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   Dr. med. Samuel Pfeifer– Der sensible Mensch– Leben zwischen Begabung und Verletzlichkeit– SCM Hänssler

Ich widme dieses Buch

den hochsensiblen

und feinfühligen Menschen,

die mir Anteil an

ihrem Leben und Leiden

gegeben haben.

Einleitung

Auf dünnem Eis

Wer seelisch leidenden Menschen aufmerksam zuhört, der wird immer wieder einen Satz heraushören: »Ich bin so sensibel!« Ein junger Mann sagte mir einmal: »Ich gehe wie auf dünnem Eis. Es ist wie bei einem Teich, auf dem sich gerade die erste feine Eisschicht bildet. Schon eine Fliege kann sie zum Bersten bringen!« Immer wieder glänzte»Die erhabene
und
beklagenswerte
Familie der
sensiblen
Menschen ist das
Salz der Erde.«

MARCEL PROUST
in seinen Augen eine Träne. Es war so anstrengend für ihn, sich nichts anmerken zu lassen, im Beruf seine Leistung zu bringen, gegenüber Mädchen die Fassung zu bewahren. Jede kritische Bemerkung bestätigte sein Gefühl, ein Versager zu sein. Er zweifelte an sich selbst und konnte kaum glauben, dass andere ihn gern hätten. »Meine Stimmung ist wie ein Kippschalter. Schon ein schiefer Blick lässt bei mir das Licht ausgehen, und dann ist alles blockiert. Mein Leben ist überschattet von Angst. Der Chef ist zwar freundlich, aber wie lange noch? – Ich habe eine tolle Chance am Arbeitsplatz, aber werde ich es schaffen? – Diese Ängste sind so lähmend, sie nehmen mir alle Energie. Es ist so schwer, das in Worte zu fassen. Da bebt und zerrt es in mir, bis ich die ersten Worte über die Lippen bringe.«

Sensible Menschen gehen auf dünnem Eis, nicht nur innerlich. Sie müssen auch nach außen ständig etwas vorspielen, denn Schwachheit ist nicht »in«, übermäßige Sensibilität ist nicht »cool«. Unsere Kultur hebt Menschen aufs Podest, die etwas leisten, die lustig sind, Gewinnertypen, Leute mit Ausstrahlung, hart im Nehmen. Sensible scheinen nicht in diese Welt zu passen.

Doch die Starken wissen nicht, was sie gerade den sensiblen Menschen verdanken. Sensibilität ist nicht nur eine Last. Eine erhöhte Empfindsamkeit ist auch eine Gabe. Der bekannte französische Dichter Marcel Proust hat einmal geschrieben: »Die erhabene und beklagenswerte Familie der sensiblen Menschen ist das Salz der Erde.« Sie werden Ihnen in diesem Buch begegnen: bekannte Maler und Dichter, großartige Künstler oder die unvergessliche englische Prinzessin Diana. Sie alle führen uns vor Augen, dass sensible Menschen enorm wertvoll sind, eine notwendige Balance zu den Starken in dieser Welt.

Sensible Menschen sind begabt und belastet. Einerseits ist Empfindsamkeit ein wertvolles Element der Ganzwerdung des Menschen. Wenn sie aber entgleist, so kann sie zur Übersensibilität werden, die es den Betroffenen schwer macht, das Leben zu genießen und sich in reifer Weise in Beziehungen einzubringen. Erschöpfbarkeit und Gefühlsschwankungen führen zu inneren Nöten, die andere nur schwer verstehen können. Nicht selten ist auch das Glaubensleben von Ängsten, Depressionen und Zweifeln überschattet. Sensibilität ist ein Bild für das weiche Wachs der Seele, in der schon jede zufällige Bewegung Spuren hinterlässt und jeder Schlag tiefe Schrunden reißt, ein Bild für die Intensität der Gefühle und die Verletzlichkeit des Empfindens.

In meiner Suche nach Literatur zu diesem Thema war ich überrascht, wie wenig ich fand.1 Sind die Übersensiblen eine solche Minderheit, dass man sie nicht wahrnimmt? Als wir von unserer Klinik aus ein Seminar zum Thema anboten, waren wir verblüfft über die enorme Resonanz. Schließlich entstand ein Seminarheft mit dem Thema »Der sensible Mensch und seine Lebensnöte«. Seither erhalte ich immer wieder E-Mails oder Briefe von Menschen, die sich angesprochen fühlen:

»Endlich, endlich habe ich eine Antwort auf mein Verhalten bekommen. Ob auch das darin passt, dass ich überhaupt nicht fernsehen kann, seit meiner Kindheit? Ich kann gespannte Situationen nicht aushalten. Wenn ich Bücher lese, muss ich oft weinen dabei, wenn es sehr traurig ist. Ständig bin ich erschöpft, selbst beim normalen Fahrradfahren oder auf Bergwanderungen. Psychisch habe ich sehr große Schwankungen. Sehr viele Hemmungen, in Menschenmengen zu gehen zum Beispiel, oder auch einfach unbekannte Menschen. Sehr oft auch traurige Stimmung, das Traurige zieht mich immer an. Ich habe Mitleid mit jeder Kreatur, sei es nur eine Schnecke. Überhaupt habe ich keine Lebensfreude, weil diese überschattet ist von Angst, Zweifel und Weltschmerz.«2

Mosaik der Sensibilität

Allmählich bildete sich ein Mosaik der Sensibilität, das zunehmend an Kontur gewann. Im obigen Brief tönt schon etwas an, was uns in diesem Buch auch beschäftigen wird: Sensibilität ist zwar keine Krankheit, aber sie erhöht die Empfindlichkeit und kann zu Ängsten und Depressionen führen, die das Leben massiv einschränken. Die Besonderheiten der psychischen Probleme sensibler Menschen beschäftigen mich als Arzt natürlich oft. Es geht ja nicht nur um eine Feinfühligkeit, sondern auch um ein »zartes Nervenkostüm«, wie es im Volksmund heißt. Leib und Seele sind gerade in der Sensibilität eng miteinander verwoben. Wie kann man das Leiden sensibler Menschen besser verstehen? Wie können sensible Menschen so mit ihren Kräften umgehen, dass sie nicht krank werden?

Diese Fragen sind auch wesentlich für Seelsorgerinnen und Seelsorger: In der Beschäftigung mit sensiblen Menschen ist die innere Haltung des Therapeuten und Seelsorgers von wesentlicher Bedeutung. Können die Betroffenen ein inneres Mitfühlen spüren – auch in den Fällen, wo die Sensiblen ihr Leben nicht im Griff haben, wo sie sich in ihrer Suche nach Schutz und Bewältigung in störendes oder selbstschädigendes Fehlverhalten flüchten?

Seelsorger und Therapeutinnen3 sind oft gefangen in ihrer therapeutischen Schule. Geht es ihnen nur um Ursachensuche und Problembewertung, um »Neurose« und »Abwehrmechanismus«, oder spüren die Ratsuchenden etwas von einem existenziellen Offensein, Mitleiden, Mittragen und Begleiten, auch ohne letzte Antworten?4 Aus diesem Grund sollen durchgehend Fallbeispiele das Gesagte illustrieren. Nicht alle Beispiele sind von meinen eigenen Patienten. Manchmal ziehe ich es vor, bereits veröffentlichte Fallbeispiele zu zitieren, selbst wenn ich eigene ähnliche Beobachtungen gemacht habe. Gleichzeitig unterstreichen derartige Zitate, dass hier nicht eine neue Problematik herbeigeredet wird, sondern vielfältige Beobachtungen in der Literatur bestehen, die bisher nur selten zu einem Ganzen verwoben wurden.

