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© 2010 Autor/-in: Richard Oppermann

Verlag: tredition GmbH
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Printed in Germany

ISBN: 978-3-86850-679-2

eBook-Herstellung:
readbox publishing, Dortmund
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Richard Oppermann

Auswandern

Einmal Paraguay und zurück

Inhaltsangabe

1. Daktari

2. Die Kolonie

3. Entschluss

4. Die Ankunft

5. Hochzeit und andere seltsame Bräuche

6. ...denn sie wollen betrogen sein

7. Unsere kleine Farm

8. Daheim in Paraguay

9. Rückschläge

10. Von Gastfreundschaft und Geiz

11. Die Pöstchenjäger

12. Katastrophen des Alltags

13. Neuer Besuch in Deutschland

14. Intrigen - der Anfang vom Ende

15. Tochter Kathrin

16. Terror

17. Zurück in Frankfurt

18. Unter Mordversuchsverdacht

19. Epilog

1. Daktari

Auswandern und sich fern der Heimat auf ein Neues, ganz anderes Leben einzulassen – davon hat wohl jeder schon mal geträumt.

Für die meisten enden solche Wunschträume dann höchstens in einem verlängerten Mallorca- oder Toskanaurlaub (mit deutschen Würstel con Krauti und Andenkenkitsch auf jeder Piazza). Andere, die sich gern mit akademischen Titeln oder wenigstens einem „Konsul“ vor dem Namen schmücken, haben dagegen oft handfeste Gründe, wenn sie mit diskreten, schwarzen Geldköfferchen bewaffnet ein Flugzeug nach Südamerika betreten…

Wir hatten 1983 weder ein Geldköfferchen mit Schwarzgeld, noch wollten wir „aussteigen“. Im Gegenteil: Als Innenarchitekt betrieb ich eine florierende Firma mit drei Angestellten.

Um das Geschäft am Florieren und die Angestellten bei guter Laune zu halten, musste ich oft im Morgengrauen nach Hamburg aufbrechen, nachmittags dann einen Termin in Stuttgart wahrnehmen und spätnachts schließlich gestresst und todmüde wieder daheim in Frankfurt ankommen – das erschien mir damals der ganz normale Preis für den alltäglichen Wahnsinn zu sein.

Meine Angestellten hatten sich prima an ihren kollegialen Chef gewöhnt, der selten nein sagen konnte, wenn jemand statt des dargebotenen kleinen Fingers gleich die ganze Hand nehmen wollte.

Gemeinsame Umtrünke und Abendessen führten letztlich nur dazu, dass manche mich mit meiner spendablen Art wohl für eine Mischung aus Krösus und Trottel hielten. Dabei hatte ich mich im Jahr 1972 mühsam, aber mit der Zeit immer erfolgreicher, als Raumgestalter selbständig gemacht.

Angefangen hatte ich mit nichts, außer mit meinem Mut und meinem Talent. Nicht einmal ein Auto besaß ich in den Anfangsmonaten meiner Selbständigkeit, von Freunden oder per Taxi musste ich mich damals zu Kunden chauffieren lassen.

Zehn Jahre lang hatte ich nun ein mittlerweile florierendes Geschäft aufgebaut – mit allen Turbulenzen, die das eben so mit sich bringt: Ärger mit Angestellten, Lieferanten, Kunden etc.

Trotz der geschäftlichen Erfolge stellte sich dabei langsam ein Gefühl der inneren Unzufriedenheit ein.

Mit meiner Lebenspartnerin bekam ich immer mehr Probleme. Einfach deshalb, weil ich die Alltagssorgen des Geschäfts mit schöner Regelmäßigkeit mit nach Hause brachte.

Da half mir auch der flitzigste Sportwagen nicht, mit dem ich – Vollgas und mit 240 Sachen – über die Autobahn donnerte, nur um noch schneller und erfolgreicher zu werden: Meine damalige Freundin und spätere Frau, hatte nicht gerade viel von mir, dem

„plattfüßigen Hans Dampf in allen Räumen“. Außer im Urlaub natürlich. Wir reisten gern, schon um der Hektik des Geschäftsalltag mal für kurze Zeit entfliehen zu können.

Weg vom ewigen Ärger mit Kunden und Subunternehmern, wenn auch nur für ein paar Tage oder Wochen.

Das Angebot eines Freundes, der ein Reisebüro besaß´, kam da Anfang April 1983 genau zur rechten Zeit:

„Ich habe etwas für euch! Wie wär’s mit ein paar Wochen Paraguay? In der Reisegruppe sind gerade zwei Plätze freigeworden, weil ein Pärchen kurzfristig zurückgetreten ist. Siebzehn Tage für 3.500 Mark, zu zweit!

Das ist doch spottbillig!“

„Und wo ist der Haken an der Sache?“ fragte ich.

Mein Freund druckste etwas umständlich herum: „Nun ja, es ist da so eine Art Reisebegleitung dabei.

