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Nr. 151

 

Die Schatten von Rhim

 

von Paul Wolf

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Die Entscheidungsschlacht zwischen den Heeren des Lichts und der Finsternis wurde abgebrochen. Der Lichtbote griff ein und verhinderte den Sieg der Dunkelmächte, indem er durch sein Erscheinen Vangor ins absolute Chaos stürzte und die Kräfte beider Seiten zersplitterte.

Viele starben bei den Katastrophen, die das Gesicht der Welt veränderten. Doch Mythor, der Sohn des Kometen, rettet sich hinüber in den Morgen einer neuen Zeit Mythor hat einen wichtigen Auftrag zu erfüllen. Er soll Inseln des Lichts im herrschenden Chaos gründen und den Kampf gegen das Böse wieder aufnehmen.

Aber als Mythor in der veränderten Welt erwacht, ist er seiner Erinnerung beraubt. An der Seite der jungen Ilfa, die ihn aus der Gefangenschaft einer Hexe befreite, findet sich unser Held unversehens in einen Strudel gefahrvoller Abenteuer hineingezogen.

Im Bestreben, seine Erinnerung zurückzugewinnen, schlägt Mythor den Weg eines Lichtkämpfers ein. Nach der Beseitigung der Zone des Schreckens gelangen Mythor und Ilfa ins Drachenland, wo die beiden zu Sklaven gemacht werden. Doch ihnen gelingt die Flucht bis in die Drachengruft, und dort begegnet Mythor seinem anderen Ich. Ein erbitterter Zweikampf entbrennt, der beeinflusst wird durch DIE SCHATTEN VON RHIM ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Mythor – Er ist Chaon – der aus dem Chaos kommt.

Ilfa – Mythors Gefährtin.

Sadagar – Der »Ketzer« führt Mythor in die Drachengruft.

Idemung – Ein Auserwählter für das Gläserne Schwert.

Angedid – Ein Edelmann mit seltsamen Neigungen.

Riebek – Ein wunderlicher Heldenverehrer.

1.

 

Tambuz!

Freistadt am Schnittpunkt der Grenzen von vier Clans – des Drachen, des Falken, des Löwen und des Einhorns. Seit dem Untergang anderer größerer Menschensiedlungen zu ALLUMEDDON, zweitgrößte Stadt des gesamten Drachenlands, an Größe – und natürlich auch an Prunk – nur noch übertroffen von Feenor, dem Stadtstaat im Mündungsgebiet der Dandar tief im Süden. Aber war Feenor die reichste Stadt, wo unermessliche Kunstschätze und Kulturzeugnisse vergangener Tage lagerten, so war Tambuz die lebendigste.

Hierher zog es nicht nur die Vertreter der verschiedenen Clans, um über die Zukunft des zur Insel gewordenen Drachenlands zu verhandeln. Es kamen nicht nur die hohen Herren und deren Vertreter, um auf dem größten Markt des Landes lebensnotwendige Güter für die Ihren zu erstehen. Sie fanden sich auch ein, um hier Kriegersklaven und andere zu ersteigern, mit denen sie ihre zu ALLUMEDDON dezimierten Heere aufstockten.

Tambuz war berühmt für seinen Sklavenmarkt, kein Clan, der nicht Hunderte und Tausende Söldner für sich kämpfen ließ, die von hier stammten.

Aber es kamen auch andere nach Tambuz, die in dieser Freistadt das alles fanden, was es im übrigen Land nicht mehr gab. Hier konnten sie wirklich noch frei sein, ihre eigenen Ansichten verkünden und auch danach leben. Da die Gesetze keiner der sechs Clans hier Gültigkeit hatten, zog es alle möglichen Narren und Abenteurer hierher. Hier gaben sich Gaukler, Scharlatane, Halsabschneider jeglicher Art, aber auch Magier, Sektierer und Weltverbesserer ein Stelldichein.

Aber es reichte auch der lange Arm des Drachenkults nach Tambuz. Und wenn man hier auch gegen alle Herren des Landes ungestraft wettern, den Lichtboten, ja, sogar die Lichtgötter anklagen durfte, der heilige Drache war auch hier unantastbar.

