Dies ist zB immer dann der Fall, wenn ein Personalleiter die Kündigung ausspricht, auch wenn die Vollmacht im Innenverhältnis beschränkt ist (BAG Urteil vom 29.10.1992 – 2 AZR 460/92). Dies gilt aber nicht für einen Vertreter des Personalleiters oder Sachbearbeiter (BAG Urteil vom 20.8.1997 – 2 AZR 518/96). Die Zurückweisung von Kündigungen dieser Personen ist aber nur dann ausgeschlossen, wenn deren Befugnis zur Kündigung allgemein bekannt ist. Auch die Kündigung durch den Prokuristen kann nicht 38zurückgewiesen werden, wenn die Prokura im Handelsregister bekannt gemacht wurde (BAG Urteil vom 11.7.1991 – 2 AZR 107/91).
Die Bekanntmachung der Kündigungsberechtigung kann grundsätzlich zB auch durch einen Aushang im Betrieb erfolgen, jedoch nur dann, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit hat, von dem Aushang Kenntnis zu erlangen (LAG Niedersachsen Urteil vom 29.10.2008 – 8 Sa 265/08). Da hierfür aber der Arbeitgeber beweispflichtig ist, ist von dieser Vorgehensweise abzuraten.
Nicht ausreichend für das In-Kenntnis-Setzen von der Kündigungsberechtigung ist die bloße Mitteilung im Arbeitsvertrag, der Inhaber einer bestimmten Funktion dürfe das Arbeitsverhältnis kündigen. Vielmehr bedarf es eines zusätzlichen Handelns des Arbeitgebers, das es dem Arbeitnehmer ermöglicht, die Person des Stelleninhabers der im Arbeitsvertrag angegebenen Funktion zuzuordnen (BAG Urteil vom 14.4.2011 – 6 AZR 727/09). Die Rechtsprechung erwartet für die veröffentlichte Erklärung eine hinreichende Transparenz (BAG Urteil vom 8.12.2011 – 6 AZR 354/10).
Wenn sich der Arbeitgeber bei der Kündigung vertreten lassen will, sollte der Vertreter in jedem Fall mit der Kündigung eine Originalvollmacht vorlegen.
(Briefbogen des Arbeitgebers)
(Ort), den (Datum)
Vollmacht
Hiermit bevollmächtige ich Frau/Herrn (…) in meiner Firma in meinem Namen einseitige Willenserklärungen zur Änderung und Aufhebung von Vertragsverhältnissen abzugeben. Dies gilt sowohl für außerordentliche wie auch für ordentliche Kündigungen von Arbeitsverhältnissen.
Diese Vollmacht bleibt bis auf Widerruf wirksam.
(Unterschrift des Arbeitgebers)
Beispiel:
„Du kannst Dir deine Papiere abholen!“, raunzt der Bauunternehmer seinen Bauhelfer an. „Ich will dich hier nicht mehr sehen. Runter von meinem Hof!“. Der Bauhelfer packt darauf seine Sachen und geht. „Dem alten Taugenichts habe ich heute gekündigt!“, erzählt der Bauunternehmer abends seiner Frau. Hat er recht?
„Runter von meinem Hof!“ – so konnten Arbeitgeber vor gar nicht langer Zeit noch Arbeitsverhältnisse beenden. Und auch heute versuchen Arbeitgeber gelegentlich noch, so zu kündigen. Seit dem 1.5.2000 kann die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, insbesondere durch Kündigung, nur schriftlich erfolgen. Die mündliche Kündigung ist ausgeschlossen.
§ 623 BGB
Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen.
Diese Vorschrift ist zwingend. Von der Vorschrift kann weder durch einen Vertrag, insbesondere auch nicht durch den Arbeitsvertrag, noch durch eine Betriebsvereinbarung oder einen Tarifvertrag abgewichen werden. Die Regelung soll der Rechtssicherheit für die Parteien dienen und eine Beweisführung im Rechtsstreit erleichtern. 40Der Kündigungsempfänger erhält dadurch die Möglichkeit zu überprüfen, wer die Erklärung abgegeben hat und ob die Erklärung echt ist (BAG Urteil vom 24.1.2008 – 6 AZR 519/07).
Achtung!
Auch mit so genannten „Aushilfen“, die meistens als geringfügig Beschäftigte (450-Euro-Job) angestellt sind, bestehen Arbeitsverhältnisse mit allen Rechten und Pflichten. Auch diese Beschäftigungsverhältnisse können nur schriftlich beendet werden.
Das Schriftformerfordernis betrifft jede Art der Kündigung, unabhängig davon, ob sie vom Arbeitgeber oder vom Arbeitnehmer erklärt wird, ob sie ordentlich oder außerordentlich erfolgt oder ob sie das Arbeitsverhältnis unbedingt beenden oder nur im Wege der Änderungskündigung abändern soll (BAG Urteil vom 16.9.2004 – 2 AZR 628/03).
Achtung!
Eine Kündigung, die nicht schriftlich erfolgt, ist nichtig und beendet das Arbeitsverhältnis nicht. Eine Heilung ist nicht möglich. Wenn das Arbeitsverhältnis aber fortbesteht, haftet der Arbeitgeber weiter für den Arbeitslohn des Arbeitnehmers, unabhängig davon, ob dieser arbeitet oder nicht. Der Arbeitgeber muss in diesen Fällen so schnell wie möglich eine schriftliche Kündigung zustellen.
Im Rahmen einer Änderungskündigung erstreckt sich das Schriftformerfordernis nicht nur auf die Änderungskündigung, sondern auch auf das Änderungsangebot (BAG Urteil vom 16.9.2004 – 2 AZR 628/03).
Das Schreiben muss das Wort „Kündigung“ nicht zwingend enthalten. Entscheidend ist, dass der Wille des Kündigenden eindeutig zum Ausdruck kommt, das Arbeitsverhältnis durch einseitige Erklärung für die Zukunft zu lösen (BAG Urteil vom 20.9.2006 – 6 AZR 82/06). Dabei ist immer entscheidend, dass die Erklärung für den verständlich ist, der die Kündigung erhält.
Die Kündigung muss von dem Kündigungsberechtigten eigenhändig unterschrieben werden (§ 126 BGB) (BAG Urteil vom 21.4.2005 – 2 AZR 162/04).
41§ 126 BGB