Die wollen deutschen Interessenten Häuser und Grundstücke dort unten verkaufen. Aber das braucht euch eigentlich gar nicht zu kümmern…“

Tat es auch nicht. Spontan entschlossen wir uns, die Koffer zu packen. Hauptsache weg von der geschäftlichen Hektik!

Wir wollten Ferien machen, weiter nichts. Paraguay, das sagte mir damals noch nicht viel. Um ehrlich zu sein: Ich dachte, es ginge zum Meer – wobei ich Paraguay großzügig mit Uruguay verwechselte. Man kann schließlich nicht alles wissen, oder? Dann eben nicht ans Meer, aber schön weit weg…

In Aschaffenburg lernten wir auf telefonische Einladung einer kurzatmigen Dame bald darauf unseren Reisebegleiter kennen, einen gewissen Herrn Sträter. „Clarence“ tauften wir ihn im Stillen, weil er uns stark an den schielenden Löwen in der Fernsehserie Daktari erinnerte: Gleichzeitig konnte er in alle Richtungen gucken und hatte so all seine Gäste ständig im Auge (im wahrsten Sinne des Wortes!).

Auch seine Lebensgefährtin Wilhelmine war sehenswert: Ein wandelndes Tönnchen mit ausladendem Tomatenhintern.

Wir konnten uns das Lachen nur schwer verkneifen, zumal Herr Sträter sein zartes Monster auch noch ständig abwechselnd „Wilhelminchen“ oder „Plankienchen“ nannte.

Sträter und sein Wilhelminchen wussten nach einem Blick auf meinen Chevrolet auch gleich über mich und meine allerintimsten Wünsche Bescheid: „Oppermann? Ach wie reizend, dass Sie gekommen sind! Wir haben ja schon telefoniert…. Inzwischen habe ich mir die Mühe gemacht, das Passende für Sie herauszusuchen. Unter uns: Eine Traumvilla in herrlichster Lage, kann ich Ihnen flüstern!

Und beinahe geschenkt!“

Der Makler Sträter irrte.

Erstens hatte ich überhaupt nicht mit ihm telefoniert, sondern mit Wilhelminchen, und zweitens war ich keineswegs an Traumvillen im hintersten Südamerika interessiert. Ganz im Gegensatz zu den anderen Anwesenden übrigens. Die stürzten sich voll Begeisterung auf Filmchen und Prospekte, die das Blaue vom Himmel versprachen.

Oder wenigstens eine hübsche kleine Steueroase…

Mit irrer Geschwindigkeit brachte uns ein befreundeter Busfahrer in seinem Mercedes zum Abflughafen der Reise. Meiner Freundin,

die ohnehin vor jeder Reise mit Reisefieber zu kämpfen hatte, dreht sich bei der tolldreisten Raserei fast der Magen um.

Schon reichlich gestresst, kamen wir auf diese Weise zu unserem Flugzeug nach Brüssel: Eine klapperige, hundertmal geflickte DC 8 der staatlichen paraguayischen Fluggesellschaft. Den unauffälligen Herren mit den noch unauffälligeren Köfferchen schien das nichts auszumachen.

In Brüssel waren die Zollkontrollen bekanntlich etwas lascher. Und im Zug ließ sich an der recht offenen EG-Grenze zwischen Deutschland und Belgien so einiges unerkannt transportieren.

Nur uns wurde ein wenig mulmig beim Anblick der prähistorischen Maschine. Na ja, dachten wir uns, Billigreise eben.

Sträter und sein Plankinchen waren auf dem Flug über Madrid und Recife nach Asuncion sehr um ihre Reisegesellschaft bemüht.

Oder genauer: zu sehr. Mit viel Glück durfte man den Gang zur Toilette noch ohne ihre gütige Hilfe unternehmen. Ansonsten erfuhren wir von Sträter alles über Paraguay, was uns vorher nicht die Bohne interessiert hätte: Wie schön das Land sei, und vor allem.

Wie herrlich das Leben in der deutschen Kolonie dort wäre. Deutsche Kolonie? Mir schwante Übles: Nichts als alte Nazis und steuerflüchtige Konsuln. Doch das entsprach dann Gottlob doch nicht der Realität.

Die deutsche Kolonie, so erzählte uns Sträter, gab es bereits seit beinahe zwei Jahrhunderten in Paraguay! Da lag es freilich auf der Hand, dass auch die Zeit dort unten ein wenig stillgestanden hatte.

Doch davon später.

Belustigt verfolgten wir den ganzen,

17-stündigen Flug über die geschäftigen Aktivitäten unserer Mitreisenden:

„Wo kann ich am besten Schafe züchten?“

„Wie kann ich mein Geld am lukrativsten anlegen?“

Fragen über Fragen.

Sträter wusste natürlich für jeden die richtige Antwort.

Der Whiskey floss in Strömen und heizte die ohnehin schon euphorische Stimmung der Möchtegern-Auswanderer noch zusätzlich an. Pläne und nochmals Pläne wurden geschmiedet. Der Deutsche plant nun einmal am liebsten alles bis ins kleinste Detail im Vorhinein – selbst wenn er im Grunde keine Ahnung hat, was ihn eigentlich erwartet.