Das Ziel, ein lesbares Buch zu schreiben, fordert Einschränkungen. Manche Fachleute werden von diesem Buch enttäuscht sein, weil es nicht umfassend genug ist oder weil es nicht einfach an herkömmliche Neurosenlehren anknüpft. Wer umfangreiche Kriterienkataloge für jede mögliche Störung sucht, sei auf die entsprechende Fachliteratur verwiesen.

Mein Hauptanliegen ist es, auf die sensiblen Menschen selbst zu hören, ihre Geschichten ernst zu nehmen und gemeinsame Elemente darin zu finden. Ich möchte ausgetretene Wege der Psychologie verlassen und dennoch immer wieder den Bezug zur Fachliteratur herstellen – gerade weil es mein Anliegen ist, sensiblen Menschen Wege zur Bewältigung und zur Behandlung aufzuzeigen.

Natürlich liegt auch eine Gefahr im Lesen eines solchen Buches: Es werden so viele Saiten angeschlagen, Auffälligkeiten und Charakterzüge angesprochen, die Sie auch bei sich selbst wahrnehmen. Denken Sie immer daran: Sensibilität an sich ist keine Krankheit, sie ist eine Anlage, die Ihr Leben prägt. Manchmal müssen wir lernen, mit Unvollkommenheiten und Besonderheiten der Persönlichkeit zu leben, ohne gleich in eine Therapie zu streben. Dieses Buch soll Ihnen Mut machen, sich den eigenen Kämpfen und Konflikten zu stellen, darüber nachzudenken, vielleicht die ganze Problematik der übermäßigen Sensibilität auch im Gebet mit Gott zu besprechen. Und es ist mein größter Wunsch, dass Sie die Erfahrung machen, wie sich Türen öffnen und Wege zeigen, die Sie vielleicht bis jetzt noch nicht beschritten haben.

Riehen, im Frühjahr 2002Dr. med. Samuel Pfeifer

Kapitel 1

Sensibilität –
was ist das eigentlich?

Anita ist eine hübsche junge Frau. Die 26-jährige Kindergärtnerin wird von vielen beneidet. Sie fährt ein kleines Sportauto und ist immer gut angezogen. Doch Anita ist auch bekannt als »schwierig«. Keiner kommt wirklich an sie heran, keiner weiß eigentlich, wer Anita ist. Im Gottesdienst sitzt sie immer in der hintersten Reihe am Rande der Bank. Und meistens verschwindet sie noch während des letzten Liedes.

»Ich habe Angst unter so vielen Leuten; sie erdrücken mich schier«, sagt Anita im Gespräch. »Ich brauche alle meine Kraft, um überhaupt zu existieren. Mein Leben gleitet mir zunehmend aus der Hand. Ich bin der Arbeit mit den Kindern nicht mehr gewachsen. Jedes Telefonat mit der Mutter eines Kindes macht mir Herzjagen, Durchfall und schlaflose Stunden.«

Anita träumt eigentlich von einer Familie. Aber der richtige Mann sei ihr noch nicht begegnet. Vordergründig erscheint sie manchmal kontaktfreudig, fast kokett. Sie lässt sich gerne einladen und freut sich an schönen Geschenken. Einen flüchtigen Kuss, eine Umarmung, das hält sie gerade noch aus; doch wenn ein Mann ernsthafte Absichten äußert, dann bekommt sie Angst und löst die Beziehung auf.

Nachts hat sie oft Angstträume: Sie steht irgendwo ganz allein an einem dunklen Fluss, hinter ihr hohe Felsen. Manchmal sieht sie Schlangen züngeln, Raubtiere fletschen die Zähne. Oft ist sie auf der Flucht, fällt ins Nichts und wacht schweißgebadet auf.

Im Gespräch klagt sie: »Ich habe einfach keine Energie, ich kann nicht mithalten mit den andern. Es kostet so viel Kraft, die Fassade aufrecht zu erhalten. Ich bin einfach zu sensibel, ständig am Rande meiner Kräfte.«

Anita hat gelernt, mit ihren Grenzen zu leben. »Aber es ist hart«, sagt sie. »Ich fühle mich oft so überwältigt von allem, was auf mich einstürmt. Und dann brauche ich einfach Zeit für mich, Zeit, um wieder ruhig zu werden. Selbst schöne Dinge werden mir zur Belastung. Ich gehe schon jahrelang nicht mehr ins Kino. Die intensiven Bilder gehen mir so zu Herzen und bewegen mich noch nach Wochen.«

»Überwältigt von allem, was auf mich einstürmt« – diese Aussage ist zentral für das Erleben sensibler Menschen. Die amerikanische Psychologin Elaine N. Aron spricht von den »Hochsensiblen«, denen es von Natur aus schwerer fällt, Sinneseindrücke zu verarbeiten, einzuordnen und abzulegen.1 Doch sie nehmen die Umwelt auch viel intensiver und schöner wahr, als der weniger sensible Teil der Menschheit. Was meinen Menschen also, wenn sie sagen: »Ich bin so sensibel!«? Tabelle 1 zeigt sowohl positive als auch negative Aussagen.

Tabelle 1: »Ich bin sensibel!«

Positive AspekteNegative Aspekte

feinfühlig

überempfindlich

intensives Empfinden

verletzlich (vulnerabel)

tiefes Wahrnehmen und Erleben

liest (und spürt) zwischen den Zeilen

angesprochen von der Schönheit in Natur, Kunst, Musik, Dichtung, Film

denkt zu viel nach

introvertiert und schüchtern

ängstlich

intuitive Wahrnehmung

nicht belastbar/keine Reserven

nicht unberührt vom Leid anderer Menschen

schnell an meinen Grenzen

mir kommt alles zu nah

empfänglich für das Übernatürliche

ich kann mich nicht wehren

  

oft so überwältigt, dass ich nichts mehr sagen kann

 

Neigung zur Überreaktion

 

rasch gereizt, verstimmt

 

Gefühle schlagen mir rasch auf den Magen

Tabelle 2: Ein Test für Sensibilität (nach E. N. Aron2)

1. Ich nehme feine Veränderungen in meiner Umgebung wahr.

2. Die Stimmungen anderer Menschen beeinflussen mich.

3. Ich reagiere eher empfindlich auf körperlichen Schmerz.

4. Ich habe an geschäftigen Tagen das Bedürfnis, mich zurückzuziehen – entweder in ein dunkles Zimmer oder an einen anderen Ort, wo ich allein sein kann.

5. Auf Koffein reagiere ich heftiger als viele andere Menschen.

6. Ich fühle mich schnell überwältigt von Dingen wie grellen Lichtern, starken Gerüchen, rauen Textilien auf meiner Haut oder Sirenen (Polizei, Krankenwagen) in meiner Nähe.

