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ÜBER DEN AUTOR

Henry Glass, 1951 als Sohn eines nordirischen Geschäftsmannes in Deutschland geboren, arbeitete von 1978 bis zu seinem Tod im Jahr 2000 im Wissenschaftsressort des Spiegel – ein liebenswürdiger Chaot, der seinen angelsächsischen Spleen mit dem Tragen von knielangen Shorts, James-Joyce-Brillen und Capes darzutun pflegte. 2007 erschien bei Kein & Aber die CD Weltquell des gelebten Wahnsinns, eine von Harry Rowohlt gelesene Auswahl von Glass’ Texten.

ÜBER DAS BUCH

Muss Wissenschaft staubtrocken sein? Keineswegs, meinte Spiegel-Redakteur Henry Glass und berichtete zwanzig Jahre lang über verblüffende Entdeckungen und Erkenntnisse sowie andere Torheiten aus der Geschichte der Menschheit.

Warum eigentlich bellen Hunde? Sind Exzentriker glücklicher? Was lässt sich über die Flatus-Frequenz von asiatischen Wasserbüffeln sagen? Mit seiner Spürnase für Absurditäten hat sich Spiegel-Redakteur Henry Glass allerlei Querschlägern der Forschung gewidmet, mit Schalk und britischem Humor hat er über sie berichtet.

Glass vergleicht die Zeichensprachen der europäischen Völker und präsentiert neue Ergebnisse zum Thema »Frau am Steuer«. Er porträtiert die Träger des Ig-Nobelpreises, dem wichtigsten Preis für nutzlose Forschung. Und er berichtet von den dümmsten Feldherren der Geschichte, wie dem Griechen Hajianestis, der seinen Krieg gegen die Türken vom Bett aus führte, oder dem englischen Lord Raglan, der sich nie merken konnte, wer Freund und wer Feind war. Was Henry Glass erschaffen hat, ist ein unterhaltsames Panorama der eigenartigsten aller Spezies, dem Menschen. Man lese und staune.

»Unglaublicher Sprachwitz in brillanter Prosa. Der dümmste aller Feldherren? Die klügsten Tiere? Die exzentrischsten Todesarten? Die erfolgreichsten Ehen? Henry Glass forever!«

Spiegel online

»Hochkomische Wissenschaftsprosa.«

Deutschlandfunk

INHALTSVERZEICHNIS

Miserabel angepasst

Warum eigentlich bellen Hunde?

Tücke des Objekts

Ein Physiker und die Frage der Toastscheibe

Katz und Maus

Mit einem psychologischen Test lässt sich der Erfolg einer Ehe voraussagen

Abseitige Pfade

Die mannigfaltigen Risiken des Geschlechtsverkehrs

Macht im Mantel

Was Ärzte alles mit sich herumtragen

Seele vom Holz

Wie kommt der Geschmack in den Malt Whisky?

»Dampframme im Hirn«

Die Erforschung des Katers

Opfer am Altar der Liebe

Päpste und ihr Sexleben

Hymenische Jauchzer

Tauziehen um die europäische Normgröße von Kondomen

Federn im Sturm

Zur Verleihung des »Ig-Nobelpreises«

Sturz in die Kiste

Gastroenterologie mal ganz anders

Runter? Rauf? Wohin, wohin?

Die Black Box: Letzte Worte von Unglückspiloten

Tod am Ohr

Die Zulus und ihre ungewöhnlichen Feuerwaffen

Frühform des Heimwerkers

Über den Werkzeuggebrauch im Tierreich

Überaus letal

Die exzentrischsten Arten, zu Tode zu kommen

Bläuliche Flamme

Flatologie oder die Wissenschaft vom menschlichen Abwind

Tod im Dom

Tiere im Dienst der Wissenschaft

Genius Loci

Die Geschichte des WCs

Narren und Nulpen

Die dümmsten aller Feldherren

Gewisse Schrullen

Großbritannien, das Reich der Exzentriker

Zaudern und zockeln

Neues zu einem alten Thema: Die Frau am Steuer

»Erschießen, alle Autofahrer erschießen«

Die Geschichte der Straße

Daumen nach oben

Die europäischen Völker und ihre Gesten

Konisch vermüllt

Chaos- vs. Klarsichthüllentyp: Ein Kampf der Kulturen

Hohe Dunkelziffer

Über die Alkoholsucht im Tierreich

Syndikat der Narren

Die größten Flops der Automobilgeschichte

Orgien von Rost und Kurzschluss

Die besten Pannen der Raumstation »Mir«

Dreingabe

Weltquell des gelebten Wahnsinns

Henry Glass’ Hommage an das alte Dublin

MISERABEL ANGEPASST

Zwei amerikanische Verhaltensforscher gingen der Frage nach: Warum bellen Hunde?