Einen unserer Mitpassagiere erwischte es dann ganz unplanmäßig bereits bei der Zwischenlandung in Madrid.

Der dortige Zoll staunte nicht schlecht: Die Metalldetektoren piepsten bei jedem Vorübergehen in der Höhe seiner Leibesmitte. Was mochte er da wohl mit sich tragen?

Sieh einer an: Einen Geldgurt voller Goldmünzen! Offenbar hielt er das für die sicherste Währung der Welt. Die meisten unserer „Auswanderer“ stammten übrigens aus Bayern – wohlhabende Bauern, denen es zuhause an fruchtbaren Böden und schönster Landschaft doch an sich wirklich nicht mangelte.

Oder doch? Ich war offenbar noch immer reichlich ahnungslos. Bis mich einer aufklärte:

„Für wie blöd hältst’ uns Bauern denn?

Meinst’ wir haben kein Schwarzgeld?“ Stolz verwies er auf sein schwarzes Aktenköfferchen. Alle trugen sie ein solches schwarzes Köfferchen mit sich herum – alle außer uns. Ein Haufen Verrückter, dachten wir uns. Gemessen an der aufgeregten Stimmung im Flugzeug, ging es im Hause Daktari wahrlich geruhsam zu.

2. Die Kolonie

Wir wurden bereits erwartet. Am Flughafen von Asuncion, der Hauptstadt Paraguays, hatten sich schon am frühen Morgen – es war viertel vor sieben Uhr Ortszeit – einige Landsleute zur Begrüßung eingefunden.

Mitglieder - Mitbewohner der deutschen Kolonie, die jeden Zuzug aus der Heimat aufs herzlichste begrüßten. Besonders dann, wenn man so einem ahnungslosen „Gringo“ ein Häuschen zum doppelten Preis aufschwatzen konnte…

Die deutsche Kolonie umfasste, samt etwa fünfhundert Österreichern – die ihre eigene Kolonie bewirtschafteten -, gut 2500 Männer und Frauen, die ein Land von den Ausmaßen des Saarlandes besiedelten.

„Colonia Independencia“, nannte sich das Ganze, das in zwei selbständige Gebiete aufgeteilt war: Sudetia, in Anlehnung an das ehemalige Sudetenland, und die Callos Fandel, die vorwiegend von Österreichern bewohnt wurden. Die deutsche Kolonie „Independencia“ war natürlich die weitaus größere,

und verwaltungstechnisch waren ihr die Österreicher mit ihren eigenen Gütern auch eingemeindet, wie man es in Deutschland ausdrücken würde.

All das hatten wir bereits im Flugzeug erfahren. Auch dass der Lebensstil der Deutschen in Paraguay sich von dem unseren schon zeitlich etwas unterschied: Etwa fünfzig Jahre zurückgeblieben, so sagte man uns, wären die Landsleute dort schon. Wenigstens in ihrem Denken.

Systematisch wurde jeder von uns Neuankömmlingen bereits am Flughafen in ein Auto von „lieben Landsleuten“ verfrachtet.

Die potenteren Käufer in spe – also die Damen und Herren mit den dicksten Aktentaschen – wurden in noblen Familienkarossen gleich in Privatquartiere gebracht. War man sich noch nicht recht schlüssig über die Liquidität eines Neuankömmlings, dann wurde er erstmal ins so genannte Hotel verfrachtet.

So gelangten auch wir in einem völlig überladenen, aber neuen Mercedes-Hotelbus zur Kolonie. (Wie wir später erfuhren, hatte den Bus erst kürzlich Alex Tilinski, der Bruder unseres Fahrers aus Deutschland importiert.)

Berni Tilinski hatte seinen Job ganz offensichtlich bei den Hell Drivers gelernt.

Wie ein Wahnsinniger bretterte er mit seinem nagelneuen Mercedes-Bus durch die Landschaft. Er veranstaltete ein regelrechtes Autorennen mit den schwächer motorisierten Straßenverkehrsteilnehmern. Von der Natur bekamen wir so nur einen sehr flüchtigen Eindruck: erst flach, dann immer hügeliger, bewaldet und lieblich. Im schnellen Vorbeifahren wirkte es auf uns wie ein Stück Fränkischer Schweiz mitten in Südamerika.

Die einheimischen Autos, die wir überholten, machten unserem neuen PS-Freund anstandslos Platz. Man war hier an Wahnsinnige auf der Straße offenbar gewöhnt – ganz im Gegensatz zu Deutschland, wo noch die klapprigste Ente gern versucht, wie lange sie wohl auf der Überholspur bleiben kann…

Unser Fahrer entpuppte sich am Zielort auch als Hotelchef. Berni Tilinski war ein cleverer Geschäftsmann.

Er sieht aus wie Dumbo, schoss es mir durch den Kopf. Riesige, abstehende Ohren, eine wuchtige Nase in einem schmalen Gesicht und reichlich verfaulte Stoßzähne…

Die eigentliche Überraschung aber war das so genannte Hotel: Winzige Reihenbungalows in Super-Leichtbauweise.

