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Nr. 27

 

Kämpfer der Lichtwelt

 

von Paul Wolf

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Nachdem der Lichtbote nach seinem Sieg über die Finsternis die Welt sich selbst überlassen hatte, begannen die Kräfte des Bösen, die sich in die Dunkelzone geflüchtet hatten, wieder zu erstarken. Inzwischen greifen sie aus der Dunkelzone, einem Ring kosmischer Trümmer, der die Welt umgibt und in eine Nord- und eine Südhälfte teilt, an und beeinflussen bereits weite Teile der nördlichen Länder und deren Bewohner.

Das gilt besonders für die Caer, ein Kriegsvolk, das, von Dämonenpriestern angeführt, einen Eroberungsfeldzug beginnt und seine Nachbarn mit Feuer und Schwert heimsucht.

Natürlich gibt es auch Kräfte, die auf Seiten der Lichtwelt gegen die Mächte des Dunkels angehen! Da ist Mythor, den man den Sohn des Kometen nennt, und da sind verschiedene Völker, deren Heere sich zum Kampf gegen die Caer sammeln.

Nun naht der Tag der Wintersonnenwende, der Tag der entscheidenden Schlacht, die auf dem Hochmoor von Dhuannin zwischen den Kräften der Lichtwelt und den Kräften des Dunkels ausgetragen werden soll.

Alles ist bereit! Auf Seiten der Caer greift Drudin, der Dämonenpriester, mit seiner Schwarzen Magie ein – auf der anderen Seite wappnen sich die KÄMPFER DER LICHTWELT ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Mythor – Der Kämpfer der Lichtwelt warnt.

Drudin – Oberster Priester der Caer.

Graf Corian – Führer der verbündeten Heere der Lichtwelt.

Bendik – Ein Junge aus dem Hochmoor von Dhuannin.

Cannon Boll – Anführer der Rebellen aus Elvinon.

Aisanagh, Chewaw, Reilhan und Lorana – Tote im Dienst der Schwarzen Magie.

Aisanagh

 

Lange nach der Geburt der Lichtwelt geschah dies: Die Schatten begannen sich wieder zu sammeln und brachen aus ihrem Gefängnis aus, um zurückzuerobern, was einst ihr Reich gewesen war.

Und die Schatten wurden größer, das Dunkel kam und wollte herrschen; es schlich sich in die Herzen der Menschen, es führte ihre Waffenarme, und es verwirrte ihren Verstand.

Doch die Lichtwelt war gewarnt und hatte sich gewappnet. Ihre Kämpfer griffen zu den Waffen und stellten sich dem Ansturm der Mächte der Finsternis entgegen. Und daraufhin folgten die Tage der großen Schlachten, der ruhmreichen Siege und der bitteren Niederlagen. Unzählige aufrechte Kämpfer der Lichtwelt gaben ihr Leben – ihre Namen sind vergessen für die Sterblichen, aber sie sind unsterblich geworden, denn sie haben sich mit ihren Taten in das Buch der Welt eingetragen.

Und in diesen Tagen trug es sich zu, dass Aisanagh auf der Flucht vor seinen Verfolgern in das Moor geriet.

Er hatte alles verloren, sein gesamtes Heer, den Willen zum Kämpfen und seinen Glauben an die Macht des Guten. Aller Mut hatte ihn verlassen, als ihn die Schatten umringten und ihn im Moor in die Enge trieben.

Er stand nur da, der Arm mit dem schartigen Schwert hing kraftlos herab. Und während ihn die Schatten umtanzten, kroch der Schlamm des Moores seine Beine hinauf. Er ließ es geschehen und dachte an Kanwall, den Träger des Helmes der Gerechten, der in der Schlacht von Kinweir einen großen Sieg über die Horden der Dunklen Mächte errungen und der dann das Opfer eines heimtückischen Dämons geworden ...

Und er sank tiefer in das Moor ein ...

Vor seinem schrecklichen Ende hatte Kanwall den Helm der Gerechten an seinen Bruder Althar weitergereicht, der versprach, mit ihm für die Werte der Lichtwelt zu kämpfen ...

Erst da besann sich Aisanagh und stimmte das Hohelied der Menschlichkeit an. Doch tat er dies zu spät. Der zähe Schlamm verschloss ihm den Mund, und das Moor zerrte ihn unerbittlich in die Tiefe.

