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Inhaltsverzeichnis

Mythenmärchen
1. Uitzilopochtli zeigt den Azteken ein Trugbild ihrer zukünftigen Hauptstadt
2. Wie die Welt belebt wurde
3. Vom Sonnengott und den Mondmädchen
4. Die Sonne
5. Das Feuer
6. Der Mythos von der Datura
7. Der Regen, der Mond und die Sonne
8. Die Geschichte vom Mais
9. Der Tanz des Peyote
10. Eine Zauberei des Titlacauan
Indianermärchen
11. Der Bursche, der den Regengott tötete
12. Die Gahe
13. Das Mädchen und die Wolken
14. Wer ist der Weiseste?
15. Die Kinder der Wolke
16. Der Mann, der im Totenreich war
Mexikanisch – europäische Märchen
17. Die hilfreiche Schwester
18. Die Katze, das Hähnchen und das Lämmchen
19. Die sieben Ochsen
20. Die fünf Flüsse
21. Die kleine Urne
22. Die Blume, die sang
23. Goldstern
24. Juan Oso
25. La Ramé
26. Die Mulattin und ihre Tiere
27. Der Königssohn und die vier Tiere
28. Komm, Neger, aus dem Ledersack heraus!
29. Die Froschjungfer
30. Das Mädchen und der Schlangenprinz
31. Der Reiche und der Arme
32. Das Mädchen auf dem Mezquite-Baum
33. Der dankbare Tote
34. Der gute Räuber
35. Pedro de Urdemalas
Legendenmärchen
36. Der heilige Rafael als Begleiter
37. Die heiligen drei Könige als Paten
38. Das Büchlein des heiligen Josef
39. Was Jesus und Petrus in unserm Lande passierte
40. Der Pfarrer und der alte Mann
41. Die Geschichte von Barlaam und Josaphat
42. Die Geschichte, die Onkel José erzählte
43. Das Mädchen und sein Engel
44. Die drei Marien
45. Die Geschichte eines verfolgten Mädchens
46. Der Zauberer- Wettkampf
47. Der Tote als Gast
48. Die Fahrt in die Unterwelt
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1. Uitzilopochtli zeigt den Azteken ein Trugbild ihrer zukünftigen Hauptstadt

Als die Azteken das Gebiet von Tollan betreten und ihre Hütten schon rings um das Heiligtum ihres Gottes errichtet hatten, in der Anordnung, die ihr Gott und ihre Priester ihnen vorschrieben, befahl Uitzilopochtli den Priestern im Traum, sie sollten die Gewässer eines nahebei fließenden Stromes aufdämmen, damit sie sich über die Ebene verbreiteten und den [Schlangen-] Berg, auf dem sie sich befanden, rings umgäben. Er wollte ihnen nämlich ein Abbild von dem Land und Wohnsitz, die er ihnen verheißen hatte, zeigen.

Als das Wehr gemacht war, traten die Gewässer über die Ufer, verbreiteten sich über die ganze Ebene und bildeten einen großen See, den sie mit Weiden, Zypressen und Pappeln umgaben und mit Riedgras und Kolbenrohr bepflanzten. Und alsbald füllte er sich mit Fischen aller Arten, die es in Mexiko gibt; auch fanden sich Wasservögel wie Gänse, Reiher, Wasserenten ein, die in Scharen den See bevölkerten, neben vielen anderen Arten von Vögeln, die heutzutage die Lagune von Mexiko ernährt; Wasserrosen und Röhricht wuchsen in üppiger Fülle und belebten sich mit Drosseln und Elstern, roten und gelben, deren Gesang und Gezwitscher sich zu harmonischem Klange verband. Alles dies verschönte den Ort so sehr, machte ihn so lieblich und reizend, daß die Mexikaner, voll Zufriedenheit über das, was ihr Gott ihnen verhieß, ganz vergaßen, daß dieser Ort doch nur ein Spiegelbild dessen war, den sie suchten. Sie sagten, daß ihnen dieser Ort genüge und daß sie nicht größere Wonnen aufsuchen wollten, als sie schon genössen. Und sie begannen zu tanzen und Gesänge anzustimmen, die der Schönheit und Anmut des Ortes angemessen waren. An der Spitze derer, die gegen den Gott aufbegehrten und sich zusammentaten, standen die Uitznaua und eine Frau, namens Coyolxauh.

Uitzilopochtli hatte vernommen, daß viele an dem Ort so großes Gefallen fanden, daß sie nicht mehr weiterziehen wollten, vielmehr sagten: »Hier ist dein Wohnsitz, Uitzilopochtli; das ist der Ort, zu dem du entsandt bist; hier, auf dem Schlangenberge, geziemt es sich für dich, deinen Namen mit Ruhm zu bedecken, ist es dir vergönnt, des Goldes und Silbers, der kostbaren Steine und leuchtenden Schmuckfedern, der reichen Mäntel, des Kakaos und aller übrigen Dinge, die dies Land hervorbringt, teilhaftig zu werden; von hier aus sollst du alles, was von den vier Teilen der Welt übrigbleibt, mit der Kraft deiner Brust, deines Hauptes und Armes erringen; das ist der Ort, wo du Ruhm und Preis deines Namens gewinnen sollst, das ist die Hauptstadt deines Reiches. Befiehl deinen Vätern und Hausmeistern, daß sie darüber ratschlagen, und gebiete, daß man damit aufhöre, noch größerer Seligkeit nachzujagen als der, die wir hier genießen, damit nunmehr die Azteken Ruhe finden und ein Ende ihrer Mühsal.«

Darüber ergrimmte Uitzilopochtli sehr und er sprach zu den Priestern: »Wer sind die, die meine Gebote derart zu übertreten wagen, ihnen widerstreben und sie zu vereiteln suchen? Sind sie vielleicht mehr als ich? Sagt ihnen, daß ich noch vor dem morgigen Tage an ihnen Rache nehmen werde, damit sie sich nicht länger erdreisten, eine eigene Meinung zu haben in Dingen, die ich zu bestimmen habe und für die ich entsandt bin, und damit alle wissen, daß sie mir allein zu gehorchen haben.« Und es heißt, daß das Antlitz des Gottes in diesem Augenblick so abstoßend und schrecklich, so wahrhaft teuflisch anzusehen war, daß alle Furcht und Entsetzen packte.