7. Laute Geräusche bereiten mir Unbehagen.

8. Kunstvolle Musik bewegt mich tief.

9. Manchmal liegen meine Nerven derart blank, dass ich nur noch alleine sein möchte.

10. Ich bin ein gewissenhafter Mensch.

11. Ich bin schreckhaft.

12. Es bringt mich leicht aus der Fassung, wenn ich in kurzer Zeit viel erledigen muss.

13. Wenn andere Menschen sich in einer Umgebung unwohl fühlen, weiß ich eher als manch andere, was notwendig ist, um Wohlbefinden herzustellen (z.B. durch eine Veränderung der Beleuchtung oder der Sitzordnung).

14. Ich werde ärgerlich, wenn man von mir erwartet, zu viele Dinge gleichzeitig zu tun.

15. Ich gebe mir große Mühe, Fehler zu vermeiden oder nichts zu vergessen.

16. Fernsehsendungen und Spielfilme mit Gewaltszenen meide ich.

17. Ich fühle mich unangenehm erregt, wenn sich um mich herum viel abspielt.

18. Hungergefühle stören nachhaltig meine Konzentration und beeinträchtigen meine Stimmung.

19. Veränderungen in meinem Leben treffen mich sehr heftig.

20. Ich bemerke und genieße feine Düfte, Geschmäcker, Klänge oder Kunstwerke.

21. Ich empfinde es als unangenehm, wenn ich mich mit mehreren Dingen gleichzeitig beschäftigen muss.

22. Für mich ist es sehr wichtig, mein Leben so zu organisieren, dass ich Situationen vermeide, in denen ich mich ärgern muss oder die mich überwältigen.

23. Laute Geräusche, chaotische Szenen und ähnlich starke Reize stören mich.

24. Wenn ich mit anderen Menschen konkurrieren muss oder beobachtet werde, während ich eine Aufgabe erfülle, macht mich das so nervös und unsicher, dass ich weitaus schlechter abschneide als ich eigentlich könnte.

25. Als Kind haben meine Eltern und Lehrer mich als sensibel oder schüchtern angesehen.

Hinweise zur Auswertung: Wenn Sie 12 oder mehr Fragen mit Ja beantworten, so haben Sie wahrscheinlich eine sensible Grundstruktur. Allerdings ist der Test nicht ein exaktes Messinstrument, sondern eher eine Hilfe, diejenigen Erfahrung zu beschreiben, die zur Sensibilität gehören.

In die Schönheit mischt sich Schmerz

Rainer Maria Rilke3 hat einmal eindrücklich das sensible Gehör eines blinden Menschen beschrieben:

»Und mein Gehör war groß und allem offen.

Ich hörte Dinge, die nicht hörbar sind:

Die Zeit, die über meine Haare floss,
die Stille, die in zarten Gläsern klang, und fühlte:
nah bei meinen Händen
ging der Atem einer großen weißen Rose.«

Diese Reizoffenheit kann etwas Wunderschönes sein und ermöglicht gerade Sensiblen eine tiefe Erfahrung von Klängen, Kunst und Düften, eine intensive Berührung durch Musik, die den weniger Sensiblen verschlossen ist. »Manchmal erlebe ich die Dinge so intensiv, dass ich ganz überwältigt bin«, erzählt eine junge Frau. »Wenn mich dann andere ansprechen, bin ich einfach sprachlos, ringe nach Worten. Es ist, als ob die Musik nachklingen würde. Aber in die Schönheit mischt sich der Schmerz. Ich kann nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, ich brauche Zeit zur Verarbeitung. Und das verstehen andere dann gar nicht. Sie wollen nach dem Konzertbesuch noch in ein Restaurant, wollen reden, lachen, den Abend genießen. Dann fühle ich mich wie ein Fremdkörper.«

Gehen wir doch einmal die verschiedenen Sinneswahrnehmungen durch. Der deutsche Psychiater Klages4 hat in seinem Buch »Der sensible Mensch« schon auf die Überempfindlichkeit der Sinne hingewiesen und sie systematisch geordnet. Ein wesentliches Element scheint die übermäßige Geräuschempfindlichkeit zu sein. Sensible Menschen leiden übermäßig unter Lärm im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Nicht umsonst sagt man von manchen, sie »hörten das Gras wachsen«.

Wo Musik schön ist, da ist Lärm quälend, da werden auch Geräusche zu Lärm, die andere kaum wahrnehmen, weil ihr »Filter« sie einfach ausblendet. Dies kann weitreichende Auswirkungen haben.

Ein Beispiel: Weil die Mutter den Straßenlärm zunehmend unerträglich findet, zieht eine Familie von der Stadt aufs Land in ein ruhig gelegenes Mehrfamilienhaus, ganz oben, mit wunderbarem Blick auf die umliegenden Hügel. Doch schon bald macht sich ein neues Geräusch bemerkbar. Der Ehemann erzählt: »Zu jeder Tages- und Nachtzeit begann plötzlich ein Brummen und Rauschen hinter einer Wand. ›Was ist das?‹, fragte meine Frau. Sie tigerte in der Wohnung herum, legte das Ohr an jede Wand. Sie stellte die Musik ab, um es besser hören zu können – und ich spürte, wie ihre Anspannung stieg.« Bald war die Quelle geortet: Im Dachboden war ein Ventilator für die Küchenentlüftung aller Wohnungen eingebaut. Das bedeutete weniger Lärm in den unteren Wohnungen, aber umso mehr Geräusche für die Mieter der obersten Wohnung. »Sollen wir schon wieder umziehen? Meine Frau läuft jetzt den ganzen Tag mit einem Ohrenschutz in der Wohnung herum. Sie kann nichts genießen, will auch nicht Musik anschalten, um das Geräusch zu überdecken. Jetzt ist sie sogar aus unserem Schlafzimmer ausgezogen, weil es in einem anderen Zimmer etwas ruhiger sei.«

Manchmal fängt die traumatische Erfahrung mit Lärm schon früh an. Eine junge Frau erzählte mir: »In unserem Haus war immer Lärm. Man kam nicht zur Ruhe. Meine Brüder stritten sich, balgten am Boden, warfen Stühle um. Das alles machte mir Angst. Und wenn ich abends im Bett lag, dann war da der Lärm des Fernsehers: Motorengeheul, befehlende, barsche Männerstimmen, Schüsse, verzweifelte Schreie, die durch hektische Filmmusik abgelöst wurden. So konnte man nicht schlafen … An manchen Tagen entfloh ich unserer Wohnung und versteckte mich in einer Abstellkammer unter dem Dach, oder ich kletterte auf einen Baum, wo ich ganz für mich war.«

Düfte als Tor der Erinnerung

»Jeder Geruch ist die Überschrift eines Lebenskapitels«, schrieb einmal der deutsche Schriftsteller Werner Bergengruen. Bei übersensiblen Menschen können Geruchs- und Geschmackssinn bis zu tausendmal feiner ausgeprägt sein. Ganz eindrücklich wird die Vielfalt der Gerüche in dem preisgekrönten Roman von Patrick Süßkind, »Das Parfum«5 geschildert. Offenbar besteht eine enge Koppelung zwischen Sinneswahrnehmung und inneren Empfindungen. Denken Sie einmal an die Gerüche zurück, die Ihr Leben begleitet haben. Denken Sie an den wohligen Geruch von frischer Wäsche oder den steril-stechenden Geruch, wie er früher in vielen Krankenhäusern herrschte.

