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Wilfried A. Hary (Hrsg.)

GAARSON-GATE: Die 2. Kompilation

„Die Bände 11 bis 20 der Serie hier in einem Buch zusammengefasst!“





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

GAARSON-GATE:

Die 2. Kompilation

 

GAARSON-GATE ist die Schwesterserie von STAR GATE – das Original!

 

Die Bände 11 bis 20 der Serie hier in einem Buch zusammengefasst!“

 

21. März 2453 = Durch einen Terroranschlag verschwinden 7 Menschen mittels eines GG (= Gaarson-Gate = eine besondere Art von Materietransmitter) - und geraten in ein fremdes GG-Netz, das schon lange existiert (Bände 7 und 8).

22. März 2453 = Den Verschollenen gelingt es, kurzzeitig PSI-Kontakt mit Clarks-Planet aufzunehmen und mitzuteilen, dass sie sich möglicherweise Tausende von Lichtjahre vom irdischen Machtbereich entfernt aufhalten, auf einer Dschungelwelt namens Vetusta (Band 9). Die Verbindung reißt jedoch ab, denn sie werden überwältigt und gefangen genommen vom Stationscomputer auf Vetusta. Dieser schickt 3 von ihnen (Band 10) in das GG-Netz des so genannten Prupper-Imperiums, um herauszufinden, was in den letzten Jahrhunderten seit einem interstellaren Krieg geschah. Denn er wurde in jenem Krieg stark beschädigt, verlor dabei den größten Teil seiner Erinnerungsspeicher und hat keinerlei Kontakt mehr mit dem Imperium. Die drei Verbannten sind: John Millory, Petro Galinksi und Cora Stajnfeld!

Und sie landen auf einer Welt, auf der eine neue Eiszeit begonnen hat - mit schlimmen Folgen. Dabei kommen sie in Kontakt mit Wesen, die haargenau aussehen wie Menschen - und sich auch wie solche benehmen.

Nur ihre Sprache ist anders, aber die haben die drei durch den Stationscomputer auf Vetusta gelernt...

 

Die Autoren dieser 2. Kompilation in der Reihenfolge ihrer Verwendung:

Alfred Wallon

W. A. Travers

Wilfried A. Hary

 

Immer Ihr Wilfried A. Hary (Hrsg.)

 

 

Impressum:

Alleinige Urheberrechte an der Serie: Wilfried A. Hary

 

Copyright Realisierung und Folgekonzept aller Erscheinungsformen (einschließlich eBook, Print und Hörbuch) by www.hary-production.de

 

ISSN 1614-3299

 

Diese Fassung:

© 2015 by HARY-PRODUCTION

Canadastr. 30 * D-66482 Zweibrücken

Telefon: 06332-481150

www.HaryPro.de

eMail: wah@HaryPro.de

 

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Vervielfältigung jedweder Art nur mit schriftlicher Genehmigung von Hary-Production.

 

Coverhintergrund: Anistasius

Titelbild: Gerhard Börnsen

Logo: Gerhard Börnsen

 

1

 

Die Ärztin, in deren Wohneinheit sie sich befanden, schaltete einen wandgroßen Bildschirm ein. Nachrichten wurden gerade übertragen.

»Chaos beherrscht die Erde«, berichtete ein Sprecher mit dramatischer Stimme. Um dies zu untermauern, wurden Bilder der Zerstörung gezeigt.

»Die Achse der Erde hat sich plötzlich um einen halben Grad geneigt. Das ist vergleichsweise wenig, aber die Wirkung ist katastrophal!« Eine Cora ziemlich futuristisch anmutende Stadt wurde gezeigt. »Vor allem die Reste der Altstadt sind sehr stark in Mitleidenschaft gezogen worden.«

Einige Wohntürme, die sich pilzförmig über die Stadt erhoben, waren umgestürzt. Der Verlust an Menschen war ungeheuer groß.

»Praktisch aus dem Nichts entstanden durch die plötzliche Neigung Schlechtwetterfronten von unglaublicher Wirkung. Stürme suchten viele Städte der Welt heim.«

Das Bild wechselte, zeigte jetzt einen Mann, lässig gekleidet.

Aufgeregt sagte er: »Wie wir soeben hörten, sind trotz des Verbotes noch einige Schiffe auf den Weltmeeren unterwegs. Es handelt sich um Schiffe, die es in der kurzen Zeit nicht schafften, den nächsten Hafen anzulaufen. Sie kennen die Nostalgiewelle der letzten Jahre. Luxusdampfer wurden gebaut, die fast so arbeiten wie vor Tausenden von Jahren. Der Dampf wird mittels Atomreaktoren erzeugt.«

Abermals wechselte das Bild und zeigte einen der Luxusdampfer.

›QUEEN!‹ stand sinngemäß auf der Seite zu lesen. Ein Archivbild. Der Sprecher wies darauf hin. Er tauchte wieder auf.

»Eben klappte die Verbindung mit dem Schiff. Vorhin empfingen wir einen deutlichen Notruf. Jetzt, nachdem wir uns zunächst vergeblich um eine erneute Verbindung bemüht haben, kommen die ersten Bilder herein.«

Cora und die Ärztin wurden Zeugen davon.

Cora lehnte sich unwillkürlich nach vorn. Auch die Ärztin vergaß einen Moment, in welche Situation sie sich durch ihren selbstlosen Einsatz begeben hatte.

Die Aufnahmekamera schwankte hin und her, wobei das Bild erheblich verwackelte.

Es wurde ruhiger und da wurde ersichtlich, dass es nicht die Kamera war, die sich wild bewegte, sondern die Elemente, die das Schiff trugen.

Haushohe Wellen. »Ein anderes Schiff wäre längst schon untergegangen«, verkündete der Sprecher. »Aber Sie wissen, dass man beim Bau der Schiffe neue Wege ging. Nur äußerlich gleichen sie jenen, die einst die Weltmeere bereisten und wichtige Verkehrsverbindungen herstellten. Den Wellen vermag die QUEEN noch standzuhalten, aber sehen Sie die gigantischen Eisberge!«

Ja, jetzt kamen auch sie ins Bild.