Um Mitternacht, als alle sich zur Ruhe begeben hatten, hörten sie an dem Ort, den man den ›Götterballspielplatz‹ oder auch das ›Schädelgerüst‹ nennt – heiligen, dem Gott geweihten Plätzen –, großen Lärm. Und als der Morgen gekommen war, fanden sie an demselben Ort die Anstifter jener Empörung [die Uitznaua], samt der Frau namens Coyolxauh, mit aufgeschnittener Brust und herausgerissenen Herzen ...

Als die Mexikaner die harte Strafe, die der Gott über die Schuldigen verhängt hatte, sahen, waren sie von Furcht und Schrecken erfüllt. Aber der Zorn Uitzilopochtlis war noch nicht verraucht; um dies deutlicher zu zeigen, befahl er den Priestern, die Wehre, die sie gemacht und mit denen sie das Wasser aufgestaut hatten, zu öffnen und einzureißen, auf daß das Wasser wieder seinen alten Lauf nehme. Die Mexikaner wagten nicht, zuwider zu handeln, und taten es, sehr wider ihren Willen, denn Erquickung und Ernährung waren ihnen mit jenem Wasser in reicher Fülle zuteil geworden ... Und als der See abgelaufen war, vertrockneten sogleich Röhricht, Kolbenrohr und Bäume; die Anmut schwand, die Fische, Frösche und alles sonstige Wassergetier, die den Mexikanern zu ihrem Unterhalt dienten, starben, und die Wasservögel zogen fort: der Ort war wieder so trocken und öde geworden, wie er zuvor gewesen war.

2. Wie die Welt belebt wurde

Am Anfang aller Dinge gab es auf der Welt nur Erde und Wasser. Einmal aber ließ der Sonnengott einige Samen fallen, als er gerade aß. Und ein andermal ließ er einige Körner fallen, und wieder ein andermal spuckte er die Kerne von Früchten aus, und alles, was vom Himmel heruntergefallen war, wurzelte im Erdreich oder im Wasser ein, und so entstanden nach und nach auf der Erde die gleichen Pflanzen, die auch im Himmel wuchsen.

Als nun der Sonnengott sah, daß die Erde nicht mehr so wüst und leer war, wollte er auch einige Tiere darauf versetzen, und er nahm eine Handvoll Tiere und ließ sie auf die Erde fallen. Aber da im Himmel die Fleischfresser immer am Tisch des Sonnengottes gefüttert worden waren, und da diese Nahrung jetzt nicht mehr da war, begannen die Fleischfresser über die Pflanzenfresser herzufallen.

Als in der Nacht die Frau des Sonnengottes, die Mondgöttin, sah, daß auf der Erde Tiere herumliefen, daß aber das Meer, die Seen und die Flüsse leer waren, nahm sie ein großes Netz und fischte im himmlischen Teich, und die Fische, die sie gefangen hatte, warf sie auf die Erde herunter ins Wasser. Aber da im Himmel die fleischfressenden Fische immer von der Mondfrau gefüttert worden waren, und da sie nun auf der Erde nichts zum Fressen fanden, fingen die Fleischfresser an, die Pflanzenfresser unter den Fischen und den Landtieren zu überfallen und zu fressen. Und als nun der Sonnengott erkannte, daß die Tiere sich gegenseitig töteten, wollte er wieder Frieden unter ihnen machen. Und er sagte: »Ich muß ein großes Tier machen, das mir ähnlich und allen andern Tieren überlegen ist. Dieses Tier soll die Fleischfresser füttern.« Und der Sonnengott machte den ersten Mann. Und als die Mondfrau erfuhr, was ihr Mann gemacht hatte, sagte sie: »Mein Mann hat nur an die Lebewesen auf dem Lande gedacht und nicht an die im Wasser. Und ich werde ein Tier machen, das mir ähnlich und den Tieren im Wasser überlegen ist.« Und sie machte die erste Frau. Aber die erste Frau wollte sich nicht um die Fische kümmern, sondern sie lief nur hinter dem Mann her. Und als die Mondfrau das sah, wurde sie zornig, nahm einen Dornenstock und schlug die Frau zwischen die Füße und riß ihr damit das Geschlecht ab. Und so kommt es, daß die Frauen einen Riß zwischen den Schenkeln haben und oft bluten. Dem Mann aber gelang es nicht, den Frieden zwischen den Fleischfressenden und den Pflanzenfressenden wiederherzustellen, denn er hatte nichts, um die Fleischfresser zu füttern. Der Sonnengott hatte vergessen, ihm etwas zu geben. Und so herrscht auch heute noch Krieg zwischen den Tieren des Landes und auch zwischen den Tieren des Wassers.

3. Vom Sonnengott und den Mondmädchen

Zu der Zeit, als die ersten Menschen auf der Welt lebten und langsam begannen überall zu siedeln, hatte der Sonnengott zwölf Schwestern als Frauen. Sie lebten alle mit ihm im Himmel, bei Tage leuchteten sie, die Nächte aber waren damals ganz finster und ohne jedes Licht.