Aisanagh sollte von nun an für lange Zeit ruhen ...

1.

 

Steine, die so alt wie die Welt waren, säumten Drudins Weg. Es gab nichts Unvergänglicheres als Stein, nichts, das Macht und Ewigkeit besser darstellen konnte.

Stein war das Sinnbild für das Absolute.

Drudin kam von Gianton, wo er die vier Todesreiter verabschiedet hatte. Er ging auf der unvollendeten Straße, die die Titanen vorgezeichnet hatten. Steine markierten den Pfad, den einst die Titanen legen wollten. Doch das Schicksal hatte verhindert, dass sie ihr Werk weiterführen konnten.

Nun wurden wieder Straßen gebaut. Aus den Bergen des Karsh-Landes kam die Kunde, dass die Hohe Straße rasch ihrer Vollendung entgegenschritt, und am Fuß der Karsh-Berge zog sich die Straße, die die Yarls gezogen hatten, durch das Land bis hin zur Küste von Elvinon. Diese sogenannte Yarl-Linie teilte das einst vereinte Land wie eine tiefe Kluft. Und seine, Drudins, Priesterschar war unermüdlich am Werk, diese Straße der dämonischen Macht weiter auszubauen.

Ein ahnungsloser Beobachter hätte Drudin für einen einsamen Wanderer halten mögen, wenn er ihn entlang der Linie von Langsteinen einhergehen sah; für einen Wanderer, der seine Gestalt mit einem silberbestickten Umhang verhüllte und den Kopf unter seiner Kapuze verbarg.

Jedem Uneingeweihten wäre es wohl ähnlich ergangen wie dem einzelnen Soldaten, der Drudins Weg kreuzte.

Der Krieger saß auf einem der Langsteine, die sich in langer, gerader Linie durch das Land zogen, ließ sich das Gesicht von der Sonne bescheinen und genoss den trügerischen Frühling. Er wurde des Wanderers erst gewahr, als dieser genau vor ihm stand.

Der Krieger zog sein Schwert und hielt es Drudin an die Brust.

»Wohin in dieser Vermummung, Väterchen?«, fragte er und lüftete mit der Schwertspitze Drudins Kapuze. Darunter kam ein ganz alltägliches Gesicht zum Vorschein.

»Mein Ziel liegt südlich von hier«, antwortete Drudin und wechselte das Gesicht. Er hatte tausend Gesichter und mehr, und alle hatte er sie seinen Opfern gestohlen. Dem Krieger fiel es nicht auf, dass er ihm nun schon das dritte Gesicht zeigte, denn er wählte welche, die einander ähnlich waren. »Ich werde es gegen Sonnenuntergang erreichen.«

»Du willst doch nicht sagen, dass du zu den Steinkreisen der Finsternis willst?«, fragte der Krieger argwöhnisch.

»Doch«, bestätigte Drudin, »mein Ziel ist stong-nil-lumen. Ich werde dort erwartet.«

»Von den Caer-Priestern?«, wunderte sich der Krieger. »Dann haben sie dich mit ihrem unheimlichen Gesang gerufen und wollen dich ihren Dämonen opfern. Du hast Glück, dass du mich getroffen hast. Ich werde dich von diesem Weg abbringen, wenn nötig auch mit Gewalt. Ich hasse dieses Pack, das unser Land in einen Vernichtungsfeldzug gegen ...«

Der Krieger verstummte, als Drudin ihm das Antlitz einer Frau zeigte.

»Du irrst«, sagte Drudin mit trügerisch sanfter Stimme, »wenn du glaubst, ich stünde unter einem fremden Zwang. Ich gehöre zu denen, welche jene Macht ausüben, die die Welt beherrschen wird.«

Der Krieger sprang mit einem heiseren Aufschrei von dem Langstein und hob sein Schwert zum Schlag.

»Und wenn du Drudin selbst sein solltest, so bist du doch nur ein Sklave des Dämons, der dich beherrscht!«, schrie der Krieger und wollte zustoßen.

Aber dazu kam er nicht mehr. Ein schwarzer Blitz schlug in sein Gesicht ein und raubte ihm die Persönlichkeit. Zurück blieb ein glasiges Etwas, eine starre Maske ohne Ausdrucksmöglichkeit.