Der Literaturnobelpreisträger Elias Canetti beschrieb einmal folgende Szene, die er mit seiner Mutter erlebt hatte: »Den Sommer zuvor waren wir in Seelisberg gewesen, auf einer Terrasse hoch über dem Urner See. Da stiegen wir oft mit ihr durch den Wald zur Rütliwiese hinunter, anfangs Wilhelm Tell zu Ehren, aber sehr bald, um die stark duftenden Zyklamen zu pflücken, deren Geruch sie liebte. Blumen, die nicht dufteten, sah sie nicht, es war als ob sie nicht existierten, umso heftiger war ihre Passion für Maiglöckchen, Hyazinthen, Zyklamen und Rosen… Von der Rütliwiese war sie hingerissen: Kein Wunder, dass die Schweiz hier entstanden ist! Unter diesem Zyklamengeruch hätte ich alles geschworen. Die haben schon gewusst, was sie verteidigen! Für diesen Duft wäre ich bereit, mein Leben hinzugeben.«6 Oder hören wir auf Wolfgang Borcherts Beschreibung eines Gewitters7: »Und es roch nach Angst … Die engen, endlosen Straßen rochen nach Menschen, Topfblumen und offenen Schlafzimmerfenstern …«

So entstehen aus den Gerüchen plötzlich innere Bilder vor Ihren Augen, die Sie vielleicht lange vergessen haben; nicht nur Bilder, sondern auch Gefühle – gute und schlechte. Da sagt jemand: »Ich gehe nicht mehr in meine Kirche, weil es dort so unangenehm kühl riecht. Ein starker Geruch kann alles an Gefühl in mir abtöten.«8 Die Düfte werden zum Tor der Erinnerungen, die eine Person als Ganzes stark beschäftigen, ja sie können sie bis in den Traum verfolgen. Umgekehrt sagt man im übertragenen Sinne von einer Person: »Ich kann sie nicht riechen!«

Dies kann sich bis zum Ekel steigern, diesem innerlichen Aufbäumen gegen Dinge und Sinneseindrücke, die durch die eigenen, oft sehr einzigartigen Lebenserfahrungen geprägt sind. Problematisch wird die Geruchsempfindung bei übersensiblen Menschen, wenn sie sich die Frage stellen, ob vielleicht Umweltgifte oder Elektrosmog ihre Gesundheit beeinträchtigen. Dann steigert sich die Wahrnehmung für derartige Substanzen bis um das 1000-fache mit fatalen Folgen für das Wohlbefinden.9

Auch die Geschmacksempfindung ist bei Sensiblen verstärkt und zuweilen mit starken Gefühlen verbunden. Der hochsensible Dichter Marcel Proust konnte seitenweise über seine Eindrücke und Gefühle beim Essen nachdenken. Geradezu berühmt sind seine Betrachtungen über den Geschmack des Teegebäcks »Madelaine«, das in ihm »ein unerhörtes Glücksgefühl«, »eine mächtige Freude« auslöste. »Ich fühlte, dass sie mit dem Geschmack von Tee und Kuchen in Verbindung stand, aber darüber hinaus ging …« Dann tauchte das Bild seiner Tante auf, die ihm als Kind Tee und Kuchen serviert hatte, das alte graue Haus, wo sie wohnte, nahm in ihm Gestalt an »wie ein Stück Theaterdekoration«.10

Die große Empfindlichkeit beim Schmecken und beim »Abschmecken« kann sowohl Genuss als auch Qual bedeuten. Verschiedene Zitate von Klages belegen dies eindrücklich: »Den süßen, fast bitteren Geschmack von Honig vertrage ich nicht. Er lähmt geradezu meine Zunge, und ich empfinde den Geschmack so intensiv, dass es mich quält.« – »Den Geschmack von Erdbeeren finde ich so umwerfend schön … Es ist eine eigentümliche Art von Süße, die ich mir auch sofort ganz lebendig vorstellen kann. Dann tritt die Erinnerung von unbeschwerten Tagen im Sommer in unserem großen Garten für mich auf.«

Heftiges Erleben von Farben und Formen

Der Gesichtssinn, also die Wahrnehmung von Bildern, Farben und Formen mit dem Auge, ist ein weiterer Bereich, der bei Sensiblen stark ausgebildet ist. Eine Künstlerin berichtete einmal begeistert, wie ihre schwefelgelben Kunstwerke entstanden waren: »Wenn ich Gelb sehe, dann beginnt es in mir zu vibrieren!« Bei einer Ausstellung des amerikanischen Malers Marc Rothko mit seinen großformatigen Farbtafeln herrschte in dem lichtdurchfluteten Museum vor den fünfzig Jahre alten Bildern »eine wunderbare Ruhe, ja Andacht«, so der Kurator.11 Und der Kunstkritiker schrieb: »Die Sensibilität ist auf dieser Erde offenbar wacher und erlebnisbereiter, als Kulturpessimisten glauben.«

Immer wieder wird vom heftigen Erleben von Farben und Formen berichtet, die starke Assoziationen auslösen können. Ich erinnere mich noch gut, wie ich mit einer Patientin über ein Bild sprach, das sie gemalt hatte. Da ging eine schemenhafte Figur gebeugt durch eine karge Winterlandschaft, umgeben von kahlen Bäumen. Die winterblasse Sonne warf einen langen Schatten, doch dessen Farbe war nicht etwa blaugrau, wie man erwartet hätte, sondern rot. Ich fragte nach der Bedeutung der Farbgebung, und die Patientin wurde immer wortkarger. Schließlich presste sie hervor: »Das ist Blut …« Dahinter stand eine lange tragische Geschichte, die die Farbe des Schattens wieder hervorgeholt hatte.

Manchmal besteht eine allgemeine Lichtüberempfindlichkeit (»ich fühle mich schnell überwältigt von grellen Lichtern«). Nachdem eine Frau in ihr neu erbautes Haus auf dem Land eingezogen war, erlebte sie das Licht ganz eigenartig: »Wenn die Sonne durch die großen Fenster hereinscheint, dann fühle ich mich richtig gehend geblendet. Aber nachts ist der Himmel pechschwarz und erdrückt mich fast.« Bei Migräne ist Lichtüberempfindlichkeit gut bekannt. Eine Frau bat mich einmal, die Lichter in meinem Büro möglichst herunterzudrehen: »Ich kann Licht nicht mehr ertragen. Kaum trifft es mein Auge, überfällt mich die Migräne, und ich bin zu nichts mehr zu gebrauchen.« Doch oft ist diese Überempfindlichkeit auch verbunden mit einer allgemeinen seelischen Sensibilität. Die Sonnenbrille ist dann eine Form, sich das Licht und die Welt als Ganzes im übertragenen Sinne »vom Leibe zu halten«, weil einem alles zu nahe kommt.