Eisberge, die so groß waren wie richtige Inseln. Die wilden Wasser spielten damit.

So etwas hatte Cora noch nie zuvor gesehen und sie konnte mit Recht behaupten, dass sie manches schon erlebt hatte.

Die Eisberge besaßen eine beängstigende Geschwindigkeit.

Zwei drifteten auf das Schiff zu. Sie würden den Dampfer in die Zange nehmen und zerreiben.

Genau das kündigte auch der Sprecher an.

Er wurde unterbrochen von einer schwachen Stimme, die offenbar vom Schiff selbst stammte: »Hilfe! So helft uns doch! Wir müssen alle sterben.«

Mit zittriger Stimme kommentierte der Sprecher: »Sie hören es selber. Durch einen Zufall nehmen wir Anteil an einem furchtbaren Schicksal. Einer unserer besten Korrespondenten befindet sich auf dem Schiff. Ihm verdanken wir diese Bilder. Er beweist auch noch im letzten Augenblick Nerven und wird uns versorgen, bis das Ende auch für ihn gekommen ist.«

Kurz wurde das Bild des Korrespondenten eingeblendet - ein älterer Mann mit einem offenen Lächeln.

Cora spürte eine Gänsehaut. Am liebsten hätte sie den Wandschirm abgeschaltet, aber das Geschehen fesselte sie zu sehr.

Das ist auch der Sinn der Aktion, dachte sie im stillen. Reine Effekthascherei. Die Medien erleben in dieser schlimmen Zeit große Tage. Auf meiner Erde wäre es keinen Deut besser. Außerdem hat das Ganze auch etwas Gutes. Die Zuschauer werden dadurch nicht mehr so sehr gewahr, wie dicht ihnen der Tod schon selber im Nacken sitzt!

Die QUEEN schaukelte noch einmal heftig.

Einer der Eisberge war heran.

Ein wahnsinniges Knirschen drang aus den Lautsprechern.

Dann Schreie aus vielen Menschenkehlen.

Die ersten Menschen gerieten ins Bild. Sie rannten über ein Deck.

Die Kamera bekam einen Stoß. Das unterbrach die Verbindung für einen Augenblick.

Schon wollten die Fernsehleute ausblenden und brachten wieder ihren Kommentator auf den Schirm. Aber dann klappte der Kontakt wieder.

Die Kamera zeigte eine Frau, die in ihrer Panik in die eiskalten Fluten sprang.

Aber auch für die anderen gab es keine Rettung mehr.

Der Kommentator erklärte es: »Sie hätten nur mit Fluggleitern oder Raketenflugzeugen gerettet werden können. Aber selbst denen wäre es unmöglich gewesen, bei den herrschenden Windverhältnissen in der Luft zu bleiben.«

Der Eisberg bohrte sich seitwärts in den Schiffsrumpf. Teile der Reling splitterten ab, wurden empor geschleudert.

Die aus Kunststoff bestehenden Decksplanken platzten auseinander. Immer tiefer schob sich die scharfe Kante des Eisbergs in das Schiff - tiefer und unaufhaltsam.

Wasserfontänen spritzten hoch über das Schiff hinweg.

Der zweite Eisberg kam von der anderen Seite.

Das Schiff wurde hecklastig und hob sich vorn hoch wie von einer Titanenfaust gedrückt.

Der Träger der Kamera verlor den Halt. Nur noch verwaschene Konturen und huschende Striche waren erkennbar.

Das Bild beruhigte sich wieder.

Der Träger der Kamera schien auf dem Rücken zu liegen, denn das Bild war auf dem Kopf.

Es drehte sich ruckartig. Ein lautes Stöhnen, kaum übertönt vom Tosen der Naturgewalten. Der Mann, der das Stöhnen ausstieß, hatte seinen Mund offenbar nahe dem Mikrophon.

War es der Korrespondent?

Das Schiff wurde regelrecht zersägt.

Dann löste sich vom zweiten Eisberg die Spitze. Sie krachte auf das Deck des Schiffes und zertrümmerte es.

Noch immer bestand die Verbindung. Cora fragte sich, wie die Fernsehleute das Kunststück fertig brachten.

Die Kamera richtete sich auf das Innere des aufgeplatzten Schiffsrumpfes.

Da fiel der Ton aus. Als letztes war ein Donner wie von tausend Gewittern zu hören.

Ein weiterer Eisbrocken landete auf dem Rest des Schiffes. Diesmal lautlos.

Der Boden, auf dem der Träger der Kamera lag, neigte sich. Der Korrespondent kam ins Rutschen.

Immer schneller wurde die Höllenfahrt.

Schäumende Gischt, die heranhuschte.

Dann war nichts mehr zu sehen. Die Fernsehleute schalteten um ins Studio und zeigten ihren Sprecher.

Der Mann war blass und nervös.

Die Regungen, die er zeigte, waren echt.

Ächzend lehnte sich Cora zurück. In diesen Augenblicken zweifelte sie wirklich nicht daran, dass diese ›Erde‹ ihrem Untergang entgegensteuerte - und sie mit...

 

*

 

Mehrere seltsam geformte Gleiter kamen ihnen entgegen. Petro und John beugten sich unwillkürlich vor.

»Aufräumroboter«, erklärte der Pilot ihres Fahrzeuges. Er hatte sich mit einem Namen vorgestellt, der die beiden etwa an ›Ted Hardy‹ erinnerte. Es war ihnen klar, wie solche Assoziationen in ihren Köpfen zustande kamen: Sie hatten diese Sprache im Tiefschlaf gelernt, also nicht auf natürlichem Wege. Also mussten sie automatisch alles aus dieser ihnen im Grunde genommen fremd gebliebenen Sprache mit vertrauten Begriffen assoziieren. Dabei benutzten sie allerdings keine Begriffe aus der irdischen Allgemeinsprache Esperanto, die auch auf den Kolonialwelten gesprochen wurde, sondern bevorzugt regional gültige Begriffe. Eben aus Regionalsprachen, die ihnen zwangsläufig nicht so sehr gebräuchlich waren - und eigentlich ähnlich fremdartig vorkamen wie die Sprache hier...

