Samy Deluxe

mit Götz Bühler

Dis wo ich herkomm: Deutschland Deluxe

Ich bin wieder mittendrin. Vor drei Monaten noch die Abschlusstournee mit Dynamite Deluxe, und jetzt, während ich gerade noch die letzten Zeilen dieses Buches korrigiere, bin ich auch schon in der Endproduktionsphase von meinem neuen Album. Die letzten Tage sahen so aus: ab mittags Meetings mit der Booking-Agentur, den Leuten vom Label, Sponsoren und vielen, vielen mehr. Anschließend nach Hause ins Studio zum Aufnehmen, abends spät noch zu Dynamite ins Studio, um die fertig gemixten Songs anzuhören und abzusegnen. Zwischendurch immer wieder Telefonate mit meinem Manager, mit dem Graphiker, dem Videoregisseur und allen anderen, die irgendwie in dieses Projekt involviert sind – Produzenten, Musiker, Sänger und Sängerinnen, Studioassistenten … Es ist einfach viel zu tun. Letzte Woche hatte ich neben diesem Programm noch vier Tage Foto-Shootings, und ab morgen werde ich für drei Tage auf Promo-Tour gehen, um der Presse, dem Radio und den Musik-TV-Sendern einige der Songs zu zeigen und Interviews zu geben. Danach gleich der Videodreh und noch mehr Promo-Termine. Und das alles, obwohl ich eigentlich im Studio sein sollte, um mein Album fertigzustellen, das meine Plattenfirma in genau zwei Wochen braucht, um es pünktlich zu veröffentlichen. Aber mir geht es gut dabei, denn ich habe das Gefühl, wieder auf dem richtigen Weg zu sein.

 

Ich wurde relativ jung berühmt, mit einundzwanzig. Seit dem Moment, in dem ich Hip Hop für mich entdeckt habe und Rapper werden wollte, wusste ich genau, wofür ich stehen will, auch wenn es sich über die Jahre hinweg konstant verändert hat, manchmal leicht, manchmal radikal. Aber in dem Augenblick, in dem ich meine Musik gemacht habe, war ich immer überzeugt, dass sie sowohl meinen Ansprüchen als auch denen meiner Fans und Zuhörer gerecht wird. Meine ersten Texte hatten etwas von Schulaufsätzen – es gab stets ein Thema. Ein ernstes Thema. Umweltverschmutzung, Rassismus, Polizei, böse Politiker und so weiter. Der Text, an den ich mich noch am besten erinnere, war: «Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?» Es ging darum, wie negativ das Wort «schwarz» im Sprachgebrauch belegt ist, von schwarzer Magie über schwarzen Humor bis hin zu Schwarzfahren. Solche Sachen haben mich sehr beschäftigt. Rap war damals noch sehr viel gehaltvoller, vor allem der von den Künstlern und Gruppen, die ich gern hörte. Für mich war das Hören dieser Musik wie für andere Bücher lesen oder Filme sehen. Es ging darum, Inhalte aufzunehmen und zu transportieren.

Mit der Zeit wuchs mein Anspruch, was Flow, Reimtechnik und Wortspiele betraf, und ich fing an, mich textlich an den Beats zu orientieren, die ich mir zum Rappen aussuchte. Stets habe ich aus der Perspektive des Rap- und Musikfans Lieder gemacht. Nach den Jahren der «Message-Raps» kamen die der «Battle-Raps». Ich liebte Rapper, die eine meist imaginäre Person beleidigen und sich durch ihren Wortwitz und ihre Arroganz über jeden anderen stellen konnten. Eine Plattform zu erhalten, von der aus man gut über sich selbst reden kann und dafür noch Zuspruch von seinen Zuhörern bekommt, war in dieser Phase meines Lebens sehr wichtig für mich.

