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Dr. med. Samuel Pfeifer

Depression

Krankheit der Moderne

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Weitere Informationen und Unterrichtsmaterialien zur Thematik finden Sie auf der Homepage von Dr. Samuel Pfeifer: www.samuelpfeifer.com

Bestell-Nr. 395.179

ISBN 978-3-7751-7016-1 (E-Book)

ISBN 978-3-7751-5179-5 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book:

Fischer, Knoblauch & Co. Medienproduktionsgesellschaft mbH, 80801 München

SCM Hänssler im SCM-Verlag GmbH & Co. KG · 71088 Holzgerlingen

Internet: www.scm-haenssler.de

E-Mail: info@scm-haenssler.de

Umschlaggestaltung: Jens Vogelsang, Aachen

Titelbild: shutterstock.com

Autorenfoto U4: Heiner H. Schmitt

Satz: typoscript GmbH, Kirchentellinsfurt

Druck und Bindung: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

Printed in Germany

Die Bibelverse sind folgender Ausgabe entnommen:

Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer

Rechtschreibung, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.

Kurz und bündig

Geht es Ihnen nicht auch so? Über manch einen Themenbereich würde man gerne als Normalbürger Bescheid wissen (oder muss es vielleicht sogar). Doch was die Fachleute schreiben, ist im Normalfall zu kompliziert und zu umfangreich. Wer hat schon Zeit, sich in jedes Thema wochenlang einzuarbeiten!?

Hier wollen wir Hilfestellung leisten. In Hänssler kurz und bündig geben Fachleute, die sich mit einem Thema schon seit Jahren intensiv beschäftigen, kurz und verständlich einen Überblick über das, was man wissen muss, wenn man Bescheid wissen will und mitreden können möchte.

Dabei enthält jeder Band der Reihe Hänssler kurz und bündig die folgenden Elemente:

  Fakten und Basisinformationen

  die Diskussion kontroverser Fragen

  praktische Hilfen und Hinweise zum Weiterarbeiten

All das ist so angelegt, dass der Leser sich in zwei bis drei Stunden (also etwa statt des Abendkrimis oder auf einer Zugfahrt) ein Thema in seinen Grundlagen aneignen kann. Die Anwendung im Leben oder das anschließende Gespräch mit anderen wird dann aber sicher etwas länger dauern …

Ich würde mir wünschen, dass dieser kleine Band Ihren Horizont erweitern kann und die Informationen liefert, die Sie suchen.

Thomas Schirrmacher

Vorwort des Herausgebers

Jeden Morgen wachte ich gegen 5:00 Uhr auf, beladen mit schweren Gedanken. Sämtliche Möglichkeiten, was heute und die nächste Zeit schiefgehen könnte, überfielen mich. Längst wusste ich, dass die Gedanken meist verschwanden, wenn ich einfach aufstand, aber aus unerfindlichen Gründen blieb ich liegen und wäre am liebsten gar nicht aufgestanden, wenn der Familientrubel es nicht erzwungen hätte.

Als dann das erste Mal jemand das Wort »Depression« fallen ließ, war ich beleidigt! Ich hatte mein Leben doch im Griff, war Vorbild für andere, hatte nicht viel Grund zum Klagen und überhaupt: Als Christ gab ich doch alle meine Sorgen bei Gott ab, oder? Wie viele Millionen zumindest zeitweise von Depressionen oder von Vorformen betroffen sind und wie viele unterschiedliche Arten der Depression es gibt, war mir damals nicht bewusst.

Ich bin froh, dass mich andere liebevoll angesprochen haben, dass ich akzeptieren konnte, dass jeder in eine depressive Phase fallen kann, dass ich Hilfe in Anspruch genommen habe. Heute weiß ich, dass wir einfach alle offen und ehrlich im Gespräch miteinander sein sollten, wenn wir das Gefühl haben, das Leben nicht mehr bewältigt zu bekommen.

Über Depressionen kurz und bündig zu schreiben, ist eine Herausforderung. Da ist das dicke Lehrbücher füllende notwendige Fachwissen, das allgemein verständlich dargestellt werden muss, da muss man Erfahrung im Gespräch mit den unterschiedlichsten Menschen haben, da gilt es, ein Problem, das es immer nur in individueller Ausprägung gibt, etwa in Vorträgen oder Broschüren vielen Menschen zu erläutern.

Ich bin froh, dass wir in Dr. Samuel Pfeifer einen solchen Autor gefunden haben. Als Leiter einer Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie hat er viele Menschen persönlich begleitet. Durch seine Seminare hat er vielen geholfen. Als Arzt und Christ ist er bekannt dafür, dass medizinisches und psychologisches Fachwissen sehr gut zu dem Wunsch des Seelsorgers passen, Menschen ganzheitlich und umfassend zu helfen.