Klopfte man am einen Ende, dann konnte man sicher sein, dass der vorderste Bewohner es noch hörte und ahnungslos die Tür öffnete.

Der Komfort hielt sich auch sonst in Grenzen: Fliegengitter statt Fenster, und dünne Laken auf Gummimatratzen, die etwas streng rochen.

Uns aber war das alles nach der strapaziösen Reise völlig gleichgültig. Während andere Mitreisende sich gleich ins famose Besichtigungsprogramm stürzten

(„Günstige Rinderfarmen etc.“) legten wir uns erst mal schlafen.

Auch in den folgenden siebzehn Tagen, zeigten wir allen Maklern die kalte Schulter. Und das war gut so.

Auf Spaziergängen rund um die Kolonie, hörten wir nämlich ganz andere Preise, als unsere euphorischen Auswanderer, die sich reichlich naiv und nur zu bereitwillig von ihren freundlichen „Landsleuten“ über den Tisch ziehen ließen.

Schon am ersten Abend gab es um sechs Uhr einen Empfang: Der deutsche Bürgermeister des Ortes ließ bitten.

Müde und geschafft, wie wir noch immer von der Reise waren, verschliefen wir den Termin und kamen etwas zu spät. Prompt bekamen wir den ersten Anschiss von Herrn Sträter,

der die Veranstaltung mitorganisiert hatte.

Die hoffnungsvollen Neubürger – 17 Leute an der Zahl – lauschten dem Bürgermeister andächtig und ehrfürchtig wie in einer Schulklasse.

Wir verfolgten das PR-Spektakel mit etwas weniger Ehrfurcht.

Es kam mir einfach ungeheuer lächerlich vor. Das mag daran liegen, dass mir „Hohe Tiere“ noch nie besonderen Respekt eingeflößt hatten. (Wer mit Schaudern über so viel schlechten Geschmack jemals einem Regierungschef, Bürgermeister oder Industrieheini die „Bude“ stilvoll einzurichten versucht, kann das womöglich nachvollziehen!)

Jedenfalls gehörten wir zu den wenigen Skeptikern, die den Bürgermeister nicht anstarrten, als kämen statt Wörtern Geldscheine aus seinem Mund.

Soviel Geldgier im Saal amüsierte selbst ihn, der in sehr ironischem Ton sprach.

Von seinen Zuhörern wagte keiner auch nur einen Mucks, geschweige denn ein aufheiterndes Witzchen – es herrschte also eine weihevolle Atmosphäre, beinahe wie in einer Kirche.

Des Bürgermeisters bedächtige Warnungen („lieber mal selbst umschauen!“) waren bei dieser Klientel so gut wie in den Wind gesprochen.

Aus jahrzehntelanger Erfahrung wusste er, dass so gut wie alle Neuzuwanderer aus Deutschland Dreck am Stecken hatten. Das hatte ihn recht ironisch im Umgang mit diesen tollen Herrschaften gemacht, wodurch er für uns gleich sympathisch wurde.

Dafür ließen sich die anderen Einwanderer aber auch sträflich leicht für dumm verkaufen: „Vier Ernten im Jahr: Kartoffeln, Orangen, alles in Hülle und Fülle!“ hatte schon Sträter versprochen.

Alfredo Bachmann, der Bürgermeister, hatte also Übung darin, kleinere und größere Betrüger herzlich in seinem Ort willkommen zu heißen. Wenigstens brachten die Leute ja Geld mit.

Zufällig kamen wir an Bachmanns Tisch zum Abendessen.

Die Gegenwart einer ebenso hübschen, wie modisch gekleideten jungen Frau erfreute ihn offensichtlich sehr.

Kein Wunder, wenn man die alteingesessenen Frauen der Kolonie so betrachtete: Manche gingen noch züchtig gewandet in langen, dunklen Kleidern; andere waren mit der Mode, die sie trugen, gut zwanzig Jahre im Hintertreffen.

Das Sonntagsvergnügen bestand außerdem in getrenntem Amüsement der Geschlechter: Links saßen die dunkel gekleideten Männer, die alles Wichtige dieser Welt besprachen

(Fußball, Autos etc.).

Rechts saßen die Damen mit ihren Kindern, die noch Wichtigeres untereinander besprachen: den neuesten Klatsch und Haushaltsgeschichten.

Wir hatten gleich einen guten draht zu unserem Bürgermeister – wohl selten hatte er so amüsante, witzige Gesellschaft unter den Einwanderern erlebt…

Zum Abschluss der alles in allem fürchterlich steifen Zeremonie, sang ein gemischter Chor deutsche Volkslieder.

Es klang beinahe wie beim Blauen Bock – hätte es den vor fünfzig Jahren schon gegeben…

„Und jetzt spenden wir alle für den Chor“, rief ich am Ende des Vortrags, schon, um die Atmosphäre etwas aufzulockern.