Zur Erinnerung: Es waren die Jahre zwischen 1996, wo wir mit Dynamite Deluxe anfingen und regelmäßig von Jam zu Jam durch Deutschland reisten, und 2000, wo unser erstes Album Dynamite Soundsystem erschien, also mein erster «Major»-Tonträger. Mein erstes Soloalbum mit dem programmatischen Titel Samy Deluxe, das direkt darauf folgte, war eine Aneinanderreihung von Rechtfertigungssongs, eine direkte Reaktion auf die Kritik seitens der Presse, hinsichtlich der Überheblichkeit meiner Texte. Wir hatten zwar mit dem ersten Album extremen Erfolg, aber viele Journalisten und einige andere Personen haben diese «Arroganz» in meinen Texten, die ich eher als Stilmittel benutzen wollte, persönlich genommen. In Interviews saßen mir ständig irgendwelche Typen mit vorwurfsvollen Gesichtern gegenüber. (Was die wohl den Rappern heute erzählen?) In diesem Jahr ließ ich mich auch auf verbale Streitereien mit einigen Personen in der Rap-Szene ein. Jeder Kommentar über mich, jede Kritik, jede Situation, in der mir irgendjemand komisch kam, war ein gefundenes Fressen und floss sofort und unweigerlich in meine Texte ein. Ich habe aus jeder Mücke einen Elefanten gemacht.

Ich weiß nicht genau, was dann passiert ist, aber nach diesem Album fehlten mir irgendwie die Inhalte. Zwischendrin gab es immer einige Geistesblitze und Höhepunkte, aber im Großen und Ganzen waren es qualitativ hochwertige Rap-Texte über qualitativ nicht ganz so hochwertige Themen. Von Anfang an war ich von diesem «Larger-than-life»-Ami-Lifestyle beeinflusst, den ich in Rap-Videos sah und von dem in den Liedern die Rede war. Und in dieser Zeit wollte ich, wenn ich mich richtig erinnere, die deutsche Version davon sein. Ich bildete mir ein, dass das, was ich bin, nicht genug ist, um Leute zu beeindrucken, und fing immer mehr an, mich mit Äußerlichkeiten zu schmücken. Das hieß: die neuesten Sneakers, Basketballtrikots und Baseballcaps, natürlich alles farbkoordiniert, dicke Ketten, Armbänder, Ringe und Uhren aus Gold mit Diamanten besetzt. Dazu Videodrehs in allen möglichen Ländern der Welt.

Und jetzt bin ich wieder hier. Dis wo ich herkomm. Ich arbeite mit den gleichen Leuten, mit denen ich angefangen habe, mache meine Fotos an Orten, zu denen ich einen direkten Bezug habe, und schreibe Texte über Sachen, die mich als Mensch bewegen. In gewisser Weise schließt sich so der Kreis. Das soll aber nicht so klingen, als würde ich die Jahre davor bereuen. Ich habe mit extrem vielen talentierten Menschen, mit Rappern und Produzenten zusammengearbeitet, habe viel gelernt und würde diese Erfahrungen gegen nichts eintauschen. Ich will nur sagen, dass es eine Phase war, in der sich meine Werte nicht so eindeutig in der Musik widergespiegelt haben. Trotzdem habe ich in dieser Zeit sehr viel erlebt, viel nachgedacht – und deshalb jetzt viel zu erzählen.

 

Eigentlich wollte ich nie ein Buch schreiben. Bis vor ein paar Jahren habe ich noch nicht einmal daran gedacht. Ganz ehrlich. Ich bin Rapper. Was soll ich denn für ein Buch schreiben? Möglich, dass ich zwischenzeitlich in einem Anfall von Größenwahn phantasiert habe, wie ich als gemachter Mann mit Zigarre im Mundwinkel auf der Veranda meiner Villa auf Hawaii sitze und irgendeinem Schreiberling meine Lebensgeschichte erzähle, die dann mit ein paar dazugedichteten Extras eine Bestsellerbiographie werden würde. Aber abgesehen von solchen Gedanken? Nein. Niemals.

Ich? Ein Buch? Hm.

Ich hab doch nicht mal Abi. Darf ich überhaupt ein Buch schreiben, geschweige denn veröffentlichen? Am Schreiben kann mich schließlich keiner hindern. Aber hier im Land der Dichter und Denker gibt es doch bestimmt ein ungeschriebenes Gesetz, das verbietet, dass sich Leute ohne akademischen Hintergrund anders als durch Rappen, Singen oder Malen mitteilen. Oder etwa nicht? Vielleicht lesen junge Leute auch deshalb immer weniger Bücher, weil ihnen diese immer weniger zu sagen haben. Wer ihnen etwas zu sagen hat, etwas, das sie auch hören wollen, tut es im seltensten Fall mit einem Buch, sondern eben eher in der Kurzform – mit Raps, Liedern oder Bildern.