 
DIE PRINZESSIN AUF DER ERBSE
Das klassische Beispiel für den übersensiblen Tastsinn ist im Märchen von Hans Christian Andersen zu finden. Da wollte ein Prinz eine wirkliche Prinzessin heiraten. Aber wie kann sie beweisen, dass sie eine wirkliche Prinzessin ist? »Ja, das werden wir schon erfahren!«, dachte die alte Königin, aber sie sagte nichts, ging in die Schlafkammer hinein und legte eine Erbse auf den Boden der Bettstelle. Dann nahm sie zwanzig Matratzen, legte sie auf die Erbse und dann noch zwanzig Eiderdaunendecken oben auf die Matratzen. Hier sollte nun die Prinzessin die ganze Nacht über liegen. Am Morgen wurde sie gefragt, wie sie geschlafen hätte. »Oh, entsetzlich schlecht!«, sagte die Prinzessin. »Ich habe fast die ganze Nacht kein Auge geschlossen. Gott weiß, was in meinem Bett gewesen ist.«
 

Schließlich ist da auch noch der Tastsinn, der so wichtig ist für die Kontaktaufnahme mit der Umwelt. Denken Sie an die unterschiedliche Wahrnehmung von zarter Seide oder der rauen Oberfläche eines kratzigen Frottiertuches. Oder vergleichen Sie die warme, glatte Oberfläche einer Holzbank mit der kühl-feuchten Haut einer Schlange. Wie unterschiedlich sind da die Gefühle! Wir brauchen den Tastsinn für unsere Sicherheit, und es erstaunt nicht, dass der Tastsinn in unserem Gehirn ein vergleichsweise großes Areal besetzt.

Mit unserem Tastsinn nehmen wir auch Kontakt mit anderen Menschen auf. Wie vielfältig sind die Botschaften, die wir durch Berührungen übermitteln! Die zärtliche Berührung ist gerade für Verliebte so wichtig. Übersensible Menschen können Berührungen enorm intensiv erleben, im positiven wie im negativen Sinn.

Und wenn eine Beziehung zwischen Mann und Frau in der Krise ist, hört man nicht selten: »Ich halte es nicht aus, wenn er mich auch nur leicht berührt! Es kommt mir alles so nah!« Eine Frau schilderte dieses Gefühl auch in einer intakten Ehe: »Wenn mein Mann mich auf der Haut berührt, ist es mir unsympathisch, obwohl wir uns gut verstehen und eine gute Ehe führen. Es ekelt mich einfach an, ich mag nicht an meiner Haut berührt werden. Eine noch so wohl gemeinte Berührung lässt mich erschauern und über die ganze Haut rieseln. Das Einzige sind meine beiden kleinen Kinder, bei denen ich dieses Gefühl nicht habe.«12

Ein letzter Begriff im Bereich der Sinneswahrnehmung bedarf noch der Erwähnung, die Synästhesie. Mit diesem Wort wird das Hinüberwirken von Sinneseindrücken in andere Sinnesgebiete umschrieben. So berichtete mir ein sensibler Mann, wie das Betrachten der Kirchenfenster von Marc Chagall bei ihm das innere Hören von Bach-Musik auslöste. Vincent van Gogh wollte durch seine Bilder lebendig machen, was die Menschen fühlten; wie es riecht, wo die Menschen leben. So schreibt er zu seinem Bild »Die Kartoffelesser«: »Wenn ein Bauernbild nach Schinken, Rauch und Kartoffeldampf riecht, dann ist das nicht ungesund; … wenn ein Feld den Geruch von Korn oder Kartoffeln oder von Mist hat, dann ist das gesund, besonders für die Stadtmenschen. Solche Bilder lehren sie etwas. Ein Bauernbild braucht kein Parfüm.«13

Ringen nach Worten

Sensible Menschen ringen oft intensiv mit sich selbst und mit der Frage, wie sie in Worte fassen sollen, was sie bewegt. Klages hat eindrücklich das Gespräch mit einer selbstunsicheren Patientin geschildert: »Sie war mittelgroß, zierlich und schmal gebaut, mit weit aufgerissenen, ängstlich wirkenden braunen Augen. Die ganze Erscheinung wirkte verängstigt, ein leichtes, fast fröstelnd wirkendes Zittern lief über den Körper. Die Worte wurden vorsichtig gesetzt, etwas zögernd, misstrauisch. Oft wurden sie wieder zurückgenommen, korrigiert, neu eingefügt. Der Eindruck der Selbstunsicherheit entstand. Die Stimme war leise, oft fast flüsternd. Es entstanden lange Schweigepausen. Scheu und zaghaft nahm sie auf dem Stuhl Platz, mehr auf einer Seite des Stuhles sitzend. Klingelte das Telefon im Untersuchungszimmer, schrak sie zusammen. Die Kleidung war sehr gepflegt und akkurat mit Formund Stilgefühl. Bei Besprechungen mit dem Arzt gab sie gerne eine paar Notizen ab, sie schrieb lieber, als dass sie sprach. Am liebsten schwieg sie.«14 Die Beschreibung erinnert mich an so manche Patientin, die ich über die Jahre gesehen habe.

Dazu gehört auch der pathologische Schreckreflex auf Geräusche, Licht, Berührung. Immer wieder schildern sensible Menschen ihre übermäßige Schreckhaftigkeit und das starke Bedürfnis nach Sicherheit, nach einem Umfeld, wo es keine unangenehmen Überraschungen gibt.

Hektik, Gewalt und Leiden – die großen Themen in Kinofilm und Fernsehen sind für sensible Menschen nur schwer erträglich. Eine Frau schilderte mir dies eindrücklich: »Mein Mann konnte noch nie mit mir ins Kino gehen, und auch zu Hause kann ich nicht mit ihm und den Kindern fernsehen, weil es immer spannende Situationen gibt, auch in gewöhnlichen Familienfilmen. Und wenn ich etwas sehe oder höre, geht mir das noch lange nach. Einmal sah ich ein Bild von einem Mann, den sie ersticken wollten (mein Mann schaute den Film), das ist sicher schon drei Jahre her und immer noch in mir drin. Ich spüre diese Angst in kritischen Situationen durch den Fernseher durch, aus dem Buch heraus, es ist, als sei ich mitten im Geschehen drin. Ich bin auch sehr schreckhaft, kann mich manchmal sehr schlecht ausdrücken, und abends bin ich oft sehr, sehr kaputt, ausgepumpt, müde.«

Sensible Menschen leiden oft auch daran, dass sie von den Nöten der Menschen übermäßig angesprochen sind. »Die kleinsten Regungen in den Herzen meiner Lieben lassen mich aufhorchen«, schreibt eine sensible Frau. Selbst Zeitungsmeldungen oder Fernsehnachrichten werden intensiv erlebt. Ihr Mitfühlen wird zu einer persönlichen Betroffenheit, die tiefen Schmerz auslösen kann.