Wie man am Beispiel des »Ketzers« erkennen konnte, hatte man für das Leben eines Drachen das eigene zu geben. Der Vorfall, als der Ketzer mit sechs Messern einen Drachen aus der Luft geholt hatte, war noch immer Tagesgespräch in Tambuz.

Aber der ketzerische Drachentöter würde seinem Schicksal nicht entgehen. Seine Häscher hatten ihn dem Drachenkult überantwortet.

 

*

 

Der Markt wurde in einem großflächigen, mehrgeschossigen Gebäude im Zentrum von Tambuz abgehalten. Es mochte sich um einen ehemaligen Palast oder um eine Kriegerunterkunft handeln, so genau war das nicht mehr zu sagen.

Wergot besaß einen eigenen Trakt. Die Sklaven waren in einem besseren Stall untergebracht, hatten aber eine eigene Wasserstelle. Sie waren nicht mehr angekettet, weil sie ohnehin keine Möglichkeit zur Flucht hatten. Ihre Unterkunft war zu einer Art überdachtem Innenhof hin offen, jedoch durch einen Vorhang getrennt.

Immer wenn Sklaven abgeholt und zur Versteigerung gebracht wurden, konnte Mythor einen Blick auf eine Bretterbühne erhaschen, auf der man die menschliche Ware feilbot. Es ging dabei sehr laut zu, weil mehrere Sklavenhändler gleichzeitig ihre Sklaven anpriesen und die Gebote an sich zu reißen versuchten.

An Mythor prallte das alles ab. Ilfa, die neben ihm an der feuchten Wand kauerte, war nicht in der Lage, seine Lebensgeister zu wecken. Er war wie abgestumpft.

»Sieh es als Prüfung an, Myth«, redete sie ihm zu. »Vielleicht musst du dies über dich ergehen lassen, um gestärkt daraus hervorzugehen.«

Er war mit großen Hoffnungen ins Drachenland gekommen. Ein verlockender Traum hatte ihn gerufen, die drei Tiere, das Einhorn, der Schneefalke und der Bitterwolf, hatten ihm den Weg zu dieser Insel gewiesen, eine Wahrsagerin hatte ihm die Zukunft in den schönsten Farben ausgemalt.

Aber die Prophezeiungen hatten sich nicht erfüllt, die drei Tiere waren nicht wieder aufgetaucht, der Traum war längst zerronnen.

Schlimmer als alles andere aber war, dass er einen Menschen getroffen hatte, der ihn von früher kannte und ihm seine verlorene Erinnerung hätte wiedergeben können, von ihm aber wieder getrennt worden war.

Steinmann Sadagar! Der Name ging ihm nicht aus dem Sinn. So hatte sich der Ketzer genannt, der nun dem sicheren Tod entgegensah, weil er einen Drachen getötet hatte.

In der Sklavenunterkunft tauchten immer wieder Leute auf, die die Sklaven in Augenschein nahmen und sie untersuchten.

»Seht sie euch nur in Ruhe an, Wergots Goldstücke«, priesen die Sklavenhändler ihre Ware an. »Wergot hat die besten Sklaven, die ihr weit und breit finden könnt.«

Einmal erschien eine in einen schwarzen Schleier gehüllte Frau. Sie blieb vor Mythor stehen und betrachtete ihn schweigend. Dann streifte ihr Blick kurz Ilfa, und sie wandte sich sofort wieder ab.

Ein anderes Mal tauchten zwei nur mit einem Lendenschurz bekleidete kahlköpfige Hünen auf. Sie deuteten auf zwei der kräftigsten Sklaven und ließen sie durch einen Sklavenhändler zu sich bringen.

»Greift uns an«, befahl der eine ihnen. Die Sklaven wussten zuerst nicht, wie sie sich verhalten sollten, aber nachdem sie auch von den Sklavenhändlern zum Kämpfen ermuntert wurden, stürzten sie sich halbherzig auf die beiden Kahlköpfe. Diese wehrten sie spielerisch ab, dann schlugen sie zurück und schleuderten die Angreifer gegen die Wand.

»Goldstücke sollen das sein?«, sagte der eine Kahlkopf und spuckte aus.

Die beiden Hünen wollten die Sklavenunterkunft wieder verlassen, aber da sprang Mythor auf und stellte sich ihnen in den Weg.