Die Roboter bewegten sich ebenfalls auf einem Prallfeld vorwärts, wie der Gleiter, an Bord dessen sie sich befanden.

Greifarme, Baggerschaufeln und andere Einrichtungen gaben ihnen eine unförmige Gestalt. Trotzdem waren sie relativ klein und wendig.

Sie huschten an ihnen vorbei.

Ted Hardy vermutete: »Die sollen wohl die Straße vorn freimachen und notwendige Reparaturen durchführen.«

Petro und John hätten die Roboter gern bei der Arbeit gesehen, aber sie dachten an die Uniformierten, die nach ihnen suchten. In der Stadt würden sie besser aufgehoben sein.

Und dann sahen sie wieder die ferne Kulisse der gigantischen Stadt. Teilweise kroch sie steile Berghänge empor. Zweckmäßige Architektur beherrschte das Bild. Aus dieser Entfernung war wenig von der Zerstörung zu sehen, die der Sturm angerichtet hatte.

Ted Hardy nickte. »Hier haben die Aufräumroboter schon gewirkt. Alles ist wieder frei.« Er wandte den Kopf. »Als ich die Stadt verließ, sah die Straße anders aus. Zum Glück haben wir die Roboter. Sie arbeiten schnell und präzise, obwohl sie viel Energie verbrauchen.«

Energie? John überlegte. Was war denn hier wirklich los?

Und dann kam er zu einem ähnlichen Schluss wie Cora: Eine Katastrophe am Ende des Gaarson-Effektes?

Und dann: Zum ersten Mal kam ihm der Gedanke, dass die Versuchsanlage, in der sie materialisiert waren, damit etwas zu tun haben könnte!

In rasender Fahrt näherten sie sich der Stadt. Das Leitsystem funktionierte nicht. Ted Hardy steuerte seinen Gleiter manuell.

Noch ein paar mal trafen sie auf Fahrzeuge des Robotaufräumdienstes.

Dann sahen sie das erste beschädigte Riesengebäude. Es stand am Eingang der Stadt.

Freies Gelände wurde plötzlich abgelöst von hochragenden Wohntürmen. Dazwischen befand sich weites Parkgelände, das allerdings dem Sturm anheim gefallen war.

Das Gebäude ähnelte einem überdimensionalen Kreisel mit stumpfer Spitze, auf dem es gestanden hatte. Titanenkräfte hatten den Kreisel umstürzen lassen.

Tausende von Menschen hatten in dem Turm gewohnt. Petro und John weigerten sich, sich das ganze Ausmaß der Zerstörung auszumalen. Eiskalte Schauer rieselten ihnen über den Rücken.

Große Teile des auseinander geplatzten Gebäudes waren auf die Straße gefallen. Die Roboter arbeiteten immer noch in der Manier fleißiger Ameisen. Jeder konnte das Mehrfache seines Gewichtes bewegen. Sie brauchten gar nicht größer zu sein. Im Gegenteil: Ihre gedrungene Gestalt hatte große Vorteile. Sie drangen bis in den letzten Winkel vor.

Sie passierten den umgestürzten Wohnturm. Überall waren Parkbäume entwurzelt. Der Sturm hatte furchtbare Spuren hinterlassen und die Stadt schrecklich zernarbt.

Ein Robotkommando transportierte Verletzte ab. Hier gab es auch Menschen, die mit anpackten. Sie waren allerdings in der Minderzahl, halfen wahrscheinlich nur, um überhaupt irgend etwas zu tun, was das Chaos minderte.

John sah zum Himmel. Das Schneegestöber war zurückgegangen. In der Stadt war kaum Schnee liegen geblieben.

Kleinere Wohntürme waren ebenfalls ein Opfer des Sturms geworden.

Als sie in dichter besiedelte Gebiete kamen, wurde es ein wenig besser. Die Häuser am Eingang der Stadt hatten dem Sturm anscheinend einen Teil seiner ungeheuren Wucht genommen.

Ted Hardy nickte anerkennend. »Vor einer Stunde hat es hier noch anders ausgesehen. Die Roboter sind fleißig. Wäre es so gewesen wie jetzt, hätte ich die Stadt wahrscheinlich gar nicht verlassen. War sowieso eine Kurzschlusshandlung, wie mir scheint.«

»Sie haben doch von Plünderern und dergleichen erzählt«, erinnerte John Millory.

Er zuckte die Achseln.

»Das Problem ist anscheinend inzwischen auch gelöst.«

Ohne die beiden zu fragen, brachte er sie kurzerhand in das Viertel, in dem er selbst wohnte.

Der Gleiter schwebte auf eine Art Parkplatz. In der Mitte des Platzes befand sich eine große Öffnung. Wahrscheinlich der Eingang zu einer Art Tiefgaragen.

Der Parkplatz war leer. Ted Hardy stellte seinen Gleiter ab. Die Tür schwang auf.

Eisige Kälte drang ein und raubte ihnen fast den Atem. Die Temperatur fiel rapide. Die Männer froren trotz ihrer schützenden Kleider.

Abermals warf John einen Blick zum Himmel. Die Wolken hatten sich verzogen. Das Firmament war azurblau. Aber irgendwie wirkte diese Farbe unnatürlich.

Ein schlechtes Zeichen?

Sie setzten ihren Fuß auf die Betonplastfläche.

Als wäre dies der Auslöser gewesen, erschütterte ein gewaltiger Erdstoß den Boden.

Die umliegenden Wohntürme sahen angeschlagen aus und jetzt wackelten sie bedenklich, wie Petro meinte.

Unwillkürlich blieben sie stehen und wagten sich nicht zu rühren. Der Erdstoß wiederholte sich nicht.

Ted Hardy erbleichte. Mit einer fahrigen Bewegung fuhr er sich durch die Haare.

»Haben Sie eigentlich ein bestimmtes Ziel hier in der Stadt?«

»Im Prinzip schon«, antwortete Petro Galinksi ausweichend. »Aber wir haben noch Zeit - falls Sie das meinen.«

Ted Hardy nickte.

»Dann darf ich Sie vielleicht zu mir einladen? Ich wohne allein.«

Petro und John zögerten. Dann dachten sie, dass es vielleicht nichts schaden könnte.