»Wenn ich das Bild eines hungernden Kindes sehe«, erzählte mir eine Frau, »dann lassen mich seine traurigen Augen nicht mehr los. Es tut mir fast körperlich weh, und oft schlafe ich schlecht. Mein Bruder lacht mich aus und sagt, es sei doch nur ein Foto, aber ich kann das nicht so einfach abtun. Ich habe auch Mühe damit, wenn ich weiß, dass jemand in meiner Umgebung krank ist oder deprimiert. Das zieht mich auch hinunter. Ich schäme mich, das zu sagen, aber ich gehe dann meinen Bekannten sogar aus dem Weg, einfach weil ich nicht weiß, wie ich ihnen begegnen soll.«

Sensibilität und Heimweh

Ein besonderes Zeichen für seelische Sensibilität ist das Heimweh.15 Dieses eigenartige Gefühl kennen viele sensible Menschen, nicht nur aus der Kindheit. Ich denke da an einen jungen Mann aus dem Berner Oberland. Vielleicht kennen Sie die Gegend: Die an die Hänge geschmiegten Häuser mit ihren ausladenden schützenden Dächern strahlen eine tiefe Geborgenheit aus. Und nun gingen die Eltern mit dem damals 14-Jährigen in die Ferien ans Meer, weit weg von daheim.

Er erzählte: »Einmal in den Ferien erlebte ich etwas ganz Eigenartiges. Ich war so angespannt, dass ich einfach nicht mehr aufs WC gehen konnte. Mehr als eine Woche hatte ich keinen Stuhl. Gleichzeitig wuchs in mir eine derartige Sehnsucht nach daheim, dass es mir Angst machte. Es war nicht die Sehnsucht nach den Eltern – die waren ja bei mir – es war etwas anderes, das sich nur schwer in Worte fassen ließ – eben Heimweh. Schließlich erlaubten mir meine Eltern, nach Hause zu reisen.

Kaum war ich daheim angelangt, löste sich allmählich die Anspannung; und dann überkamen mich Koliken. Endlich konnte ich alles von mir geben, was der Körper über neun Tage zurückgehalten hatte. Es war wie eine Explosion, eine heilende Geburt, ein gewaltsames Reinigen des Inneren, schmerzlich und doch so wohltuend – ich war daheim.«

Reizüberflutung

Was unterscheidet also sensible Menschen von den weniger sensiblen? Offensichtlich verarbeiten sie Außenreize intensiver als andere. Ihre »Haut« ist dünner, sie haben weniger Schutz vor dem, was an sie herankommt. Forschungen haben gezeigt, dass bereits Babys unterschiedlich auf Reize reagieren. Während die einen bei einem überraschenden Geräusch ruhig und gelassen bleiben, vielleicht sogar interessiert nach der Quelle schauen, reagieren etwa 15 – 20 Prozent mit offensichtlichem Unbehagen, verziehen das Gesicht oder fangen sogar an zu weinen. Dieser angeborene Unterschied kann sich bis ins Erwachsenenalter fortsetzen: Ihr Gehirn ist wachsamer, rascher angeregt und häufiger alarmiert, wenn Neues und Ungewohntes auf sie zukommt: Geräusche, insbesondere auch Alarmsignale, intensive Lichter, Farben, Bilder, Gerüche.

Menschen, die »das Gras wachsen hören«, sind oft auch mit mehr Intuition gesegnet als andere. Sie spüren etwas, das andere noch gar nicht wahrnehmen, nehmen beinahe unbewusst auf, was in ihrem Gegenüber abläuft. Sie wissen Dinge »einfach so«, obwohl sie nicht sagen könnten, warum. Dies wirkt sich manchmal wie ein »sechster Sinn« aus, wie eine Durchlässigkeit zur anderen Welt, die den weniger Sensiblen verschlossen bleibt. Nicht umsonst spricht man von einer paranormalen Sensitivität.16

Sensible Menschen reagieren auch intensiver auf Schmerz und körperliche Missempfindungen. Ein Ziehen im Bauch löst Alarm aus, lässt alles andere in den Hintergrund treten, wird zum Zentrum der Aufmerksamkeit. Ein schmerzender Zahnnerv kann enorm viel Energie verbrauchen und wird zur seelischen Schwerarbeit. Oft brauchen sie vermehrt ärztliche Zuwendung, Abklärung und Beruhigung. Sensible Menschen sind aber auch schwierig auf Medikamente einzustellen. Immer wieder erlebe ich, dass bei ihnen schon ein Viertel der Dosis, die bei andern gerade erst die unterste Schwelle darstellt, starke Effekte auslöst.

Ihr Denken ist oft von einer großen Unsicherheit beherrscht. Eine Patientin beschrieb einmal eindrücklich den Konflikt: »Es ist nicht leicht, diesen Weg zu gehen, und er ist noch wackelig und unsicher, und es kommen oft so viele Wege dazu! Plötzlich ist es nicht nur ein wackeliger, unsicherer Weg, sondern zig schwankende, sehr unsichere Wege, auf denen man alle gleichzeitig gehen sollte. Das Neue, frisch Erfahrene, das Schöne, Erhebende, man kriegt es nicht überein mit den anderen Wegen. Man geht mutig vorwärts und im gleichen Atemzug zurück: Was soll man tun? Wie soll man reagieren? Wie ist die Situation? Was ist recht, was ist schlecht, wo bin ich, und wer bin ich in dem Moment?«

Da ist also ganz vieles, das sensible Menschen verarbeiten müssen, und das braucht Kraft. Ihr Gehirn hat das Bedürfnis, die anflutenden Informationen zu verstehen, zu ordnen, einzubauen in ein Ganzes. Sie reagieren deshalb empfindlich auf Situationen, in denen mehrere Dinge gleichzeitig auf sie einstürmen, müssen eines nach dem andern machen, brauchen genug Zeit, um im seelischen Gleichgewicht zu bleiben. Das wird spürbar bei der Arbeit, in der Familie, in neuen Begegnungen.

Und wenn dennoch zu viel auf sie einstürmt? Dann gibt es einen Punkt, wo das Gehirn einfach »blockiert«, aus Selbstschutz keine weiteren Informationen und Anforderungen mehr zulässt. »Ich kann nicht drei Dinge auf einmal«, klagt eine Mutter, »kochen, Musik hören und auf meine kleine Tochter achten. Wenn auch noch das Telefon klingelt, dann ist es einfach zu viel! Dann schalte ich das Radio ab, schicke meine Tochter in ihr Zimmer und ziehe das Telefon raus! Manchmal muss ich mich dann hinsetzen und tief durchatmen, bis ich weitermachen kann.« Oftmals kommt eine Kettenreaktion in Gang, die den ganzen Körper mit einbezieht und neuen Stress erzeugt.

Es sind diese Situationen, in denen sich sensible Menschen nicht mehr beschenkt, sondern auch belastet fühlen. In den folgenden Kapiteln möchte ich genauer beschreiben, wie Sensibilität entsteht und wie sie sich auswirkt. Damit soll auch eine Grundlage gelegt werden, diejenigen Zustände besser zu verstehen, bei denen Sensibilität zur Krankheit wird.