Er hätte nachher selbst nicht sagen können, welcher Dämon ihn ritt, dass er sich einmischte. Jedenfalls stellte er dem einen Hünen ein Bein. Bevor der andere noch mitbekam, was passierte, schnellte sich Mythor mit beiden Beinen vom Boden und trat ihn mit der Fußsohle gegen die Kehle. Mit einem gurgelnden Laut brach der Kahlköpfige zusammen, versuchte aber, sofort wieder auf die Beine zu kommen.

Mythor stand aufgerichtet da, bereit, sich dem Kampf zu stellen. Aber die beiden Hünen sahen ihn nur an. Sie schüttelten ihre Benommenheit ab, nickten Mythor zu und gingen ohne das geringste Anzeichen von Groll.

»Mach nur weiter so«, sagte einer der Sklavenhändler zu Mythor. »Auf diese Weise verkaufst du dich gut.«

Später kam ein fetter Mann in die Sklavenunterkunft. Er war in seidige Gewänder gehüllt, auf seinen wulstigen Fingern glitzerten Ringe. Seine dicken Lippen glänzten, die kleinen Augen blitzten bösartig hinter Fettpolstern hervor.

Ein Sklavenhändler deutete auf Mythor, und der Fette kam herangewatschelt. Aber anstatt Mythor anzusehen, hingen seine Augen nur an Ilfa, und ein seltsamer Ausdruck kam in sie. Als sich Ilfa unwillkürlich an Mythor klammerte, da lachte der Fette lautlos in sich hinein und ging.

»Ich glaube fast, er erkannte mich als Frau«, sagte Ilfa fröstelnd und klammerte sich noch fester an Mythor. »Du darfst nicht zulassen, dass man uns trennt.«

Es dauerte danach nicht lange, dass Wergot hereinkam und Mythor zu sich winkte.

»Ich gehe nicht ohne Ilfa«, sagte Mythor. »Einzeln bekommt ihr uns nur als Tote von hier weg.«

Wergot verschlug es für einen Moment die Sprache. Aber dann meinte er lachend:

»Ich habe euch beide gemeint.«

 

*

 

Die Bretterbühne erstreckte sich über den gesamten Innenhof und war durch Schnüre und Vorhänge in mehrere Abteile unterteilt, für jeden Sklavenhändler eines.

Über die vier Wände des Innenhofs reihten sich Lauben und Erker in drei Ebenen aneinander. Dort saßen die Bieter wie in den Logen einer Arena. Sie waren durch Vorhänge aus Schnüren vor den Blicken geschützt, so dass keine Einzelheiten zu erkennen waren. Aber die Schnüre waren in ständiger Bewegung, wenn sie ihre Hände vorschnellen ließen und ihre Gebote machten.

Mythor konnte erkennen, dass hinter allen Lauben und in den Erkeröffnungen ein dichtes Gedränge herrschte.

»Und nun habe ich zwei ganz besondere Goldstücke anzubieten«, verkündete Wergot, während er Mythor und Ilfa auf die Bretterbühne stieß. »Chaon und Ilfa, zwei unzertrennliche Freunde, die nur gemeinsam abgegeben werden können. Sie sind nicht nur stattlich, kräftig und wohlgestaltet, sie sind auch hervorragende Kämpfer, die ihren Mut im Aegyr-Land bewiesen haben. Sie sind ausgestattet mit Schwertern, Dolchen und Pfeil und Bogen und können damit auch ausgezeichnet umgehen. Jeder Clan könnte sich glücklich schätzen, solche Krieger in seinen Reihen zu haben. Sie sind jeder ihre zehn Goldstücke wert. Aber als Paar biete ich sie zum Spottpreis von fünf Goldstücken an. Wer bietet mehr? Ah, ich sehe, der edle Herr im Sternerker bietet einen halben Silberling über dem Ausrufpreis ... Laube Grün überbietet um einen Silberling ...«

Mythor sah, wie aus einem links von ihm liegenden Erker eine Hand mit gekrümmtem Zeigefinger schoss und sich gleich darauf eine Hand mit gestrecktem Zeigefinger zwischen den Schnüren aus einer gegenüberliegenden Laube reckte.

Danach kamen die Gebote so rasch aus den verschiedensten Richtungen, dass er mit den Augen nicht folgen konnte. Im Nu schnellte das Gebot auf acht Goldstücke hinauf. Danach verlief die Versteigerung nicht mehr so hektisch, und bei neun Goldstücken hielten nur noch zwei Bieter mit.