John hegte nur Bedenken, falls es zu einem erneuten Erdstoß kommen würde. Die Gebäude waren alle angeknackst.

Zu dritt gingen sie zunächst auf die Bodenöffnung zu.

Steil führte eine Piste abwärts. Daneben befand sich der Eingang zu einem Fahrstuhl. Ja, tatsächlich: Nicht etwa ein Antigravlift, sondern ein Lift mit richtiger Kabine. In vielen Dingen war diese Welt hier rückständig - im Vergleich zur Erde. Obwohl dies eine Kultur war, die um Jahrtausende älter war als die menschliche Kultur? Mehr als seltsam. Ob das mit den Energieproblemen zusammenhing? Und wie lange bestanden diese bereits?

John konnte es sich einfach nicht vorstellen, dass der Gaarson-Effekt eines Tages tatsächlich nicht mehr wunschgemäß funktionieren könnte und dadurch die Kultur um Jahrtausende zurückgeworfen wurde. Ja, er hatte seine Schwierigkeiten damit, obwohl er es mit eigenen Augen sehen konnte...

Ted Hardy betätigte einen Kontakt. Die Tür teilte sich lautlos und ließ sie in eine geräumige Kabine treten. Hier hätten bequem zwanzig Leute Platz gehabt.

Abermals drückte Ted Hardy einen Knopf. Eine Lichterreihe flammte auf. Eines der Lichter blinkte. Es war mit Hieroglyphen versehen, die vergleichbar der Nummer 234 entsprachen.

Petro und John mussten die Feststellung machen, dass die Kabine mehr als nur ein Fahrstuhl war. Sie befanden sich in einer Art Transportröhre. Das Prinzip, nach dem diese funktionierte, wurde ihnen nicht klar. Mit sanftem Ruck setzte sich die Kabine in Bewegung. Die Lichter in der langen Reihe flackerten nacheinander kurz. Bis die Kabine stoppte. 234 erlosch.

»Willkommen zu Hause!«, sagte Ted Hardy theatralisch. »Ich wohne in einer Geschäftsetage. Der Wohnturm ist autark. Bei uns gibt es keine Geschäfte außerhalb. - Sagt mal«, wechselte er plötzlich das Thema, »woher stammt ihr eigentlich?«

»Nicht von hier.«

Ted Hardy schürzte die Lippen.

»Aha?«

Petro Galinksi lächelte unverbindlich.

»Sie haben es erfasst.«

Die Tür teilte sich und ließ die drei hinaus. Ted Hardy winkte sie mit sich.

John betrachtete den Mann von der Seite. Irgendwie kam ihm Ted Hardy nicht ganz geheuer vor. Ted Hardy machte einen sportlich gestählten Eindruck und bewegte sich elastisch. Unwillkürlich musste John an die Waffe denken, die der Mann mit sich führte.

Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen, sich Hardy so blind anzuvertrauen?

John tauschte einen schnellen Blick mit Petro Galinksi.

 

 

2

 

Petro schaute sich in der Etage um. Ein breiter Gang tat sich vor ihnen auf. Er war mindestens sechs Meter hoch und zehn Meter breit und ähnelte mehr einer Straße. Verschiedene Laufbänder erleichterten den Menschen, die hier wohnten, die Fortbewegung. Es herrschte im Moment kaum Betrieb. Nur die Hälfte der Laufbänder bewegte sich.

Sie stellten sich auf das äußere, langsamste und zogen an ein paar Schaufenstern vorbei. Der Gang vollführte eine sanfte Biegung.

Mitten in dieser Biegung geschah es. Plötzlich riss Ted Hardy seine Waffe hervor. John Millory stand ihm zunächst. Er erschrak und erwartete, dass sich der Lauf der Waffe auf ihn richten würde.

Dem war nicht so. Ted Hardy hatte eine Gefahr entdeckt, die aus anderer Richtung kam.

Im nächsten Augenblick feuerte er.

Ein Blitz löste sich lautlos aus der Waffe und raste lichtschnell über den Gang. Gleichzeitig warf sich Ted Hardy auf das Band und brüllte etwas.

Petro Galinksi und John Millory benötigten keine Extraeinladung.

Sie folgten dem Beispiel von Hardy und zogen ihre Paralyser, obwohl sie noch gar kein Ziel für ihre Waffen entdeckt hatten.

Dann sahen sie die zerbrochene Schaufensterscheibe. Sie bestand aus ultrahartem künstlichen Glas. Mit Gewalt musste sie aufgebrochen worden sein.

Ein Blitz zuckte über sie hinweg.

Petro spürte ein Brennen im Nacken. Nur knapp hatte man ihn verfehlt.

Langsam zog sie das Laufband an den Auslagen vorbei. Im Eingang lag eine regungslose Gestalt in seltsam verkrümmter Haltung. Ein Toter?

Petro dachte an den Schuss von Ted Hardy.

Die regungslose Gestalt war ebenfalls bewaffnet.

Vielleicht wären sie beide ohne Hardy nicht mehr am Leben!

Offenbar waren die Plünderer mitten in der Arbeit gewesen. Sie brauchten keine Zeugen und ein Menschenleben bedeutete ihnen offenbar nichts.

Petro sah einen bewaffneten Arm, der blitzschnell vorschnellte. Bevor sich ein Schuss lösen konnte, betätigte er seinen Paralyser. Der Arm wurde zurückgezogen. Die Waffe fiel aus der schlaff gewordenen Hand.

Dann hatten sie die Szene hinter sich.

Ted Hardy wartete noch einen Augenblick. Er erhob sich.

»Offenbar ist das Problem der Plünderei doch noch nicht gelöst!«, konstatierte er bitter. »Nur gut, dass ich meine Waffe mitgenommen habe.«

Ehe er seine neugierigen Blicke auf die Paralyser richten konnte, ließen John und Petro sie verschwinden. Ted Hardy ging nicht darauf ein.

Endlich erreichten sie seine Wohnung.

Im Wohnviertel wurde der Gang in zwei Ebenen unterteilt. In halber Höhe zog sich eine Galerie entlang. Mittels einer Art Paternoster gelangte man hinauf.

Ted Hardy wohnte oben.