Teil I:

Sensibilität als Gabe,
Sensibilität als Last

Kapitel 2

Sensibilität und Persönlichkeit

»Märchen kann ich nicht mehr hören. Ich habe derartige Verletzungen davongetragen. Ich weiß noch, wie mir unser Kindermädchen eines Abends aus dem Märchenbuch vorlas. Ich war etwa vier. Die Eltern waren weg, sonst hätte sie das sicher nicht gemacht. Sie las mir die Geschichte von Rotkäppchen und dem bösen Wolf vor. Meine Phantasie war so stark, dass ich mir den Wolf leibhaftig vorstellte, mit seinen fletschenden Zähnen und seinem stechenden Blick. Seit damals wurde ich jahrelang von Alpträumen geplagt. Fast jede Nacht fühlte ich mich vom bösen Wolf verfolgt, der seine Zähne in meinen Rücken schlug und mich zu Boden riss … Erst mit etwa acht hörten diese Alpträume wieder auf. Aber ich war immer ein sehr sensibles und ängstliches Kind, und ich bin es bis heute.«

Sensibilität beginnt offensichtlich schon ganz früh im Leben. Was unterscheidet diese feinfühlige ängstliche junge Frau von andern, die im gleichen Alter Monstergeschichten und rasante Zeichentrickfilme lustig finden? Wie ist es möglich, dass Kinder in der gleichen Familie ganz unterschiedlich empfindsam sind? Diese Fragen bewegen auch die Forscher, die sich mit der Persönlichkeit befassen.

Persönlichkeit – was ist das eigentlich? Wie entsteht Persönlichkeit? Ist sie vererbt oder anerzogen? Ist sie vorgegebenes Schicksal? (»So bin ich eben!«) Oder kann man Persönlichkeit beliebig verändern, umerziehen, aufbauen, »mit Erfolgsmethoden hinführen zu Glück und Harmonie«, wie es ein populäres Buch über Persönlichkeitsbildung verheißt? Was macht eine gesunde, harmonische Persönlichkeit aus? Was sind die Schwachstellen, die einem Menschen und seiner Umgebung das Leben erschweren; Schwachstellen, die anfällig machen dafür, dass Sensibilität zur Krankheit wird? Wie lässt sich Persönlichkeit beschreiben? Welche Aussagekraft haben Tests der Persönlichkeit?

Persönlichkeit – eine kurze Begriffsbestimmung

Die menschliche Persönlichkeit ist letztlich eine komplexe Mischung aus biologisch begründetem Temperament und den Auswirkungen von guten Erlebnissen und schmerzlichen Verletzungen. Wir hegen tiefe Wünsche und leiden unter verborgenen Ängsten, wir haben Ziele, die wir anstreben, und werden gehemmt durch unsere Verletzlichkeit. Daraus entwickelt sich allmählich unsere Vorstellung von uns selbst und das Bild, das wir uns von andern machen. Und diese Bilder bestimmen wiederum, wie wir denken, fühlen und handeln. Oder fachlich gesprochen: Unter Persönlichkeit verstehen wir überdauernde Muster der Wahrnehmung, des Beziehungsstils und des Denkens über die Umwelt und über sich selbst.

Muster der Wahrnehmung: Ein rasch hingeworfener Satz ist für die eine Person eine tiefe Verletzung, für die andere eine belanglose Bemerkung. Das gleiche Ereignis kann je nach Persönlichkeit ganz verschieden wahrgenommen werden. Unsere Wahrnehmung formt unsere Erinnerung und die Verarbeitung eines Ereignisses.

Muster des Beziehungsstils: Wie geht eine Person mit andern um? Ist sie kontaktfreudig oder zurückgezogen? Ist sie offen oder misstrauisch? Ist sie verlässlich oder wechselhaft? Stellt sie ständig Ansprüche, oder kann sie sich anpassen? Wie reagiert sie auf Kränkungen oder Enttäuschungen?

Muster des Denkens über die Umwelt und über sich selbst: Wie bewertet ein Mensch seine Umwelt? Viele innere Sätze1 bestimmen die Art und Weise, wie wir uns selbst und die Welt um uns her erleben. »Man muss nur nett sein mit den Menschen, dann kommt man mit ihnen aus!« Oder: »Niemand hat mich gern.« Oder: »Ich sehe mich nicht gerne auf einem Foto; ich sehe nie gut aus.«

Aus allen diesen Denkschemata, Gefühlsregungen und Verhaltensmustern entsteht in komplexer Weise die Lebens- und Beziehungsgestaltung, die wir mit dem Begriff »Persönlichkeit« umschreiben.

Persönlichkeit, Temperament, Charakter

PERSÖNLICHKEIT: Der Begriff umfasst überdauernde Muster der Wahrnehmung, des Beziehungsstils und der Werthaltungen, also des Denkens über die Umwelt und über sich selbst. Aus allen diesen Denkschemata, Gefühlsregungen und Verhaltensmustern entsteht in komplexer Weise die Lebensund Beziehungsgestaltung, die wir mit dem Begriff »Persönlichkeit« umschreiben.

TEMPERAMENT: umschreibt die biologischen, genetisch bereits angelegten Reaktionsmuster eines Menschen. Sie zeigen sich bereits im Säuglingsalter und beinhalten vorbewusste (preconceptual) Verzerrungen im wahrnehmenden Gedächtnis und in der Gewohnheitsbildung. Man unterscheidet vier Dimensionen, nämlich (1) Offenheit für neue Erfahrungen, Suche nach Neuem (novelty seeking), (2) Vermeiden von Schaden und Schmerz, (3) Abhängigkeit von Belohnung und Zuwendung, sowie (4) Durchhaltevermögen oder Ausdauer.

CHARAKTER: Unter Charakter verstehen wir diejenigen Eigenschaften einer Person, die sich im Verlauf des Lebens ausbilden, die sozusagen aus dem Rohmaterial unseres Temperaments durch den Meißel unserer schönen und schmerzlichen Erfahrungen herausgearbeitet werden. Es ist unsere ganz spezielle Komposition von persönlichen Zügen, Launen, Freuden und Verpflichtungen. Erst der Charakter macht aus uns jene besondere Person, die sowohl unseren Namen als auch unsere Geschichte trägt, die sich widerspiegelt in unserem Gesicht, letztlich unser »Ich«. Oft wird der Begriff Charakter synonym mit dem Begriff Persönlichkeit gebraucht.

Das Temperament: stabil oder labil?

Schon die alten Griechen haben versucht, menschliche Wesenszüge zu beschreiben und einzuteilen. So entstand die Lehre von den vier Temperamenten, die Hippokrates auf die Wirkung verschiedener Körpersäfte zurückführte: den lebhaften Puls des Blutes (Sanguiniker), die Verdüsterung der »schwarzen Galle« (Melancholiker), die bitter-aufbrausende Natur der »gelben Galle« (Choleriker) und die zähflüssige Trägheit des Schleimes (Phlegmatiker). Mit dem Begriff des Temperamentes werden sehr grundlegende Eigenschaften des Menschen angesprochen, die vorhanden sind, bevor er überhaupt zu einer »Persönlichkeit« wird oder einen geformten »Charakter« erhält.

Das Temperament erhalten wir schon in die Wiege gelegt.2 Manche Forscher unterscheiden drei Typen von Kleinkindern: 1. einfach (easy); 2. langsam auftauend (slow-to-warm-up) und 3. schwierig (difficult). Die »gehemmten«, angespannten Kleinkinder werden denn auch von ihren Eltern oft als »schwierig« erlebt: Sie zeigen vermehrte Befindensstörungen (Bauchkrämpfe, später Kopfweh oder Bauchweh) und haben Mühe mit neuen Situationen und Menschen. Sie tun sich schwer im Anpassen an Veränderungen, reagieren mit intensiven Ausbrüchen, leiden unter Stimmungsschwankungen und zeigen unregelmäßige Ess- und Schlafgewohnheiten. Aus diesen Beschreibungen lassen sich unschwer die beiden Begriffe »introvertiert« und »labil« ablesen, die in der Typologie des erwachsenen Temperaments eine wesentliche Rolle spielen.