Hin und wieder besuchte der Sonnengott die Menschen, um sich von ihnen Fleisch zum essen zu holen, und bei der Gelegenheit fragte er sie: »Wie geht es euch? Gibt es etwas, womit ich euch helfen kann?« – »Ja«, sagten sie, »das gibt es. Wir haben es immer sehr schwer in der Nacht, weil wir gar nichts sehen können. Gib uns doch ein Licht für die Nacht!«

Der Sonnengott versprach es. Und nachdem er in den Himmel zurückgekehrt war, sagte er zu seinen Frauen: »Hört!« sagt er, »die Menschen haben sich beklagt, daß sie während der Nacht nichts sehen. Ich habe nun beschlossen, daß immer sechs von euch bei mir bleiben sollen und mit mir wachsein und mit mir schlafen. Und die sechs anderen sollen am Tage schlafen und in der Nacht über die Himmelswiese gehen. Und in einigen Jahren werden wir wechseln, und dann sollen die Mädchen, die bei mir gewesen sind, in der Nacht auf die Himmelswiese gehen, und die andern sollen mit mir leben.«

Wie der Sonnengott es befohlen hatte, so geschah es. Und die Menschen freuten sich, weil die sechs Mondmädchen in der Nacht ein gutes Licht gaben, so daß man auch während der Nacht auf die Jagd gehen oder fischen konnte.

Es verging einige Zeit. Aber man muß wissen, daß die Mondmädchen sehr heißblütig waren, und die Zeit, da sie nicht mit dem Sonnengott schlafen konnten, machte sie noch hitziger. Und sie konnten den Zeitpunkt nicht mehr erwarten, da sie den Dienst mit ihren sechs Schwestern wechseln sollten. Endlich aber war es so weit, und der Sonnengott sagte zu jenen Mädchen, die bei ihm waren: »Geht zu euren Schwestern und löst sie in ihrem Dienst ab!«

Als nun aber die sechs Mondmädchen, die in der Nacht geleuchtet hatten, zum Sonnengott kamen, da wollte jede von ihnen zuerst auf sein Lager. Sie rissen sich und prügelten sich bis aufs Blut, und da der Sonnengott mitten unter ihnen war, wurde er auch gekratzt und geschlagen, bis er blutete. Das Blut aber tropfte auf die Erde herunter, und wo es niederfällt, da bildet sich auf einmal Gold, wenn es Blut vom Sonnengott ist, und Silber, wenn es Blut von einem Mondmädchen ist.

Der Sonnengott aber wurde sehr zornig, als er sah, wie es da zuging und wie sich die Mondmädchen um ihn rauften. Und er sagt: »Von jetzt ab werden wir es anders machen, damit ihr nicht mehr so hitzig werdet und über einander herfallt. Es soll nur mehr eine in der Nacht leuchten und auch das nur mehr zwanzig Nächte hindurch. Die andern aber sollen bei mir bleiben.« Und so geschah es.

Wenn nun das Mondmädchen, das seinen Dienst auf der Himmelswiese antritt, kommt, dann ist es so erschöpft, daß es ganz schmal ist und kaum leuchten kann. Aber nach einigen Tagen erholt es sich und wird ganz rund und prall wie eine schöne Frau. Es dauert aber nicht lange, da wird die Sehnsucht nach dem Sonnengott bei ihr so groß, daß sie wieder schmäler wird. Und endlich sehnt sie sich so nach ihrem Mann, daß sie vom Himmel verschwindet, wenn sie auch eigentlich in der Nacht noch ihren Dienst tun und leuchten sollte. Und da die Schwestern einander gern haben, verraten sie die Schwester nicht, die früher heimkommt, denn jede zählt darauf, daß die andern auch sie nicht verraten werden, wenn sie Dienst haben.

4. Die Sonne

Die Sonne hat viele Nachkommen. Sie sind unter der Erde geboren worden und sind im Meer unter der Form von Tröpfchen erschienen. Ihre Herzen waren rote Tröpfchen. Aus dem Stoff, aus welchem die Herzen der Nachkommen der Sonne bestanden, tauchte ein kleines Insekt auf, das zu den Opferschalen der großen Götter des Meeres geflogen ist. Mit seinen Flügeln hat es die Schalen mit Wasser besprüht und damit reizte es die Meeresgötter sehr. Das kleine Insekt war ins Licht gekommen, um zu sehen, ob es ihm gelingen würde, einen passenden Platz für den Vater, die Sonne, zu finden. Danach ging es zurück in den Untergrund und es brachte dem Vater, der Sonne, das Maß der Welt. Dann hat Vater Sonne das Insekt in einen Papagei verwandelt, der aufgetaucht ist, um an dem Ort, wo das Meer endete, ein Kreuz aufzustellen. Der Papagei wurde Sonnenherz, Taukùki, genannt. Danach verwandelte Vater Sonne den Papagei in eine Wanze, die hinauskam, um eine Treppe, imumui, zu bauen. Durch diese konnte die Sonne aus dem Untergrund in das Licht hinaussteigen.