Doch für Humor hatten die meisten Anwesenden wenig Sinn.

Während die anderen Mitglieder unserer Reisegruppe in den folgenden Wochen vollauf damit beschäftigt waren, sich Ländereien anzuschauen oder Vorträgen zu lauschen,

in denen geschildert wurde, wie man erwirtschaftetes Geld am leichtesten wieder aus Paraguay herausscheffeln konnte, hatten wir Zeit und Muse, uns Land und Leute näher zu begucken.

Herr Sträter hatte schnell gemerkt, dass wir nicht so leicht wie andere zu ködern waren – wir waren eben einfach Unruhestifter in seinen Augen. Folglich kamen wir auf seine ganz persönliche „Abschussliste“, was uns ganz recht war.

Wir lernten auf diese Weise viel mehr vom Land und seinen Leuten kennen, als all die Abenteurer, die nur ans vermeintlich schnelle Geld kommen wollten. Zusammen mit einem Ehepaar aus dem Chiemgau, das für den Traum einer Marmeladenfabrik nicht das nötige Kapital aufbringen konnte, landeten wir zur Essenszeit in unserer Hotelanlage plötzlich am Katzentisch. Bald schon durfte sich keiner der Mitreisenden mehr mit uns unterhalten.

Verständlich: Mit unserem Wissen hätten wir ja doch nur Sträters Geschäfte gestört.

Mit allen Tricks versuchte unser verehrter Reiseleiter uns ins Abseits zu bugsieren; erst recht, als er gemerkt hatte, wie gut wir mit Bürgermeister Bachmann zurechtkamen. Tatsächlich hatte Sträter es nicht geschafft, den mir und meiner Freundin eigentlich wohl gesonnenen Bürgermeister gegen uns aufzuhetzen.

Boshaft und wohl auch neidisch auf unseren freundschaftlichen Umgang miteinander, lästerte Sträter, ich hätte angeblich den Bürgermeister einen „alten Nazi“ geheißen.

Was natürlich frei erfunden war.

Wahrscheinlich dachte Sträter, der aufgebrachte Bürgermeister würde uns nunmehr einschüchtern und zum Kauf eines Anwesens zwingen oder wenigstens animieren. Oder wenigstens fallen lassen wie eine heiße Kartoffel…

Zum Ausgleich kamen wir auf unseren einsamen Spaziergängen rund um die Kolonie in Kontakt mit ganz anderen „Insidern“.

Doris und Oscar Bachmann zum Beispiel, die noch heute zu unseren engsten Freunden gehören.

Doris arbeitete als Stewardess bei den LAP, den Lineas Areas Paraguay.

Oscar Bachmann war der Sohn des Bürgermeisters. Die beiden warnten uns zwar vor all den geldgierigen Maklern, machten uns andererseits aber auch mit den landschaftlichen Schönheiten des Landes vertraut: Zum Beispiel mit einem herrlichen Weinbaugebiet.

usammen zogen wir kreuz und quer übers Land. Immer wieder wurden wir dabei überwältigt von der Gastfreundschaft der Paraguayer.

Ohne irgendwelche Hintergedanken, wurden wir von den Einheimischen häufig auf einen kleinen Plausch samt Umtrunk eingeladen.

Am Abend zog es uns dann in eine der wenigen kleinen Grillschenken, so genannten „parrelladas“. Was dort von den Gästen gesoffen wurde, hätte wohl genügt, um eine ganze Ochsenherde ins Jenseits zu befördern. Was die Gäste freilich nicht daran hinderte,

sich anschließend noch ins Auto zu setzen. Besonders beliebt war es bei den Jugendlichen, in so einem Zustand die Kühe aufzuschrecken, die sich auf dem immer noch warmen Straßenasphalt zur Ruhe gelegt hatten.

Am Sportplatz der Kolonie ging es dagegen züchtig deutsch wie vor fünfzig Jahren zu. Frauen und Männer waren getrennt: die Frauen trugen Zöpfe, wie ich sie nur von alten Fotos aus dem Familienalbum kannte.

Ein ähnliches Bild auch in der Kirche oder im Gesangverein: Schwärmerisch sangen und erzählten die Landsleute von ihrer wunderschönen, deutschen Heimat.

„Wie oft seid ihr denn so in Deutschland?“, wollten wir daraufhin wissen.

Große, fragende Augen blickten uns an.

Sie waren noch nie in Deutschland gewesen, sprachen aber badischen oder bayerischen Dialekt, wie daheim Wie von einem Virus wurden plötzlich auch wir vom Auswanderungsfieber ergriffen.

Mit dem Chiemgauer Pärchen, die unserem „Clarence“ auch nicht ganz in das Bild seiner üblichen, steuerflüchtigen Investoren passten, besuchten wir deshalb als einzige die Handelskammer in Asuncion.

Rein interessehalber.

„Was kann ich denn als Innenarchitekt in Paraguay werden?“, fragte ich naiv.