Ich persönlich habe vor genau zwanzig Jahren angefangen, Texte zu schreiben und Worte zu reimen, um meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, und zwar wie ein Besessener. Allerdings habe ich sie bis heute ausschließlich auf Beats in Form von Rap zum Besten gegeben.

Und nun habe ich also doch ein Buch geschrieben.

Was für ein Buch?

Auf jeden Fall ein ehrliches Buch. Meine Geschichte. Aber nicht in der eben erwähnten hawaiianischen Halbwahrheiten-Variante, sondern in meinen Worten. Eine Art Biographie, aber nicht einfach eine Aneinanderreihung von Fakten, Namen, Daten und Orten, sondern eine Analyse meiner eigenen Entwicklung, besonders in Bezug auf dieses Deutschland, in dem wir leben, ausgehend von Zitaten aus meinen Texten. Schon vor etwa einem Jahr, als das neue Album in meinem Kopf so gut wie fertig war, merkte ich, dass ich zu diesen Themen mehr zu sagen habe, als ich in Liedern unterbringen kann, ohne den Zeitrahmen zu sprengen – nur noch fünfzehnminütige Songs wären anstrengend.

Keine Frage: Ich bin viel zu jung für Memoiren. Aber für irgendetwas ist man immer zu jung. Ich war auch zu jung, die Trennung meiner Eltern zu verstehen, meinen Vater im Sudan zu besuchen, ohne Abi von der Schule abzugehen, mit null Plan von zu Hause auszuziehen. Ich war viel zu jung, um zu heiraten, Vater zu werden, Verträge zu unterschreiben, meine eigene Firma zu gründen und von gestern auf heute vom Umsatzmillionär zum Steuerschuldenkönig zu werden. Jetzt will ich all das zu Papier bringen – meine Gedanken, meine Gefühle, meine Ideen, meine Meinung. Die Zeit ist reif. Seit meinem dreißigsten Geburtstag ist in meinem Leben höchstwahrscheinlich nicht mehr passiert als in den Jahren davor. Preise und Pleiten, Aufregungen und Spannungen gibt es immer. Mal mehr, mal weniger. Und meistens nur oberflächlich. Aber die Veränderungen in mir selbst sind so krass, dass ich darüber berichten muss.

 

Wie gesagt, ich hab viel getan – und noch mehr zu tun. Und jetzt wünsche ich dir viel Spaß beim Lesen.

Samy Deluxe, Februar 2009

Scheint, als wäre ich tatsächlich ein erwachsener Mann geworden.

 

Sag mir, warum ich bin, wie ich bin.

Wenn ich nicht wär, wie ich bin, was würde anders sein?

WER ICH BIN (2009)

 

Wer bin ich? Wer je beim Psychiater war, so wie ich im Sommer 2007, hat sich diese Frage gestellt. Der Klassiker ist, darauf zuerst mit dem Namen, dann mit Familienstand, Alter, Größe, Anschrift, Beruf und Hobbys zu antworten. Und wenn man das alles erzählt hat, lächelt der Psychiater immer noch und fragt ein weiteres Mal: «Wer sind Sie?» Und genau damit fängt die Analyse an.