Vater Sonne kam heraus, ohne daß er irgendein Kleid angezogen hätte. Mit seinem Speichel hat er folgende Tiere im Meer erschaffen: den kleinen Specht, Tsimakai, den Vogel hotài und den Ara, dessen Federn äußerst geeignet sind, um die Pfeile, die der Sonne gewidmet werden, zu schmücken. Aus ihren Flügeln kamen die kleinen Papageienvögel, deren Federn zu den Opfergaben dienen. Der Sonnengott erschien wieder, und andere Tiere kamen aus dem Meer heraus: der Adler, der Falke, der schwarze Falke, Kuawàme, die Klapperschlange, Baiye, ein Meerestier, der Meertiger, hatùwi, der Jaguar und der grüne Papagei, Kakémane. Allen diesen Tieren ist befohlen worden, die Sonne zu beschützen, während sie auf ihrem seidenen Stuhl saß, denn sie war noch sehr zart und heilig. Die großen Meergötter kannten die göttliche Natur der Sonne nicht, deswegen dachten sie nicht, daß alle diese Vorbereitungen ihnen zahlreichen Kummer bereiten würden. Vater Sonne brauchte einen heiligen Stab. Kauymáli erhielt den Befehl, ihn anzufertigen. Der Stab ist mit den Samen des Tsikalotci geschmückt worden, damit er so klingen würde wie die Klapperschlange, die von der Sonne erschaffen wurde. Mit dem Speichel erschuf die Sonne das Brasilholz. Mit den schönen Federn der Vögel der Sonne hat man viele Gegenstände, die von den Schamanen gebraucht wurden, gemacht. Wegen der Feiern haben die großen Götter des Meeres unter viel Neid und Eifersucht gelitten. Diese Opfergaben aber waren nicht nur mit Wasser geweiht worden, sondern auch mit dem Blut, das Kauymáli aus dem Kamm des Truthahns, einem anderen von der Sonne erschaffenen Vogel, gewonnen hatte. Als die Götter des Meeres versuchten, die Sonne im Wasser auszulöschen, waren alle ihre Bemühungen umsonst.

Kauymáli mußte wie ein Knecht der Sonne arbeiten, um alles, was für den Erfolg der großen Feiern notwendig war, vorzubereiten. Wenn er etwas vergessen hätte, wäre die Welt für immer dunkel wie eine Höhle geblieben. In der Tat gab es nur den Mond, um die Welt zu beleuchten, und es gelang ihm nur ein sehr schwaches Licht auszustrahlen. Deswegen war es wichtig, daß die Sonne bis zu ihrem Platz, mitten im Himmel, kommen konnte. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Götter des Meeres Angst vor der Sonne, und sie versuchten deren Papageie mit ihren Pfeilen niederzuschlagen. Aber die Sonnenstrahlen waren schon zu stark. Der Papagei hat die Sonne fünfmal gerufen, und sie ist aufgegangen. Das Geplapper der Papageien war ein Befehl, damit jeder so viele Opfer darbringe wie er konnte. Die Sonne war noch sehr zart und heilig; sie mußte geehrt werden, bevor sie am Himmel aufgehen konnte. Alle Götter des Meeres haben versucht, den Namen der Sonne zu erraten, so haben sie ihn erschaffen. Aber der wahre Name ist von dem Truthahn, einem für die Sonne heiligen Vogel, erfunden worden. Dieser stieß seinen typischen Ruf dreimal aus: »Tau! Tau! Tau!«

Die großen Götter des Meeres wollten sich beeilen und der Sonne einen Namen geben, weil ihre Nachttiere auf die Suche nach Beute gingen und sehr schädlich waren. Als sie ihr den Namen endlich gaben, wirkte die Sonne das Wunder des Lichtes. Als dies geschah, ist das Meer anders geworden, es ist blau und grün geworden. Mit ihren Strahlen hat die Sonne die Finsternis aufgelöst. Danach hat die Sonne die vier Himmelsrichtungen erreicht und ist in den Himmel aufgestiegen. Seither kehrt sie jede Nacht in das Meer zurück, aber in den ersten Zeiten war dies sehr gefährlich für sie, weil die Schlangen, die das Meer bewohnten, sie hätten fressen können. Sie war wahrhaftig noch sehr schwach. So ist sie fünf Tage nicht aufgegangen, nachdem sie das erstemal über den Himmel gegangen war. Dann ist sie aufgegangen, und sie war mit den Zeichen der Huichol geschmückt.

Die Götter des Meeres hatten Angst, daß die Sonne nicht regelmäßig erscheinen würde, um sie vor den wilden Tieren zu beschützen. So haben sie Kauymáli befohlen, er solle für die Sonne einen rituellen Stuhl machen, auf dem sie mitten im Himmel sitzen konnte. Die Götter des Meeres haben Tatevali, den besten der Schamanen beim Singen, um Hilfe bitten müssen, damit er den Mythos der Sonne sang, um den Lauf von Vater Sonne zu regeln. Dieses Lied mußte fünf Nächte gesungen werden, aber inzwischen hat sich eine Seuche unter dem Volk verbreitet. Sie ist nicht verschwunden, nicht einmal als der Gesang aufhörte. Dem Tatewali ist geoffenbart worden, daß ein kleiner Schamane, Kauymáli, hätte singen sollen. So hat sich der alte Großvater Feuer neben Kauymáli gesetzt. Das Volk hätte nicht sagen dürfen, daß Kauymáli dumm sei, weil er erst ein Kind war. Man hat alle Vorbereitungen gemacht. Jene, die die Opferschalen im Tempel bewachten, haben Schmuck von besonderen Federn zu Füßen des jungen Schamanen gelegt. Einige von diesen Schmuckstücken hatten Rasseln, die aus den Schwänzen der Klapperschlangen gemacht worden waren. Ihr Geräusch erschreckte die Menschen, aber sie gaben zu verstehen, wie mächtig der junge Schamane war.

Nach der ersten Nacht des Gesangs erklärte Kauymáli, daß das Volk einen frisch geschlagenen Tannenbaum bringen und ihn auf den Altar stellen solle. Das Volk bereitete auch ein kleines Bildnis des Vogels Taukuli vor, denn dieser war das Herz der Sonne. In den folgenden Nächten hat Kauymáli das Volk aufgefordert, am Tag andere Riten durchzuführen, damit sie der Sonne gefielen. Unter anderem sollten sie einen Hirsch schlachten, aber sie dürften ihn mit keiner Falle fangen. Sie sollten ihn so fangen, wie es die Tarahumare tun. Kaum war der Hirsch gefangen worden, ist Kauymáli mit Gaben gekommen. Er behandelte das gefangene Tier so wie die Huichol einen Stier, den sie opfern wollen. Dann hat er schnell in das Ohr des Hirsches gestochen und ein wenig Blut genommen. Er hat das Blut verwendet, um die Zaubergegenstände zu weihen. Der Hirsch, der nicht stark verwundet war, ist freigelassen worden, weil er nun dem Vater Sonne gehörte. Kauymáli war zufrieden, weil er sah, daß die Befehle der Sonne treu durchgeführt worden waren.