»So ergeht es allen jenen, die nicht an die wahren Kräfte der Welt glauben«, sagte Drudin und ging weiter. Er trug jetzt das gestohlene Gesicht des Kriegers zur Schau.

Nach ein paar Schritten drehte sich Drudin nach seinem Opfer um. Er sagte:

»Eigentlich bist du mir zu nichts nütze!«

Und mit diesen Worten entzog er ihm alles Leben und speicherte es für seinen Dämon in sich selbst. An das verdorrte Etwas, das von dem Krieger verblieben war, verschwendete er keinen Blick mehr.

Ringsum erwachte die Natur in dem falschen Frühling, der aus der Schattenzone kam. Überall regte und reckte sich das Leben und sonnte sich in der unnatürlichen Wärme. Die Pflanzen trieben aus, und die Winterschläfer krochen aus ihren Höhlen, die Vögel erfüllten die Luft mit ihrem Gesang, und Insektenschwärme tanzten.

Es war ihr allerletzter Tanz, bevor sie auf dem Altar der Schwarzen Magie geopfert werden sollten. Die Natur war nur zu dem Zweck geweckt worden, damit sie abgetötet werden konnte.

Denn Leben in dieser Form hatte in der neuen Weltordnung, die mit dem Sonnenaufgang zur Wintersonnenwende beginnen würde, keine Berechtigung. Die neue Weltordnung hieß Chaos, und sie würde morgen in Kraft treten.

Morgen begann ein neues Zeitalter.

Die Zeichen standen richtig.

Drudin erreichte stong-nil-lumen.

 

*

 

Der äußerste Kreis bestand aus doppelt mannshohen Langsteinen und besaß einen Durchmesser von zweihundert Schritt. Die Steine waren schlank und liefen oben spitz zusammen. Es war Stein, der in der Abgeschiedenheit von Höhlen gewachsen war, geschliffener Stein, dessen Oberfläche die Altersschichten deutlich zeigte. Jede Schicht stand für mehrere Menschenalter. Und in die glatte Oberfläche waren Runen eingeschnitten, die jede für sich und alle zusammen eine besondere magische Bedeutung ergaben. Noch eine Besonderheit wiesen diese Langsteine des Außenrings auf: Sie waren im obersten Drittel durchlöchert, und auch auf der Innenseite dieser Löcher waren Runen zu sehen.

Drudin durchschritt den Ring der Lochsteine und ließ dabei seinen Umhang fallen. Die Kälte, die ihn umfing, merkte er gar nicht. Sein Körper war dagegen unempfindlich.

Der falsche Frühling war nicht bis stong-nil-lumen vorgedrungen. Diese Steinkreise aus Nicht-Licht waren in eine Wolke aus eisiger Luft gehüllt. Hier erstarrte das Wasser zu Eis und schlug sich in dicken Schichten auf den Steinen nieder.

Drudin erreichte, nackt wie er war, den mittleren Steinkreis. Seine tausend und mehr Gesichter hielt er hinter der schwarzwogenden Maske seines Nicht-Gesichts versteckt. So trat er dem Rat der obersten zwölf Priester entgegen, die ihn an den dreimannshohen Steinsäulen des zweiten Steinkreises erwarteten.

Diese klobigen Steinriesen waren wie die nadelschlanken Tropfsteine über die gesamte Fläche mit Runenzeichen bedeckt. Diese Schriftzeichen waren zusammen mit dem Stein, in den sie gehauen waren, die Träger der Schwarzen Magie. In ihnen wohnte eine Kraft, die, richtig angewandt, Berge versetzen und Meere über die Ufer treten lassen konnte.

Wie schwach waren dagegen die Kräfte des Lichtes – zumal es kaum mehr Kundige gab, die mit ihnen umgehen konnten. Die wenigen, die die Weiße Magie noch beherrschten, würden bald vom Orkan der Dunkelmächte hinweggefegt werden.

Parthan, der Oberpriester, der die Turniere in der Ebene der Krieger geleitet hatte, trat vor Drudin hin und wickelte ihn in das Untergewand. Nachdem dies geschehen war, kam Calphor zu Drudin und legte ihm das Lederzeug an. Auf ihn folgten Ghannel, der ihm das Oberhemd anzog, und Rhongor, der ihm in die Beinkleider half. Donahin, Foghard und Amorat brachten ihm Umhang, Helm und Gesichtsmaske.