Mal um Mal war der Pastor durch ungewohnte Lautäußerungen aus der Mitte der Trauernden daran gehindert worden, den Toten mit gewohnter Zügigkeit in die Grube zu befördern. Gerade dass er noch den Segen (»Friede seiner Seele«) sprechen konnte – da hub schon ein Wehgeklage an, dumpf und schauerlich, wie es Menschenohren zuvor noch nie vernommen.

Es entrang sich den Kehlen von 700 deutschen Schäferhunden, die an diesem Herbsttage des Jahres 1936 um das Grab des Rittmeisters Max von Stephanitz versammelt waren – Seit’ an Seit’ mit ihren Herren, die ihnen den Befehl zum Ehrengebell gegeben hatten. Denn mit dem Verstorbenen war der »Vater des Schäferhundes« dahingegangen, der Urheber dieser ebenso biss- wie bellfreudigen Rasse und ein Hundekenner, wie es kaum einen vor ihm gegeben hatte.

Jeden Aspekt der kaniden Existenz hatte der Zuchtpionier im Laufe seines über 70-jährigen Lebens zu erforschen, jede Wesensäußerung des Hundes zu erklären versucht. Auf seine Erkenntnisse gründend, haben nachgeborene Experten selbst die subtilsten Eigenheiten der Hundepsychologie, die tiefsten Beweggründe für hundliches Handeln in Bezug auf den Menschen ergrübelt.

So glauben sie inzwischen zu wissen, warum der Hund Gassi muss, auch wenn er gerade eben Gassi war (Machtkampf pur), wozu er mit dem Schwanz wedelt, obwohl er sich gar nicht freut (Verfächelung von Kennungsdüften aus den Analdrüsen), oder weshalb er dem Menschen das schmutzige Pfoterl so gern auf den Schenkel patscht (Verhaltensrest vom sogenannten Milchtritt, mit dem der Welpe das Gesäuge der Mutter massiert).

Sogar das Geheimnis hinter dem Hundekuss, bei dem des Tieres Zunge dem dieserart Begünstigten jählings im Gesichte spielt, glauben die Experten gelüftet zu haben. Es handle sich dabei, so behaupten sie, um eine Variante des von ihnen als Mundwinkel- oder Bettelstoß bezeichneten Signals, mit dem das Wolfsjunge seine Eltern zum Auswürgen der angedauten Nahrung (»Futterbrei«) nötigt.

Nur jener Tätigkeit, mit welcher der Hund das Wohlwollen des Menschen noch mehr strapaziert als mit seiner allfälligen Sudelei auf öffentlichen Wiesen und Steigen (durchschnittliche Ausscheidungsleistung pro Tag: Körpergewicht mal 3 geteilt durch 50), haben die Kynologen von Stephanitz bis heute keinerlei nennenswerte Beachtung geschenkt. Zu banal schien ihnen offenbar die Beschäftigung mit jener Frage, die sich Nachbarn von Hundehaltern jeden Tag aufs Neue stellt: Warum eigentlich bellt der Hund?

Jetzt endlich haben zwei Verhaltensforscher, die Amerikaner Raymond Coppinger und Mark Feinstein, eine – wenn auch unbefriedigende – Antwort präsentiert: Der Hund bellt ohne tieferen Grund, mal aus Angst, mal aus Langeweile, mal aus Ärger oder einfach nur so, weil ihm eben gerade danach ist. Ein nachvollziehbares Regelsystem sei hinter dem Hundegebell nicht zu erkennen, so das im US-Wissenschaftsmagazin Smithsonian veröffentlichte Fazit ihrer langjährigen Untersuchungen. »Der Hund«, konstatieren die beiden Kynologen, »bellt schlichtweg in jedem Verhaltenskontext.«

Im Zuge ihrer Forschungen stießen Coppinger und Feinstein auf einen Spaniel, der innerhalb von zehn Minuten 907 Mal zu bellen vermochte – macht 1,5 Beller pro Sekunde. Einen anderen Hund, es handelte sich um einen Schäfer, hörten sie sieben Stunden an einem Stück tölen – erst dann machte das Tier die erste, wenn auch kurze Pause. »Solche Vokalleistungen muten olympisch an«, so die Experten, »sind aber in Wirklichkeit weder ungewöhnlich noch rekordverdächtig.«