Er hat das Blut an das Meer bringen lassen, damit die großen Götter des Regens es benutzten, um ihre Kultgeräte darein zu tauchen. Dann sind die Knoten, mit denen der Hirsch gefangen worden war, durchhauen worden, und der junge Schamane fing wieder an, den Hymnus der Sonne zu singen. Die Alten ihrerseits erzählten die Mythen der alten Zeiten, die die Verleihung des Besitzes und die Bedeutung aller Sachen erklären. Als die Gesänge zu Ende waren, hat man dem Vater Sonne eine Opfergabe gebracht, um ihn dazu zu bringen, daß er die Seuche, die das Huichol-Volk quälte, aufhören ließ. Aber vorher mußten fünf Steinblöcke eingeschnitten werden, und darauf sollte man die fünf Opferschalen stellen. Die Blöcke wurden sauwati genannt und darauf wurden Zeichen, die Adler und Schlangen darstellten, eingeschnitten. Nakawé zu Ehre ist ein Götze mit Hemd und Perücke geschnitzt worden, und er ist in die heilige Höhlung unter den Teller Gottes, der sie ganz deckte, gestellt worden. Durch diesen Götzen hätte das Volk sich mit den großen Göttern des Meeres in Verbindung setzen können. Die anderen Gaben sind von dem Volk ans Meer gebracht worden, um für die Kinder der Huichol langes Leben und Glück zu erbitten.

Danach sind andere Hirsche geschlachtet worden, gehorsam den Befehlen von Vater Sonne: der erste der Hirsche ist in die Sonne gelegt worden, damit er trocknete, ohne daß er vorher gebraten worden war. Das in der Sonne getrocknete Fleisch war sehr heilig und kein Mensch durfte es essen. Den Hunden ist es verboten worden, einen einzigen Tropfen des verdickten Blutes des Hirsches zu berühren. Wenn sie dies getan hätten, würden sie getötet worden sein. Deswegen mußte man streng wachen. Das gekochte Fleisch der anderen Hirsche jedoch durfte den Göttern dargebracht und dann gegessen werden. Dann hat der Sonnengott befohlen, daß die Wein-, Sotol-, Schokoladen-, Brot- und Kerzengaben zusammen mit fünf Stück der mit Blut gefüllten Eingeweide des Hirsches in die heilige Höhlung des Tempels gestellt würden. Er hat auch befohlen, daß man das Bier in die heilige Höhlung auf den Boden gieße. Dann hat er befohlen, daß man ihm Kerzen opfere. Sie sollten beim Sonnenaufgang angezündet geschenkt werden.

5. Das Feuer

Am Anfang gab es weder die Sonne noch das Feuer. Das Volk Gottes fragte sich, wie man sie bekommen könne. Tatevali ist aus einem Felsen am Meer erschienen. Jeden Abend flog das Feuer zu einer der fünf Richtungen; jeden Abend erschien es unter der Form eines Lichtleins und wuchs, bis es die Form des Tellers Gottes hatte. Kauymáli erklärte dem erwählten Volk, was das Feuer sei. Ein Junge und ein Mädchen, die noch nie Geschlechtsverkehr gehabt hatten, sind zum Feuer geschickt worden, damit sie darauf aufpaßten. Es war eine zu heilige Aufgabe, die den Alten nicht aufgetragen werden durfte. Der Bursche und seine Begleiterin haben das Feuer gesehen und sind bewußtlos geworden. Bevor sie wieder zu sich kamen, haben sie geträumt, daß ihr Volk dem Feuer begünstigende Feierlichkeiten schenken sollte, um es zu zähmen. Sobald sie wieder sprechen konnten, sagten sie dem auserwählten Volk, was es tun solle. Alles wurde sehr bereitwillig getan, denn das auserwählte Volk brauchte das Feuer sehr.

Seitdem der Großvater Feuer die Jugendlichen damit beauftragt hatte, ihn zu überwachen, brachten sie ihm viele Geschenke. Als er sie empfing, sagte der Großvater Feuer zu den Jugendlichen: »Ich bin heilig und unangreifbar, ich darf nicht von hier weggehen, sonst wird die ganze Welt brennen. So bringt mir ein Gefäß, in dem man Weihrauch brennen lassen kann, einen kleinen Sack und eine aus einem Kürbis geschnitzte Schale. Bevor ihr kommt, taucht eure Hände in klares Wasser ein und bringt mir auch fünf kleine Steine, auf die ich mich setzen kann, wenn ich wie glühende Kohle aussehe!«

Nachdem die Steine gebracht worden waren, ist das Feuer darauf gesprungen und hat sie völlig verbrannt. So haben alle erfahren, daß der Großvater Feuer noch unangreifbar war. Er sagte: »In der Tat bin ich der heiligste unter allen Göttern, ich darf von hier nicht bewegt werden, sonst werde ich alles, was ihr seht, verbrennen.« Dann hat das Feuer dem Volk befohlen, daß es fünf Teapali und einige Federn nehme. Wenn den Teapali zahlreiche Gebete dargebracht würden, könnten die Federn brennen. Auf diese Weise sollte das auserwählte Volk das Feuer bekommen. Aber auch danach ist der Großvater Feuer immer noch unangreifbar geblieben, und die ganze Welt ist von seiner Flamme angezündet worden. Um die Welt zu retten, wandte das auserwählte Volk sein Gebet an Nakawé. Nakawé hat das Band von ihrem Haar gelöst und die ganze Erde mit dem Regen überschwemmt. Um die geringe Glut, die geblieben war, zu retten, baute das auserwählte Volk ein kleines Haus für Großvater Feuer. Nach seinem Befehl haben sie das Haus auf einen der fünf Teapali gebaut. Auf dem Dach dieses äußerst kleinen Hauses hat man eine durchlöcherte Kapuze aus zeremoniellem Stein gelassen. Im Innern des Hauses hing ein Büschel Federn, Haisi, an einem Balken. So ist das Haus Gottes, das die Huichol noch benutzten, gebaut worden. Dann hat das Mädchen eine Opferschale geformt, der Bursche hat Fallen für die Hirsche gelegt, und es ist ihm gelungen, einen Hirsch zu fangen.