»Kristalllaube hat neun Goldstücke und zwei Silberlinge geboten«, rief Wergot mit heiserer Stimme, die Narben in seinem Gesicht traten vor Aufregung als rote Striemen hervor. »Was höre ich aus dem Halbmond-Erker? ... Zwei Silberlinge über dem letzten Gebot! Halbmond-Erker bietet neun Goldstücke und vier Silberlinge ... Zehn Goldstücke aus der Kristalllaube! Zehn Goldstücke sind für die beiden Sklaven Chaon und Ilfa geboten, die gut das Doppelte wert sind.«

Mythor blickte zu dem Erker hinauf und sah, wie sich eine schmale Hand mit überkreuzten Fingern herausstreckte. Er glaubte, im Halbdunkel hinter den Schnüren die schwarzverschleierte Frau zu erkennen, die das Sklavenquartier aufgesucht hatte. Wergot verkündete, dass der Halbmond-Erker das letzte Gebot hielt. Gleich darauf war aber wieder der Bieter aus der Kristalllaube an der Reihe.

»Elf Goldstücke sind geboten ...«

Ilfa stieß Mythor an und deutete zu der Laube hinüber, die genau vor ihnen lag.

»Das ist der Fettsack!«, raunte sie ihm zu. »Ich habe ihn an seinen Ringen erkannt. Ich fürchte mich vor ihm, Myth.«

Kristalllaube und Halbmond-Erker überboten einander weiterhin, bis hinauf zu dreizehn Goldstücken. Mythor versuchte angestrengt, mit den Blicken den Vorhang der Laube zu durchdringen. Als die beringten Wulstfinger wieder einmal zum Vorschein kamen, glaubte er im Hintergrund einen blanken Schädel schimmern zu sehen.

»Es geht nicht um dich«, flüsterte er Ilfa beruhigend zu. »Ich glaube eher, dass die beiden Kahlköpfe meine Abreibung nicht vergessen haben.«

Als aus dem Halbmond-Erker kein weiteres Gebot mehr kam und die Kristalllaube den Zuschlag bei vierzehn Goldstücken und acht Silberlingen erhielt, stöhnte Ilfa auf. Sie zitterte leicht.

Wergot führte sie ins Sklavenquartier zurück, er strahlte übers ganze Narbengesicht. »Hätte nicht geglaubt, dass ihr wenigstens den Wert der drei verlorenen Pferde hereinbringt, meine Goldstücke«, rief er gutgelaunt. »Und ihr könnt auch zufrieden sein. Mit Angedid habt ihr es nicht schlecht getroffen.«

»Wer ist Angedid?«, wollte Mythor wissen.

»Das werdet ihr noch rechtzeitig genug erfahren«, sagte Wergot. »Aber eines muss euch klar sein. Für den Preis, den man für euch bezahlt hat, wird auch einiges von euch erwartet.«

»Ich hoffe, du hast das Versprechen an Farida nicht vergessen, uns nur an den Drachenclan zu verkaufen«, sagte Ilfa. Farida war die Wahrsagerin, die Mythor eine große Zukunft auf der Dracheninsel prophezeite – und ihn danach an Wergot verschacherte. »Ist dieser Angedid vom Drachenclan?«

»Das gerade nicht«, meinte Wergot grinsend. »Aber er ist in Begleitung eines auserwählten Helden, den die Drachengruft lockt. Vielleicht nimmt man euch mit, dann kommt ihr Burg Drachenfels zumindest nahe.«

Er übergab sie an zwei Sklavenhändler, die sie aus dem Quartier in einen Nebenraum führten. Dort warteten bereits die beiden kahlköpfigen Hünen auf sie.

»Ich bin Ertem«, sagte der eine, der durch eine faustgroße Delle auf dem Schädel zu erkennen war. »Das ist mein Bruder Torem.« Er fixierte Mythor mit finsterem Blick. »Versuch lieber nicht noch einmal, die Hand gegen einen von uns zu erheben, wenn du nicht dazu aufgefordert wirst. Du wirst noch genug Hiebe einstecken müssen, wenn wir dich erst im Kampf ausbilden.«

Torem nahm von den Sklavenhändlern Mythors und Ilfas Waffen entgegen und grinste dabei, als handle es sich um harmloses Spielzeug.