Während der zeremoniellen Einkleidung hatte Drudin seinen Weg fortgesetzt und erreichte nun den Innersten Steinkreis. Die viermannshohen Steine waren kantig und so dick, dass fünf Priester sie mit ausgestreckten Armen nicht umspannen konnten. Es handelte sich durchweg um Steine, die vom Himmel gefallen waren. Sie waren härter als das beste Eisen, und dennoch waren auch in sie Runenzeichen geritzt. Jeder Stein war mit Runen so eng beschrieben, dass es keinen Zwischenraum gab. Und auf den aufrecht stehenden Meteorsteinen lagen gleichartige der Länge nach auf, die sie bedeckten und miteinander verbanden und so den Eindruck von Torbögen erweckten. Auch diese obenauf querliegenden Meteorsteine wiesen Runen auf.

In ihnen wohnte eine Macht, die Drudin geradezu körperlich spürte, als er durch den innersten Ring ins Zentrum von stong-nil-lumen trat. Hier standen noch fünf Dreisteine in hufeisenförmiger Anordnung. Jeder von ihnen maß in der Höhe fünf Mannslängen, und auch sie waren mit Runenzeichen übersät. Die offene Seite des aus Urgestein gebildeten Hufeisens wies nach Süden, in die Richtung, in der die Schattenzone lag. Diese Öffnung war zugleich ein magisches Tor und eine Brücke ins Reich der Finsternis.

Dieses steinerne Monument war mehr als nur eine Opferstätte. In seiner Gesamtheit war stong-nil-lumen das wichtigste Instrument der caerischen Dämonenmagie und gleichbedeutend mit dem EMPIR NILLUMEN.

Das EMPIR NILLUMEN war in stong-nil-lumen verewigt – es war das legendäre Zauberbuch der Schwarzen Magie in Stein!

In die Steine der drei Ringe und des Hufeisens waren alle magischen Gesetze, sämtliche Zauberformeln und Beschwörungszeichen eingemeißelt, die die Schwarze Magie kannte. Doch ihre Macht offenbarte sich nur dem Eingeweihten, der sie in der richtigen Reihenfolge zu lesen vermochte und die Zusammenhänge verstand.

Das Studium der Runen allein genügte nicht. Viele waren gekommen, um der Macht der Schwarzen Magie teilhaftig zu werden, doch sie waren gescheitert. Entweder waren sie von den dämonischen Mächten, die sie freisetzten, ins Verderben gerissen worden, oder sie hatten sich mit einem Teilwissen begnügt und dieses als der Weisheit letzten Schluss in Umlauf gebracht.

Auf diese Weise waren Abschriften des EMPIR NILLUMEN entstanden, aber sie waren alle verfälscht und unvollständig. Und es waren Abschriften gemacht worden, die noch mehr Fehler aufwiesen, und ein Gebrauch dieser Zauberbücher brachte für die Handhabenden mehr Gefahren als Nutzen.

Es gab nur ein stong-nil-lumen, und es stand schon seit urdenklichen Zeiten. Es war eine Bastion der Dunklen Mächte in der Welt des Lichtes, von der aus sich die Finsternis über diesen Teil der Welt ausbreiten würde.

Den Mittelpunkt von stong-nil-lumen aber bildete ein mächtiger Opferstein, der innerhalb der hufeisenförmig angeordneten Dreisteine stand. Es war ein mächtiger Block mit abgerundeten Kanten und einer glatten Oberfläche, die Vertiefungen und kleine Löcher hatte, die wie Poren von Menschenhaut aussahen. Dieser Stein war von einer Dunkelheit, wie sie nur noch von der Schattenzone selbst übertroffen werden konnte.

Dieser Steinblock war das Herz von stong-nil-lumen.

Drudin bestieg ihn und legte sich darauf. Während sich die letzten Strahlen der untergehenden Sonne in den dicken Eisgebilden spiegelten, die die Runensteine bedeckten, ging Drudin in sich.