So ist es bei den Huichol gebräuchlich geworden, daß sie dem Großvater Feuer das Blut des Hirsches schenken, und wegen dieses Geschenkes sind die Huichol seine Kinder geworden. Danach war das Feuer zahm und er war nicht mehr unangreifbar. Aber fünf Nächte lang brauchte Großvater Feuer noch eine strenge Überwachung, damit er nicht alle Orte überfiel, wie er es früher getan hatte. Vier Nächte sind ruhig verlaufen, deswegen haben die Huichol aufgehört, aufmerksam zu wachen. In der letzten Nacht hat das Opossum, iasu teviali, das Feuer gestohlen und es in seiner Brust versteckt. Das ganze Volk hat das Opossum verfolgt. Nachdem sie es gefangen hatten, haben sie es getötet und ihm das Feuerherz genommen. Das Tier hat wieder leben können, aber in seinem Körper, dort wo er das Feuer versteckt hatte, ist ein Loch geblieben. Seither werfen die Opossums ihre Jungen und haben ihre Zitzen nach innen. Seit dem Tag, an dem das Opossum wieder leben konnte, obwohl es tot gewesen war, ist sein Fett eine sehr gute Medizin für die Huichol.

6. Der Mythos von der Datura

Erst zehn Tage, nachdem Kauymáli die Sonne gezähmt und die Seuche durch seine Gesänge und Tänze hatte verschwinden lassen, machte ein böser Schamane, Kieli Tewiali, das Volk verrückt, um es dazu zu bringen, für seine eigenen falschen Gesänge zu zahlen.

Durch das Prasseln des Feuers hat Tatevali dem Kauymáli gesagt, daß große Unglücksfälle auf das Volk nicht zukommen würden, solange seine eigenen Gesänge wieder gesungen würden. So hat die Seuche noch einmal die Welt überfallen. Dann hat Kauymáli gesungen, und dabei trug er seinen Schamanenhut mit den Rasseln der Klapperschlange. Dadurch ist es ihm gelungen, sich der Teaka, eines sehr heiligen Steins, der die Leute krank machte, zu bemächtigen. Die Teaka ist ins Feuer gelegt worden. Die Tiere sind mit Kräutern eingerieben worden, damit sie gereinigt wurden. Das verdorbene Kraut ist dann verbrannt worden.

Obwohl der Daturamann die ulu-tuweli gemacht hatte, hat Kauymáli sich nicht erschrecken lassen. Es ist ihm gelungen, diese Pfeile zu nehmen und sie gegen die Tiere und gegen das Korn zu schießen, obwohl der Daturamann den vier Richtungen der Erde den Blumenstaub der Datura geschenkt hatte. Mit einem Zauberlied hat Tatevali dem Kauymáli befohlen, daß er den bösen Schamanen, Kieli Tewiali, fange und ihm das Ohr und die große Zehe abschneide, damit er einen Teil seines Blutes haben könnte. Dies war die Strafe, die der Daturamann für seine Hexerei erhielt.

Danach hat er dem Kauymáli befohlen, daß er den bösen Schamanen festbinde und ihn zum Feuer in den Tempel bringe. Dann hat er befohlen, daß er den Daturamann verbrennen und an einem weit entfernten Ort begraben solle. Als dies gemacht wurde, ist ein Stein, der am Platz seines Herzens war, aus der Brust der verbrannten Leiche des Zauberers herausgefallen. Obwohl die Sonne die mächtigen Götter des Meeres fürchtete, hat sie sich dazu entschlossen, dem Daturamann zu helfen, und dieser hat versprochen, daß er der Sonne in ihrem Kampf gegen die Götter des Regens helfen würde. So hat die Sonne den Daturamann wieder erweckt und seine Natur weniger böse gemacht. Sie hat ihm eine ›ranchería‹ gegeben; diese lag in der Nähe des Meeres, dort, wo es fünf Felsen gibt. Dort wuchs die Datura. Der böse Schamane hat ein Stückchen davon genommen, und von diesem Moment an konnte er den ›peyote‹ nicht mehr anrühren. Er hat Tänze in der gleichen Art vorbereitet, wie sie noch heute bei den Huichol ausgeführt werden. Danach hat er die Ausübung der schwarzen Magie, die von einigen bösen Huicholleuten noch ausgeübt wird, angefangen.

Die großen Götter des Meeres haben dem Daturamann ein weibliches Gürteltier geschickt, und es ist seine Frau geworden. Vorher war es eine Gottheit des Meeres gewesen, aber die Götter des Meeres haben sie in ein Gürteltier verwandelt, damit es bei dem Daturamann, der eher böse als gut war, leben würde. Es hat das Zuckerrohr der Huichol gegessen. Die ersten Male hat es sie gegessen, um danach die Samen in die vier Richtungen auszustreuen. Es ist ihm auch befohlen worden, daß es die Raupen- und Insektenlarven esse. Das Gürteltier hat noch heute diese Angewohnheit.