Ich habe für mein Album Dis wo ich herkomm einen fast schon analytischen Text geschrieben, eben: «Wer ich bin». Auch da fange ich mit meinem Namen an. Tatsächlich heiße ich Samy, mit einem «m», und nicht etwa Samuel, Samir oder Sammy (wie es immer noch irgendwo in den unendlichen Weiten des Internets steht). Mein Vorname ist aus dem Arabischen, der Muttersprache meines Vaters. Er stammt aus dem nordafrikanischen Sudan, einer seit 1956 unabhängigen Präsidialrepublik mit Telefonvorwahl +249, der Websitekennung .sd und dem Autokennzeichen SUD. Die Zeitzone ist MEZ+2. Interessant, oder? Habe ich natürlich ergoogelt. Auch was mein Vorname bedeutet, wusste ich lange Zeit nicht. Aber welcher Günther oder Klaus weiß schon als kleiner Junge, dass sein Name eigentlich für «Kampfheer» oder «Siegesvolk» steht? Na eben. Kurz nach meinem dreißigsten Geburtstag, und vielleicht auch im Zusammenhang mit meiner großen (Selbst-)Analyse, habe ich meine Mutter gefragt, wofür Samy eigentlich steht. Natürlich wusste sie es: der «Durchgeistigte». Das hätte definitiv schlimmer ausgehen können, siehe Günther und Klaus. Mein «bürgerlicher» Nachname ist übrigens Sorge, weder verwandt noch verschwägert mit dem sowjetischen Spion Richard Sorge oder dem Erfinder des Sorgerechts. Und weil wir gerade dabei sind: Mein Künstlername entstand weder am Reißbrett noch im Studio. Eizi, also Jan Eißfeldt, mein Dynamite-Deluxe-Kollege Tropf und ich waren damals auf einer Privatparty in der Schanze (wen auch dies interessiert: das Schanzenviertel ist ein Stadtteil von Hamburg), auf der ich irgendwann beim Durchstöbern einer Plattenkiste ein Album von Felix de Luxe fand. Ich war so fasziniert von diesem Namen, dass ich mich spontan «Samy Deluxe» nannte. Da sieht man mal, was aus Partygags werden kann.

Ach ja, so war das.

Natürlich habe ich später noch ein paar andere Namen gehabt. Samsemilia zum Beispiel, angelehnt an Sensimilla, eine besonders feine Cannabissorte ohne Samen. Big Baus of the Nauf stand klangmalerisch für «Big Boss of the North», und Wickeda MC war einfach der «wickedste» Mic Controller, also ausnahmsweise mal wieder der Beste. Und so weiter.

Aber zurück zur Frage: Wer bin ich? Auf der Couch käme jetzt der Familienstand: «Bald geschieden/​Single.» Danach Beruf und Berufung: «Rapper, Musiker, Produzent, Chef.» Natürlich sagt das eine Menge über mich aus. Oder eben auch nicht. Manchmal, wenn ich darüber nachdenke, fallen mir auch viele andere Dinge ein, die mich zu dem machen, der ich bin. Manchmal fällt mir aber auch gar nichts dazu ein, etwa wenn ich zweifle – an mir und an dem, was ich tue. Zweifel können hilfreich sein, solange sie einen weiterbringen und nicht zum Aufgeben zwingen. Bis ich mehr darüber weiß, wer ich bin, habe ich mir eine un-ärztliche Schweigepflicht verordnet, damit ich mich nicht wieder in irgendwas hereinmanövriere, aus dem ich nur noch mit waghalsigen Wenden herausfinde. Immerhin weiß ich inzwischen, wie schnell man sich mit entspannten Versen oder in der Hitze des Gefechts geschwungenen Reden in die Scheiße reiten kann. Ich hab es oft genug getan, sogar zu oft, wenn du mich fragst. Aber das war damals, in einer Zeit, in der es mir vor allem um möglichst viele gute Texte und immer mehr und bessere Lieder ging. Heute will ich mir keine Fassade mehr zusammenreimen, sondern mich mit Dingen auseinandersetzen, die mich wirklich interessieren und die mir etwas bedeuten. Ich will reflektieren und repräsentieren – Rap präsentieren. Und dafür brauche ich etwas Ruhe, viel Zeit und all meine Energie. Manchmal ist es gar nicht so leicht, auf mich selbst zu hören und die vielen Meinungen anderer auszublenden. Aber wenn ich irgendwann rausgefunden habe, wer ich wirklich bin, dann weiß ich auch, was für mich das Beste ist. Bis dahin zweifle ich, suche ich, bin mal so oder so – und auch wieder ganz anders.

Denn:

 

Ich bin zu reich für die Armen und zu arm für die Reichen.

Ich bin zu weich für die Harten und bin zu hart für die Weichen.

Ich bin zu weiß für die Schwarzen und bin zu schwarz für die Weißen.