Vom Paternoster aus waren es nur wenige Schritte.

Johns Haltung versteifte sich. Er ahnte etwas. Sein Instinkt meldete sich.

Ein Seitenblick überzeugte ihn davon, dass es Petro Galinksi ebenso erging.

Ted Hardy gab sich einer Türautomatik zu erkennen. Selbständig öffnete sich der Eingang. Sie traten ein.

Kaum hatte sich die Tür hinter ihnen geschlossen, als Ted Hardy herumwirbelte.

Die Waffe befand sich in seiner erhobenen Rechten.

Auch Petro Galinksi reagierte. Er riss den Paralyser hoch.

Bevor er ihn jedoch einsetzen konnte, traf die Fußspitze von Ted Hardy sein Handgelenk und lähmte es.

John Millory machte erst gar keinen Versuch, sich zur Wehr zu setzen. Langsam hob er die Hände über Schulterhöhe.

Hardys Waffe deutete auf Petro Galinksi. Sein Zeigefinger krümmte sich deutlich um den Auslöser. Johns Augen weiteten sich. Würde Ted Hardy wirklich schießen? Was war das eigentlich für ein Mann?

 

*

 

»Ich kann unmöglich hier bleiben«, sagte Cora Stajnfeld zu der Ärztin. Inzwischen wusste sie, dass sie Guerrien hieß. So ähnlich jedenfalls hatte der Name geklungen. Und es gab eine Art Vornamen, der Cora an ›Lorenza‹ erinnerte.

Lorenza nickte. Sie blickte Cora forschend an. Diese erkannte etwas in diesem Blick, das ihr nicht gefallen wollte. Sah so nicht eine Frau einen an, wenn sie sich verliebt hatte? Ihr wurde mulmig. Verlegen kratzte sie sich an der Wange. - »Äh, gibt es noch eine Möglichkeit für mich, unterzutauchen?«

Lorenza blinzelte, als erwachte sie aus einem kurzen Traum.

Erst jetzt schaute Cora sie genauer an.

Lorenza Guerrien mochte - nach irdischen Maßstäben gesehen - Mitte Dreißig sein. Sie war zwar keine verwirrende Schönheit, aber von durchaus ansprechendem Äußeren - und offensichtlich lesbisch, was Cora von sich selber nicht behaupten konnte.

Die brünetten Haare trug sie glatt zurückgekämmt und hinter dem Kopf zu einem fantasievollen Gebilde geknüpft. Das entsprach wohl der momentanen Haarmode. Das Gesicht war fein geschnitten, wenngleich etwas bleich, als hätte Lorenza lange keine Sonne gesehen.

Kein Wunder, wenn sie sich immer in diesem Bunker aufhält, konstatierte Cora.

Die ausdrucksstarken Augen ruhten auf ihr und machten sie sehr nervös.

Ihr Blick senkte sich, glitt über die schlanke Gestalt der Ärztin. Viel hatte sie nicht an und das wenige enthüllte Formen, die man als durchaus passabel bezeichnen konnte.

Cora blickte schnell weg.

Hatte sich Lorenza wirklich in sie verliebt?

Es wäre eine Erklärung für ihren selbstlosen Einsatz.

Endlich beantwortete sie Coras letzte Frage: »Sie haben recht. Wenn man Sie erst einmal vermisst, wird man auch hier suchen. Aber meine Wohnung grenzt an den medizinischen Bereich. Vielleicht gibt es dort eine Gelegenheit? Die Frage ist nur - was kommt danach? Ewig kann das Versteckspielen schließlich nicht dauern.«

»Wie meinen Sie das?«, fragte Cora erschrocken. Wollte sie sie los werden? Bereute sie, was sie für Cora getan hatte?

Lorenza winkte mit beiden Händen ab.

»Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Es muss eine Möglichkeit geben, Sie ganz nach draußen zu schmuggeln, verstehen Sie? Hier können Sie auf keinen Fall bleiben.« Sie erhob sich. »Aber machen wir uns darüber zu einem späteren Zeitpunkt Gedanken. Zunächst ist es einmal wichtig, dass wir Sie gut unterbringen.«

Damit war Cora einverstanden. Obwohl ihr bei der ganzen Sache nicht ganz einerlei war. Wenn Lorenza wirklich einmal echte Annäherungsversuche machte und Cora sich dagegen zur Wehr setzte... Was war dann? Nun, zur Zeit sah es nicht danach aus. Lorenza schien zu begreifen, dass Cora ihre Gefühle nicht erwiderte - und dies zu respektieren.

Sie ging zur Tür, öffnete sie und sicherte nach allen Seiten.

Gemeinsam traten sie hinaus, als die Luft rein war.

Cora ging hinter ihr her. Lorenza hatte einen atemberaubenden Gang.

Es fiel ihr zum ersten Mal auf. Wohl, weil sie normalerweise auf so etwas überhaupt nicht achtete. Wozu auch?

Feine Schweißperlen traten auf ihre Stirn. Sie wischte sie rasch weg.

Nur nichts anmerken lassen!, redete sie sich ein. Und: Einfach neutral bleiben! Das hilft bestimmt...

 

*

 

»Wo ist Ihre Kennmarke?«, schnappte Ted Hardy.

Johns Herz schlug bis zum Hals.

Petro Galinksi war zu wütend auf sich selbst, weil sie auf Hardy hereingefallen waren und vor allem, weil er sie trotz ihres letztendlich doch noch entstandenen Misstrauens so leicht hatte überwältigen können, als dass er zu einer Antwort fähig gewesen wäre.

John sagte: »Wir haben Sie verloren. Das wissen Sie doch bereits. Was soll das?«

Ted Hardy stieß ein humorloses Lachen aus. »Da fragen Sie noch?«

Er betrachtete sie von Kopf bis Fuß. Dann nickte er langsam und schürzte dabei die Lippen.

»Die Beschreibung stimmt.«

»Welche Beschreibung?« John ahnte längst schon etwas.

Ihre Blicke kreuzten sich.

»Können Sie sich das nicht denken?«

»Also gut, machen wir Schluss mit dem Versteckspielen!«, bellte Petro. »Was haben Sie mit den Leuten vom Geheimprojekt zu tun? Sind Sie ein Spitzel?«

Ted Hardy wiegte bedächtig mit dem Kopf.