Es galt, den letzten Streich gegen die Verbündeten der Lichtwelt einzuleiten. Bis jetzt war alles so gekommen, wie er es mit seinem Dämon geplant hatte.

Die sogenannten »Verbündeten der Lichtwelt« waren in Sicherheit gewiegt worden und glaubten, gegen ein kleines Heer von Caer-Kriegern leichtes Spiel zu haben. Sie hatten das Hochmoor von Dhuannin als Schlachtfeld ebenso gebilligt wie den Sonnenaufgang zur Wintersonnenwende als Zeitpunkt.

Ahnten sie wirklich nicht, dass gerade an diesem Tag die Kräfte des Lichtes denen der Finsternis hoffnungslos unterlegen waren? Wussten sie nicht, was sich seit geraumer Zeit im Hochmoor zutrug?

Ihre Kundschafter mochten ihnen über seltsame Vorgänge berichtet haben, berufene Magier mussten sie gewarnt haben – und doch wollten sie nicht wahrhaben, dass ihre Niederlage schon lange vor der Schlacht besiegelt war.

Die Vorzeichen waren untrüglich.

Während Drudin die Kraft aus dem Opferstein in sich aufnahm, starrte er in den sternenklaren Himmel. Dort oben braute sich etwas zusammen, das die Menschen bald zu spüren bekommen würden. Schichten kalter Luft sanken auf die Welt und verdrängten die Wärme, die die Natur in Frühlingsstimmung versetzt hatte. Eine Eiseskälte würde die Lichtwelt heimsuchen und den Boden für die Kräfte der Finsternis vorbereiten.

Die Omen standen günstig.

Das Hochmoor von Dhuannin trug die schwarz-magische Saat in sich.

Morgen war Wintersonnenwende. Bei Sonnenaufgang würde sich das Schicksal der Lichtwelt erfüllen.

 

*

 

Lorana

 

Sie war noch jung und stand erst im Frühling ihres Lebens. Sie lebte an der Seite ihres blinden Ziehvaters, der sie als Neugeborenes aus den Fluten des Flusses Lorana gefischt hatte. Und diesem Umstand verdankte sie ihren Namen.

Als Vercin, wie der Name ihres Ziehvaters war, sein Augenlicht verlor, da ersetzte sie es ihm. Sie lebte mit ihm in seinem Landschiff, das er an den Ufern der Lorana gebaut hatte für den Fall, dass die Lichtwelt unter dem Einfluss der finsteren Mächte in den Fluten der Meere versinken würde. Vercin glaubte, dass die Lichtwelt bestehen konnte, solange sich die Räder seiner Mühlenarche drehten, die für ihn die Räder der Welt waren. Lorana war sicher, dass Vercin in seiner Blindheit einen Sinn entwickelte, mit dem er mehr sehen und hören konnte als andere Menschen mit Ohren und Augen. Und so glaubte sie an seine Prophezeiung vom bevorstehenden Untergang der Welt, und sie sah diesen gekommen, als ein Stern vom Himmel auf die Mühlenarche fiel und die Räder des Landschiffs zum Stillstand brachte.

Lorana versank in einen Schlaf, aus dem sie nicht mehr erwachte. Ihr Lebenslicht, das nur so kurz gebrannt hatte, glomm noch, als Mythor sie auf den Rücken seines Einhorns legte und mit ihr in die Richtung von Graf Corians Heerlager ritt. Er verlangte Pandor das letzte ab, um noch rechtzeitig einen Heilkundigen oder Magier in Graf Corians Diensten zu erreichen, der Lorana hätte retten können. Doch schon auf halbem Wege traf er die Nachhut von Corians Heer und erfuhr, dass dieser mit seinem Gefolge längst schon am Hochmoor von Dhuannin stand, um dort den Tag der größten Schlacht in der neueren Geschichte der Lichtwelt zu erwarten.

So machte Mythor kehrt, überquerte die Lorana und erreichte den nördlichen Rand des Hochmoors. Und irgendwann zu dieser Zeit musste es geschehen sein, dass das Lebenslicht des Mädchens endgültig erlosch.

Mythor blieb nur noch die traurige Pflicht, das Mädchen im Moor beizusetzen.

Aber bald schon würde ein Funke in ihr eine Flamme entzünden, die kurz und heftig brennen sollte, bevor sie endgültig ausging ...

2.