Beobachtungen wie diese führten die beiden Forscher zu einer zweiten, tiefergehenden Frage: Warum kann der Hund überhaupt so ausdauernd bellen? »Wenn man darauf eine Antwort sucht«, so mussten Coppinger und Feinstein feststellen, »dann steht man plötzlich vor einem Knäuel von Problemen.«

Denn der Vorfahr des Hundes, der Wolf, mit dem der Canis familiaris genetisch so gut wie identisch ist, vermag nur eine Art Wufflaut von sich zu geben, und auch das tut er nur höchst selten – lediglich 2,5 Prozent von 3256 bei erwachsenen Wölfen gezählten Lautäußerungen waren Beller, ansonsten heult der Canis lupus.

Im Verlauf der Evolution des Hundes müsse daher, so dachten die Kynologen anfangs, »etwas ganz Besonderes geschehen sein«. Jedoch, sosehr sie auch herumklügelten – es gelang ihnen nicht, eine plausible Erklärung dafür zu finden, weshalb der Hund durch seine Bellerei einen Vorteil beim evolutionären Ausleseverfahren gehabt haben könnte.

Sie verwarfen die unter Zoologen beliebte These, im Verlauf der Domestikation des Hundes (sie begann vor etwa 15 000 Jahren) habe der Mensch jene Tiere bevorzugt um sich geduldet, die willige Beller und damit als Wachhund einsetzbar waren: Weshalb, so argumentierten die beiden, sollten sich die zottigen Steinzeitler einen Wächter ins Haus holen, der wahllos und ohne Regel, beim Nahen von Freund wie Feind, bei Sturmgetöse oder auch nur, weil ihn die Stille stört, Alarm schlägt und dafür vielleicht das Baby leis’ und heimlich zum Schweigen bringt? »Eine Selektion zum bellenden Hund hin hat ebenso wenig stattgefunden«, konstatieren die beiden Forscher, »wie es eine Auslese zum schuhzerkauenden Hund gegeben hat.«

Auch die gängige Annahme, das Bellen diene der Verständigung zwischen einem Hund und dem anderen, halten die Kynologen für wenig stichhaltig. Denn schließlich müsse ein Signal eine eindeutige Information transportieren, um zwischen Sender und Empfänger eine Kommunikation entstehen zu lassen – wie etwa das tiefe Knurren, das Aggression, zumindest aber nichts Gutes verheißt, oder das Falsett des Winselns, etwa beim Welpen, das von allen Säugern inklusive des Menschen als Schmerz- und Hilferuf verstanden wird.

Als die Forscher die tonale Zusammensetzung des Kläffens auf elektronischem Wege untersuchten, stellten sie zu ihrer Überraschung fest, dass jeder Beller zwei grundsätzlich unterschiedliche Frequenzen aufwies: zum einen, zu Beginn und am Ende des Bellens, tiefere Töne, die sich auf dem Spektrogramm sehr ähnlich denen darstellten, die der Hund beim Knurren ausstößt; zum anderen, in der Mitte des Belllautes, höhere und für den Menschen nicht vernehmbare Obertöne, die auf dem Spektrogramm fast identisch waren mit dem Winsellaut eines Welpen.

Die Folgerung der Forscher: Wenn der Hund »Wauwau« macht, so erzählt er seinen Artgenossen nichts als Blödsinn – nämlich so viel wie »GehwegKommherGehweg«. Nicht domestizierte Tiere hingegen geben solche in sich widersprüchlichen Signale nur von sich, wenn mehrere Signalreize im Hirn über die Nervenstränge schlagen – etwa in Situationen, in denen das Instinktverhalten nicht greift. So hörten Coppinger und Feinstein Wölfe meist dann bellen, wenn ein Kampf zwischen zwei dominierenden Rüden schon lange andauerte und sich dennoch keine Entscheidung abzeichnete.

Art und Tonalität des Belllautes ließen vermuten, so der Rückschluss der Experten, dass der Hund in einem Zustand dauernder Unentschlossenheit lebe – vorurteilslos angewandte Empirie im Stadtpark vermag auch Hundebesitzer nicht darüber hinwegsehen zu lassen, dass sich ihr Tölpel ziemlich dämlich verhält.