7. Der Regen, der Mond und die Sonne

Großmutter Wachstum ist die Herrin sowohl der Sterne wie auch des Wassers. Sie hat allen Sternen befohlen, daß sie in den Himmel gingen und ihn beleuchteten. Früher waren sie einfache Kreise im Wasser, die aus Regentropfen bestanden. Am Anfang war das Wasser voll von bösen Schlangen, die das Volk der Großmutter Wachstum ständig fressen. Diese hat den Sternen befohlen, daß sie sich vom Himmel auf den Rücken der Schlangen hinunterstürzten und sie töteten. Die Schlacht, die danach stattfand, hat eine einzige Schlange überlebt. Aus ihr hat Großmutter Wachstum die Götter und Göttinnen des Wassers und des Regens erschaffen. Die Götter des Regens haben eine Feierlichkeit veranstaltet, die jener ähnlich war, wie sie die Huichol heutzutage für den Regen machen.

Sie haben mit einer Treibjagd des Hirsches, den sie mit Pfeilen hätten töten sollen, angefangen, denn damals hatten sie keine solchen Fallen wie jene, die die Huichol heutzutage benutzen. Kumukame, der Hauptgott des Regens, hat den Jägern geholfen, indem er heilige Hymnen sang. Außerdem hat er einen brennenden Feuerbrand ins Wasser geworfen. Nachher hängte er ihn mitten an der Decke seines Hauses auf und befestigte ihn mit einem Seil. Während der Feierlichkeit hat eine Maus das Seil angenagt und die heiligen Häuser und alle zeremoniellen Gegenstände verbrennen lassen. Am Ende hat die Maus den Feuerbrand und alle anderen heiligen Gegenstände gestohlen.

Am fünften Tag der feierlichen Hirschjagd, die von den Göttern des Regens gemacht worden ist, hat einer von ihnen, Stella, den Hirsch verwundet. Dieser Hirsch war zugleich Hirsch und ›peyote‹.

Der Geier hat dem verwundeten Hirsch geholfen wegzulaufen. Deswegen ist der Geier von den Göttern des Regens gefangen, gebunden und bestraft worden, und sie haben seinen Schnabel durchlöchert. Dem Geier ist es aber gelungen, sich von den Schlingen zu befreien und den Hirsch, der infolge der Wunden tot war, wieder zum Leben zu bringen. Der Geier sagte dem Hirsch, daß Palikata, der Gott der Jagd, den Göttern des Regens geholfen habe, und er hat ihm geraten, er solle zu seiner Mutter, Stuluwiakame, ins Land seines Vaters, des Sonnengottes, rennen. Beide Eltern des Hirsches Peyote leben im jetzigen Land des ›peyote‹.

Aus dem Atem seines Herzens hat der Sonnengott zahlreiche Tiere erschaffen, um sie dem Volk des Regens, das von Großmutter Wachstum geschützt wurde, entgegenzustellen. Unter dem Volk der Sonne waren die Klapperschlange, der Kolibri und andere Tiere.

Als der Hirsch-Peyote zu seiner Mutter kam, hat er die Maus dort getroffen. Die Maus hatte alles, was sie dem Volk des Regens gestohlen hatte, mitgebracht.

Da beschlossen die Geschöpfe der Sonne, eine zauberische Handlung zu feiern, um jene, die von den Göttern des Regens gefeiert worden war, auszugleichen. Dazu haben sie Großvater Feuer, den zweiten Gott des Feuers, Großvater Hirschschwanz, und andere Götter, die Freunde der Sonne sind, eingeladen. Alle Gäste haben sich sofort auf den Weg gemacht, um sich in das Land Peyote, zu Stuluwiakame, zu begeben. Aber nachdem sie vier Tage gereist waren, mußten sie wieder nach Hause zurückkehren. In der Tat brauchten sie das Feuer, um sich in der Nacht vor den wilden Tieren schützen zu können. Deswegen haben sie den Großvater Feuer um Hilfe gebeten. Dieser gab ihnen einen heiligen Teller, teapali, der einen auf ihn gelegten Haufen Kräuter verbrennen konnte. Dafür hat Großvater Feuer von ihnen verlangt, daß sie während der ganzen Reise auf Essen, Getränke und Geschlechtsverkehr völlig verzichten sollten.

Kaum sind die Götter, die Freunde der Sonne waren, im Lande der Stuluwiakame angekommen, haben sie viele Peyotes, welche Spuren der Hirsche waren, gefunden, und sie haben mit ihren Pfeilen auf sie geschossen. Dann ist eine sehr große Spur mitten in der Gegend des Peyote erschienen: die Hirsche hatten sich in einen sehr großen Kaktus verwandelt. Dieser hatte sechs Seiten und jede von ihnen war aus einer anderen Farbe, und diese Farben sind dazu benutzt worden, die Gesichter der Jäger, die Freunde der Sonne waren, zu bemalen. Dies gewährte ihnen ein langes Leben, es drang in ihre Herzen und hat aus ihnen Schamanen gemacht. Dann hat man um den großen Peyote einen Altar errichtet. Die Pilger, die noch nüchtern waren, haben lange gebetet und danach haben sie Tabakblätter gegessen. Das hat sie sehr geschwächt, und Großvater Feuer, der ihr Führer und Hauptmann war, hat sie von der Abstinenz befreit und hat ihnen erlaubt, daß sie Peyote aßen, um sie zu retten.

Endlich kamen sie zum Haus der Stuluwiakame, der Mutter des Hirsch-Peyote. Hier haben sie atole zum Essen bekommen. Am folgenden Morgen hat Großvater Feuer den Kauymáli um eines von seinen magischen Hörnern des Hirsch-Peyote gebeten. Das ist auf einen Teller Gottes gelegt und dem Hirsch als Ersatz geschenkt worden. Dann ist der Peyote von allen gegessen worden, obwohl nur die sehr starken Männer ihn essen konnten, ohne daß sie die Gefahr auf sich nahmen, verrückt zu werden. Um dies zu vermeiden, hat Stuluwiakame die für den Peyote verwandten Schalen mit heiligem Wasser besprengt.