»Spitzel? Ein hässliches Wort. Aber gut, wie Sie wollen, ich stehe im Dienst der Regierung. Meine Fahrt, die mich nach außerhalb führte, galt Ihnen.«

»Sie haben uns in eine Falle gelockt!« Petro Galinksi knirschte mit den Zähnen. Er machte Anstalten, sich auf Ted Hardy zu werfen, hielt sich aber rechtzeitig zurück. Es hätte seinen Tod bedeuten können.

»Ja, das habe ich«, bestätigte Ted Hardy.

»Und was haben Sie jetzt vor? Uns umbringen? Übergabe an Ihre Helfershelfer?«

»Ich beginne zu begreifen«, murmelte John Millory. »Das hätten Sie doch viel leichter haben können. Sie sahen die Flugmaschinen, als wir wegfuhren, wussten vielleicht sogar, dass sie unsertwegen unterwegs waren. Trotzdem zogen Sie mit uns ab. Nur, um uns in Sicherheit zu wiegen? Nein, das kann ich nicht glauben. Warum haben Sie nicht gleich Ihre Waffe eingesetzt, als Sie uns sahen?«

»Vielleicht wollte ich kein Aufsehen erregen?«

Petro Galinksi wurde hellhörig. Seine Wut verrauchte schlagartig und machte kühler Überlegung Platz. Ihm ging ein Licht auf.

Trotzdem ließ er John die Führung des Gesprächs.

»Das können Sie uns nicht erzählen. Sie hätten den Leuten nur zu sagen brauchen, wir seien zwei gesuchte Verbrecher.«

Ted Hardy grinste schief.

»Gut bemerkt. Aber erklären Sie mir doch, warum ich so handelte und nicht anders?«

»Wahrscheinlich aus persönlichen Gründen. Sie wollten über uns mehr erfahren. Die Erde steuert dem Untergang entgegen. Wer weiß schon, wodurch das eingeleitet wurde? Auf jeden Fall erscheint das Ende unaufhaltsam. Sie überlegen, ob es in dieser Zeit noch sinnvoll ist, Ihrem Auftraggeber absolute Loyalität entgegenzubringen. Möglicherweise sind wir recht interessant für Sie?«

Ted Hardys Gesicht wurde ernst. »Wie haben Sie es geschafft, ungesehen in das Sperrgebiet zu kommen? Man sagte mir, Sie seien mitten in der Versuchsanordnung aufgetaucht.«

»Welchem Zweck dient die Anlage überhaupt?«, lenkte John Millory ab.

Ted Hardy zögerte.

»Also gut, es ist nichts zu verlieren, nur zu gewinnen. Sie sind sich doch darüber im klaren, dass dieses Interview tödlich für Sie endet, wenn es nicht zu meiner Zufriedenheit verläuft? Ich bin schon zu weit gegangen, als dass ich Sie am Leben lassen könnte. Und machen Sie sich keine Sorgen, was meine Vorgesetzten betrifft. Bei dem kurzen Zwischenspiel mit den Plünderern habe ich hinlänglich bewiesen, dass ich zu handeln weiß. Kommen wir auf das Projekt zu sprechen. Viel weiß ich nicht, es geht aber um eine neue Methode zur Energieerzeugung. Umwandler sind im Einsatz. Sie setzen einfach vorhandene Kräfte in brauchbare Energien um. Eine Abwandlung des Gaarson-Effektes.«

Abwandlung des Gaarson-Effektes? Das war das Stichwort für John. Er dachte: Die haben schon länger diese Probleme: Zunehmende Unwirksamkeit des Gaarson-Effektes, was irgendwann nach der ersten Katastrophe und dem damit verbundenen Einläuten des Gaarson-Gate-Zeitalters auftrat.

Von allein?

Nein!, entschied er im stillen - und spürte dabei, dass er der Lösung des Problems schon sozusagen hautnah war: Die vorangegangenen Kriege hatten dies verursacht!

Wer wusste denn, welche Art von Waffen da zum Teil eingesetzt worden waren? Vielleicht welche, die auf dem Gaarson-Effekt beruhten und dadurch erst die neuerliche Veränderung der Raum-Zeit-Struktur verursachten?

Das leuchtete John zwingend ein.

Die daraus resultierende Energieverknappung hatte zu einer völligen Umstrukturierung der Wirtschaft, Gesellschaft und der Kultur geführt. Und jetzt war man bemüht, doch noch einen Weg aus dem Dilemma zu finden? Durch neuerliche Veränderung der Raum-Zeit-Struktur?

John erinnerte sich an die Effekte, deren Zeugen sie anfangs geworden waren. Und dann hörte er weiter zu: »Eines Tages wird dieses Prinzip vielleicht ausgereift sein. Dann wird es nie mehr Probleme geben. Längst schon sind die Fachleute so weit, dass sie mehr Energie erzeugen können, als der Vorgang selbst dabei beansprucht.«

Petro Galinksi runzelte die Stirn. Ihm kam ein Gedanke: »Soll das heißen, dass man dabei überhaupt nicht mehr auf Rohstoffe angewiesen ist? Man kann somit auch Blitze, kinetische Kräfte und dergleichen umwandeln - anders als beim Gaarson-Effekt?«

»In Grenzen natürlich. Das Prinzip lässt sich überall anwenden, wo es natürliche Energie in beliebiger Form gibt.«

»Auch Wärme?«, warf John ein. »Soll das heißen, dass man auch Wärme in brauchbare Energie umwandeln kann?«

Ted Hardy nickte nur.

Petro und John tauschten einen betroffenen Blick.

»Dann wurde die Eiszeit von dem Geheimprojekt dort draußen erzeugt!«, behauptete Petro Galinksi.

Hardys Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.