Mal umgaukelt er, mit seinem Wahnsinnsgebell die Lüfte erschütternd, seinen Herrn in großen Sprüngen; dann steht er plötzlich still und starr wie Lots Weib nach der Salzifikation; dann rast er los, auf ein imaginäres Ziel zu, überlegt es sich anders, schlägt diverse Haken, mal nach links, mal nach rechts; macht wieder halt, um eine beleidigende Herausforderung an einem Baum zu hinterlassen oder um ein Stöckchen aufzuklauben, das er gleichzeitig geworfen haben und behalten will – noch nie ist es einem Verhaltensforscher gelungen, das Freizeitverhalten des Canis familiaris einigermaßen schlüssig zu deuten. »Welcher Art könnten die evolutionären Veränderungen sein«, fragten sich die Forscher Coppinger und Feinstein, »die dazu geführt haben, dass ein Tier so sichtbar miserabel an seine Umwelt angepasst ist?«

Eine Antwort gibt ein vor 30 Jahren begonnener und erst kürzlich abgeschlossener Versuch mit Silberfüchsen, dessen Ergebnis aufsehenerregend ist: In der Absicht, den Tieren ihre (für eine erfolgreiche Massenzucht abträgliche) Scheu und Bissfreudigkeit wegzumendeln, hatten Experten des Instituts für Zellkunde und Genetik in Nowosibirsk immer wieder Silberfüchse miteinander gekreuzt, die von ruhigerer Wesensart waren als ihre Wurfgenossen.

Die Füchse, die heute, nunmehr in der 20. Zuchtgeneration, auf dem Institutsgelände herumlaufen, verhalten sich wie brave Familienhunde: Sie laufen auf Menschen zu, springen schwanzwedelnd an ihnen hoch und lecken ihnen zutraulich übers Gesicht. Dabei geben sie Laute von sich, die denen eines Hundes ähneln, und vom Streicheln können sie niemals genug kriegen.

Auslesezucht mit dem Ziel der Zahmheit, so postulieren Coppinger und Feinstein, führe stets zur Infantilisierung einer Spezies: Die Tiere bleiben in ihrer Entwicklung auf einer Zwischenstufe zwischen Baby und erwachsenem Tier stehen – und dementsprechend verhalten sie sich auch.

Jungwölfe zum Beispiel sind zutraulich, sie scheuchen im Spiel andere Tiere umher, ohne sie totzubeißen, so, wie es etwa ein Hütehund mit seiner Herde tut. Sie bellen ausdauernd und bei jeder Gelegenheit, ganz nach Hundeart; erst später, wenn sie erwachsen sind und sich eines für ihre Rudelgenossen eindeutig nachvollziehbaren Signalements bedienen müssen, hören sie mit diesem infantilen Unsinn auf – täten sie es nicht, wären sie bald totgebissen.

Mithin, so die Kynologen Coppinger und Feinstein, sei die Bellerei des Hundes nichts anderes als eine natürliche und zwangsläufige Folge seiner Domestikation. Offen allerdings bleibt bei dieser Erklärung, weshalb manche Hunderassen weniger, andere hingegen so sehr zum Kläffen neigen, dass sie nur durch ausgefallene Maßnahmen zum Schweigen zu bringen sind; Zubehörhändler bieten da beispielsweise elektrische Halsbänder feil, die dem Hund schon beim leisesten Beller einen ordentlichen Schlag versetzen.

Die durchschlagende Lösung jedoch fand ein Zeitungsausträger in Los Angeles, der zu seinem Leidwesen herausfinden musste, dass bellende Hunde – törichter Redensart zum Trotz – sehr wohl auch beißen: Er schleuderte dem Tier die Wochenendausgabe der Los Angeles Times derart schwungvoll ins Genick, dass es auf ewig das Maul hielt.

TÜCKE DES OBJEKTS

Ein britischer Physiker fand mathematische Gewissheit: Eine fallende Toastscheibe landet immer auf der Butterseite.

Waschmaschinen haben offenbar eine direkte Verbindung zum Bermuda-Dreieck. Auf rätselhafte Weise verschwinden in ihnen immer mal wieder Kleintextilien, vorzugsweise Socken.

Die weithin favorisierte Erklärung für den unheimlichen Strümpfeschwund – »grobe Schlamperei« – mag, wenngleich ordnungsideologisch präjudiziert, im Lichte allgemeiner Lebenserfahrung plausibel scheinen. Abwegig ist sie dennoch.