Auf seinem hohen Sitz hat Großvater Feuer zusammen mit Kukumane und mit den Göttern des Regens, die die unterirdischen Gegenden bewohnten, heilige Hymnen gesungen. Danach entschieden die Götter des Regens, daß sie eine Pilgerfahrt in das Land des Peyote machen würden. Sie kamen dorthin, als die Freunde der Sonne ihre Zeremonien feierten. Die Götter des Regens haben den Peyote gegessen, aber wegen seiner Stärke sind sie betrunken und sehr schwach geworden.

Nun, da der Hirsch-Peyote gefangen worden war, war die Sonne dazu fähig, den Mond, der bis dahin ganz allein der Welt das Licht gegeben hatte, zu ersetzen. Aber man mußte eine größere Zahl von Hirschen töten, damit die Sonne aufging. Deswegen sind die Klapperschlange, der Kolibri und andere jagen gegangen. Die Götter des Regens, die wegen des Peyote noch betrunken waren, konnten nicht verstehen, wer so viele Hirsche gefangen haben könnte. Endlich hat Kauymáli ihnen erzählt, wer es getan habe. Die noch betrunkenen Götter näherten sich dem Altar der Feier. Plötzlich hat einer von ihnen, Palikata, der erste Bruder, der Schützer der Hirschjagd, die Pfeile und alle anderen ihm und den anderen Geschwistern von der Maus gestohlenen Gegenstände gesehen. Alle haben sich sehr geärgert. Sie haben die Pfeile genommen und gegen die Leute der Sonne geschossen. Sie haben viele verwundet und die anderen aber fliehen lassen. Großvater Feuer hat dem Volk der Sonne befohlen, daß sie viele Pfeile aus Brasilholz machten, um sie der Sonne zu schenken. Nach dieser glücklichen Hirschjagd konnte die Sonne zum erstenmal am Himmel aufgehen. Großvater Sonne hat den Göttern des Regens befohlen, daß sie der Sonne einen Namen gäben, aber diese, die nur daran gewöhnt waren, das Licht des Mondes zu sehen, haben im Streit mit dem Volk der Sonne nicht siegen können. Am Ende hat eines der Geschöpfe der Sonne, der Truthahn, der Sonne einen Namen gegeben, indem er seinen Schrei, »tau, tau, tau!«, ausrief. Um den Lauf der Sonne, der noch unregelmäßig war, zu regeln, hat ihr Volk Opferschalen geformt. Um sich nachts vor den wilden Tieren zu schützen, haben sie Pfeile, Schilder, Stühle für die Schamanen, göttliche Teller, teapali, und Kerzen gemacht.

Alle haben Hirschfelle angezogen und dem Tatevali geweihte tamales geschenkt, indem sie sie ins Feuer warfen und dabei beteten. Die tamales sind in Peyotes verwandelt worden. Dann sind die Peyote-Jäger zu ihrem Volk, das im Gebirge war, zurückgekehrt. Um ihren Peyote zu tragen, haben sie Traglasten von Lasttieren benutzt. Mit fünf mit Peyote beladenen Eseln führte Großvater Feuer ihren Weg an. Der Peyote war in indianischen Körben. Auf dem Weg sind die Pilger an einem Ort stehengeblieben, wo sie ihr erstes zeremonielles Bad machen konnten. Hier haben sie Gebete an die Mutter, Stuluwiakame, gerichtet, damit sie ein langes Leben erreichten, und ihr Gebet ist erhört worden. Nach zwei Wochen Reise waren sie nicht mehr weit entfernt von ihren Häusern. Großvater Feuer ist ihnen vorausgegangen, um zu sehen, ob die Angehörigen der Pilger, die ihre Lieben im Tempel erwarteten, ihre Gelübde einhielten. Als er ankam, sah er, daß ein Altar im Tempel aufgestellt worden war, und alle Angehörigen der Pilger brachten Peyote dar. Bald waren alle betrunken, und sie haben erzählt, was geschehen sei, während die Jäger weg waren. So konnte Großvater Feuer mit Sicherheit wissen, daß sie ihr Gelübde gehalten hatten. Nach kurzer Zeit sind die Pilger angekommen, in den Tempel hineingegangen, und sie haben ihre Ladung Peyote auf den Altar gelegt. Dann mußten die Felder gerodet werden, damit man säen konnte. Dieses Pflügen mußte gemacht werden, ehe man die Abstinenz vom Salz und vom Geschlechtsverkehr unterbrach, denn die Pilger waren heilig, solange sie sich enthielten. Nach dem Pflügen der Felder sollte man einen Hirsch fangen und töten; so haben sich die Jäger darauf vorbereitet, die Enthaltsamkeit zu unterbrechen. Sie haben sich das Gesicht bemalt und die eigenen Angehörigen mit aus dem Land des Peyote gebrachtem heiligem Wasser gewaschen. Der Sänger, der während der Pilgerfahrt den Tempel überwacht hatte, hat den Gesang des Peyote angestimmt. Danach folgte der Tanz des Igelkaktus. Während dieses Tanzes haben fünf Jungen so stark mit den Füßen gestampft, daß die Götter des Regens, die im Meeresgrund lebten, den Laut von ihren Sandalen hören konnten. Als der Tanz zu Ende war, ist die Enthaltsamkeit abgebrochen worden; man hat in der Brühe des Hirsches, der geschlachtet worden war, Salz essen dürfen. Nachdem sie an einem großen Umzug nach der Feier teilgenommen hatten, durften die Männer wieder mit ihren Frauen schlafen.

Am Ende ist dem Großvater Feuer der heilige Tabak, der aus dem Lande des Peyote mitgebracht worden war, geschenkt worden.