»Sehen Sie, ich hege einen ähnlichen Verdacht. Sie müssen wissen, dass es mehrere dieser Anlagen gibt. Insgesamt fünf, verteilt über die Erde. Zum letzten großen Experiment wurden sie zusammengeschaltet. Sie arbeiten absolut synchron und vollautomatisch. Sie haben die Kuppel gesehen. Die Wissenschaftler, die mit der Sache betraut sind, sitzen darin. Selbst die Wachmannschaften wissen kaum, was sie da überhaupt bewachen. Deshalb gibt es keinen Kontakt zwischen ihnen und den Wissenschaftlern.«

John erschrak. »Aber dann ist es doch möglich, dass man über das Ziel hinausgeschossen ist! Vielleicht hat es einen Unfall gegeben, vielleicht hat sich die Anlage selbständig gemacht? Die Wissenschaftler sind machtlos, ja, vielleicht tot.« Tot? Er dachte an das Gate, mit dem sie gekommen waren: Eine Möglichkeit, die hier kein Mensch in Betracht zu ziehen schien. Also war das Gate heimlich initiiert worden, auch verheimlicht vor den Wachmannschaften. Und wieso?

Die Wissenschaftler sind damit längst geflohen! Also gibt es mit dieser Gate-Norm noch eine andere Verbindung, zu einem anderen Planeten als Vetusta! Und es ist vielleicht das einzige Gate auf diesem ganzen Eisplaneten, das überhaupt initiiert wurde.

Aber existiert es denn überhaupt noch? Sie hatten doch gesehen, dass es...

Er verdrängte diesen pessimistischen Gedanken und fuhr laut fort: »Energie wird erzeugt, der Atmosphäre dadurch Wärme entzogen, immer mehr. Aber wo bleiben die Energien? Sie werden nicht verbraucht, speichern sich, bis die Speicher-Kapazitäten nicht mehr ausreichen. Eine Katastrophe, zu der die Eiszeit nur die Einleitung ist!«

Petro Galinksi begehrte auf. »Aber warum haben die Wissenschaftler das nicht vorausgesehen? Sie konnten sich doch denken, dass sie eine neue Eiszeit heraufbeschworen!«

Ted Hardy hatte eine Antwort darauf: »Vielleicht wollte man die Einleitung einer Eiszeit! Ich weiß es nicht sicher, aber vor einiger Zeit war im Gespräch, die Polkappen zu vergrößern. Wegen der Trinkwasserversorgung.

Rein theoretische Erwägungen, die damals jeglicher Grundlage entbehrten - so schien es jedenfalls. Aber dann hat man diese neue Art der Energieerzeugung entdeckt und trieb das Projekt mit Hochdruck voran. Kein Wunder, dass man auf größte Geheimhaltung Wert legen musste. Das Volk wäre auf die Barrikaden gegangen. Die Wissenschaftler indessen schlugen gewissermaßen zwei Fliegen mit einer Klappe. Aber jetzt ist die Katastrophe kaum noch aufzuhalten. Man ist nicht mehr fähig, die Geister zu bändigen, die man gerufen hat.«

John ballte die Hände zu Fäusten.

»Erkennt man das an verantwortlicher Stelle nicht?«

Ted Hardy schüttelte den Kopf.

»Sie verkennen immer noch die allgemeine Situation. Nur wenige Spitzenpolitiker in der Regierung sind eingeweiht. Sie haben selber gesehen, wie stark die Anlagen bewacht werden. Um wirklich nachdrücklich einzugreifen, müssen diese Politiker die Maske fallenlassen und an die Öffentlichkeit treten. Glauben Sie wirklich, die wagen das? Es würde sie Kopf und Kragen kosten.«

»Lieber lassen sie die Welt untergehen!«, rief Petro Galinksi erbittert.

 

*

 

»Kommen wir auf Sie beide zurück. Wie haben Sie es geschafft, unbemerkt einzudringen?«

»Ich verstehe jetzt, warum Sie diese Information brauchen. Sie wollen nicht mehr länger abwarten und die Sache selber in die Hand nehmen, was? Demnach stehen Sie nicht allein?«

»Sie sehen das richtig!« Ted Hardy lächelte entwaffnend. »Nun, wie sieht es aus?«

Auch John lächelte jetzt. Er schüttelte den Kopf.

»Noch nicht, Ted Hardy. Wir sind so lange für Sie von Wichtigkeit, wie Sie auf eine Antwort warten!«

Wütend stieß Ted Hardy den Arm mit der Waffe vor. Es hatte den Anschein, als wollte er John erschießen.

Im Augenblick achtete er nicht auf Petro Galinksi.

Das war sein Fehler. Einen Mann wie Petro Galinksi durfte man nicht unterschätzen.

Blitzschnell packte Petro zu. Er erwischte das Handgelenk Hardys. Sein Griff war so fest, dass das Handgelenk knackte. Im Moment konnte Hardy seine Hand nicht mehr gebrauchen. Die Waffe wechselte ihren Besitzer.

Petro stieß Hardy die Hand vor die Brust. Der Agent taumelte rückwärts gegen die Wand. Aber er erholte sich überraschend schnell. Während er noch sein schmerzendes Handgelenk massierte, maß er Petro Galinksi mit wütenden Blicken.

»Drehen wir den Spieß um, mein Freund«, sagte Petro bedächtig. »Ich habe es nicht gern, wenn man mit einem solchen Ding vor meinem Bauch herumfuchtelt. Lieber stehe ich dahinter als davor!«

»Hoffentlich wissen Sie auch damit umzugehen«, entgegnete Hardy zynisch.

»Da würde ich mir an Ihrer Stelle keine Sorgen machen. Ich habe da so meine Begabung, was technische Dinge betrifft.«

»Was wollen Sie tun? Mich erschießen?«

»Unser Gespräch hat mich sehr neugierig gemacht. Ich würde gern mehr über Ihre Verbündeten wissen.«

»Wozu eigentlich?«

»Vielleicht haben wir ebenfalls ein Interesse daran, das drohende Unheil von der Erde abzuwenden?«

Im Gesicht Hardys zuckte es.

»Wann endlich wollen Sie mir sagen, wer Sie überhaupt sind?«

John bemühte sich um eine Antwort.

»Sehen Sie uns einfach als Fremde an, denen die Belange der Menschheit am Herzen liegen.«

»Damit soll ich mich begnügen?«

»Tut mir leid, aber mehr ist nicht vorgesehen!«

»Es genügt auch!«, sagte eine Stimme von der Zwischentür her.