Zu diesem Fazit kommt eine im US-Wissenschaftsjournal Scientific American erschienene Studie des englischen Physikers Robert Matthews. Sie beweist, dass

  die kleinen und großen Ärgernisse, die dem Menschen das Dasein vom Schnuller bis zur Schnabeltasse versauern, keineswegs zufällig auftreten;

  Naturwissenschaft nicht so trocken sein muss wie das Stroh im Kopf von Kaiser Wilhelm II., der einst dekretierte: »Der Geistesmensch hat Ernst zu üben.«

Angelsächsische Wissenschaftler hingegen neigen von jeher zu Humor und selbstironischem Verquerdenken – ein Berufsgebaren, das den meisten ihrer deutschen Kollegen so widernatürlich erscheint wie einem Berliner Philharmoniker der Eintritt in ein Kurhausorchester.

Exemplarisch für die vor allem in Großbritannien und den USA gepflegte Denkungsart ist Matthews’ mathematisch-statistische Erörterung von »Murphys Gesetz« – jenem besonders im anglophonen Sprachraum berühmten Lehrsatz von der fundamentalen Tücke des Objekts: »Wenn irgendetwas schiefgehen kann, dann geht es auch schief.«

Mit diesem Stoßseufzer hatte der Air-Force-Ingenieur Edward Aloysius Murphy, ein Ire von Gemüt und Geblüt, vor bald 50 Jahren einen grandios misslungenen Testversuch kommentiert.

Unbeschadet des Umstands, dass Murphy seine erfahrungssatte Einsicht in das Wesen allen Scheiterns im Zuge eines hochoktanigen Bargelages gewann, inspirierte sie epigonale Denker zu immer neuen Korollaren (»Nichts ist idiotensicher, weil Idioten so erfinderisch sind«) und alltagsweisen Praxisvarianten – wie etwa »Rovers Dilemma« (»Vierradantrieb heißt nur, dass man an unerreichbaren Orten festsitzt«) oder »Henrys Universalgesetz des kreativen Arbeitsplatzes«: »Ein Schreibtisch ist immer unaufgeräumter als beim letzten Mal.«

Nun erklärt sich diese Maxime zwar mühelos durch den Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik (»Alles strebt dem Chaos zu«). Ganz anders hingegen eine der bekanntesten Varianten von Murphys Tücke-Gesetz (»Ein Toast fällt immer auf die gebutterte Seite«), die bisher aller wissenschaftlichen Anstrengung zum Trotz zu den ungelösten Welträtseln zählte.

Akademische Schnittchen-Forscher beidseits des Atlantiks hatten ein ums andere Mal versucht, die Fallgewohnheiten von gebuttertem Röstbrot experimentell zu ergründen – leider mit diametral gegensätzlichen Ergebnissen.

So landeten etwa die Toasts bei Wurftests an der englischen Newcastle University mehrheitlich »butter-side-up«, also mit der Schmierseite nach oben; bei Reihenversuchen an der amerikanischen Harvard University hingegen schlugen sie zu 72 Prozent »butter-side-down« am Boden auf.

Unlösbar schien das sogenannte Tumbling-Toast-Problem – bis sich jetzt endlich Matthews der Rätselfrage auf theoretischem Wege annahm; wobei er, ebenso konsequent wie kongenial, der murphyesken Devise folgte, nach der man dem Irrsinn nur entkommen kann, indem man ihm vorauseilt.

In nicht weniger als 24 hochkomplizierten Gleichungsschritten aus dem Formelreich der Festkörperdynamik setzte er relevante Parameter wie Toastgewicht, Fallbeschleunigung und Luftdichte in Beziehung zur durchschnittlichen Schubskraft einer unvorsichtigen Hand und gelangte – unter Berücksichtigung des Reibungskoeffizienten einer Tischplatte der Marke Contiboard – zu dem nunmehr mathematisch gesicherten Ergebnis: Der Toast fällt auf die Butterseite. Punktum.

Denn infolge der berechneten Rotationsdynamik hat er bei seinem Sturz von einem Tisch in Normhöhe gerade genug Zeit, um eine Halbdrehung von 180 Grad zu vollziehen.

Putzpflichtigen Hausfrauen weiß Matthews nur schwachen Trost. Denn seinem Zahlenwerk gemäß gelänge dem Röstling die für eine saubere »butter-side-up«-Landung erforderliche Rolle um volle 360 Grad nur bei einer um den Faktor 3,8 verlängerten Flugzeit – was Tische von mindestens 3 Meter Höhe voraussetzt; oder durch ein drastisch verringertes Massegewicht des Toasts, wobei dessen Kantenlänge dann 2,5 Zentimeter nicht überschreiten dürfte – auch keine akzeptable Alternative.