„Gar nichts“, antwortete mir mit entwaffnender Offenheit ein gewisser Herr Dr. Schmidt, „wenn Sie kein Geld mitbringen – gar nichts. Nada.“

Der Mann wusste, wovon er sprach.

Und er kannte auch seine „normale“ Klientel: Leute, die mit Warentermingeschäften oder als Tropenholzverkäufer „dick“ einsteigen wollten. Keine besonders seriösen Geschäftsleute also. Offenbar stufte er uns ganz automatisch auch in diese Kategorie ein.

Er machte uns rasch klar, dass es keine Aussichten auf eine anständige Arbeit für uns gäbe. Trotzdem – der Gedanke an ein neues, nach deutschen Maßstäben in der Tat sehr günstiges Zuhause, ließ uns von nun an nicht mehr los. Doch ganz egal, was wir auch sagten und wie wir auch auftraten – ausnahmslos jeder der „Alteingesessenen“ hielt uns ganz automatisch für typische deutsche Steuerflüchtlinge.

Selbst bei Dr. Schmidt konnten wir – aus seiner langjährigen Erfahrung heraus – diesen idiotischen Eindruck wohl nicht ganz verwischen.

Einen Tag vor unserer Abreise, hatte uns der „Bazillus“ dann vollends am Wickel. Nicht, dass wir damals schon fest geplant hätten, einmal hierher auszuwandern. Aber ein Stückchen Land als möglichen Fluchtpunkt kaufen – warum eigentlich nicht? Ein traumhaft gelegenes Berggrundstück mit eigenem Bach hatte es uns besonders angetan.

Erst wollte uns der Besitzer, Oscar Bürk, gar nicht verkaufen: „Was wollt ihr denn hier anbauen, mitten am Hang?!“ – Ignorant, dachten wir, siehst du nicht die Schönheit der Landschaft? Wozu sollen wir denn gleich etwas anbauen?!

Per Handschlag wurden wir uns schließlich einig; zu einem, wie sich nachher dann herausstellte, saftigen Absahnerpreis – den wir hingegen kritiklos akzeptierten, so sehr hatten wir uns in das Stückchen Land verliebt. Außerdem kannte ich ähnliches Maklergebahren ja schon aus Deutschland (mal ganz davon abgesehen, dass Makler wohl überall auf der Welt nach den gleichen, etwas linken Geschäftsprinzipien verfahren…).

Das musste man eben hinnehmen oder nicht.

Ich akzeptierte den Preis also kritiklos – schließlich ging es nach Hektar, und nicht wie in Deutschland nach Quadratmetern.

Am morgigen Nachmittag sollte uns die klapperige Linienmaschine wieder nach Hause bringen.

Noch am Vormittag desselben Tages vereinbarten wir kurzerhand einen Termin beim Notar in Asuncion.

Um fünf Uhr morgens holte uns bei strömendem Platzregen ein einäugiger Geier in einer alten Mercedes-Limousine ab. Was dann passierte, können Pia und ich bis heute nicht vergessen.

Karin und Herbert, unsere Chiemgauer Seelenverwandten, fuhren auch mit.

Wir waren allesamt völlig erschöpft von der Abschiedsfeier (die sehr feuchtfröhlich verlief) und litten ohnehin schon unter starken Kopfschmerzen und Übelkeit.

Obwohl das Wasser mehr als knöchelhoch auf dem Asphalt stand, fuhr unser Chauffeur ungerührt mit Vollgas die Straße entlang. Es kam, wie es wohl kommen musste:

In einer Kurve vor einer Brücke verlor unser einäugiges Faktotum bei 120 km/h die Kontrolle über sein Vehikel.

Mit Karacho donnerten wir gegen den Brückenpfeiler, der Wagen überschlug sich und seine Insassen purzelten wild durcheinander. Zwei Achsen samt abgefahrenen Reifen kullerten herrenlos auf der Straße herum.

Herbert und der Geier hatten vorne gesessen, ich mit den beiden Frauen hinten. Karin, die unter einem schweren Schock stand, wurde hysterisch. „Ich will hier raus!“ schrie sie nur,

und meine Frau versuchte, sie durch das geöffnete Fenster des alten Diesels ins Freie zu bugsieren.

Das klappte gottlob nicht – immerhin hingen wir mitten über einem Abhang.

Meine eigene Wenigkeit aber wurde in all dem Tohuwabohu wahrscheinlich mehr durch die Tritte von Stöckelschuhen verletzt, als durch den Unfall selbst.

Als wir uns schließlich doch aus dem Wrack befreit hatten, standen wir im prasselnden Regen reichlich ramponiert auf der Straße.

Unsere zerbeulten Koffer sahen übel mitgenommen aus, von meiner zerborstenen Fotoausrüstung mal ganz zu schweigen.

Nass und an seinem Glasauge verletzt, verließ unseren Chauffeur – die Titulierung „Geier“ hatte er wahrhaft verdient! – aber auch in dieser Situation seinen Geschäftssinn nicht: Er hielt den nächst besten „Linienbus“ nach Asuncion an und wollte uns trotz unserer Verletzungen – blutüberströmt wie wir waren – noch rasch zum Notar bringen lassen.