Mädchen und Jungen sind ganz unterschiedlich betroffen. In einer Zwillingsstudie zeigte sich, dass 12 von 14 sehr gehemmten Kindern Mädchen waren und 12 von 19 ungehemmten Kindern Jungen. Zeigt sich hier schon ein erster Hinweis, warum so viele Frauen darüber klagen, sie seien sensibel?

Forschungen bei Kleinkindern

Wie neuere Forschungen zeigen konnten, reagieren Neugeborene sehr unterschiedlich darauf, wenn ihnen Ungewohntes widerfährt, so zum Beispiel, wenn aus dem Fläschchen statt normalem Wasser plötzlich gesüßtes Wasser kommt. Plötzlich verändert sich ihr Saugverhalten. Zwei Jahre später erwiesen sich in einem Test diejenigen Kinder, die am stärksten reagiert hatten, auch als die Sensibelsten der ganzen Gruppe.

Versuche und Beobachtungen haben schon bei kleinen Kindern erstaunliche Unterschiede gezeigt. In einer Gruppe von 117 Kindern im Alter von 21 Monaten fanden sich 15 Prozent sehr spontane, ungehemmte Kinder und 15 Prozent sehr gehemmte Kindern. Die andern wiesen eine Mischung beider Wesenszüge auf.

Schon mit wenigen Monaten ließ sich bei den gehemmten Kindern auch eine vermehrte Anspannung beobachten: Sie lächelten weniger, verzogen auf neue Situationen hin rasch das Gesicht, fingen an zu jammern oder zu weinen, sie verspannten sich häufiger und reagierten unter Stress mit einem deutlichen Pulsanstieg.

Tabelle 3: Was unterscheidet gehemmte von den ungehemmten Kindern? Befunde aus verschiedenen Untersuchungen3:

1. Zurückhaltung bei spontanen Äußerungen gegenüber unbekannten Kindern und Erwachsenen

2. Mangel an spontanem Lächeln gegenüber unbekannten Leuten

3. Entspannung in neuen Situationen erst nach einem relativ langen Zeitraum

4. Beeinträchtigung der Erinnerung nach Stress

5. Zurückhaltung, Risiken einzugehen und vorsichtiges Verhalten in Situationen, die eine Entscheidung verlangen

6. Vermehrte Ablenkung durch bedrohliche Worte im Stroop-Test

7. Ungewöhnliche Ängste und Phobien

8. Starker Pulsanstieg bei Stress und beim Aufstehen

9. Starker Anstieg des diastolischen Blutdrucks beim Aufstehen

10. Starke Pupillenerweiterung bei Stress

11. Erhöhte Muskelanspannung

12. Größere kortikale Aktivierung im rechten Stirnhirnbereich

13. Mehr Allergien

14. Hellblaue Augen häufiger

Diese biologischen Unterschiede deuten darauf hin, dass es sich nicht nur um seelische Vorgänge handelt. Ganz offensichtlich spielt die unterschiedliche Verarbeitung von Reizen durch das Gehirn, die raschere Ausschüttung von Stresshormonen und die stärkere Alarmbereitschaft des vegetativen Nervensystems eine wesentliche Rolle. Gehemmte Kinder haben eine intensivere Reaktion vom limbischen zum sympathischen Nervensystem als ungehemmte Kinder. Sie reagieren auf Ungewohntes mit Zurückhaltung, Vermeiden, Verstummen und manchmal Weinen. Ausgeglichenere Kinder hingegen beginnen das Leben mit einer Biologie, die es ihnen leichter macht, spontan, entspannt und eifrig im Erkunden von neuen Situationen zu sein.

Abbildung 1: Vorgänge im Gehirn

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Alarm im Gehirn

Beschäftigen wir uns für einen Moment mit den Vorgängen im Gehirn und Nervensystem, die für die Verarbeitung von Außenreizen wesentlich sind. Als Illustration soll eine einfache Situation genommen werden: Sie sind bei einer Veranstaltung oder einer Party, und plötzlich kommt ein jüngerer Mann in den Raum, den Sie noch nie gesehen haben. Was läuft in Ihnen ab? Abbildung 1 zeigt an vier wesentlichen Stationen im Gehirn, wie etwas Neues aufgenommen wird.

Da ist zuerst einmal die Wahrnehmung (1): In Sekundenbruchteilen leitet Ihr Auge ein Rasterbild seines Gesichtes und seiner Körpermerkmale an das Sehzentrum weiter, Ihr Ohr den Ton seiner Stimme, Ihre Nase den Geruch seines Rasierwassers oder seines Schweißes. Manchmal löst allein schon diese Wahrnehmung ein erstes Gefühl (2) und damit auch Erinnerungen aus. Werden Sie an einen sympathischen Freund aus der Jugendgruppe erinnert (»Schön, dass er auch da ist!«) oder an den schleimigen Vorgesetzten in der Firma (»Nur nicht der da!«) oder gar an den betrunkenen Unhold in der Nacht (»Bitte Gott, lass es nicht wahr sein!«). Diese Information wird verglichen mit dem, was Sie schon über Männer gespeichert haben, und weiter abgeglichen mit einem intensiveren Hinschauen (»Ist er’s oder ist er’s nicht?«), d.h. man holt sich (3) ergänzende Information aus den sensorischen Arealen.4

Ausgeglichenere Persönlichkeiten werden in dieser Lage gar nicht groß reagieren. Ihr Filter der Wahrnehmung bleibt auf »Normalbetrieb«, die Gefühle gehen nicht hoch, ein zweiter Blick klärt den Eindruck, und schließlich wird mit der Vernunft (4) ein geordnetes Empfinden und Vorgehen entwickelt.

Sensible Menschen haben da oft mehr Mühe: Bei ihnen schrillen bei einer neuen Begegnung viel eher die Alarmglocken. Schlagartig sind alle Sinne hellwach, wird alle Energie auf diese neue Situation konzentriert, steigt die innere Spannung bis hin zu Herzklopfen und Hitzegefühlen. Sie können sich nicht mehr auf ihr Gegenüber einstellen, brauchen Zeit, um das Neue zu verarbeiten. Und wenn sich dann die ersten Befürchtungen nicht bewahrheiten, braucht es viel länger, bis die Vernunft wieder »ruhig Blut« signalisiert, bis die Stresshormone im Körper wieder auf den normalen Pegel zurückfallen.

Solche und ähnliche Erfahrungen werden sensible Menschen immer wieder bestätigen. Allerdings ist es für die Gehirnforschung gar nicht leicht, die entsprechenden Vorgänge zu messen oder die Art der Nervenbahnen und der Neurotransmitter zu bestimmen. Auch Hoffnungen, die man in die Entschlüsselung des menschlichen Genoms gesetzt hatte, haben sich bis heute noch nicht in einfacher Weise auf die Persönlichkeitsforschung anwenden lassen.5 Um so wichtiger bleiben also gute Beschreibungen der Persönlichkeit. Davon soll im folgenden Abschnitt die Rede sein.

Persönlichkeitstests – was bringen sie?