Für seine Fähigkeit, den Nagel abzuschießen und den Vogel auf den Kopf zu treffen, verlieh die Harvard University dem englischen Wissenschaftler ihren alternativen Nobelpreis für Physik. Die Spaß-Ehrung beflügelte Matthews, weitere Murphyismen rational zu analysieren, etwa jene Postulate, nach denen

  »die Warteschlangen an den anderen Kassen meist schneller sind als die, in der du selber stehst« – am Beispiel von sieben Kassen wird klar, weshalb: Die Chancen, dass die eigene Reihe sich am zügigsten fortbewegt, stehen eins zu sechs;

  »ein Ort auf der Landkarte meist dort liegt, wo du ihn am schwersten findest« – auch klar, denn die leicht zu übersehenden Randgebiete auf einem Blatt nehmen mehr als 50 Prozent des Kartenareals ein.

Dies waren jedoch nur denkerische Peanuts im Vergleich zu Matthews’ jüngster Forschungsarbeit, in der er seinen Scharfsinn dem Murphy-Gesetz vom verlorenen Strumpf (»Socken treten vorzugsweise einzeln auf«) zuwandte.

Ergebnis: Sogar in Kleiderschränken, die rühmlicherweise nicht an ein Versuchslabor für Chaosforschung gemahnen, tendieren Socken dazu, unpaarig ins Nichts und Nirgendwo zu entrücken.

Weshalb die Zahl der nicht zusammenpassenden Strümpfe unaufhaltsam zunimmt, veranschaulicht Matthews anhand eines Rechenbeispiels, das von einem nicht gerade üppigen Grundstock von zehn Paar Socken ausgeht.

Der erste Socken, der verschwindet, reißt unvermeidlich ein Paar auseinander und hinterlässt einen Einzelstrumpf. Die Chance, dass der nächste Sockenverlust nicht diesen Solitär, sondern wiederum ein intaktes Strumpfpaar trifft, liegt bei betrüblichen 18:1.

Die statistische Analyse eines weiteren Sockenschwunds um 50 Prozent mündet schließlich in eine deprimierende Bilanz: Übrig bleiben im Laufe der Zeit sechs Einzelstrümpfe und zwei zusammengehörige Sockenpaare – so gebieten es nun mal die ehernen Gesetze der Wahrscheinlichkeit.

Nach deren Grundsätzen will Matthews nun als Nächstes die anthropomurphyschen Varianten des Tücke-Gesetzes analysieren – unter anderem jenes beherzigenswerte Gebot für die Partnerwahl: »Heirate nie, denn der andere erweist sich in der Regel als verrückter, als du es jemals sein wirst.«

KATZ UND MAUS

Psychologen haben Tests entwickelt, mit denen sie das Gelingen oder Scheitern einer Ehe vorhersagen können.

Er pflegte dazustehen, bleich und starr, wie eine Bildsäule mit der Aufschrift »Der stille Vorwurf«. Sie warf mit Blicken um sich, in denen mit Riesenbuchstaben geschrieben stand: »Habe ich das verdient?«

Stumm, in einer Art Wettrüsten für ein häusliches Armageddon, sammelte das Ehepaar Kränkung auf Kränkung. Dann, kurz nach dem dritten Hochzeitstag, kam es zu einem Krach von geradezu seismischen Ausmaßen. Hinterher lag der Hausrat in Trümmern und das Paar im Spital.

Die Scheidung war, abgesehen von einer wechselseitigen Beohrfeigung im Gerichtssaal, reine Routinesache. Trotzdem haftet ihr der Hauch des Historischen an.

Denn mit dieser Scheidung ist es erstmals gelungen, das Scheitern einer Ehe wissenschaftlich zu prognostizieren: Aus welchen Gründen und auf welche Weise es zur Ehebeendigung kommen werde, ja sogar den ungefähren Zeitpunkt der Scheidung hatten die Psychologen kurz nach der Trauung gutachtlich vorhergesagt.

Damals, im Sommer 1983, hatten sich die beiden Eheleute zusammen mit 55 weiteren frisch verheirateten Paaren dem amerikanischen Psychologen Dr. John Mordechai Gottman und seinem Team als Testgut anvertraut.

Im Zuge vielschichtiger Befragungen nach dem von Gottman entwickelten »Rapid Couples Interaction Scoring System« und dem »«öüüüü»ää«–ä