Ich konnte es kaum fassen, über und über voller Blut und in zerrissenen Kleidern wie wir nach dem Unfall plötzlich auf der Straße standen.

Von unserem schweren Schock mal ganz zu schweigen…

Der Bus war in Deutschland sicher vor über zwanzig Jahren ausgemustert worden.

Außerdem wussten wir, dass der Bus vielleicht hundertmal anhalten würde, um Bauern und ihr Vieh aufzunehmen. Zwischen blökenden Ziegen und stinkendem Federvieh sollen wir nun also unversehens in einem Linienbus sitzen!

Jetzt hatte ich die Schnauze endgültig voll:

„Aus! Ende! Ich kaufe hier zu diesem Zeitpunkt garantiert nicht einen müden Hektar Land mehr!“ erklärte ich dem Geier namens Paul Escher,

der fortwährend nur vom Notar und der Unterschrift quasselte.

Doch der Geier monierte selbst jetzt noch den Kauf des Anwesens.

In meinem erbärmlichen Zustand, mit der Platzwunde am Kopf und einem wild pochenden Brummschädel, hätte ich beim besten Willen nicht mal meine Unterschrift mehr hinbekommen. Unsere Damen, die sich schon für den Heimflug hübsch hergerichtet hatten,

machten auch keinen Staat mehr – patschnass und verletzt wie sie jetzt am Straßenrand standen.

Wir ließen uns von dem freundlichen, paraguayischen Fahrer eines Milchwagens zurück ins Hotel Tilinski bringen.

Um uns auf seinem Pritschenwagen Platz zu schaffen, stellte er ohne Federlesens seine Milchkannen einfach an den Straßenrand.

Von soviel mitmenschlicher Anteilnahme kann man daheim ja nur träumen, dachte ich mir.

Von den Frauen der Kolonie bekamen wir liebevoll Erste Hilfe geleistet.

Meine Freundin und ich, die seit einem halben Jahr Nichtraucher geworden waren, zündeten uns auf den Schock hin erst mal Zigaretten an. Innerhalb einer Stunde qualmten wir auf den Schock mindestens eine ganze Packung leer. Diesen Unfall würden wir unser Leben lang nicht vergessen.

So viel stand fest.

Einen unserer Mitreisenden – ein Arzt,

der in Paraguay mit Frischzellenkuren groß herauskommen wollte – baten wir, sich doch um die verletzte Frau zu kümmern.

Er besah sich die Patientin und meinte dann nur: „Ich glaube, sie lebt noch.

Aber ich fürchte, sie muss zu einem Arzt.

“ So schlau waren wir allerdings auch: Eine „Frischzellenkur“ hätte ihr in dem Moment wohl wenig geholfen…

Mittags um zwölf brachte uns „Dumbo“ Tilinski dann in gewohnt rasanter Manier in seinem Bus zum Flughafen.

Tu’ uns nur einen Gefallen und fahr langsamer, dachten wir verzweifelt und noch geschockt vom eben erst überstandenen Unfall.

„Dumbo“ hingegen stand über den Dingen und war nicht zu bremsen.

Doch der letzte Alptraum vor dem Abflug stand uns noch bevor: Auf der Hälfte der Strecke blockierte unser Besitzer Oscar Bürk mit seinem Auto dreist die Fahrspur.

„Du hast ja zum Kauf gesagt“, erklärte er mir, „also kommst du jetzt auch mit zum Notar!“

Mir brummte der Schädel. Nichts da!

Gut, dass ich mit dem Bürgermeister schon vorher ein mündliches Abkommen über den Landkauf getroffen hatte.

Es eilte deshalb keineswegs so sehr, wie der Makler mir weismachen wollte.

Ich fühlte mich plötzlich in einen drittklassigen, amerikanischen Thriller versetzt.

Der Kerl verfolgte uns bis zum Flughafen, doch ich blieb hartnäckig. Froh, trotz des Unfalls mit halbwegs heiler Haut davongekommen zu sein, ließen wir uns in einem guten Lokal der Hauptstadt noch einmal verwöhnen.

Der Abschied von Paraguay schmerzte dennoch. Nicht nur, weil ich erst im Flugzeug die schmerzhafte zusätzliche Platzwunde an meinem Hinterkopf richtig spürte. Nein, auch unser aller Freund und Helfer Sträter zeigte sich vor dem Abflug noch einmal von seiner besten Seite: Er tat sein Möglichstes, uns wie abgerissene, schmarotzende Tramper zu behandeln.

Während er den Mitpassagieren zuvorkommend beim Einchecken ihres Gepäcks und sonstigen Formalitäten behilflich war, machte er uns deutlich, was wir für ihn darstellten: Nichts als Luft.