Ich habe so viele Zweifel, ich kann das gar nicht beschreiben.

Ich bin zu dumm für die Schlauen und bin zu schlau für die Dummen.

Ich bin zu jung für die Alten und zu alt für die Jungen.

Und wenn ich auf der Straße geh, dann drehen alle sich um,

haben irgendetwas zu sagen, ich denk: Haltet den Mund!

Ich bin weder der Lustigste noch bin ich der Ernsteste,

nicht der Ungebildeteste, auch nicht der Belehrteste.

Ich drück mich zwar zu deutsch für die Ausländer aus,

aber für die Deutschen seh ich bloß wie ein Ausländer aus.

Manchmal ist mir dieses «Zwischen den Stühlen» ein bisschen zu viel

und ich betrachte mich selbst mit gemischten Gefühlen.

 

Das Gefühl, nicht dazuzugehören, zwischen allen möglichen Stühlen zu sitzen, kenne ich schon sehr lange. Ich bin zwar in Eppendorf, einer der feineren Gegenden in Hamburg, groß geworden, aber leider nicht mit den entsprechenden «Mitteln». Aber dazu später mehr. Jedenfalls konnte ich unmöglich mit meinen Klassenkameraden mithalten, wenn es um Spielzeug, Klamotten oder Taschengeld ging. Wenn einer von denen das Playmobil-Piratenschiff bekam, reichte es bei mir gerade mal für einen Playmobil-Piraten. Deren Eltern fuhren teilweise Benz oder besser, auf jeden Fall aber einen Neuwagen; wir hatten einen ehemals weißen, hauptsächlich rostfarbenen Renault R4. Es ist schließlich so: Wenn alle wenig haben, legen sie zusammen. Wenn die meisten tendenziell viel haben, geht es ihnen eher darum, es vor denen, die weniger haben, zu beschützen. Und wer ständig Angst hat, dass man ihm etwas wegnimmt, hat gar keine Zeit, es zu genießen, und verfällt auch nicht auf die Idee, es zu teilen. Damals, schon in der Grundschule in Eppendorf, galt: Wer nichts hat, ist nichts. Und, was erschwerend hinzukam: Wer anders aussieht, gehört nicht dazu. Wenn ich nur ein paar Zentimeter kleiner und ein bisschen schüchterner gewesen wäre, hätte ich richtig schlechte Karten gehabt. So konnte ich wenigstens lernen, die Angeber mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Wen wundert es da, dass ich später nicht gerade für meine Bescheidenheit bekannt wurde?

 

Durch den Entstehungsprozess des Albums Dis wo ich herkomm und durch dieses Buch bin ich der Antwort auf die Frage «Wer bin ich?» schon ein Stück nähergekommen. Wahrscheinlich ist die Antwort: Es gibt keine, zumindest keine endgültige. Was bringt es mir, bis ins kleinste Detail zu definieren, wer ich bin, wenn ich mich ständig verändere? Abgesehen davon, dass ich ein sehr komplexer Mensch bin, bin ich auch noch Künstler – und die sind sowieso unberechenbar.

Und ich bin schon lange Künstler: Als ich elf Jahre alt war, habe ich angefangen, Hip-Hop-Texte zu schreiben. Anfangs auf Englisch, versteht sich – schließlich waren Hip Hop und Amerika für mich zwei Seiten ein und derselben Medaille. Sie waren unzertrennbar. Dann ging es weiter: Mit zwölf angefangen zu rappen, mit dreizehn zu beatboxen, mit vierzehn zu taggen, mit fünfzehn Platten aufzulegen. Ich war sechzehn, als ich meine ersten Beats gemacht habe, und mit siebzehn kamen die ersten Bühnenauftritte (und die ersten Gras-Erfahrungen!).

Für die Schule blieb immer weniger Zeit und Lust, je mehr ich mich in meine Hip-Hop-Welt verzog. Nach drei Schulwechseln habe ich kurz vor dem Abi die Schule geschmissen. Oder eher fallengelassen. Kurz: Ich bin einfach nicht mehr hingegangen.

Damals war das genau das Richtige, und trotzdem würde ich es heute ganz anders machen. Aber wäre ich dann noch der, der ich bin?