Thomas Schirrmacher

I.  Leben im Schatten

Einleitung

»Wenn ich nur wüsste, was mit mir los ist!«, schrieb mir eine Frau in den mittleren Jahren. »Wenn ich aufstehe, fühle ich ein innerliches Vibrieren und eine tiefe Kraftlosigkeit. Meine ganze Kreativität ist spurlos verschwunden. Alles Planen fällt mir schwer und der Gedanke an kleinste Aufgaben erdrückt mich schon. Es ist, als würde eine Faust mein Herz umkrallen – manchmal fällt es mir schwer, tief einzuatmen. Ich wage mich nicht ›loszulassen‹, weil ich sonst sofort anfange zu weinen – ohne irgendeinen Grund! Ich funktioniere ganz gut: Haushalt, Kinder. Aber Telefongesprächen und persönlichen Begegnungen gehe ich eher aus dem Weg, weil ich zu wenig Kraft dafür habe. In die Gemeinde zu gehen, fällt mir schwer – ich hoffe dann, niemand will etwas von mir und fragt mich, wie es mir geht. Obwohl ich doch sonst Kraft aus dem Glauben schöpfe, scheint mein Gebet jetzt nur bis zur Decke zu gehen. Es ist, als hätte man mein farbiges Leben auf Schwarz-Weiß reduziert. Können Sie mir helfen?«

Depressionen sind die Krankheit unserer Zeit schlechthin geworden. Immer mehr Menschen klagen über Energielosigkeit, mangelndes Selbstwertgefühl, Niedergeschlagenheit und Hoffnungslosigkeit.

Prof. Paul Kielholz, einer der Pioniere der Depressionsforschung, schreibt dazu: »Diese Zunahme ist einerseits auf die Verbesserung der Diagnostik und der Therapien der depressiven Zustände zurückzuführen, andererseits liegen deren Ursachen in der Beziehungslosigkeit und Vereinsamung der Menschen in unserer Konsum- und Wegwerfgesellschaft.«

Der Theologe Paul Schütz bezeichnete die Schwermut als Massenerkrankung. »Die Schwermut quillt in einer Blutung, die unstillbar ist, aus jeder mit sich selbst und mit der Welt unreinen Seele.«

In der Tat zeigen die Statistiken: Jede vierte Frau unter 30 Jahren hat schon einmal mit seelischen oder körperlichen Symptomen einer Depression einen Arzt aufgesucht.

In unserer Zeit gibt es so manches neue Wort, von »Burnout« bis zum »Chronic Fatigue Syndrom«. Und doch ist Depression ein altes Phänomen, gleichsam eine Grundbefindlichkeit des Menschen in Einengungs- und Belastungssituationen. Schon in den Psalmen werden in eindringlicher Sprache depressive Symptome geschildert.

Depressionen machen auch nicht halt vor gläubigen Menschen. Die Verdunkelung der Glaubensgewissheit, die Unfähigkeit zu beten und die nagenden Schuldvorwürfe erleben sie besonders schmerzlich.

Dieses Buch soll einen Überblick über den heutigen Stand der Depressionsforschung und damit Hilfe für ein besseres Verständnis geben.

Häufigkeit und Symptome einer Depression

Depression – das bedeutet verminderte Lebensfreude, belastete Beziehungen und herabgesetzte Leistungsfähigkeit. Die Weltgesundheitsorganisation WHO spricht von »verlorenen Jahren mit Lebensqualität« (YLD). Depression ist weltweit die Hauptursache für die Einschränkung der Arbeitsfähigkeit und steht an dritter Stelle derjenigen Krankheiten, an denen die Menschen am häufigsten leiden, noch vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs – Tendenz steigend. Depressionen kommen in allen Ländern und Kulturen vor – über 120 Millionen Menschen sind davon betroffen. Die folgenden Zahlen zeigen etwas von der Häufigkeit: 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung fühlen sich an einem beliebigen Stichtag depressiv. Drei Prozent erkranken im Verlauf eines Jahres an einer schweren Depression. Und ca. 0,6 Prozent erkranken im Verlauf ihres Lebens an einer manisch-depressiven Störung (vgl. Seite 29).

Frauen sind drei- bis viermal häufiger von einer Depression betroffen als Männer. Die Gründe sind vielfältig: Sind sie sensibler? Hatten sie eine schwierige Kindheit? Sind sie eher bereit, über ihre Gefühle zu reden, während die Männer ihren Zustand mit Arbeit (oder Alkohol) überdecken? Sind sie vermehrt von ihrem hormonellen Zyklus abhängig? Oder leiden sie an der Mehrfachbelastung von Familie, Haushalt und Arbeit? Schon diese wenigen Fragen zeigen etwas von der Vielgestaltigkeit möglicher Ursachen zwischen Persönlichkeit (Temperament), Familiengeschichte, biologischen Gegebenheiten und Belastungen des Alltags.

Vier Basissymptome

Wir unterscheiden vier große Basissymptome:

A.  Die depressive Verstimmung der Gefühle

Freudlosigkeit, tiefe »vitale« Traurigkeit, innere Unruhe und Angst, Reizbarkeit, Gefühl der Leere, Entmutigung, Schuldgefühle, Hoffnungslosigkeit, Gefühl der Gefühllosigkeit und Abstumpfung.

B.  Störungen des Denkens

Allgemeine Verlangsamung, depressive Gedankeninhalte (negative Sicht von sich selbst, der Umwelt und der Zukunft), »kognitive Denkfehler« (vgl. kognitive Verhaltenstherapie), Grübeln, Entschlussunfähigkeit, Konzentrations- und Gedächtnisprobleme, in schweren Fällen depressive Wahnideen (groteske Vorstellungen der Verarmung, der Versündigung und des Versagens).

C.  Motorische Störungen

Bewegungsarmut, depressive Erstarrung, Verlangsamung, Maskengesicht, hängende Schultern. Oder aber: äußerlich sichtbare Unruhe (»sich die Haare raufen«), Getriebenheit, leerer Beschäftigungsdrang.

D.  Körperliche/vegetative Störungen