Ertem legte jedem von ihnen eine Schlinge um den Hals und zog sie an den Seilenden mit sich. Sie kamen durch einen düsteren Gang zu einem anderen Raum, in den acht weitere Sklaven eingesperrt waren, die sie vorher noch nicht gesehen hatten.

Sie wurden von zwei weiteren Männern bewacht, die wie Torem und Ertem die Schädel kahlrasiert hatten und ebenfalls nur Lendenschurze trugen.

»Neke und Borin haben den gleichen Status wie wir, und ihr habt ihnen ebenfalls bedingungslos zu gehorchen«, erklärte Ertem. »Gemeinsam werden wir euch für den Kampf ausbilden. Jetzt führen wir euch zum Lager außerhalb der Stadt. Besser, ihr denkt nicht erst an Flucht, ihr würdet nicht weit kommen. Auf dem Weg durch Tambuz habt ihr Redeverbot. Ihr dürft weder zu anderen noch untereinander sprechen. Wer dagegen verstößt, den nehme ich mir vor.«

Dabei blickte er Mythor herausfordernd an. Mythor erwiderte den Blick und sagte:

»Du scheinst es doch nicht überwunden zu haben, dass du von mir Hiebe einstecken musstest.«

Ertem zog so fest an der Schlinge um Mythors Hals, dass Mythor das Bewusstsein verlor. Ilfa, die ihn von hinten ansprang, schüttelte er wie ein lästiges Insekt ab.

»Das sollte als Warnung genügen«, meinte Ertem und befahl zwei Sklaven: »Hebt ihn hoch und schleift ihn mit.«

2.

 

Mythor kam erst wieder im Lager, außerhalb von Tambuz, zu sich.

Im flackernden Schein eines Feuers sah er in Lumpen gekleidete Gestalten aufgeregt hin und her laufen.

Ilfa kam zu ihm, sie keuchte, ihr Gesicht war verschmutzt.

»Tut mir leid, Myth«, sagte sie, »aber du kannst nicht ausruhen. Wir müssen das Lager abbrechen und weiterziehen.«

»Ich bin schon in Ordnung«, sagte Mythor und erhob sich.

Ilfa wurde gepackt und weggestoßen. Ertem baute sich vor Mythor auf.

»Was ich mit dir gemacht habe, das war nicht persönlich gemeint«, sagte er. »Ich konnte die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Jetzt sind wir quitt.«

Zu seiner Überraschung sah Mythor, wie ihm der Hüne eine prankenartige Hand hinhielt, und er ergriff sie.

»Vielleicht geraten wir wieder aneinander«, meinte Mythor mit unsicherem Lächeln, »dann mache ich es dir nicht so leicht.«

»Dazu kommt es bestimmt«, versicherte Ertem. Er senkte die Stimme zu einem vertraulichen Flüstern und fügte hinzu: »Steck nicht zuviel mit deinem Freund zusammen. Angedid sieht das nicht gerne.«

Mythor blickte an Ertem vorbei. Im Hintergrund sah er die unförmige Gestalt Angedids auf einem Pferd sitzen. Selbst im Sattel trug er seidige Gewänder. Er hatte die beringten Hände geziert über dem Sattelknauf gefaltet. Die fettigen, gelockten Haare hatte er mit einem goldenen Stirnband zusammengebunden.

Für einen Moment kreuzten sich ihre Blicke. Dann wanderten Mythors Augen zur Satteldecke, auf der ein schwarzgestickter Löwe zu sehen war.

»Ertem!«, schrie Angedid mit schriller Stimme. »Gib diesem faulen Sklaven eine Lektion.«

Dann wandte er sein Pferd und führte es auf die andere Seite des Lagers.

»Geh schon!«, herrschte Ertem Mythor an. »Es ist besser, du machst Angedid nicht auf dich aufmerksam. Wir müssen den nächsten Lagerplatz erreicht und das Zelt wieder aufgebaut haben, bevor Idemung erscheint.«

»Was bedeutet der schwarze Löwe?«, fragte Mythor.

»Es ist das Wappen des Löwenclans. Das Wappen deines Clans!«

Also waren sie Sklaven des Löwenclans!