Selbst der Schuhputzer, der mit meinen Turnschuhen freilich nicht viel anfangen konnte, war da noch freundlicher und hilfsbereiter. Schließlich half uns unser lieber Freund Oscar Bachmann, der uns verabschieden wollte,

bei allen Formalitäten, die wir – vom Unfall benommen und des Spanischen nicht

mächtig – sonst wohl kaum mehr geschafft hätten.

Mit Fred Bachmann verabredete ich auch, dass ich – in meiner momentanen Situation zu keiner vernünftigen Entscheidung, geschweige denn einer Unterschrift mehr fähig, das Grundstück erwerben würde, und ihm das Geld dafür mitgeben würde.

„Hat Zeit!“ beruhigte mich der Bürgermeister, „Bei uns läuft das nicht anders als bei Ihnen: Man geht zum Notar, lässt sich ein Grundstück notariell überschreiben und bezahlt es dann.“

Ich war schon wegen seiner freundlichen Hilfsbereitschaft in meiner angeschlagenen Situation sehr erleichtert.

Die spanische Mentalität des „tranquillo“ lernten wir auch noch auf dem Flughafen kennen: Obwohl es in dem kleinen Gebäude ein Riesentohuwabohu gab, wenn drei Maschinen gleichzeitig starteten und landeten,

schien alles in aller Ruhe vonstatten zu gehen.

Erschöpft wie wir waren, siegte beim Heimflug doch unser positives Denken.

Was manche vielleicht für Trotzköpfigkeit halten mögen, hat uns die Erinnerung an ein schönes Land und einen – alles in allem – vielseitigen Urlaub bewahrt.

Der Flug an sich war schrecklich – wegen unserer Kopfschmerzen nach dem Unfall.

Da half kein Alkohol, um ihn zu betäuben.

Doch warum sollten wir uns den dortigen Geldhaien freiwillig zum Fraß vorwerfen?!

Wir dachten ja nicht daran! Der Bürgermeister des Ortes, in dem wir unser Grundstück erwerben wollten, würde in fünf Wochen nach Deutschland kommen und sein Geld von uns erhalten. Es ging halt auch anders, man musste nur wissen wie…

Wir flogen diesmal direkt nach Frankfurt zurück – fast als einzige Fluggäste hinter dem belgischen Zoll. Als die Maschine in Brüssel wieder abhob, kannten wir die „Ausflüchte“ unserer deutschen Mitpassagiere schon zur Genüge: Wer in Deutschland wegen Steuerhinterziehung oder ähnlichem gesucht wurde, stieg halt lieber ein paar Hundert Kilometer vorher aus.

Gleich nach unserer Ankunft fuhren wir nach Kelsterbach, dem Heimatstädtchen meiner Freundin und baldigen Frau. Wir hatten nichts Eiligeres zu tun, als dort unsere neuen Sportwägen abzuholen, die wir noch kurz vor dem Urlaub gekauft hatten. Nach dem mit Ach und Krach überstandenen Unfall in Paraguay eigentlich reichlich verrückt, mit solchen PS-Monstern über die Autobahn nach Hause zu brettern… Oder „typisch deutsch?“ Egal, wie auch immer: Der Alltag hatte uns wieder.

3. Entschluss

Wir hatten bei unserer Rückkehr auch gerade unseren Hausumbau hinter uns: Ein toller Garten, herrlich eingerichtet und doch: Wir fühlten uns plötzlich in all den materiellen Zwängen wie die unglücklichsten Menschen der Welt.

Die berufliche Hektik begann wieder und auch unsere gegenseitigen Streitereien.

Der „Stachel“ Paraguay saß. Obwohl wir uns doch ursprünglich vorgenommen hatten,

unser Grundstück in Paraguay frühestens in zehn Jahren zu bebauen!

Als eine Art zweites Standbein sozusagen; mal ein halbes Jahr hier, mal ein halbes Jahr dort.

So hatten wir uns das eigentlich vorgestellt…

Doch unsere Gedanken kreisten allabendlich nach der Tagesplackerei wieder nur um eines: das herrliche Grundstück mitten in Südamerika, umgeben von Bergen, Quellen und Dschungel. Kein Nachbar wohnte dort weit und breit – wer konnte ähnliches schon in Deutschland von sich behaupten?

Stattdessen: All die gestressten, egoistischen Menschen in Deutschland, deren „Schnell-schnell-Gesichter“ mir besonders während der kalten Jahreszeit von Herzen zuwider waren! Sehnsuchtsvoll erinnerte ich mich an mein Jahr nach der Bundeswehr: Damals war ich nach Südafrika gegangen.

Nach zwölf Monaten kam ich mit Freuden nach Deutschland zurück – einzig und allein der Apartheid in Südafrika wegen.

Das warme, angenehme Klima sommers wie winters hatte mir hingegen gut getan.

Unsere Gespräche kannten bald nur noch ein Thema: Paraguay.

Wir hatten schon einen Narren an dem Land gefressen.

Als einige Wochen später Alfredo Bachmann Urlaub bei Verwandten in der Pfalz machte, fuhren wir gleich hin. Den Kaufvertrag hatte er dabei, so weit ging alles in Ordnung.