Petro und John fuhren herum. Ein Mann tauchte in der sich öffnenden Tür auf. Hinter ihm drängten sich mehrere Personen. Alle waren bewaffnet und trugen entschlossene Mienen zur Schau.

»Sie wollten seine Verbündeten sprechen - hier sind sie!« Der Mann deutete auf sich und die anderen. Petro und John wichen mit dem Rücken zur Wand zurück. Noch immer hatte Petro die Waffe in der Hand.

Der Mann schüttelte den Kopf. »Geben Sie sich keine Mühe. Der Strahler ist längst unbrauchbar. Ted Hardy ist kein Stümper. Er hat sie Ihnen absichtlich überlassen, um auf diese Weise mehr zu erfahren. Sie sind in unserer Hand. Finden Sie sich damit ab.«

Petro Galinksi starrte auf die Waffe. Er versuchte, einen Warnschuss gegen die Decke abzugeben.

Es gelang ihm nicht! Und mit den Paralysern konnten sie gegen diese Übermacht auch nichts ausrichten. Vor allem war es zu spät, sie zu ziehen. Es hätte früher geschehen müssen.

Petro Galinksi ließ die Waffenhand sinken. Sie ergaben sich. Dabei fühlten sie sich alles andere als wohl. Was erwartete sie?

Die anderen hatten sich ein sehr schwer erreichbares Ziel gesteckt und niemand wusste besser als Petro Galinksi und John Millory, dass sie eigentlich gar keine Hilfe waren, wenn es darum ging, die Versuchsanlage zu erobern und die ungesteuerte Energieproduktion zu stoppen.

Sobald das den Männern klar wurde, war ihr Leben nichts mehr wert.

 

*

 

Sie waren plötzlich da, wie aus dem Boden gewachsen.

Cora und Lorenza erschraken, doch es gab keinen Ausweg.

Die Uniformierten versperrten ihnen den Weg.

Sie waren zu fünft, bis an die Zähne bewaffnet. Auch wenn Cora eine Waffe besessen hätte, wäre sie ihr nicht von Nutzen gewesen.

Aus!, dachte sie resignierend. Aus und vorbei!

Aber es war noch nicht vorbei! Lorenza nämlich bewies Geistesgegenwart. Sie stieß den angehaltenen Atem aus.

»Himmel, haben Sie mich erschreckt, Francesco!«

»Schlechtes Gewissen, meine Liebe?«, grinste der Uniformierte. Er schien die Gruppe anzuführen.

»Natürlich - wenn ich Sie sehe, immer. Sie sollten mich nicht ärgern, Francesco. Vielleicht ergibt sich einmal die Gelegenheit und Sie sind dann mir ausgeliefert. Sie kennen ja die Möglichkeiten eines Arztes.«

Er schüttelte sich.

»Soll ich mich jetzt fürchten, Lorenza? Sollte sich hinter der Maske der holden Weiblichkeit der Satan verbergen?«

Sie lachten beide. Die vier Begleiter Francescos hüteten sich, in das Lachen ihres Vorgesetzten einzufallen. Offenbar achtete man hier streng auf Disziplin. Gemäß dem Motto, dass ein Soldat nur zu lachen hat, wenn es ihm befohlen wird.

Auch Cora blieb ernst. Sie war gerade dabei, die Entstehung eines Magengeschwürs zu verhindern, indem sie sich einredete, dass alles in Ordnung war und keine Gefahr drohte - wenigstens nicht direkter Art.

Doch das Unheil nahm unaufhaltsam seinen Lauf.

»Wer ist das eigentlich?«, fragte Francesco und deutete auf Cora.

Cora vermeinte so etwas wie Misstrauen in seinen Augen aufleuchten zu sehen.

Lorenza wurde nervös. Sie beherrschte sich jedoch eisern.

»Eine neue Assistentin. Sehr fähig. Sie wissen ja, dass hier nur die besten der Besten eingesetzt werden. Ich schlage vor, Sie halten sich gut mit ihr. Man kann nie wissen...«

Francesco winkte ab.

»Werde es mir merken. Wie heißt sie denn? Scheint stumm zu sein, hm?«

»Cora Stajnfeld«, sagte die Gate-Springerin und lächelte unverbindlich.

»Sieht ziemlich fähig aus. Dann wird es wohl umgekehrt sein: Sie sind ihr Assistent, Lorenza!«

»Gewonnen, Francesco. Sehen Sie, deshalb wette ich nie mit Ihnen. Im Moment allerdings bin ich der Boss. Einer muss sie schließlich einführen und mit allem vertraut machen, oder?«

»Nur seltsam, dass ich nichts davon weiß«, murmelte Francesco nachdenklich.

»Dann wird es aber wirklich Zeit.«

Francesco hob die Rechte.

»Reichen wir uns die Patschhändchen, Cora. Will hoffen, dass Sie nicht so knochentrocken sind, wie Sie aussehen.«

»Besser trocken aussehen, als noch nass hinter den Ohren sein!«, konterte Cora und ergriff die angebotene Rechte.

Der Mann lachte herzlich.

»Sie sind schon richtig. Lorenzas Freunde sind auch meine Freunde. Aber lassen Sie die Finger von ihr. Wenn sie endlich bereit ist, das Eis schmelzen zu lassen, habe ich die älteren Rechte.«

»Keine Sorge«, versicherte Cora reinen Gewissens, »ich habe wirklich nichts mit ihr im Sinn.«

»Das will ich hoffen.«

Cora hatte plötzlich das Gefühl, ihre Hand wäre in einen Schraubstock geraten. Endlich wurde sie wieder losgelassen.

Die Uniformierten gingen weiter, nachdem sich der Anführer verabschiedet hatte.

Endlich ist der Kelch vorüber, dachte Cora aufatmend.

Sehr vorschnell von ihr!

Als sie sich in Bewegung setzten, holte sie Francescos Stimme ein: »Moment noch!«, rief er durch den Gang, »da wäre doch noch etwas!«

Cora blieb stehen. Sie wagte es gar nicht, sich umzudrehen.

Hatte sie der Mann jetzt doch noch erkannt?